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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.07.2020, RV/3100453/2020

Zurückweisung wegen fehlender Heilung des Zustellmangels iSd § 7 ZustG

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterName_A in der Beschwerdesache Beschwerdeführerin, Anschrift_A vertreten durch Person_A, betreffend Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes_A vom betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2010 bis 2015 beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO iVm § 278 BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG ) nicht zulässig.

Begründung

1.) Sachverhalt:
Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Kommanditgesellschaft in Liquidation (siehe Firmenbuchauszug zu FN_1 vom ). Nach Pkt. 22.1 des Vertrages über die Errichtung einer Kommanditgesellschaft vom obliegt - mangels eines fehlenden abweichenden Gesellschafterbeschlusses nach Funktionsniederlegung durch Person_B (siehe Schreiben vom ) - Person_A als persönlich haftender Gesellschafter die Liquidation und die Vertretung der Beschwerdeführerin nach § 81 BAO (siehe Vertrag über die Errichtung einer Kommanditgesellschaft vom ).

Die Beschwerdeführerin hat der Kanzlei Steuerberater_A, Ort_A, nie eine Zustellungsbevollmächtigung erteilt (siehe die diesbezüglich von der Beschwerdeführerin im Schreiben vom unwidersprochene Feststellung des Bundesfinanzgerichtes vom sowie die Datenbank des Bundesministeriums für Finanzen).

In Folge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Außenprüfung zur ABNr.:_1 fertigte das Finanzamt_A ua. die an "Beschwerdeführerin z.H. Steuerberater_A, Anschrift_B" adressierten, als Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2015 bezeichneten Schriftstücke (sämtliche mit Ausfertigungsdatum ) aus und stellte diese an die Steuerberater_A zu (siehe die "Umsatzsteuerbescheide" vom , den Bericht des Finanzamtes_A gemäß § 150 BAO über das Ergebnis der Außenprüfung vom , ABNr.:_1, und das Schreiben der Steuerberater_A vom ).

Die Beschwerdeführerin erhob vertreten durch Person_A als persönlich haftenden Gesellschafter der Beschwerdeführerin - nach Fristerstreckung - mit Schreiben vom fristgerecht Bescheidbeschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2015. Das Finanzamt_A legte auf Antrag der Beschwerdeführerin die Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht direkt ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung vor (siehe Beschwerde vom sowie Vorlagebericht des Finanzamtes_A vom ).

Steuerberater_A teilte dem Finanzamt_A mit Schreiben vom mit, dass Person_A die zu Steuernummer_1 Beschwerdeführerin ergangenen Bescheide für die Jahre ua. 2010 bis 2015 zugestellt erhalten habe.
Über Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom brachte die Beschwerdeführerin im Schreiben vom ergänzend vor wie folgt:
"In umseitig ausgewiesener Beschwerdesache wird zunächst höflich mitgeteilt, dass die Steuerberater_A die Beschwerdeführerin Beschwerdeführerin nicht vertritt. …
Mit Schreiben des eingelangt am , wurde Person_A in der Beschwerdesache der Beschwerdeführerin betreffend die Umsatzsteuerbescheide 2010 bis 2015, vom , gebeten, mitzuteilen, "zu welchem Zeitpunkt und auf welche Art und Weise er Kenntnis von den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheiden erlangte". Die streitanhängigen Umsatzsteuerbescheide (sowie auch die Bescheide über die Feststellung von Einkünften) der Jahre 2010-2015 wurden zunächst der Steuerberater_A am am Postwege zugestellt. Diese Bescheide befinden sich im Original, seit dem durchgehend in den Kanzleiräumen in Ort_A. Der persönlich haftende Gesellschafter Person_A erhielt diese Bescheide, in Form von Fotokopien, anlässlich einer Besprechung am in den Geschäftsräumen des Peson_C (Firma_A) in Anschrift_C um ca. 18:00, im Beisein von Herrn Rechtsanwalt_A und dem Sohn des Person_A, Person_D, ausgehändigt. Die ausgehändigten Kopien wurden von Steuerberater_A angefertigt. Dieser Umstand, dass Person_A Kenntnis von den Bescheiden erhielt, wurde bereits dem Finanzamt_A von der Steuerberater_A mit Email vom und Postsendung vom selben Tag schriftlich bestätigt. Zusammengefasst: Person_A erlangte am , ca. 18:00, Kenntnis von den streitgegenständlichen Bescheiden. Person_A erlangte diese Kenntnis in Form der Entgegennahme von Fotokopien dieser Bescheide." (siehe Schreiben vom ).

