Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 02.06.2020, RV/7106343/2016

Festsetzung von Lohnabgaben im Zusammenhang mit nicht anerkanntem Fremdleistungsaufwand

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Mag. Manfred Takacs, Amtshausgasse 2/1, 7132 Frauenkirchen, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Haftung für Lohnsteuer gemäß § 82 EStG 1988 für die Jahre 2009 bis 2011 und Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für 2009, Steuernummer 198/4968, zu Recht erkannt:

1. Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer gemäß § 82 EStG 1988 für die Jahre 2009 bis 2011 wird teilweise Folge gegeben.

Diese Bescheide werden abgeändert und die Lohnsteuer wie folgt festgesetzt:


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2009
2010
2011
1.446,37 €
1.523,55 €
1.693,96 €

2. Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrags (DB) und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für 2009 wird teilweise Folge gegeben.

Diese Bescheide werden abgeändert. Die Bemessungsgrundlage (BMG) und die Höhe der Abgaben betragen:


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BMG
DB
DZ
87.515,53 €
3.938,20 €
350,06 €

3. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bericht vom wurde eine die Jahre 2009 bis 2011 umfassende abgabenbehördliche Prüfung abgeschlossen und festgestellt, dass es sich bei den von den Firmen ***1***, ***2*** und ***3*** erstellten Rechnungen um Schein- bzw. Deckungsrechnungen gehandelt habe.

Es seien zum Schein Arbeiter auf nicht mehr operative Gesellschaften angemeldet worden, um keine Lohnabgaben und Sozialversicherungsbeiträge entrichten zu müssen. In weiterer Folge seien Schein- bzw. Deckungsrechnungen ausgestellt worden, um den Aufwand des Beschäftigers weiter zu verrechnen. Werde Personal bei einem Unternehmen tatsächlich beschäftigt, formell jedoch bei einem anderen Unternehmen angemeldet, sei nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der tatsächliche Beschäftiger Dienstgeber dieser Arbeitnehmer. Ihm obliege auch die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer und die Entrichtung der Lohnnebenkosten.

Die Arbeiter, deren Kosten formal über die nicht tätigen Subfirmen ***1***, ***2*** und ***3*** verrechnet worden seien, seien gemäß § 21 BAO in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Dienstnehmer des geprüften Unternehmens anzusehen.

Die geltend gemachten Betriebsausgaben aus den fingierten Rechnungen seien nicht anzuerkennen. Da aber davon auszugehen sei, dass die Arbeiten erbracht worden seien, werde der Aufwand gemäß § 184 BAO im Schätzungswege mit 50% des Aufwandes als Lohnaufwand anerkannt, da Erfahrungswerte zeigen würden, dass für "Schwarzarbeiten" etwa die Hälfte des Normalstundensatzes gezahlt würde.

Das Finanzamt folgte der Prüfungsfeststellung und zog die Bf zur Haftung für Lohnsteuer für den geschätzten Lohnaufwand in folgender Höhe heran:


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2009
2010
2011
geschätzter Lohnaufwand
58.373,97 €
67.457,93 €
75.623,20 €
Lohnsteuer
8.756,09 €
10.118,69 €
11.343,48 €

In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde wurde ausgeführt, der Bf sei kein Prüfungsauftrag für eine Lohnabgabenprüfung übermittelt worden, die Festsetzung von L, DB und DZ sei daher rechtswidrig.

Wegen der Rechtswidrigkeit der Lohnabgabenprüfung sei das Ermessen zur Festsetzung der streitgegenständlichen Lohnabgaben überschritten bzw. unrichtig ausgeübt worden. In diesem Zusammenhang sei auf den Prüfungsauftrag vom über den Zeitraum 2009-2011 verwiesen. Mit Bericht vom sei diese Prüfung ordnungsgemäß abgeschlossen worden. Die Behörde habe in weiterer Folge eine neue Prüfung desselben Zeitraumes durchgeführt und entsprechende Abgaben festgesetzt.

Die angefochtenen Bescheide würden auch eine Eintragung in der Rubrik Familienbeihilfe enthalten. Es handle sich dabei um die Summe aus L, DB und DZ des jeweiligen Jahres. Der Antrag auf Berichtigung der Bescheide sei zwar gehört, aber nicht umgesetzt worden.

Die Haftungsbescheide zur Lohnsteuer enthielten den Hinweis, dass die Festsetzung aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung für die Jahr 2009-2011 erfolge. Weder der Bescheid noch der Betriebsprüfungsbericht würden auf die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme der Bf eingehen. Es liege daher ein Begründungsmangel vor, die Bescheide seien daher rechtswidrig. Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers stehe im Ermessen der Behörde, die Ermessensübung sei entsprechend zu begründen.

