Kein Anspruch auf Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten mangels eigenen Hausstandes am Familienwohnsitz
Rechtssätze
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RV/3100473/2019-RS1 | Ein eigener Hausstand am Familienwohnsitz erfordert eine gewisse Selbständigkeit und Abgeschlossenheit der Wohnsituation. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache des Bf, vertreten durch StB, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer reichte am seine Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2016 elektronisch beim Finanzamt ein. Er gab darin unter anderem an, nichtselbständige Einkünfte von einem Arbeitgeber bezogen zu haben und beantragte Kosten für Familienheimfahrten in Höhe von EUR 1.545,18 und Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von EUR 4.328,97.
Mit Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer auf, nähere Angaben zu den beantragten Kosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung zu machen. Der Beschwerdeführer übermittelte am eine Stellungnahme samt Belegen.
Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2016 abweichend von der eingereichten Abgabenerklärung und erkannte die beantragten Werbungskosten für Familienheimfahrten und doppelte Haushaltsführung nicht an, dies mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer am Arbeitsort erstmals einen Hausstand gegründet habe.
In seiner Beschwerde vom wendete der Beschwerdeführer ein, der Begriff des Familienwohnsitzes sei erstmals in § 4 der Pendlerverordnung definiert worden. Diese stark einschränkenden Bestimmungen bezüglich eines eigenen Hausstandes im Wohnungsverband seien verfassungswidrig, da § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 keine Verordnungsermächtigung dazu vorsehe. Eine gesetzeskonforme Auslegung der Pendlerverordnung könne nur dahingehend erfolgen, dass die Abgabenbehörde eine räumlich getrennte Wohnung innerhalb einer Privatimmobilie jedenfalls anzuerkennen habe. Der Beschwerdeführer verfüge an der Adresse Adresse_1 in Ort_1 über einen eigenen Hausstand im elterlichen Wohnhaus, wo er seit mehreren Jahren eigenständig eine abgeschlossene Geschoßwohnung für sich alleine bewirtschafte. Es sei unzutreffend, dass der Beschwerdeführer in Ort_2, Adresse_2 seinen ersten Hausstand gegründet habe. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung.
Das Finanzamt legte die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesfinanzgericht ersuchte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom um Stellungnahme bzw Übermittlung von Nachweisen zu folgenden Punkten:
"1) Ihrem Beschwerdevorbringen zufolge hätten Sie im Jahr 2016 über einen eigenen Hausstand im elterlichen Wohnhaus verfügt. Legen Sie einen Bauplan des Hauses vor und stellen Sie auf diesem dar, welche Räumlichkeiten Ihnen zur alleinigen Nutzung zugewiesen waren.
2) Als alleiniger Eigentümer der Liegenschaft EZ_1 mit der Adresse Adresse_1 in Ort_1 scheint X auf. In Hinblick auf Ihr Beschwerdevorbringen, dieses Haus würde aus drei Geschoßwohnungen bestehen, wird um Vorlage des Einheitswertbescheides für diese Liegenschaft ersucht. Geben Sie auch an, von wem dieses Haus bzw die drei Geschoßwohnungen bewohnt werden.
3) Laut dem Zentralen Melderegister sind Sie seit Ihrer Geburt an der Adresse Adresse_1 in Ort_1 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Laut Ihrem Beschwerdevorbringen würden Sie "seit mehreren Jahren eigenständig eine abgeschlossene Geschosswohnung für sich alleine" bewirtschaften. Geben Sie an, seit wann genau und unter welchen Umständen dies der Fall ist. Belegen Sie Ihr Vorbringen durch geeignete Beweismittel (etwa Nachweise über Umbaumaßnahmen, Meldung an die Stadtgemeinde Ort_1 über das Vorliegen einer zweiten bzw weiterer Wohneinheiten, gesonderte Abrechnungen für Strom/Müll/Kanal/Telefon- bzw. Internetanschluss). Haben Sie an den Hauseigentümer ein Entgelt entrichtet? Weisen Sie allfällige Zahlungen nach."
Der Beschwerdeführer übermittelte mit Telefax vom einen undatierten Bauplan des Hauses, den Baubescheid der Stadt Ort_1 vom und den Einheitswertbescheid des Finanzamtes Ort_1 vom . Er brachte weiter vor, die drei Geschoßwohnungen würden von ihm selbst, seinen Eltern und seiner Schwester bewohnt. Das Dachgeschoss mit einer Wohnnutzfläche von 69,48 m² stehe ihm seit Herbst 2011 zur alleinigen Nutzung zur Verfügung. Die Stromkosten für das gesamte Haus seien minimal und würden wie andere anfallende Fixkosten (etwa Müllabfuhr und Grundsteuer) vom Vater des Beschwerdeführers getragen.
