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Bescheidbeschwerde – Senat – Beschluss, BFG vom 08.07.2020, RV/5100606/2018

Beschwerdevorentscheidung betreffend nicht mit Beschwerde angefochtener Bescheide, Zurückweisung des Vorlageantrages

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Ri1, den richterlichen Beisitzer ***1***, den fachkundigen Laienrichter P und den fachkundigen Laienrichter LP im Beisein der Schriftführerin MS über den Vorlageantrag vom des Beschwerdeführers ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch den mit Zustellvollmacht ausgewiesenen Herrn FM gegen die Bescheide des Finanzamtes Braunau Ried Schärding, 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 60 betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2006 - 2009, jeweils vom , nach der am über Antrag der Partei (§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO) in Linz abgehaltenen öffentlichen Verhandlung beschlossen:

I)
Der Vorlageantrag wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. d iVm § § 260 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) als nicht zulässig zurückgewiesen.

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

  • Verfahrensgang

Nach mehreren Anregungen auf amtswegige Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2006 - 2009 stellte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz BF) mit Schreiben vom den Antrag, die Einkommen- und Umsatzsteuerverfahren 2006 - 2009 gem. § 303 Abs 1 BAO wiederaufzunehmen, weil nach Abschluss dieser Verfahren Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen seien und die Kenntnis dieser Umstände im Spruch anderslautende Bescheide herbeigeführt hätte. Vorgebracht wurde, dass der BF bis Ende April 2000 als EDV-Dienstleister selbständig tätig gewesen sei und daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Am sei der Werkvertrag zu seinem einzigen Auftraggeber aufgelöst und in ein Dienstverhältnis "umgewandelt" worden, sodass er seit dieser Zeit ausschließlich nichtselbständig tätig gewesen sei. Diese Verhältnisse habe der BF dem Finanzamt erst am mitgeteilt. Da die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide der Jahre 2006 - 2009 noch dem Rechtsbestand angehörten und er in diesen Jahren keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe, habe er am die fehlenden Umsatz- und Einkommensteuererklärungen der Jahre 2006 - 2009 mit dem Ersuchen an das Finanzamt übersandt, die Veranlagungsverfahren der betreffenden Jahre von Amts wegen wiederaufzunehmen. Die für das Finanzamt neue Tatsache, dass der BF in den betreffenden Jahren nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt habe, könne er durch eine bereits am an das Finanzamt übersandte Bestätigung seines Arbeitgebers vom beweisen. Hänge eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages ab, so stehe gem. § 209a Abs 1 BAO der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn der Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde, wobei gem. § 209a Abs 4 BAO die am eigereichten Abgabenerklärungen dann als Anträge im Sinnes des § 209a Abs 2 BAO gelten würden, wenn die nach Eintritt der Verjährung vorzunehmende Abgabenfestsetzung zu einer Gutschrift führen würde.

Mit Bescheiden jeweils vom wurde der gegenständliche Antrag vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Aufgrund der jüngsten Rechtsprechung des VwGH sei abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen sei.

Mit Schreiben vom wurde vom BF Beschwerde gegen die angeführten Bescheide eingebracht, wobei der BF im Wesentlichen darauf verwies, dass bei den vom Finanzamt angeführten Beschlüssen des VwGH die Zurückweisung der Revisionen nur deshalb erfolgt sei, weil dort keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorgelegen sei. Im vorliegenden Fall gehe es aber auch darum, ob die Abgabenbehörde anlässlich der Erledigung eines Wiederaufnahmeantrages zusätzlich zu prüfen habe, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme von Amts wegen vorliegen würden.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2006 - 2009 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, wobei in der Begründung abermals darauf verwiesen wurde, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des VwGH bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen sei.