Nach Ansicht des Finanzamtes sei nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise der tatsächliche Beschäftiger Dienstgeber der Arbeitnehmer. Ihm obliege die Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer. Die Arbeiter, deren Kosten formal über die nicht tätigen Subfirmen verrechnet worden seien, seien als Dienstnehmer der Bf zu sehen.

Teile man diese Ansicht, so habe bei der Arbeitskräfteüberlassung der Arbeitskräfteüberlasser keine Lohnverrechnung zu führen. Die Mitarbeiter seien dem Arbeitskräfteausleiher zuzurechnen. Fraglich sei jedoch, wie die Zahlung des Ausleihers an den Arbeitskräfteüberlasser zu werten sei.

Noch weitreichender wären die Auswirkungen im Werkvertragsverhältnis. Der Leistungserbringer, der Arbeitskräfte auf der Baustelle des Leistungsempfängers einsetze, schulde ein Werk und nicht die Leistungsbereitschaft der eingesetzten Arbeiter. Diese Arbeiter wären nach Sicht des Finanzamtes dem Leistungsempfänger zuzurechnen. Dies entspreche aber nicht dem täglichen Erwerbsleben. So habe der VwGH im Erkenntnis vom , 93/15/0051, ausgesprochen, dass die Beauftragung von Subunternehmern (etwa aus Kapazitätsgründen,...) durchaus üblich sei.

Bei der Heranziehung des § 21 Abs. 1 BAO übersehe das Finanzamt, dass ohne konkrete Ermittlungshandlungen eine Zurechnung von Mitarbeitern von Vertragspartnern nicht erfolgen dürfe. Die Regelungen über die wirtschaftliche Betrachtungsweise dienten der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, weil dadurch wirtschaftlich gleiches Geschehen trotz unterschiedlicher äußerer Erscheinungsform zu gleichen abgabenrechtlichen Konsequenzen führe. Durch die Zurechnung der Mitarbeiter zur Bf komme es zu keiner anderen abgabenrechtlichen Behandlung der Mitarbeiter.

Die von der Rechtsprechung garantierte Gestaltungs- und Vertragsfreiheit werde durch § 21 BAO nicht beeinträchtigt. Aus dieser Bestimmung sei nicht ableitbar, dass ein fingiertes Geschehen der Besteuerung zugrunde gelegt wird.

Gehe man davon aus, dass die Mitarbeiter auf den Reinigungsstellen, die von den Subunternehmern eingesetzt worden seien, der Bf zuzurechnen seien, habe es die Behörde unterlassen, die Kriterien, die für die Übernahme der Arbeitgebereigenschaft sprechen würden, zu überprüfen.

Aufgrund der unterstellten Scheinanmeldungen sei davon auszugehen, dass die Mitarbeiter bekannt seien. Die Behörde hätte daher die Mitarbeiter befragen können, wer ihr Chef sei. Denn nur der Chef könne wohl die Arbeitgeberfunktion ausüben. Diese Ermittlungshandlung sei vom Finanzamt nicht gesetzt worden. Interessanterweise geschehe die Umqualifizierung von Mitarbeitern nur bei Gesellschaften, die sich im Konkurs befänden, nicht aber bei noch aktiven Gesellschaften. Es scheine, dass die Behörde versuche, die Abschreibung der Abgaben zu verhindern, indem eine Zuordnung von Dienstnehmern zu noch tätigen Unternehmen geschaffen werde.

Die Auftraggeberhaftung sei in den §§ 67a ff ASVG und in § 82a EStG 1988 verankert. Das AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz sei mit in Kraft getreten. Damit habe der Gesetzgeber beabsichtigt, die gesetzlich vorgesehenen Beiträge und Umlagen zur Sozialversicherung im Baubereich sicherzustellen. Die Sicherstellung sei dabei durch Einführung einer Haftung für jene Unternehmen erfolgt, welche selbst zur Erbringung von Bauleistungen beauftragt worden seien und diese Aufträge entweder zur Gänze oder zum Teil an andere Unternehmen weitergegeben hätten.

Im Jahr 2010 sei die Auftraggeberhaftung auf die lohnabhängigen Finanzamtsabgaben ausgedehnt worden.

Die Bf habe die Bestimmungen des EStG und des ASVG eingehalten und die Auftraggeberhaftungsbestimmungen beachtet. Es seien die bestehenden Möglichkeiten genutzt und es sei penibel kontrolliert worden, ob zum Zeitpunkt der Zahlung des Werklohns die HFU-Listung vorhanden gewesen sei. Darüber hinaus habe die Bf die Identitäten, die Gewerbeberechtigungen, die UID-Bescheide, die aktuellen UID-Abfragen der Geschäftspartner aufgezeichnet und dem Finanzamt vorgelegt.

Es werde der Anschein erweckt, die Bf hätte sich ausschließlich Subunternehmen bedient und keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt.

