Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 27.02.2020, RV/7103494/2019

Haftungsbescheid: Quotenberechnung, Auszahlung der Löhne teilweise bestritten sowie Übersendung des haftungsgegenständlichen KÖSt-Bescheides erst nach Erlassung des Haftungsbescheides, Verjährung beschwerdegegenständlich

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2020/13/0015. Zurückweisung mit Beschluss vom .


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/7103494/2019-RS1
Dem Beschwerdeführer als Geschäftsführer der Primärschuldnerin hätte eine Beweisvorsorgeverpflichtung insoweit getroffen, als laut ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes es dem Vertreter auch obliegt, entsprechende Beweisvorsorgen – etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken – zu treffen. Dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, ist schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen ().
RV/7103494/2019-RS2
Dem Geschäftsführer wäre es noch als Vertreter der Primärschuldnerin oblegen gewesen, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch das Erstellen und Aufbewahren von Ausdrucken - zu treffen (vgl. ; ; )
RV/7103494/2019-RS3
Im Falle von bereits gegenüber der Primärschuldnerin vorliegenden Abgabenbescheiden hat die Bekanntmachung gegenüber eine/r/em Haftungspflichtigen durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch zu erfolgen (Ritz, BAO³, § 248 Tz 8 mwN).
RV/7103494/2019-RS4
Eine Bekanntmachung eines dem Haftungsbescheid zugrunde liegenden Abgabenbescheides ist auch erforderlich, wenn der Haftungspflichtige vom Abgabenanspruch Kenntnis haben muss, z.B., weil ihm als gemäß § 9 BAO haftendem Geschäftsführer einer GmbH die betreffenden Bescheide zugestellt worden sind (Ritz, BAO6, § 248 Tz 9 mit Verweis auf ). Wird dies unterlassen, liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (vgl. z.B. ).

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden Mag. Gerhard Groschedl, die Richterin Mag. Mirha Karahodzic MA sowie die fachkundigen Laienrichter **L1** und **L2** in der Beschwerdesache **Bf**, **Adr**, vertreten durch Eckhardt Wirtschaftsprüfung und SteuerberatungsgmbH, Hauptstraße 58, 7033 Pöttsching, über die Beschwerde des Haftungspflichtigen vom gegen den Haftungsbescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom , StNr. ***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des steuerlichen Vertreters, des Vertreters des Finanzamtes sowie der Schriftführerin zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insoweit abgeändert, als die Lohnsteuer 7/11 bis 10/11, die Dienstgeberbeiträge 6/11 bis 10/11 und die Dienstgeberzuschläge 7/11 bis 10/11 zur Gänze und die Körperschaftsteuer 2009 im Ausmaß von € 47.415,71 aus der Haftung ausgeschieden werden.

Für die darüber hinaus offenen Haftungsbeträge an Körperschaftsteuer 2009 von € 9.642,91 und die Dienstgeberbeiträge 2/2011 von € 63,82 und 5/2011 von € 134,67 sowie die Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen 2/2011 von € 5,67 und 5/2011 von € 14,42 (sohin im Gesamtausmaß von € 9.859,04) wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Die ordentliche Revision wird gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zur Frage, welcher Verpflichtung - Beweisvorsorgeverpflichtung des potentiell Haftungspflichtigen oder ob zur Bekämpfung des Abgabenbescheides dessen (allenfalls nochmalige) Zustellung an den Haftungspflichtigen erforderlich ist - Vorrang einzuräumen ist, zugelassen.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom wurde **Bf** (im Folgenden: Beschwerdeführer) als ehemaliger Geschäftsführer der **B** GmbH (Primärschuldnerin) über seine beabsichtigte Heranziehung zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO informiert und aufgefordert, innerhalb eines Monats Fragen zur Gläubigergleichbehandlung zu beantworten, sowie durch Vorlage geeigneter Unterlagen, die zu einer Entlastung dienen könnten, zu belegen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger eingehalten wurde. Gleichzeitig wurde ihm ein Rückstandsausweis über die vollstreckbaren Abgaben iHv € 61.668,45 zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer als Geschäftsführer gemäß § 9 iVm § 80 Bundesabgabenordnung als Haftungspflichtiger für die noch aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin im Ausmaß von € 61.668,45 in Anspruch genommen.