Die Steuerberater_A leitete die gegenständlichen Dokumente nicht in Original an Person_A weiter, sondern händigte an Person_A am lediglich Kopien hiervon aus (siehe Schreiben der Steuerberater_A vom ). Der Beschwerdeführerin wurden vertreten durch Person_A die als Umsatzsteuerbescheide 2010 bis 2015 titulierten Schriftstücke nicht in Original übergeben.

2.) Beweiswürdigung:
Der streitgegenständliche Sachverhalt ergibt sich aus der vorliegenden unstrittigen Aktenlage, insbesondere aus den oben näher bezeichneten Unterlagen.

3.) Rechtslage:
3. a) Gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt gemäß § 97 Abs. 1 lit a BAO bei schriftlichen Erledigungen abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen durch Zustellung.

Die Wirksamkeit von Erledigungen (somit deren rechtliche Existenz) setzt grundsätzlich voraus, dass sie dem Adressaten bekannt gegeben werden. Vor Bekanntgabe entfaltet zB ein Bescheid keinerlei Rechtswirkungen. Ein Bescheid gehört erst mit seiner Erlassung dem Rechtsbestand an (; Ritz, BAO6, § 97 Tz 1).

Gemäß § 98 Abs. 1 BAO sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 , ausgenommen Abschnitt III (Elektronische Zustellung), vorzunehmen, soweit in der BAO - für den Beschwerdefall unerheblich - nicht anderes bestimmt ist.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung nach § 7 ZustellG als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Zustellmängel sind Rechtswidrigkeiten beim Zustellvorgang oder auf der Zustellverfügung. § 7 ZustellG ist anwendbar, wenn die Zustellverfügung an X zu Handen Y lautet, dem Y zugestellt wurde und der nicht zustellungsbevollmächtigte Y das Schriftstück an X weiterleitet, weil es nach der Zustellverfügung auch für X bestimmt sei (; ; ; , 0138; ; Ritz, BAO6, § 7 ZustG Tz 3f).

Ein tatsächliches Zukommen setzt nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes gelangt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes z.B. durch Übermittlung einer Ablichtung (vgl. Ritz, BAO6, ZustG § 7 Tz 7, und die dort wiedergegebene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Nach der ständigen Judikatur des VwGH und auch der überwiegenden Judikatur des Bundesfinanzgerichtes liegt eine Heilung des Zustellmangels iSd § 7 ZustG nicht vor, wenn die Erledigung dem Adressaten nicht im Original zugekommen ist (vgl. ua , , , , ).

Auch der Verfassungsgerichtshof hat im 793/95 unter Hinweis auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgesprochen, dass für eine rechtswirksame Zustellung es nicht hinreichend ist, dass der Empfänger vom Schriftstück - etwa durch Akteneinsicht - lediglich Kenntnis erlangt ( 04/0903/80 zum inhaltlich entsprechenden § 31 AVG ). Eine Sendung ist nur dann tatsächlich zugekommen, wenn sie (dh. die für den Empfänger bestimmte Ausfertigung) den Adressaten selbst wirklich erreicht, wenn ihm also das Schriftstück ausgehändigt wurde. Weder die vorherige Akteneinsicht des Rechtsvertreters des Einschreiters noch die Herstellung von Ablichtungen aus dem Akt ersetzt sohin die Zustellung des Bescheides (). Das Vorliegen eines Bescheides ist eine Prozessvoraussetzung, die im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens (VfSlg. 7925/1976) und darüber hinaus während der ganzen Dauer des Verfahrens gegeben sein muss (VfSlg. 8824/1980). Zwar kann eine Beschwerde gegen einen Bescheid bereits erhoben werden, bevor er dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet wurde (VfSlg. 9068/1981, 10637/1985), doch muss er überhaupt erlassen, dh. einer (anderen) Partei zugestellt oder verkündet worden sein (siehe Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 96).

Wenn die Kenntnisnahme (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert ebenso wenig der Umstand, dass der Empfänger ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück einbringt, die fehlende Zustellung (Ritz, BAO6, § 7 ZuStG Tz 7).

3. b) Nach § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262 BAO) oder Beschluss (§ 278 BAO) zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist (lit. a) oder nicht fristgerecht eingebracht wurde (lit. b).