Bei der Zurechnung von Aufwendungen seien die Bestimmungen des Auftraggeberhaftungsgesetzes zu beachten. Durch die wirtschaftliche Betrachtungsweise stünden die Bestimmungen des EStG und des ASVG im Bereich der Auftraggeberhaftung inhaltsleer im Raum. Die auch vom Gesetzgeber akzeptierte Subauftragsvergabe würde ad absurdum geführt, wenn nach Gutdünken des Finanzamtes die Abgaben dem Auftraggeber vorgeschrieben würden.

Die Festsetzung der Lohnabgaben sei somit rechtswidrig erfolgt.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, im Bericht vom seien hinsichtlich der Firmen ***1***, ***2*** und ***3*** konkrete Feststellungen gemacht worden, auf die sich die bekämpften Bescheide stützen würden. In der Beschwerde würden keine neuen Sachverhaltselemente vorgebracht, sondern die Würdigung der Behörde bekämpft, weil einerseits ein Prüfungsauftrag für die Lohnabgaben fehle und andererseits die Anwendbarkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht gegeben sei.

Dazu sei auszuführen, dass keine neuerliche Prüfung von Lohnabgaben vorgenommen worden sei. Die Festsetzung sei als Folge von konkreten Feststellungen im Zusammenhang mit der Ausgaben an die Subfirmen vorgenommen worden. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse seien für die geleisteten Zahlungen im Schätzungswege 50% als zu versteuernder Lohneinsatz anzusetzen.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag ergänzte der steuerliche Vertreter das Beschwerdevorbringen wie folgt:

Die Bf erbringe seit 13 Jahren Reinigungsleistungen. Aufgrund hoher Auftragsstände hätten die Aufträge nicht zur Gänze mit eigenem Personal durchgeführt werden können, weshalb Aufträge an Subunternehmen vergeben worden seien. Die Rechnungen der Subunternehmen seien als Fremdleistungen aufwands- und vorsteuerwirksam verbucht worden.

1. Mangelhafte Sachverhaltsermittlung

Wenn die belangte Behörde behaupte, dass es sich bei den gegenständlichen Belegen um Scheinrechnungen handle, so treffe sie die Beweislast und es wären alle Aufwendungen nicht als Betriebsausgabe anzuerkennen. Die Behörde habe nicht ermittelt, inwieweit die erbrachten Leistungen vom beauftragten Subunternehmer durch die tatsächlich beschäftigten Dienstnehmer, durch beauftragte Subsubunternehmer, durch den Geschäftsführer selbst oder im Rahmen familienhafter Mitarbeit erbracht worden seien.

Der VwGH definiere eine "Briefkastenfirma" als ein Unternehmen, das keinen geschäftlichen Betrieb habe und deswegen keine Leistung erbringen könne. Eine Briefkastenfirma erschöpfe sich demmach in einer Kombination aus Zustelladresse und Firmenbezeichnung.

Die belangte Behörde habe nicht dargelegt, hinsichtlich welcher Rechnungen sie aufgrund welcher Tatsachen welchen Tatbestand als erfüllt annehme. Sie versuche, das Vorliegen von Geschäftsbeziehungen zu "Briefkastenfirmen" damit zu begründen, dass Personen oder Vertreter im Inland nicht gemeldet seien oder dass Scheinadressen vorlägen. Sie übersehe aber, dass dies Zeiträume betreffe, in denen die Geschäftsbeziehungen zur Bf bereits beendet gewesen seien.

So könne der Vorwurf der "Scheinanmeldung" bzw. das Vorliegen einer "Briefkastenfirma" betreffend die Firma ***2*** im Zeitraum der aufrechten Geschäftsbeziehung nicht nachvollzogen werden. Der Gewerbestandort bzw. der Wohnsitz sei ab in ***4***, und ab in ***5***, gelegen. Dies sei der Gewerbeanmeldung bzw. dem Schreiben der WGKK vom sowie einer Bestätigung über die Hinterlegung einer Mietkaution der Hausverwaltung zu entnehmen. Die Geschäftsbeziehung sei im September 2010 beendet worden. Diese Firma habe von Oktober 2009 bis Februar 2010 laut einem Auszug des Steuerkontos Lohnabgaben gemeldet.

Zur ***3*** sei anzumerken, dass die Geschäftsbeziehung von Dezember 2010 bis August 2011 aufrecht gewesen sei. Der Geschäftsführer sei vom März 2010 bis Oktober 2011 im Inland gemeldet gewesen.

2. Verletzung des Parteiengehörs

Zum Nachweis des Bestehens der Subunternehmen seien von der Bf Firmenbuchauszüge, Ausweiskopien, Auszüge aus dem Gewerberegister, wiederholte UID-Validierungen, wiederholte Abfragen aus der HFU-Liste, ZMR-Abfragen, Schriftverkehr mit der SVA, etc. vorgelegt worden. Diese Unterlagen seien von der belangten Behörde in keinster Weise gewürdigt worden.