Sachverhalt
Der nach seinen Angaben alleinstehende Beschwerdeführer ist ausweislich des Zentralen Melderegisters seit seiner Geburt an der Adresse Adresse_1 in Ort_1 mit Hauptwohnsitz gemeldet. Im Zeitraum bis war der Beschwerdeführer an der Adresse Adresse_2 in Ort_2 mit Nebenwohnsitz gemeldet.
Die Liegenschaft EZ_1 an der Adresse Adresse_1, Ort_1 steht nach den Angaben des Beschwerdeführers im Alleineigentum seines Vaters X, was auch im Grundbuch ersichtlich ist. Laut dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Einheitswertbescheid des Finanzamtes Ort_1 für diese Liegenschaft vom zu EWAZ ist die Art des Steuergegenstandes ein Einfamilienhaus. Das auf der Liegenschaft befindliche Gebäude wird laut seinen glaubwürdigen Angaben vom Beschwerdeführer selbst, seinen Eltern und seiner Schwester bewohnt. Laut den ebenso glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers hat er seinem Vater kein Benützungsentgelt entrichtet. Sämtliche für die Liegenschaft anfallende Fixkosten (der Beschwerdeführer erwähnt ausdrücklich Grundsteuer und Müllabfuhr) werden vom Vater des Beschwerdeführers getragen.
Der Beschwerdeführer war von 1.1.- nichtselbständig bei der Firma_Y beschäftigt, was sich aus seinem Vorbringen und dem Abgabeninformationssystem des Bundes ergibt.
Erwägungen
Gemäß § 16 Abs 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zum Erwerb, zur Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte unter anderem die Ausgaben für den Haushalt des Steuerpflichtigen nicht abgezogen werden.
Die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung sind dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden, und zwar einer am Familienwohnort (Familienwohnsitz) und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz) (Jakom, EStG, 12.A., Rz 56 zu § 16). Auch eine alleinstehende Person kann einen Familienwohnsitz an jenem Ort haben, zu dem sie ihre engsten persönlichen Beziehungen pflegt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesfinanzgerichts ist für die Annahme eines Familienwohnsitzes allerdings Voraussetzung, dass dort ein eigener Hausstand geführt wird (vgl mwN; ; ; ).
Mit der (Negativ-)Definition des eigenen Hausstandes in § 4 Abs 2 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Kriterien zur Ermittlung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros, zur Einrichtung eines Pendlerrechners und zum Vorliegen eines Familienwohnsitzes (Pendlerverordnung), BGBl II 276/2013, hat der Gesetzgeber diesen von der Rechtsprechung geprägten Begriff erstmals verwendet und derart beschrieben, dass jemand einen Hausstand hat, wenn er eine Wohnung besitzt, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entspricht. Ein eigener Hausstand liegt dann nicht vor, wenn jemand Räumlichkeiten innerhalb eines Wohnungsverbandes mit anderen Personen mitbewohnt, die nicht Ehe- oder Lebenspartner sind. Auch wenn die Pendlerverordnung im Beschwerdefall nicht unmittelbar zur Anwendung kommt, bietet die Definition des eigenen Hausstandes Anhaltspunkte für den normativen Inhalt, den der Gesetzgeber diesem Begriff in Bezug auf den Familienwohnsitz beimisst.
Ein eigener Hausstand erfordert jedenfalls eine gewisse Selbständigkeit und Abgeschlossenheit der Wohnsituation.
Laut dem vorgelegten Einheitswertbescheid ist der Bewertungsgegenstand ein Einfamilienhaus. Nach § 54 Abs 4 BewG 1955 gelten solche Wohngrundstücke als Einfamilienhäuser, die nach ihrer baulichen Gestaltung nicht mehr als eine Wohnung enthalten. Wenn sich in einem Gebäude zwei oder mehrere Wohnungen befinden, ist dieses als Mietwohngrundstück (§ 54 Abs 1 BewG 1955) zu bewerten. Die Einstufung des Gebäudes auf EZ_1 als Einfamilienhaus steht mit der Tatsache im Einklang, dass die Räumlichkeiten im Dachgeschoss der Liegenschaft wie jene im Erdgeschoss und im Obergeschoss laut dem vorgelegten Bauplan über einen einzigen Eingang im Erdgeschoss und das zentrale Stiegenhaus erschlossen werden. Aus dem undatierten Bauplan lässt sich darüber hinaus nicht erkennen, dass - wie der Beschwerdeführer vorbringt - pro Geschoß eine abgeschlossene Wohnung bestehen würde, zumal die tatsächliche Nutzung der einzelnen Räume nicht ersichtlich ist. Erkennbar ist jedoch, dass im Erdgeschoss und im Obergeschoss mehrere Räume jeweils nur über das Stiegenhaus zugänglich sind.
Auch wird in der Judikatur für die Annahme eines eigenen Hausstandes die Tragung der Kosten der Haushaltsführung gefordert (vgl ; RV/0240-G/08). Der Beschwerdeführer gibt diesbezüglich an, dass sämtliche Investitionen für die Hausstandsgründung von seinen Eltern finanziert wurden, dass er keinerlei Benützungsentgelt entrichtet hat und dass die anfallenden Fixkosten pauschal von seinem Vater getragen werden.