Am wurde Beschwerde eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass im Schreiben vom auf den Körperschaftsteuerbescheid 2008 verwiesen worden sei, obwohl es sich um den Körperschaftsteuerbescheid 2009 handle. Außerdem sei der maßgebliche Körperschaftsteuerbescheid weder dem Haftungsvorhalt noch dem Haftungsbescheid beigelegen. Weiters sei der der Haftung zugrundeliegende Bescheid rechtswidrig, da das Rechtsmittel der Berufung in der Rechtsmittelbelehrung angeführt worden sei, obwohl es das bezeichnete Rechtsmittel seit nicht mehr gebe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen. Am erfolgte gegen die Zurückweisung ein Vorlageantrag. Ebenfalls am brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO ein. Am wurde diesem Antrag stattgegeben, weswegen es am durch Beschluss des Bundesfinanzgerichtes zur Einstellung des Verfahrens kam.

In einem Nachtrag zur Beschwerde vom gab der Parteienvertreter an, dass der Körperschaftsteuerbescheid 2009 erstmalig mit Schreiben vom übermittelt worden sei. Dem Haftungspflichtigen sei durch Bekanntmachung Kenntnis vom Abgabenanspruch zu verschaffen. Außerdem sei die Einhebungsverjährung gemäß § 238 BAO eingetreten.

Am erließ die belangte Behörde erneut eine Beschwerdevorentscheidung, mit der dem Beschwerdebegehren teilweise stattgegeben wurde. In dieser wurde auf die fehlenden Nachweise zu der Gleichbehandlung der Gläubiger hingewiesen. Außerdem seien die Einwendungen bezüglich des Abgabenbescheides in einem gesonderten, den Abgabenbescheid betreffenden Verfahren und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen. Weiters könne von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung ausgegangen werden. Nach der Meinung der Behörde stehe eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung der Bescheidqualität nicht entgegen.

Im Vorlageantrag vom wurden keine Ergänzungen zur Beschwerde vorgebracht.

Mit per Fax eingebrachtem Schreiben vom übermittelte der Beschwerdeführer ein Konvolut an Unterlagen und führte dazu aus:

Die Unterlagen seien lange Zeit nicht zur Verfügung gestanden, erst vor kurzem habe auf die gesamten Daten zugegriffen werden können. Aus den Unterlagen gehe eine Ungleichbehandlung des Finanzamtes in Höhe von 16,9% hervor, so dass maximal 16,90% des vorgeschriebenen Haftungsbetrages einer möglichen Haftung unterliegen würden. Zusätzlich werde aber auf das formal nicht korrekt abgelaufene Haftungsverfahren hingewiesen. Gegen den Beschwerdeführer würden überdies zahlreiche Exekutionen geführt, was im Rahmen der Ermessensübung im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit zu berücksichtigen sei. Eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall sei im Übrigen nicht gegeben und auch die 16,90% letztlich nicht als Haftungsbetrag vorzuschreiben.

Am fand vor dem Bundesfinanzgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der zum einen die unterschiedliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Beweisvorsorgepflicht des potenziell Haftungspflichtigen und der Verpflichtung der Behörde, dem Haftungsbescheid die Grundlagenbescheide anzuschließen, um eine Beschwerde gemäß § 248 BAO zu ermöglichen, erörtert wurde. Zum anderen wurde v.a. die Frage der Nachvollziehbarkeit der vorgelegten Berechnungen erörtert.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war im Zeitraum von bis Geschäftsführer der **B** GmbH mbH (im Folgenden: Primärschuldnerin).

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom **Datum**, wurde das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet. Mit Beschluss vom Datum**** wurde der Gesellschaft die Eigenverwaltung entzogen und die Bezeichnung des Sanierungsverfahrens auf Konkursverfahren geändert. Infolge Eröffnung des Konkursverfahrens wurde die Gesellschaft aufgelöst. Mit Beschluss vom ***2012 wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Konkursverfahren aufgehoben. Die Sanierungsquote betrug 20%. Mit wurde in einer Generalversammlung der **B** GmbH die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen.

Am wurde der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger gemäß § 9 iVm § 80 BAO mit dem angefochtenen Haftungsbescheid für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der **B** GmbH im Ausmaß von € 61.668,45 zur Haftung herangezogen. In einer Aufgliederung zum Haftungsbescheid (Rückstandsausweis) waren die Abgaben wie folgt aufgelistet:


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Abgabenart
Zeitraum
Rückstand (Beträge in €)
Fälligkeitstag
Rückstand
Lohnsteuer
07/11
69,51
Lohnsteuer
08/11
466,32
Lohnsteuer
09/11
392,11
Lohnsteuer
10/11
388,52
Körperschaftsteuer
2009
57.058,62
Dienstgeberbeitrag
02/11
377,65
Dienstgeberbeitrag
05/11
796,86
Dienstgeberbeitrag
06/11
410,34
Dienstgeberbeitrag
07/11
387,71
Dienstgeberbeitrag
08/11
400,76
Dienstgeberbeitrag
09/11
282,98
Dienstgeberbeitrag
10/11
323,34
Dienstgeberzuschlag
02/11
33,57
Dienstgeberzuschlag
05/11
70,83
Dienstgeberzuschlag
06/11
85,34
Dienstgeberzuschlag
07/11
34,46
Dienstgeberzuschlag
08/11
35,62
Dienstgeberzuschlag
09/11
25,15
Dienstgeberzuschlag
10/11
28,74

Die Beträge sind bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.

Der der Haftung zugrundeliegende Körperschaftsteuerbescheid 2009 war dem Haftungsbescheid nicht beigefügt, wurde aber der GmbH noch zu einer Zeit übermittelt, in der die Gesellschaft noch nicht in Insolvenz war. Dem Beschwerdeführer wurde der Körperschaftssteuerbescheid 2009 mit Schreiben vom übermittelt, in dem wörtlich wie folgt ausgeführt wurde: "[..] In Erledigung ihres Begehrens wurde festgestellt, dass die Zitierung 'Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom ' tatsächlich als verfehlt anzusehen ist. Gemeint war natürlich 'Körperschaftsteuerbescheid 2009' wie im Bedenkenvorhalt vom und im Haftungsbescheid vom (ursprünglich ) genannt. Anbei wird Ihnen der richtige Bescheid übermittelt."

Der Beschwerdeführer hat geeignete Unterlagen vorgelegt, aus denen ersichtlich ist, dass ab Juni 2011 keine Löhne mehr ausbezahlt worden sind. Eine Ungleichbehandlung des Finanzamtes ist demnach im Ausmaß von 16,90% erfolgt.

Gegen den Beschwerdeführer waren im Zeitraum von bis 43 Exekutionsverfahren anhängig (vgl. die dem Schreiben vom beigelegte VJ-Namensabfrage)

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich - soweit im Folgenden nicht näher ausgeführt - aus dem übermittelten Verwaltungsakt sowie der Einsicht in das Abgabenkonto der Primärschuldnerin und in das Firmenbuch zur FN ***.

Der an die GmbH zu Handen des steuerlichen Vertreters adressierte Körperschaftsteuerbescheid 2009 vom ist der GmbH zweifellos noch zu einer Zeit zugestellt worden, als die GmbH noch nicht in Insolvenz war. Damit hatte der Beschwerdeführer, der zu diesem Zeitpunkt Geschäftsführer war, zumindest Kenntnis vom Inhalt dieses Bescheides. Dass der Bescheid dem Beschwerdeführer spätestens am (nochmals) übermittelt wurde, ergibt sich zweifelsfrei aus dem genannten Schreiben des Finanzamtes und dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Beschwerdeführers.

Die Feststellung, dass ab Juni 2011 keine Löhne mehr von der GmbH ausbezahlt worden sind, ergibt sich aus den übermittelten Unterlagen vom sowie den erklärenden Aussagen des steuerlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung, wonach Lohnbeträge auf das Verrechnungskonto des Haftungspflichtigen gebucht worden sind, da er diese Löhne aus seinem Privatvermögen bezahlt hat. In der mündlichen Verhandlung wurden dazu noch die Niederschrift über die GPLA-Prüfung der WGKK sowie ein Schreiben des IEF vorgelegt, woraus hervorgeht, dass der IEF € 45.442,00 im Hinblick auf diese nicht bezahlten Löhne vorgestreckt hat (Beilage ./A sowie Ausführungen in Beilage ./B).

Zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung hat der Beschwerdeführer mit dem Schriftsatz vom Unterlagen vorgelegt, in denen er zeitraumbezogene Berechnungen anstellt und Verrechnungskontenbuchungen anführt. Der Beschwerdeführer räumt darin einen Quotenschaden des Finanzamtes iHv 16,90% ein. Dieser ist durchaus als nachvollziehbar einzustufen, auch wenn die Höhe vom Finanzamt in der mündlichen Verhandlung in Abrede gestellt wurde. Ein gänzliches Fehlen liquider Mittel wurde nicht behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I (teilweise Stattgabe)

3.1.1. Rechtslage

§ 9 Abs 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben in Folge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

§ 80 Abs 1 BAO lautet:

"Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden."