Es würden daher die Eingangsrechnungen samt Objektaufstellungen, die Leistungsbestätigungen und Regiescheine vorgelegt.

Die Behörde habe es unterlassen, der Bf die konkreten Personen zu nennen, deren Beschäftigung der Bf in wirtschaftlicher Betrachtungsweise vorgeworfen werde. Auch habe sie keine Auskunft darüber gegeben, ob und welche Lohnabgaben bei den tatsächlichen Dienstgebern festgesetzt worden seien und dort nicht einbringlich gemacht hätten werden können. Es werde daher der Beweisantrag gestellt, ***8*** und ***7***, ehemalige Dienstnehmer der Firma ***2***, als Zeugen zu befragen, dass sowohl sie selbst als auch andere Mitarbeiter für den beauftragten Subunternehmer auf dessen Rechnung tätig geworden und von diesem entlohnt worden seien.

Das gegen ***2*** laufende Finanzstrafverfahren deute darauf hin, dass Lohnabgaben für Zeiträume festgesetzt worden seien, die im gegenständlichen Abgabenverfahrens ebenfalls festgesetzt worden seien. Somit könne nicht ausgeschlossen werden, dass für ein- und dieselbe Beschäftigung zweimal Lohnabgaben festgesetzt worden seien, einmal beim tatsächlich leistenden Subunternehmer, ein zweites Mal bei der Bf als Dienstgeberin in wirtschaftlicher Betrachtungsweise.

Die Bf habe die Existenz der Subunternehmer und die Identität der Zahlungsempfänger durch umfangreiche Unterlagen nachgewiesen. Sie sei jedoch nicht verpflichtet, über die Empfängernennung hinausgehende Nachforschungen anzustellen. Mit der exakten Empfängernennung sei das Auskunftsverlangen der Abgabenbehörde erfüllt und der Abzugs als Betriebsausgabe gesichert.

Bei den als "Fremdleistungen" erfassten Rechnungen handle es sich um tatsächlich erbrachte Leistungen; dies werde von der Behörde ausdrücklich bestätigt. Sie seien von den tatsächlich existierenden Subunternehmen erbracht worden. Allfällige Versäumnisse der Subunternehmer in Bezug auf die Abgabenabfuhr könnten nicht der Bf angelastet werden.

Die im vorliegenden Fall vorgenommene Schätzung des tatsächlichen "Fremdleistungsaufwandes" mit 50% der geltend gemachten Betriebsausgaben sei nicht durch überprüfbare Daten begründet. Weiters sei die Schätzung der einzubehaltenden Lohnsteuer mit 15% nicht nachvollziehbar. Laut Lohnkonten der Bf habe die Lohnsteuerquote 2,6%, 2,7% und 2,3% für die Jahre 2009 bis 2011 betragen. Durch die Schätzung der Behörde ergebe sich ein sechsfacher Lohnsteuerabzug für die Hälfte von Niedriglöhnen. Eine aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten vorgenommene Schätzung hätte zum Ergebnis kommen müssen, dass aufgrund des geschätzten niedrigen Entgelts keine Lohnbesteuerung vorzunehmen gewesen sei.

Der Bf sei das Kontrollmaterial als Ausfluss der Ermittlungen "SOKO-***12***" sowie ein USB-Stick mit Aufstellungen über Firmen, die Scheinrechnungen erstellt hätten, nicht zur Einsicht vorgelegt worden.

Bei den beantragten Zeugen ***8*** und ***7*** handle es sich einerseits um eine Schlüsselkraft und andererseits um eine Mitarbeiterin eines beauftragten Subunternehmens; deren Einvernahme sei für die Feststellung des Sachverhaltes wesentlich.

In einem die Bf betreffenden Verfahren ua hinsichtlich Körperschaftsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 wurde die belangte Behörde mit Schreiben vom ersucht, zu den in der Beschwerde behaupteten Ermittlungsfehlern Stellung zu nehmen.

Die belangte Behörde wies in ihrer Stellungnahme auf die mit Herrn ***9*** am aufgenommene Niederschrift hin und stellte fest, dass die Bf keine konkreten Angaben über Stundenlisten und über die von den Subfirmen eingesetzten Arbeiter gemacht habe, weshalb nicht ersichtlich sei, wie konkrete Berechnungen von Lohnaufwendungen hätten erfolgen sollen.

Bei einem Auftragsvolumen an die Subfirmen von insgesamt ca 400.000,00 Euro hätten von der Bf weitere Ermittlungen betreffend die Existenz und Seriosität der Subfirmen angestellt werden müssen, wie Auftreten nach außen, Stundenlisten, Arbeitsaufzeichnungen und Unterlagen darüber, wie die Arbeiten abgenommen worden seien. Dabei wäre der Bf aufgefallen, dass die Subfirmen nicht über das Personal verfügten, das für die Auftragserfüllung erforderlich gewesen wäre.

