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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 28.05.2020, RV/3100322/2020

Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen mangels Vorliegens einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden ***SenV***, die Richterin ***Ri2*** und die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Zeiträume März bis Mai 2017 und September 2017 bis Juni 2019, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt die für das Kind K. S. für die Monate März bis Mai 2017 und vom September 2017 bis Juni 2019 ausbezahlte Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt € 5.918,00 zurück, weil das Kind nicht im Haushalt der Beschwerdeführerin lebe und aufgrund der eigenen Einkünfte den Lebensunterhalt selbst bestreiten könne.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom Beschwerde und brachte im Wesentlichen begründend vor, das K. nach wie vor bei ihr haushaltszugehörig sei und die Meldung des Hauptwohnsitzes bei seiner Oma in ***2*** nur dazu gedient habe, in den Genuss einer Anwohnerparkkarte zu kommen. Er habe seine Oma zwar regelmäßig besucht, unterstützt und auch tageweise dort genächtigt. In der restlichen Zeit halte er sich aber nach wie vor bei ihr daheim auf. K. habe auch die komplette Familienbeihilfe mittels Dauerauftrag überwiesen bekommen. Außerdem hätten sie und ihr Mann ihn während seiner ganzen Ausbildungszeit finanziell unterstützt.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. K. habe sich nach dem Abschluss des Grundwehrdienstes mit beim Gymnasium für Berufstätige mit einem Ausmaß von 18 Wochenstunden angemeldet und im September 2017 mit der Polizeischule begonnen. Mit 18 Wochenstunden habe das Kind nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht das quantitative Element einer Berufsausbildung im Sinne des FLAG 1967 erfüllt.

Mit Eingabe vom im Wege von FinanzOnline beantragte die Beschwerdeführerin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und die Entscheidung durch den Senat. Ergänzend führte sie aus, dass sie beim Antrag auf Familienbeihilfe angegeben habe, dass es sich um ein Gymnasium für Berufstätige handle. Sie habe daher angenommen, dass die Entscheidung des Finanzamtes auf Zuerkennung der Familienbeihilfe korrekt gewesen sei.

Bei Beantragung der Familienbeihilfe ab September 2017 sei die Auffassung des Finanzamtes so gewesen, dass die Familienbeihilfe auch Polizeischülern zustünde. Auch habe das Finanzamt mitgeteilt, dass die Familienbeihilfe für Polizeischüler nicht zurückgefordert werde. Im Rückforderungsbescheid sei es auch nur um den Wohnsitz gegangen. Die diesbezüglichen Umstände habe sie ausführlich in der Beschwerde dargelegt. Schließlich wurde vorgebracht, dass sie sich aufgrund der COVID-19-Situation in Kurzarbeit befinde und die Rückforderung eine enorme finanzielle Belastung bedeuten würde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Nach § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des FLAG 1967 anzuwenden.

Der Sohn der Beschwerdeführerin, K. S., geboren am ***1***, war laut Schulbesuchsbestätigung vom für den Zeitraum vom 20. Februar bis im Bundesgymnasium, Bundesrealgymnasium und Wirtschaftskundliches Bundesrealgymnasium für Berufstätige mit einem Ausmaß von 18 Wochenstunden angemeldet. Ein Zeugnis über den (erfolgreichen) Abschluss des Semesters wurde nicht vorgelegt. Ab September 2017 absolvierte K. die exekutivdienstliche Grundausbildung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen unter den Begriff der "Berufsausbildung" alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz für das künftige Berufsleben erforderliches Wissen vermittelt wird (; ; ). Für die Qualifikation als Berufsausbildung ist nicht allein der Lehrinhalt bestimmend, sondern auch die Art der Ausbildung und deren Rahmen. Ziel einer Berufsausbildung in diesem Sinn ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Das Ablegen von Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung ().

Ihren Abschluss findet eine Berufsausbildung mit dem Beginn der Ausübung eines bestimmten Berufes, auch wenn für den konkreten Arbeitsplatz noch eine spezifische Einschulung erforderlich sein mag (vgl. ). Aus diesem Grund hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Absolvierung eines Unterrichtspraktikums auch ausgesprochen, dass dieses als typischer Fall einer Einschulung am Arbeitsplatz keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 darstellt ().