§ 248 BAO lautet:

"Der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige kann unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2, 4 und 5 sinngemäß."

3.1.2. Nach der im Folgenden näher dargestellten, ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO voraus, dass

1. die als haftungspflichtige in Frage kommende Person zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO gehört (Vertreterstellung),

2. eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht (Uneinbringlichkeit),

3. ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertretenen vorliegt (Verschulden) und

4. die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (Kausalität).

3.1.2.1. Zur Vertreterstellung:

Der Beschwerdeführer war im haftungsrelevanten Zeitraum wie festgestellt handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin und gehörte damit zum Personenkreis der §§ 80 ff. BAO. Zu seinen Pflichten als Geschäftsführer der GmbH gehörte es daher, die abgabenrechtlichen Verpflichtungen der Gesellschaft wahrzunehmen und für die Entrichtung der Abgaben aus den verwalteten Mitteln zu sorgen (siehe ; , 2006/13/0121; 2008/15/0085).

3.1.2.2. Zur Uneinbringlichkeit der Abgaben:

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung und setzt die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraus ().

Die Haftungsinanspruchnahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde erfolgte auf den um die 20%-Quote verminderten Teil der haftungsgegenständlichen, am Abgabenkonto der Gesellschaft aushaftenden Abgabenschuldigkeiten.

Die objektive Uneinbringlichkeit der verfahrensgegenständlichen Abgaben steht zweifelsfrei fest, da das über die Primärschuldnerin mit dem Beschluss vom Datum**** eröffnete Konkursverfahren mit der rechtskräftigen Bestätigung des Sanierungsplanes mit einer Quote von 20% am ****2012 beendet wurde, weshalb eine Einbringlichmachung der noch zu 80% aushaftenden Abgabenverbindlichkeiten bei der Gesellschaft ausgeschlossen ist ( mwN).

3.1.2.3. Zum Verschulden:

Die Haftung nach § 9 BAO ist eine verschuldensabhängige Haftung. Voraussetzung ist daher ein Verschulden des Vertreters an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten der vertretenen Gesellschaft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden die Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als andere Schulden; er hat die Schulden im gleichen Verhältnis zu befriedigen ("Gleichbehandlungsgrundsatz"; ).

Was die haftungsgegenständlichen Abgaben betrifft, erstreckt sich die Haftung des Vertreters, wenn die liquiden Mittel nicht zur Begleichung sämtlicher Schulden gereicht haben und der Vertreter nur deswegen haftet, weil er die Abgabenforderungen nicht wenigstens anteilig befriedigt und somit die Abgabengläubiger benachteiligt hat, nur auf jenen Betrag, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat ().

Der Vertreter erfährt somit nur dann eine Einschränkung der Haftung, wenn er den Nachweis erbringt, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger uneinbringlich geworden wäre (). Hat der Geschäftsführer aber nicht dargetan, weshalb er für die rechtzeitige Entrichtung der bei der Gesellschaft angefallenen Abgaben gesorgt hat, darf die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen (siehe nochmals ).

Zu den ausgewiesenen Fälligkeitstagen, die alle im Jahr 2011 eintraten, war der Beschwerdeführer, wie bereits festgestellt, Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Da der Nachweis, welcher Betrag bei Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger an die Abgabenbehörde zu entrichten gewesen wäre, dem Beschwerdeführer oblag, wurde er von der Abgabenbehörde im Haftprüfungsvorhalt vom aufgefordert, zu den jeweiligen Fälligkeitstagen der Abgaben eine Aufstellung sämtlicher Gläubiger, der auf die einzelnen Verbindlichkeiten geleisteten Zahlungen sowie aller verfügbar gewesenen liquiden Mittel beizubringen. Auch die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung vom sind als nochmalige Aufforderung zur Vorlage von Gleichbehandlungsnachweisen zu verstehen.

Einen Nachweis, welcher konkrete Abgabenbetrag auch bei einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger hinsichtlich der haftungsrelevanten Zeiträume uneinbringlich geworden wäre, hat der Beschwerdeführer trotz dieser oftmaligen Aufforderungen zunächst nicht erbracht. Erst mit Schreiben vom legte der Beschwerdeführer ein umfassendes Konvolut an Unterlagen und Berechnungen vor, aus dem eine von ihm berechnete Ungleichbehandlung des Finanzamtes iHv 16,90% des vorgeschriebenen Haftungsbetrages hervorgeht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt bei der Lohnsteuer der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zum Tragen. Aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG 1988, wonach in Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten ist, ergibt sich nämlich, dass jede vom Geschäftsführer einer GmbH vorgenommene Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung seiner abgabenrechtlichen Pflicht mit den Rechtsfolgen des § 9 Abs. 1 BAO darstellt (siehe zuletzt , und die dort zitierte Vorjudikatur).