Die Berücksichtigung von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten als Werbungskosten schränkt den Abgabenanspruch ein und begünstigt - subjektiv - den Abgabenpflichtigen. Daher obliegt es dem Beschwerdeführer, sein diesbezügliches Vorbringen durch Beweise zu untermauern (vgl mwN). Der Beschwerdeführer hat sein Vorbringen, er bewirtschafte seit mehreren Jahren eigenständig eine abgeschlossene Geschoßwohnung für sich alleine (vlg Punkt I D der Beschwerde), nicht durch Beweise untermauert. Die vorgelegten Beweismittel (insbesondere der Bauplan und der Einheitswertbescheid) deuten ebenso wie das weitere Vorbringen zur Kostentragung darauf hin, dass der Beschwerdeführer innerhalb des Wohnungsverbandes seines Elternhauses gewohnt hat. Insgesamt genügen die festgestellten Sachverhaltselemente nicht, um die Annahme eines eigenen Hausstandes des Beschwerdeführers in seinem Elternhaus zu rechtfertigen.
Bei einem alleinstehenden Arbeitnehmer kann die Wohnung am Beschäftigungsort - ungeachtet der melderechtlichen Bezeichnung dieses Wohnsitzes - durchaus den steuerlichen (Familien-)Wohnsitz darstellen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Wohnung am Beschäftigungsort den Wohnbedürfnissen des Arbeitnehmers nicht weniger entspricht, als eine außerhalb des Beschäftigungsortes gelegene weitere Wohnung dieses Arbeitnehmers ( mwN; vgl auch ). Der Beschwerdeführer hat dem Finanzamt einen Mietvertrag vom über eine Wohnung in Graz sowie diverse Belege über den Ankauf von Wohnungseinrichtung vorgelegt. Das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die Wohnung am bzw. in der Nähe des Arbeitsortes die Wohnbedürfnisse des Beschwerdeführers zu erfüllen geeignet war und dass der Beschwerdeführer dort erstmalig einen eigenen Hausstand gegründet hat.
Insgesamt ist das Beschwerdebegehren auf Berücksichtigung von Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung nicht berechtigt, da die für den ersten eigenen Hausstand anfallenden Kosten dem Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988 unterliegen.
Aufwendungen eines alleinstehenden Arbeitnehmers für Familienheimfahrten sind (selbst für eine Übergangszeit) nur dann steuerlich absetzbar, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung (namentlich ein eigener Hausstand im Heimatort: vgl ; mwN; ) vorliegen. Fahrtkosten zum Besuch der Eltern werden vom Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG 1988 erfasst. Daher ist auch das diesbezügliche Beschwerdebegehren nicht berechtigt.
Der Verweis in der Beschwerde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/14/0081 ist nicht geeignet, das Beschwerdevorbringen zu stützen: Die Kosten der doppelten Haushaltsführung wurden schon im Beschwerdeverfahren anerkannt, dies in Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer einen Wohnsitz (im eigenen Haus) innehatte. Der dem zitierten Erkenntnis zugrundeliegende Sachverhalt unterscheidet sich insofern wesentlich vom hier festgestellten.
Ein Eingehen auf die vom Beschwerdeführer behauptete Verfassungswidrigkeit der Pendlerverordnung erübrigt sich schon deshalb, da die Pendlerverordnung im Beschwerdefall nicht zur Anwendung kommt. Auch vermag das Bundesfinanzgericht nicht zu erkennen, weshalb die Tatsache, dass § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 keine Verordnungsermächtigung enthält, zur Verfassungswidrigkeit der Pendlerverordnung führen sollte. Zwar ist eine Verordnungsermächtigung nur in § 16 Abs 1 Z 6 EStG 1988 normiert, jedoch verweist diese Bestimmung an drei Stellen bei der Nennung des Familienwohnsitzes als Tatbestandsmerkmal (§ 16 Abs 1 Z 6 lit e erster und zweiter Teilstrich und § 16 Abs 1 Z 6 lit f EStG 1988) auf § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988, welcher ebenfalls den Familienwohnsitz als Tatbestandsmerkmal enthält. Daraus erschließt sich der eindeutige Wille des Gesetzgebers, dem Begriff des Familienwohnsitzes in allen zitierten Bestimmungen denselben Inhalt beizumessen, welcher in der Folge durch die Pendlerverordnung konkretisiert wird. Dadurch lässt sich auch die Nennung des § § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG 1988 in der Promulgationsklausel der Pendlerverordnung erklären.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Entscheidungswesentlich war die Beweiswürdigung zur Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Haus seines Vaters keinen eigenen Hausstand hatte. Die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhaltes entspricht der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war darüber hinaus nicht zu lösen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | Hausstand Familienwohnsitz |
Verweise | RV/0240-G/08 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100473.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at