Mit Schreiben vom stellte der BF den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag). Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung komme in der Rechtsprechung des VfGH in der Weise zum Ausdruck, dass, wenn die Abgabenbehörde wahrnehme, dass die Voraussetzungen für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben seien, sie diese - gleichgültig ob zum Vorteil oder zum Nachteil des Abgabepflichtigen - zu verfügen habe.

Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Am fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

  • Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Der BF meldete im Jahr 1999 eine gewerbliche Tätigkeit (Erbringung von EDV-Dienstleistungen) beim Finanzamt an. Ab dem Jahr 2001 wurden vom BF - trotz Erinnerungen und Verhängung von Zwangsstrafen - keine Abgabenerklärungen mehr eingereicht. Seitens des Finanzamtes wurden Umsatz- und Einkommensteuerbescheide im Schätzungsweg, u.a. auch für die Jahre 2006 bis 2009 erlassen.

Mit Schreiben vom stellte der BF den Antrag, die Umsatz- und Einkommensteuerverfahren 2006 - 2009 gem. § 303 Abs 1 BAO wiederaufzunehmen. Mit Bescheiden jeweils vom wurde der Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2006 - 2009 vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Mit Schreiben vom wurde vom BF Beschwerde gegen die Abweisungsbescheide vom eingebracht. Mit Beschwerdevorentscheidungen vom betreffend die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2006 - 2009 wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

  • Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In Befolgung dieser Grundsätze ist der oben dargestellte Sachverhalt deshalb wie folgt zu würdigen.

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des BF sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes und ist insoweit unstrittig.

  • Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Die für die Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 260 Abs. 1 BAO

Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

1. nicht zulässig ist oder

2. nicht fristgerecht eingebracht wurde.

§ 264 Abs. 1 BAO

Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.

§ 264 Abs. 4 lit. e BAO

Für Vorlageanträge sind sinngemäß anzuwenden:

e) § 260 Abs. 1 (Unzulässigkeit, nicht fristgerechte Einbringung).

§ 278 Abs. 1 BAO lautete auszugsweise

Ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes

a) weder als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen (§ 260) noch

b) als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2, § 86a Abs. 1) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3, § 261) zu erklären,

….

Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (zB ; , 2006/17/0360; , 2009/15/0152; , 2010/17/0053, 0054; , 2010/15/0195). Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte (zB -0289; , 2006/16/0129). Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich (vgl. Ritz, BAO6 mit Verweis auf ; , 2009/15/0152).

Aus dem Inhalt der Beschwerde vom geht eindeutig hervor, dass die Beschwerde gegen die Bescheide des Finanzamtes vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2006 - 2009 gerichtet ist.

Für das Bundesfinanzgericht ergibt sich somit zweifelsfrei, dass gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2006 - 2009 (Sachbescheide) keine Beschwerde eingebracht wurde. Auch wurden mit Datum vom vom Finanzamt nur die vorhin angeführten Bescheide betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2006 - 2009 erlassen.

Die Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes vom betreffen jedoch die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2006 - 2009 (Sachbescheide).

Eine unabdingbare Voraussetzung für einen Vorlageantrag ist die Einbringung einer Bescheidbeschwerde (§ 243 BAO). Rechtzeitige und zulässige Vorlageanträge führen dazu, dass die Bescheidbeschwerde wieder als unerledigt gilt. Da eine Bescheidbeschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2006 - 2009 nicht eingebracht wurde, war der gegenständliche Vorlageantrag im Sinne des § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Seitens des Bundesfinanzgerichtes wird darauf hingewiesen, dass die Beschwerde vom gegen die Bescheide betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO hinsichtlich Umsatz- und Einkommensteuer 2006 - 2009 noch unerledigt ist.

  • Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen). Auch eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Soweit Rechtsfragen für die hier zu klärenden Fragen entscheidungserheblich sind, sind sie durch höchstgerichtliche Rechtsprechung ausreichend geklärt (siehe oben), nicht von grundsätzlicher Bedeutung oder die anzuwendenden Normen sind klar und eindeutig.

Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 lit. e BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100606.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at