Eine Bescheidbeschwerde ist vor allem unzulässig bei mangelnder Bescheidqualität (Ritz, BAO6, § 260 Tz 5). Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Daher sind Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter als unzulässig zurückzuweisen (VwGH 15.2.2006, 2005/13/0179; VwGH 22.3.2006, 2006/13/0001; VwGH 28.11.2007, 2004/15/0131, 0132; VwGH 11.11.2010, 2010/17/0066). Zurückzuweisen ist eine Bescheidbeschwerde gegen einen mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (; ; ; Ritz, BAO6, § 260, Tz 8f).

3. c) Die Entscheidung obliegt nach § 272 Abs. 2 Z 1 BAO ua. dem Senat, wenn dies in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wird. Obliegt die Entscheidung über Beschwerden dem Senat, so können nach Abs. 4 leg.cit. die dem Verwaltungsgericht gemäß § 269 BAO eingeräumten Rechte zunächst vom Berichterstatter ausgeübt werden. Diesem obliegen auch zunächst die Erlassung von Mängelbehebungsaufträgen (§ 85 Abs. 2 BAO) und von Aufträgen gemäß § 86a Abs. 1 BAO sowie Zurückweisungen (§ 260 BAO), Zurücknahmeerklärungen (§ 85 Abs. 2 BAO, § 86a Abs. 1 BAO), Gegenstandsloserklärungen (§ 256 Abs. 3 BAO, § 261 BAO), Verfügungen der Aussetzung der Entscheidung (§ 271 Abs. 1 BAO) und Beschlüsse gemäß § 300 Abs. 1 lit. b BAO.

Über die Beschwerde hat nach § 274 Abs. 1 Z 1 BAO eine mündliche Verhandlung ua. dann stattzufinden, wenn es in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wird. Der Senat kann nach § 274 Abs. 3 BAO ungeachtet eines Antrages (§ 274 Abs. 1 Z 1 BAO) von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260 BAO, Z 1), als zurückgenommen (§ 85 Abs. 2 BAO, § 86a Abs. 1 BAO) oder als gegenstandslos (§ 256 Abs. 3 BAO, § 261 BAO) zu erklären ist (Z 2) oder wenn eine Aufhebung unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erfolgt (§ 278 BAO, Z 3).

4.) Erwägungen:
4. a) Die streitgegenständlichen, als Umsatzsteuerbescheide 2010 bis 2015 titulierten Schriftstücke stellte das Finanzamt_A an die Steuerberater_A zu. Durch Übermittlung der Schriftstücke an die nicht zustellungsbevollmächtigte Steuerberater_A kamen somit diese Schriftstücke der Beschwerdeführerin nicht bzw. nicht rechtswirksam zu.

Die Steuerberater_A händigte in Folge der durch Person_A vertretenen Beschwerdeführerin die streitgegenständlichen Schriftstücke nicht in Original, sondern nur in Form von Ablichtungen (Fotokopien) aus. Diese kamen somit der Beschwerdeführerin nicht tatsächlich iSd § 7 ZustG zu. Eine "faktische Bekanntgabe" an die Beschwerdeführerin durch Übermittlung von Fotokopien reicht für die Heilung des Zustellmangels nicht aus.

Im gegebenen Fall liegt somit keine Heilung eines Zustellmangels gemäß § 7 ZustellG vor. Die als "Umsatzsteuerbescheide 2010 bis 2015" (mit Ausfertigungsdatum ) titulierten Schriftstücke des Finanzamtes_A wurden der Beschwerdeführerin nicht rechtswirksam zugestellt. Die Schriftstücke haben daher mangels Zustellung keinerlei Rechtswirkungen entfaltet.

Da keine Heilung des Zustellmangels iSd § 7 ZustG durch "tatsächliches Zukommen" der als Umsatzsteuerbescheide 2010 bis 2015 intendierten Erledigungen erfolgt ist, ist die Beschwerde wegen Unzulässigkeit zurückzuweisen.

4. b) Ist eine Bescheidbeschwerde nach § 260 BAO für unzulässig zurückzuweisen, so hat - ungeachtet eines Antrages nach § 272 BAO und § 274 BAO - der Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch den Einzelrichter zu ergehen. Es bedurfte sohin im vorliegenden Fall weder der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung noch der Entscheidung durch einen (Voll)Senat des Bundesfinanzgerichtes.

5.) Revision:
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der zitierten einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Zurückweisung der Beschwerde ergibt sich schon aus dem Gesetzestext, sodass eine Revision nicht zuzulassen war. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher unzulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 7 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100453.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at