Da der Beschwerdeführer letztlich Nachweise dafür vorgelegt hat, dass die Löhne ab Juni 2011 nicht mehr ausbezahlt wurden, sind die Lohnsteuer 07/11 bis 10/11 sowie die damit in Zusammenhang stehenden lohnabhängigen Abgaben, nämlich Dienstgeberbeitrag 06/11 bis 10/11 sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 06/11 bis 10/11 aus dem Haftungsbetrag auszuscheiden und der Beschwerde insoweit stattzugeben.

Hinsichtlich der Dienstgeberbeiträge 02/11 und 05/11 sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 02/11 und 05/11 konnte nach den obigen Ausführungen hingegen eine schuldhafte Pflichtverletzung im eingeschränkten Ausmaß von 16,90% angenommen werden.

Hinsichtlich der Heranziehung für die aushaftende Körperschaftsteuerschuld 2009 ist Folgendes auszuführen:

Der Beschwerdeführer behauptet, das Haftungsverfahren sei mangelhaft durchgeführt worden, da weder im Haftprüfungsvorhalt noch im Haftungsbescheid eine Bekanntmachung des Körperschaftsteuerbescheides 2009 erfolgt sei. Allerdings wurde der Körperschaftsteuerbescheid 2009 der GmbH noch zu einer Zeit übermittelt, in der die Gesellschaft noch nicht in Insolvenz war.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes obliegt es dem Vertreter, entsprechende Beweisvorsorgen - etwa durch Erstellung und Aufbewahrung von Ausdrucken - zu treffen. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom , 2008/15/0220 und 2008/15/0263, ausgeführt hat, ist es dem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht oder nicht zur Gänze entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberechtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Falle der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen (vgl. auch ; , 2011/16/0187; , 2011/16/0188; , 2013/16/0016).

Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aber auch, dass im Falle von bereits gegenüber der Primärschuldnerin vorliegenden Abgabenbescheiden die Bekanntmachung gegenüber einer/einem Haftungspflichtigen durch Zusendung einer Ausfertigung (Ablichtung) des maßgeblichen Bescheides über den Abgabenanspruch zu erfolgen hat (Ritz, BAO6, § 248 Tz 8 mwN), und zwar vor allem über Grund und Höhe des feststehenden Abgabenanspruchs (vgl. zB ). Eine solche Bekanntmachung ist auch erforderlich, wenn der Haftungspflichtige vom Abgabenanspruch Kenntnis haben muss, zB weil ihm als gemäß § 9 BAO haftendem Geschäftsführer einer GmbH die betreffenden Bescheide zugestellt worden sind (Ritz, BAO6, § 248 Tz 8 f mit Verweis auf ). Wird dies unterlassen, liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Verfahren über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid nicht sanierbar ist (vgl. zB ).

Im gegenständlichen Fall finden sich im Akt hinsichtlich einer tatsächlichen Übermittlung des der Haftung zugrunde liegenden Abgabenbescheides vom als Beilage zum Haftungsbescheid keine Hinweise, der Abgabenbescheid wurde dem Beschwerdeführer (nach Konkursverfahren) vielmehr erst am übermittelt. Da die Abgabenbehörde dem nicht entgegengetreten ist, ist somit davon auszugehen, dass dieser Abgabenbescheid dem Beschwerdeführer nicht spätestens auch bei der Erlassung des Haftungsbescheides zur Kenntnis gebracht wurde. Im Zuge des Vorverfahrens wurde der Beschwerdeführer aber mit dem Haftprüfungsvorhalt vom über Anspruch, Art, Höhe und Grund der Abgabenschuld informiert, weshalb nach Auffassung des Bundesfinanzgerichtes kein Mangel des Verfahrens vorliegt, da ihm ausreichende Kenntnis über den haftungsgegenständlichen Abgabenanspruch verschafft wurde. Im Übrigen hätte der Beschwerdeführer der ihm obliegenden, oben beschriebenen Beweisvorsorgepflicht als potentiell Haftungspflichtiger nachkommen müssen.

Auf Grund der vorangegangenen Ausführungen ist somit auch hinsichtlich der Körperschaftsteuerschuld 2009 von einer schuldhaften Pflichtverletzung - im eingeschränkten Ausmaß von 16,90% (sohin iHv € 9.642,91) - auszugehen.

