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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.06.2020, RV/6100229/2020

Die Abgabe von Erklärungen nach Eintritt der Rechtskraft von im Schätzungswege ergangenen Bescheiden erfüllen nicht den Neuerungstatbestand des § 303 Abs 1 BAO.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinDSW in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Anka Vrcic, Kummergasse 7//3/2, 1210 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Land vom betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2016 und betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Mit Eingabe vom an das Finanzamt begehrte der Bf die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2016.

Zugleich legte er ausgefüllte Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2016 ohne Beilagen vor. Er bezifferte sowohl die betrieblichen Einkünfte als auch den Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen des streitgegenständlichen Veranlagungszeitraumes für Lieferungen und sonstige Leistungen einschließlich Anzahlung mit € 0,00.

Die Festsetzung der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer 2016 erfolgte wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen im Schätzungswege gemäß § 184 BAO (Bescheiddatum ).

Die Bescheide waren vor Antragstellung in Rechtskraft erwachsen.

Der Bf stützt seinen Wiederaufnahmeantrag auf das Vorliegen eines Tatbestandes im Sinne des § 303 Abs 1 lit b BAO, da neue Tatsachen und Beweismittel hervorgekommen seien und die Kenntnis dieser Umstände einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Dabei sei es unerheblich, ob diese Umstände dem Abgabepflichtigen bereits im Zeitpunkt der Ausstellung der Bescheide bekannt gewesen oder erst später zur Kenntnis gelangt seien. Maßgebliche Voraussetzung für die Wiederaufnahme sei ausschließlich, dass diese Umstände für die Abgabenbehörde neu hervorgekommen sind und somit nicht schon im Zeitpunkt ihrer (ursprünglichen) bescheidmäßigen Erledigung bekannt waren, ungeachtet auch der Frage, ob und wie die Abgabenbehörde diese Umstände im Falle der Kenntnis gewürdigt hätte.Der Antrag erfolge fristgerecht. Der Bf bestätigte, dass sein Einkommen im Jahr 2016 im Schätzungswege ermittelt wurde, er vom bis in Kroatien war und der Lebensunterhalt mit dem Einkommen der Gattin bestritten wurde. Mit August 2016 war er als Dienstnehmer in Deutschland tätig.

Das Finanzamt wies die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2016 mit Bescheiden vom ab, mit der Begründung, dass angeforderte Unterlagen nicht beigebracht worden seien.

In der Folge brachte der Bf mit Eingabe vom Beschwerden gegen die Abweisungsbescheide ein und begründete die Nichtvorlage der Unterlagen damit, dass er sich nicht in Österreich aufgehalten habe. Er werde die fehlenden Unterlagen nachreichen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom - Berichtigung des Spruches mit Bescheid vom - wies das Finanzamt die Beschwerden ab. Die Abgabenbehörde folge der Rechtsprechung des BFG, nach der ein Antrag auf Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO unter gleichzeitiger Einreichung der fehlenden Abgabenerklärungen nicht zum Erfolg führe, wenn Abgaben mangels rechtzeitiger Einreichung von Abgabenerklärungen gemäß § 184 BAO geschätzt worden seien.

Mit Eingabe vom brachte der Bf einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht ein, den die Abgabenbehörde am dem BFG vorlegte.

Der Bf führte begründend aus, dass er im Jahr 2016 in Kroatien und dann in Deutschland gewesen sei, sodass er die Steuererklärungen nicht rechtzeitig dem Finanzamt vorlegen konnte. Auch einer Aufforderung bezüglich Nachreichung von Unterlagen konnte er wegen Ortsabwesenheit nicht nachkommen. Die Abweisung des Antrages stehe im Widerspruch zum Gesetz. Die Begründung in den Bescheiden sei unzutreffend, die Schätzung sei rechtswidrig.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Der Bf hat nach Rechtskraft der Einkommen- und Umsatsteuerbescheide, in denen die Festsetzung der Einkommen- und Umsatzsteuer 2016 wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen im Schätzungswege gemäß § 184 BAO erfolgte, einen Wiederaufnahmeantrag unter Beilegung der ausständigen Steuererklärungen gestellt. Streit zwischen den beiden Parteien des gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens besteht darüber, ob die Abweisung der Wiederaufnahmeanträge des Bf zu Recht erfolgt ist.

Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf den Inhalt des Verwaltungsaktes.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn

a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder

c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Gemäß § 303 Abs. 2 BAO hat der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens a) die Bezeichnung des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme beantragt wird und b) die Bezeichnung der Umstände auf die der Antrag gestützt wird zu enthalten.