Mit E-Mail vom übermittelte die Bf folgende Unterlagen:

1. Einstellungsbeschluss der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vom , wobei insbesondere auf folgende darin getroffene Aussage hingewiesen werde:

"Die Verantwortung der hier Beschuldigten, gutgläubig davon ausgegangen zu sein, dass die drei Geschäftspartner - sowie die weiteren im gegenständlichen Zeitraum verwendeten 37 Subfirmen - reale und redliche Unternehmen seien, welche die verzeichneten Leistungen gesetzeskonform erbringen würden, ist mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht zu widerlegen.

Hinsichtlich der Firma ***10*** wird die Aussage des Beschuldigten Ing. ***9*** zudem durch den Zeugen ***8*** bestätigt.

Angesichts der vorliegenden Ermittlungsergebnisse ist ein bedingter Vorsatz, geschweige denn die hinsichtlich der Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteuerhinterziehungen verlangte Wissentlichkeit auf subjektiver Ebene nicht nachweisbar; ein allenfalls vorhandenes fahrlässiges Verhalten ist zur Erfüllung der Strafbarkeit nach § 33 Finanzstrafgesetz nicht ausreichend, sodass mit einer Verurteilung nicht zu rechnen ist."

In Ergänzung des Vorlageantrages vom brachte der steuerliche Vertreter vor, die von der Finanzverwaltung angewandte Schätzungsmethode in Höhe von 15% sei weder im Betriebsprüfungsbericht noch in den Haftungsbescheiden begründet worden. Die Schätzungsmethode stehe der Abgabenbehörde zwar grundsätzlich frei, es müsse allerdings die gewählte Methode auf das Ziel gerichtet sein, zu einem Ergebnis zu gelangen, das die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich habe.

Erstmals in der Vorlageverständigung habe die Bf erahnen können, dass die angewandte Schätzungsmethode etwas mit dem "Gutachten ***13*** " zu tun habe. Das Gutachten sei anlässlich der Prüfung eines anderen Unternehmens erstellt worden. Dieses Gutachten lege auf Seite 11 die Heranziehung des inneren und äußeren Betriebsvergleichs als adäquate Schätzungsmethode nahe. Es könne ihm entnommen werden, auf welcher Grundlage ein Lohnsteuerabzug von 15% zu tragen kommen solle.

Selbst wenn dieses Gutachten in der Lage wäre, den vorgenommenen Lohnsteuerabzug von 15% inhaltlich schlüssig zu begründen, wäre dies für den gegenständlichen Fall nicht sachgerecht, weil die Bf in den Branchen Gebäudereinigung und Winterdienst mit Schwerpunkt Reinigung tätig gewesen sei. Die Realität bzw. die Lebenserfahrung zeige, dass im Bereich Baunebengewerbe überwiegend Dienstnehmer in Vollbeschäftigung tätig seien, während im Bereich Gebäudereinigung überwiegend Dienstnehmerinnen in Teilzeitbeschäftigung mit entsprechend niedrigem Entgeltniveau tätig seien. Bei einer sachgerechten Schätzung hätte die Behörde aufgrund des innerbetrieblichen Vergleichs einen durch zwei Lohnsteuerprüfungen bestätigten und auf den Betriebslohnkonten ersichtlichen Lohnsteuerabzug in Höhe von 2% bis 3% vornehmen müssen. Die Bezug habenden Lohnkonten seien dem Finanzamt bereits seit spätestens Mai 2012 bekannt gewesen und hätten sich im Steuerakt der Bf befunden.

Im gegenständlichen Fall seien die Umstände für die Schätzung des Lohnsteuerabzugs mit 15% des geschätzten Fremdleistungsaufwandes in keinster Weise begründet worden. Sie stünden auch mit dem in der Branche "Gebäudereinigung" tatsächlich durchzuführenden Lohnsteuerabzug nicht im Einklang. Außerdem sei nicht begründet worden, warum nicht ein innerer und äußerer Branchenvergleich als die den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommende Schätzungsmethode herangezogen worden sei.

Die Einschränkung des geschätzten Lohnaufwandes im Ausmaß der zur Zahl RV/7106345/2016 anerkannten Fremdleistungen sei sachgerecht.

Gleichzeitig nahm der steuerliche Vertreter den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung zurück.

Mit Beschluss vom wurde den Parteien die vom Bundesfinanzgericht beabsichtigte Änderung der Schätzung mit der Möglichkeit zur Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Die belangte Behörde machte davon keinen Gebrauch; der steuerliche Vertreter der Bf erachtete die Anwendung der vom Bundesfinanzgericht für die einzelnen Streitjahre ermittelten Prozentsätze (anstelle des Durchschnittes der Werte der drei Streitjahre) für sachgerechter.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist in der Reinigungsbranche tätig und führt auch Winterdienste für die Fa. ***11*** durch.