Eine Verjährung der Einhebung der Körperschaftsteuer 2009 konnte nicht erkannt werden: Das Recht eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe (§ 238 Abs. 1 BAO). Die Körperschaftsteuer 2009 wurde am festgesetzt und war zum fällig. Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Haftungsbescheides am war die 5-Jahres-Frist des § 238 Abs. 1 BAO somit noch nicht abgelaufen.

3.1.2.4. Zur Kausalität:

Im Fall des Vorliegens einer schuldhaften Pflichtverletzung spricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Vermutung für die Verursachung der Uneinbringlichkeit der Abgaben durch die Pflichtverletzung und den Rechtswidrigkeitszusammenhang. Die Pflichtverletzung ist demnach kausal für die Uneinbringlichkeit ().

Im vorliegenden Fall war die pflichtwidrige Nichtentrichtung der aushaftenden Abgaben kausal für deren Uneinbringlichkeit. Dieses pflichtwidrige Verhalten ist dem Beschwerdeführer als verantwortlichem Geschäftsführer der Gesellschaft für die übrig gebliebenen Abgaben zuzurechnen.

3.1.2.5. Zum Ermessen:

Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.

Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().

Vom Beschwerdeführer wurde zwar aufgezeigt, dass gegen ihn im Zeitraum von bis 43 Exekutionsverfahren geführt wurden. Das führt aber entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht dazu, dass die Haftung wegen seiner persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geltend gemacht werden dürfe. Eine allfällige Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften des Haftungspflichtigen stehen der Geltendmachung der Haftung nicht entgegen (vgl. zB mwN).

Dem Einwand des Beschwerdeführers, der Haftungsbescheid sei aufgrund des in der Rechtsmittelbelehrung fälschlicherweise als "Berufung" statt "Beschwerde" bezeichneten Rechtsmittels rechtswidrig und deswegen aufzuheben, ist abschließend zu entgegnen, dass im Falle einer Einbringung mit der im Bescheid angeführten Bezeichnung die Eingabe jedenfalls als Beschwerde zu qualifizieren war. Außerdem sind die Eingabestelle sowie die Rechtsmittelfrist des ab geltenden Rechtsmittels unverändert geblieben, weswegen der Einwand des Beschwerdeführers unbedenklich ist. Im Übrigen sind vor dem Bundesfinanzgericht Mängel des Verwaltungsverfahrens im Beschwerdeverfahren grundsätzlich sanierbar. Da der Beschwerdeführer überdies keiner Parteienrechte beraubt wurde, führt dieser Fehler nicht zu einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

3.1.3. Ergebnis

Der Beschwerde war aus den dargelegten Gründen gemäß § 279 BAO teilweise Folge zu geben und der angefochtene Bescheid dahingehend abzuändern, als die Lohnsteuer 7/11 bis 10/11, die Dienstgeberbeiträge 6/11 bis 10/11 und die Dienstgeberzuschläge 7/11 bis 10/11 zur Gänze und die Körperschaftsteuer 2009 im Ausmaß von € 47.415,71 aus der Haftung ausgeschieden werden.

Für den darüber hinaus offenen Haftungsbetrag an Körperschaftsteuer 2009 von € 9.642,91 und die Dienstgeberbeiträge 2/2011 von € 63,82 und 5/2011 von € 134,67 sowie die Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen 2/2011 von € 5,67 und 5/2011 von € 14,42 (sohin im Gesamtausmaß von € 9.859,04) war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II (Unzulässigkeit der Revision)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil der Beschluss von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Aufgrund der divergierenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einerseits zur Frage der Beweisvorsorgeverpflichtung des allenfalls zur Haftung heranzuziehenden Geschäftsführers (Senat 16; vgl. ; ; , 2011/16/0188) und andererseits der Verpflichtung der Abgabenbehörde, den Haftungspflichtigen über den Anspruch, Art, Höhe und Grund der Abgabenschuld zu informieren (Senat 13; vgl. ; , 2005/13/0145), war zur Frage, welcher Verpflichtung (Beweisvorsorgeverpflichtung des potentiell Haftungspflichtigen oder Zustellverpflichtung der Behörde iS einer nochmaligen Zustellung des Abgabenbescheides an den Haftungspflichtigen, obwohl der Haftungspflichtige als Geschäftsführer der Primärschuldnerin vom Bescheid schon Kenntnis erlangt hat) Vorrang einzuräumen ist, die ordentliche Revision zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103494.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at