In konsequenter Fortsetzung seiner Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2018/16/0203) ausgesprochen, dass die erfolgreiche Absolvierung einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase durch öffentlich Bedienstete keine Überstellung in ein anderes (öffentliches oder öffentlich-rechtliches) Dienstverhältnis zur Folge habe und dem öffentlich Bediensteten (lediglich) die für seine erfolgreiche Verwendung notwendige Ausbildung in seinem Dienstverhältnis vermittelt werden soll, worin bereits die Ausübung eines Berufs liege. Der Umstand, dass der öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit seines Dienstverhältnisses im Rahmen einer Grundausbildung oder Ausbildungsphase die für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten erlangen soll, nehme dem Dienstverhältnis auch nicht zum Teil die Qualität eines Berufs.

Die exekutivdienstliche Grundausbildung des Sohnes in der Zeit ab September 2017 stellt daher keine Berufsausbildung iSd FLAG 1967 dar, sondern ist bereits Berufsausübung. Die Familienbeihilfe im Zeitraum September 2017 bis Juni 2019 wurde daher zu Unrecht bezogen.

Der Besuch eines Gymnasiums stellt grundsätzlich eine Berufsausbildung dar. Die Anmeldung beim Gymnasium für Berufstätige reicht für sich allein aber nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 nach den oben angeführten Kriterien anzunehmen. Es muss das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg im Antreten zu den erforderlichen Prüfungen erkennbar sein. Es kommt zwar nicht darauf an, ob tatsächlich die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen gelingt (vgl. ; ; ; ). Der Schüler muss aber durch das Antreten zu Prüfungen innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für die Zulassung zur Reifeprüfung zu erlangen (vgl. ).

Der Verwaltungsgerichtshof erkennt einer Bildungsmaßnahme die Eigenschaft einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 nur dann zu, wenn diese in quantitativer Hinsicht die volle Arbeitskraft des anspruchvermittelnden Kindes bindet. Von der Bindung der vollen Arbeitskraft kann nur dann ausgegangen werden, wenn die Bildungsmaßnahme durch den Besuch des Unterrichts, die Vor- und Nachbearbeitungszeiten und die Prüfungsteilnahmen ein zeitliches Ausmaß in Anspruch nimmt, das zumindest annähernd dem eines Vollzeitdienstverhältnisses entspricht.

Ist das Ziel die Ablegung der Berufsreifeprüfung, so ist nach der Judikatur des UFS als Vergleichsmaßstab regelmäßig der für den Besuch einer AHS oder BHS erforderliche Zeitaufwand heranzuziehen, also mindestens 30 Wochenstunden (zB -F/07; ; ), wobei im Übrigen dazu regelmäßig noch der Aufwand für die Vorbereitung zu Hause kommt.

Daraus folgt, dass es durchaus möglich sein kann, dass eine Bildungsmaßnahme, wenn sie in einer konzentrierten, zeitlich gestrafften Form absolviert wird, die Voraussetzung für den Familienbeihilfenanspruch erfüllt, während eine solche, die zwar das gleiche Ausbildungsziel hat, aber zeitlich nicht gestrafft und damit von längerer Dauer, verbunden mit geringeren Anforderungen an den Auszubildenden, ist, diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Entscheidend ist, ob eine entsprechende zeitliche Intensität gegeben ist.

Wenn der Sohn der Beschwerdeführerin zu Lehrveranstaltungen von (nur) 18 Wochenstunden angemeldet war, ist davon auszugehen, dass unter Bedachtnahme auf die oben angeführte Rechtsprechung die Berufsausbildung durch den Besuch des Gymnasiums keineswegs ein derartiges zeitliches Ausmaß in Anspruch genommen hat, das dem eines Vollzeitdienstverhältnisses entsprochen hätte. Daraus folgt, dass auch für den Zeitraum März bis Mai 2017die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen worden ist.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutete. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist nur, ob der Empfänger die Beträge objektiv zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist ebenfalls unerheblich. Deshalb entbindet auch die Weitergabe der zu Unrecht bezogenen Beträge an das Kind nicht von der zwingenden Rückzahlungsverpflichtung (vgl. zB , und auch ).

Die finanzielle Belastung durch die Rückforderung in Zusammenhang mit der COVID-19-Situation (Kurzarbeit) vermag an der Rechtmäßigkeit der Rückzahlungsverpflichtung nichts zu ändern. Allfälligen vorübergehenden Zahlungsschwierigkeiten kann mit einem Antrag an das Finanzamt auf Gewährung von Zahlungserleichterungen (Stundung, Ratenzahlung) begegnet werden.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht ist von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Es waren auch sonst keine Rechtsfragen zu lösen, die über den Einzelfall hinaus Relevanz entfalten würden. Die (ordnentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
VwGH, Ra 2018/16/0203
VwGH, 97/15/0111
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100322.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at