In den Streitjahren wurden folgende Beträge unter dem Titel "Fremdleistungen" verbucht:


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2009
2010
2011
***1***
40.356,58 €
-
-
***10***
76.391,35 €
134.915,86 €
***3***
-
-
151.246,39 €
Summe
116.747,93 €
134.915,86 €
151.246,39 €

Die von den Firmen ***1*** und ***3*** in Rechnung gestellten Arbeiten wurden tatsächlich nicht von Arbeitern dieser Firmen, sondern von bei der Bf nicht gemeldeten Arbeitern erbracht. Für diese Arbeiter und für die an sie ausbezahlten Löhne hat die Bf keine Lohnsteuer einbehalten.

Von den als Fremdleistungen verbuchten Beträgen wurden von der Fa. ***2*** Leistungen in folgendem Umfang tatsächlich erbracht:


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2009
2010
42.000,00 €
28.000,00 €

Der darüber hinausgehende, von der Fa. ***2*** in Rechnung gestellte Fremdleistungsaufwand wurde ebenfalls nicht von Arbeitern dieser Firma, sondern von bei der Bf nicht gemeldeten Arbeitern erbracht. Für diese Arbeiter und für die an sie ausbezahlten Löhne hat die Bf keine Lohnsteuer einbehalten.

Sämtliche Rechnungen, die angeblich von der Firma ***1*** gelegt wurden, bezeichnen den Leistungsgegenstand mit "Personalbereitstellung". Die Arbeiten wurden von bei der Bf nicht gemeldeten Arbeitern erbracht.

Es existieren keine Unterlagen über die angeblich von den Subfirmen durchgeführten Leistungen.

Folgende Beträge wurden insgesamt für die Bezahlung von nicht gemeldeten Arbeitern aufgewendet:


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2009
2010
2011
37.373,96 €
53.457,93 €
75.623,20 €

Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt gründet sich hinsichtlich der nicht anerkannten Fremdleistungen auf die Feststellungen im Erkenntnis vom , RV/7106345/2016, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Körperschaftsteuer 2009 bis 2011, Körperschaftsteuer 2009 bis 2011, Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Umsatzsteuer 2009 bis 2010, Umsatzsteuer 2009 bis 2010 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2011, das unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist. Hinsichtlich der Feststellung, dass die von den Firmen ***1***, ***2*** und ***3*** in Rechnung gestellten Leistungen nicht durch Arbeiter dieser Firmen erbracht worden sind, wird auf die dortige Beweiswürdigung verwiesen.

Es ist daher als erwiesen anzusehen, dass die Bf im Streitzeitraum 2009 bis 2011 die in der folgenden Tabelle dargestellten Beträge an eigene, namentlich nicht genannte Dienstnehmer ausbezahlte und dafür keine Lohnabgaben (L, DB, DZ) entrichtete:


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2009
2010
2011
37.373,96 €
53.457,93 €
75.623,20 €

Die tatsächlich für die Bf tätig gewordenen Dienstnehmer wurden namentlich nicht genannt und konnten auch im Zuge der Betriebsprüfung nicht festgestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Im einzelnen ist zu den Beschwerdepunkten anzumerken:

1. Kein Prüfungsauftrag für eine Lohnabgabenprüfung

Rechtliche Würdigung:

§ 201 BAO lautet:

"(1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.

(2) Die Festsetzung kann erfolgen,

1. von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,

2. wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,

3. wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden,

(Anm.: Z 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 20/2009 )

5. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.

(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,

1. wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist,

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2013 )

3. wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 295 die Voraussetzungen für eine Änderung vorliegen würden.

(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen."

Gemäß § 202 Abs. 1 BAO gelten die §§ 201 und 201a sinngemäß, wenn nach den Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe einem abgabenrechtlich Haftungspflichtigen obliegt. Hiebei sind Nachforderungen mittels Haftungsbescheides (§ 224 Abs. 1) geltend zu machen.

Nach § 201 Abs 2 Z 3 BAO kann eine Festsetzung ua erfolgen, wenn in sinngemäßer Anwendung des § 303 BAO die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.

Bezogen auf den "Neuerungstatbestand" ist somit erforderlich, dass für die Abgabenbehörde im Verfahren nicht geltend gemachte Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, wenn die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Voraussetzung für die Festsetzung ist daher, dass entscheidungserhebliche Tatsachen oder Beweismittel der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages noch nicht bekannt waren und dass diese Umstände nachträglich neu hervorkommen (etwa im Zuge einer Außen­prüfung).

Auf § 201 Abs 2 Z 3 BAO gestützte Festsetzungen liegen stets im Ermessen, dies unabhängig davon, ob sie auf Antrag oder von Amts wegen erfolgen können (vgl. Ritz, BAO6, Tz 37 und 38).