Ein Antrag auf Wiederaufnahme hat sohin - bei Geltendmachung neu hervorgekommener Tatsachen - insbesondere die Behauptung zu enthalten, dass Tatsachen oder Beweismittel "neu hervorgekommen sind". Damit setzt aber diese Bestimmung voraus, dass diese Tatsachen im Zeitpunkt der Antragstellung bereits bekannt geworden sind. Aus dem insoweit klaren Wortlaut des § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist somit abzuleiten, dass bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen ist (vgl. dazu Papst, ÖStZ 2017, 49 ff, sowie Fuchs, ÖStZ 2017, 70).
Gleiches gilt spiegelbildlich für die Wiederaufnahme von Amts wegen, bei der die - für die Behörde - neu hervorgekommenen Tatsachen im Wiederaufnahmebescheid anzuführen sind ().

Die Rechtsfrage zur Reichweite der antragsgebundenen Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO idF FVwGG 2012 und zur diesbezüglichen Bedeutung des Kenntnisstandes der Partei ist bereits mit dem zitierten Erkenntnis , beantwortet.

Diese Ansicht bestätigte der Verwaltungsgerichtshof auch im sowie Ro 2015/13/0011VwGH.

Werden die Besteuerungsgrundlagen, wie im Beschwerdefall, wegen Nichtabgabe der Abgabenerklärungen im Schätzungswege ermittelt und reicht der Abgabepflichtige später die fehlenden Erklärungen in Verbindung mit einem Wiederaufnahmeantrag ein, so liegen grundsätzlich aus der Sicht des Bf. keine neu hervorgekommenen Tatsachen vor.

Die Grundlagen im Falle von verspäteten Abgabenerklärungen beruhen auf Tatsachen oder Beweismitteln, die im Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen Bescheide bereits existierten und dem Antragsteller bekannt sein mussten. Das sind insbesondere die jeweiligen Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge bzw. das diesen zugrunde liegende Belegmaterial (s. zB ; ; ; jeweils mwN).

Der bloße Umstand, dass ein Abgabepflichtiger die Ermittlung der steuerlich maßgeblichen Ergebnisse sowie die Erstellung bzw. Einreichung von Abgabenerklärungen binnen der gesetzlich vorgesehenen Fristen - aus dem von ihm vorgebrachtem Grund der Ortsabwesenheit - unterlassen hat, stellt jedenfalls keine "neu hervorgekommene Tatsache" und sohin keinen geeigneten Wiederaufnahmegrund dar.

Am Ende eines Veranlagungsjahres sind im Allgemeinen sämtliche Tatsachen bekannt oder Beweismittel vorhanden, die für die steuerliche Veranlagung maßgeblich sind.

Wenn ein Abgabepflichtiger sich nicht dazu im Stande fühlte, die Abgabenerklärungen fristgerecht einzureichen, so ändert dies nichts daran, dass ihm mit Jahresende des jeweiligen Veranlagungsjahres sämtliche abgabenrechtlichen bedeutsamen Umstände und Beweismittel für die Ermittlung des steuerlichen Ergebnisses bekannt waren. ().

Dass dem Bf die steuerlichen Ergebnisse, die für die Veranlagung maßgeblich sind, bei einer Bezifferung von € 0,00 (siehe beigelegte Abgabenerklärungen) im Zeitpunkt der Erlassung des Einkommen- und Umsatzsteuerbescheides nicht bekannt gewesen wären, ist nicht nachvollziehbar.

Die Abgabe von Abgabenerklärungen nach Eintritt der Rechtskraft der im Schätzungswege ergangenen Bescheide erfüllt den behaupteten Neuerungstatbestand jedenfalls nicht, da dem Bf. sämtliche Daten für die Erstellung der Abgabenerklärungen bereits vorher (mit Ablauf des Veranlagungsjahres) bekannt waren.

Umstände, die einer Partei im Zeitpunkt der Entscheidung zwar bekannt sind, jedoch etwa auf Grund einer Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht bei der Bescheiderlassung nicht berücksichtigt werden konnten, bilden keinen tauglichen Wiederaufnahmegrund für eine Wiederaufnahme auf Antrag der Partei (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 303 BAO, Anm. 6; sowie nochmals zB ).

Das Wiederaufnahmeverfahren hat nicht den Zweck die Versäumnisse des Bf. im Abgabenverfahren zu sanieren (siehe nochmals die bereits oben zitierte Literatur bzw. BFG-Rechtsprechung).

Angesichts dieser Rechtsausführungen ist über die Beschwerde bereits entschieden. Die Behauptung des Bf, die Schätzung sei zu hoch gegriffen, begründet den obigen Ausführungen folgend keinen Neuerungstatbestand nach § 303 Abs 1 BAO aus der Sicht des Bf.

Mangels Erfüllung eines Wiederaufnahmetatbestandes war die Beschwerde abzuweisen.

Zulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In der vorliegenden Streitsache wird keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt. Die Rechtsfrage zur Reichweite der antragsgebundenen Wiederaufnahme nach § 303 Abs. 1 lit. b BAO idF FVwGG 2012 und die Bedeutung des Kenntnisstandes eines Antragstellers wurde bereits mit Erkenntnissen des , beantwortet sowie mit , bekräftigt. Eine ordentliche Revision ist folglich unzulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100229.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at