In seiner Sachverhaltsdarstellung verweist der Prüfer auf die durchgeführte Betriebsprüfung, im Zuge derer die Fremdleistungen nicht anerkannt worden seien, aber ein Lohnaufwand in Höhe von 50% der nicht anerkannten Fremdleistungen berücksichtigt worden sei. Diese Feststellungen wurden im Erkenntnis vom , RV/7106345/2016, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich Körperschaftsteuer 2009 bis 2011, sowie Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer 2009 bis 2011,Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatzsteuer 2009 und 2010 und Umsatzsteuer 2009 und 2010 dahingehend beurteilt, dass es sich dabei um als Wiederaufnahmsgründe taugliche neu hervorgekommenen Tatsachen oder Umstände, deren Kenntnis im Spruch anders lautende Körperschaftsteuerbescheide herbeigeführt hätten, handle. Unter Hinweis auf die in diesem Erkenntnis diesbezüglich angeführte ausführliche Begründung kann daher davon ausgegangen werden, dass die von der Bf beauftragten Leistungen tatsächlich nicht von Arbeitnehmern der genannten Firmen, sondern von Arbeitern der Bf ausgeführt wurden.

Sind aber im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung entscheidungserhebliche Tatsachen hervorgekommen, die der Abgabenbehörde im Zeitpunkt der Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages noch nicht bekannt waren, liegen die Voraussetzungen für eine bescheidmäßige Festsetzung der Lohnabgaben vor. Ein gesonderter Prüfungsauftrag war daher entgegen der Ansicht der Bf nicht erforderlich.

Zu den Ausführungen der Bf, dass mit Bericht vom bereits eine Lohnabgabenprüfung betreffend die Jahre 2009 bis 2011 ordnungsgemäß abgeschlossen worden sei, und eine neuerliche Festsetzung der Lohnsteuer daher nicht zulässig sei, ist anzumerken:

Im Zuge der bei der Bf durchgeführten Lohnsteuerprüfung für den Zeitraum bis , die mit Bericht vom abgeschlossen worden ist, wurde festgestellt, dass es sich bei den Bezügen des Geschäftsführers um Vergütungen iSd § 22 Z 2 EStG 1988 handle, für die Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag nachzuverrechnen seien. Als Folge dieser GPLA erließ die belangte Behörde Bescheide betreffend die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2010 und 2011. Es wurden in diesem Zusammenhang aber keine Lohnsteuerhaftungsbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 und keine Bescheide betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag für das Jahr 2009 erlassen.

Mit den nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheiden vom wurde die Bf für Lohnsteuerfehlberechnungen im Zusammenhang mit namentlich nicht bekannten Arbeitnehmern zur Haftung herangezogen und der Dienstgeberbeitrag und der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2009 bis 2011 festgesetzt. Da die Festsetzung des DB und DZ für die Jahre 2010 und 2011 ohne vorhergehende Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte, war der dagegen erhobenen Beschwerde bereits mit Erkenntnis vom , RV/7106280/2016, Folge gegeben worden.

Die Heranziehung zur Haftung für die Lohnsteuer der Jahre 2009 bis 2011 und die Festsetzung des DB und DZ für das Jahr 2009 erfolgte jedoch mit den Bescheiden vom erstmalig.

2. Inanspruchnahme des Arbeitgebers - Ermessensentscheidung

Gemäß § 82 EStG 1988 haftet der Arbeitgeber dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einzubehaltenden Lohnsteuer.

Arbeitgeber iSd EStG ist, wer Bezüge gemäß § 25 EStG ausbezahlt und den mit der Auszahlung dieser Bezüge verbundenen wirtschaftlichen Aufwand zu trägt ().

Die Geltendmachung der Haftung gemäß § 82 EStG setzt kein Verschulden des Arbeitgebers an der Lohnsteuerfehlberechnung voraus, sie liegt aber im Ermessen der Abgabenbehörde.

Das Ermessen ist dabei iSd abgabenrechtlichen Vorschriften nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu treffen (§ 20 BAO). Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Interesse an der Einbringung der Abgabe" beizumessen ().

In Anbetracht der Tatsache, dass die Bemessungsgrundlagen für die von der Bf in den Streitjahren einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer nicht als geringfügig zu beurteilen sind, hat die belangte Behörde das Ermessen rechtsrichtig geübt und die Bf zu Recht zur Haftung für die Lohnsteuer herangezogen.

3. Angewandte Schätzungsmethode

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann.

Ziel jeder Schätzung ist es, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen. Dabei steht der Behörde die Wahl der Schätzungsmethode grundsätzlich frei.

Die Anwendung eines inneren Betriebsvergleiches ist eine der in Betracht kommenden Schätzungsmethoden. Dabei wird die Schätzung auf Ergebnissen desselben Betriebes anderer Zeiträume aufgebaut.

Die nicht begründete Schätzung der Lohnabgaben mit 15% der Bemessungsgrundlage wird von der Bf unter Hinweis darauf bekämpft, dass die Bf in den Branchen Gebäudereinigung und als Nebentätigkeit im Winterdienst tätig gewesen sei, in welchen überwiegend Dienstnehmerinnen in Teilzeitbeschäftigung mit entsprechend niedrigerem Entgeltniveau tätig seien. Bei einer sachgerechten Schätzung hätte auf Grund eines innerbetrieblichen Vergleichs ein Prozentsatz von 2-3% zur Anwendung kommen müssen. Die belangte Behörde habe nicht begründet, warum ein innerer und äußerer Branchenvergleich nicht als die den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten kommende Schätzungsmethode herangezogen worden sei.

Gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 kann, wenn sich bei einer Lohnsteuerprüfung ergibt, dass die genaue Ermittlung der auf den einzelnen Arbeitnehmer infolge einer Nachforderung entfallenden Lohnsteuer mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist, die Nachforderung in einem Pauschbetrag erfolgen. Bei der Festsetzung dieses Pauschbetrages ist auf die Anzahl der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer, die Steuerabsetzbeträge sowie auf die durchschnittliche Höhe des Arbeitslohnes der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer Bedacht zu nehmen.

Auch bei einer Nachforderung gemäß § 86 Abs. 2 EStG 1988 ist daher grundsätzlich festzustellen, welche Arbeitnehmer welche unrichtig versteuerten Vorteile aus dem Dienstverhältnis bezogen haben. Diese Bestimmung eröffnet keine Möglichkeit, von der Ermittlung des steuererheblichen Sachverhaltes abzusehen und der Nachforderung etwa einen bloß vermuteten Sachverhalt zu Grunde zu legen.

Der Pauschbetrag bezieht sich lediglich auf die Berechnung der Lohnsteuer. Hierbei ist auf die Anzahl der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer, auf Steuerabsetzbeträge und auf die durchschnittliche Höhe des Arbeitslohnes der durch die Nachforderung erfassten Arbeitnehmer Bedacht zu nehmen.

Eine Ausnahme liegt aber dann vor, wenn zwar feststeht, dass der Arbeitgeber Arbeitnehmern unversteuerte Vorteile aus dem Dienstverhältnis gewährt hat, der Arbeitgeber selbst aber der Abgabenbehörde die Möglichkeit nimmt, die betreffenden Arbeitnehmer festzustellen (Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG 30. EL, § 86 Anm 17 ff, mwN).

Im Zuge der Entscheidung betreffend die Körperschaftsteuer der Jahre 2009 bis 2011 wurde - wie dies bereits oben ausgeführt wurde - festgestellt, dass die angeblich von Subunternehmern erbrachten Reinigungsleistungen tatsächlich von nicht gemeldeten Arbeitnehmern der Bf erbracht worden sind. Eine Feststellung, um welche Arbeitnehmer es sich gehandelt hat, war der belangten Behörde nicht möglich, da die Bf keine Aufzeichnungen darüber vorlegen konnte. Die pauschale Berechnung ohne Rücksicht auf die Anzahl der tätig gewordenen Arbeitnehmer war daher rechtens.

Im Schreiben vom bestreitet der steuerliche Vertreter der Bf die Höhe der pauschal mit 15% der Bemessungsgrundlage festgesetzten Lohnsteuer unter Hinweis auf die Branche der Bf und die Tatsache, dass im Reinigungsbereich überwiegend weibliche Arbeitskräfte in Teilzeit beschäftigt seien, weshalb ein Prozentsatz von 2 bzw. 3 gerechtfertigt erscheine.

Eine Überprüfung anhand der von der Bf in den Streitjahren gemeldeten Daten bestätigte dieses Vorbringen. Es wurden dabei folgende Prozentsätze an einbehaltener und abgeführter Lohnsteuer festgestellt:


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2009
2010
2011
3,87%
2,85%
2,24%

Mit Beschluss vom war den Parteien die Absicht des BFG vorgehalten worden, die vorgenommene Schätzung dahingehend abzuändern, dass der Durchschnitt dieser drei Prozentsätze, d.s. 2,99% (statt 15%) angewendet wird. In seiner Stellungnahme erachtete der steuerliche Vertreter der Bf die Anwendung des konkret für jedes Jahr ermittelten Prozentsatzes als sachgerechter. Das Bundesfinanzgericht folgte dieser Ansicht.

Es waren daher die Lohnsteuer für die Jahre 2009 bis 2011 und der Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag wie im Spruch angeführt festzusetzen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Frage, ob die von angeblichen Subfirmen in Rechnung gestellten Arbeiten durch eigene Arbeiter der beschwerdeführenden Partei durchgeführt wurden, handelt es sich um eine Tatfrage, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu entscheiden war. Hinsichtlich der Festsetzung der Abgaben gemäß § 201 BAO folgte das Bundesfinanzgericht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die Zulässigkeit der Revision war daher zu verneinen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 82 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 202 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 86 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7106343.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at