Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.05.2020, RV/7101469/2019

Einzelfallprüfung notwendig, ob die Realisierung der vereinbarten Kündigungsgründe wahrscheinlich ist

Entscheidungstext

und RV/7101486/2019

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RI in der Beschwerdesache BF GmbH, ADR, vertreten durch Dr. Wolfgang Raming, Hauptplatz 2, Waidhofen an der Thaya 3830, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel je vom , ERFNR, betreffend 1. Gebühr und 2. Gebührenerhöhung zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom hat die BF GmbH, nunmehrige Beschwerdeführerin, =Bf., von VK1 und der VK2 Grundstücke im Ausmaß von insgesamt 4.472 m² erworben (Wohnhaus samt Scheune und umliegende Wiesen, Betriebs- und Straßenflächen). Gemäß Vertragspunkt VII beabsichtigen die Parteien den sofortigen vollständigen Abriss aller Baulichkeiten und in Vertragspunkt VIII räumt die BF GmbH der VK2 ein Wiederkaufsrecht für den Fall ein, dass nicht binnen fünf Jahren ab Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages die Errichtung und die Inbetriebnahme einer MG der M auf den vertragsgegenständlichen Grundflächen abgeschlossen sein sollte.

Im Jahr 2013 wurde sodann nach den detaillierten Vorgaben der M lt. Bau- und Ausstattungsbeschreibung (gültig ab ) auf dem Grundstück eine MG errichtet.

Nach deren Fertigstellung hat die Bf. als Vermieterin, mit Mietvertrag vom (unterfertigt von der Mieterin am , von der Bf. am ) den Mietgegenstand, nämlich sämtliche Räume in dem ihr gehörigen Gebäude mit der Adresse XY (Hallenfläche "MG", Mopedraum) samt zugehörigen Außen- und Verkehrsflächen ("befestigte Betriebsvorrichtungen": Stellplätze, Verladeflächen, Straßen, Umzäunungen), an die M als Mieterin vermietet. Der Mietvertrag enthält die nachstehenden, entscheidungswesentlichen Regelungen:

I. Mietgegenstand

1.6. Dieses Mietverhältnis unterliegt insoweit den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes (MRG) als dessen Anwendung ausdrücklich vereinbart oder gesetzlich zwingend angeordnet ist.
2. Die Mieterin wird den Mietgegenstand als MG verwenden. Die Benutzung des Mietgegenstandes zu anderen Zwecken ist mit vorheriger schriftlicher Zustimmung des Vermieters zulässig; der Vermieter wird seine Zustimmung nur aus wichtigem Grund verweigern.

II. Mietzins, Nebenkosten

1. Hauptmietzins
2. Wertsicherung
3. Betriebskosten und andere Aufwendungen
4. Umsatzsteuer
5. Mietzins-Aufstellung
Gemäß den o.a. Vertragspunkten II.1. - II.4. ergeben sich daher die folgenden monatlichen Mietzinskomponenten: ... 
Gesamtsumme End-Betrag 10.370,23 €

III. Vertragsdauer

  • Das Mietverhältnis beginnt am und wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen.

  • Jeder Vertragsteil hat das Recht, diesen Vertrag unter Einhaltung einer sechsmonatigen Kündigungsfrist jeweils zum Monatsletzten zu kündigen ("ordentliche Kündigung").

  • Die Vertragsparteien vereinbaren, dass das Mietverhältnis auf Seite des Vermieters nur bei Vorliegen wichtiger Gründe iSd. § 30 MRG ("Kündigungsbeschränkungen") aufgekündigt werden kann. Der Vermieter verzichtet jedoch ausdrücklich auf die Geltendmachung der Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 Z 9 und 11 MRG. Neben den Kündigungsbeschränkungen vereinbaren die Vertragsparteien des Weiteren ausdrücklich die Anwendung der §§ 33 (Kündigungsverfahren) und 34 (Räumungsaufschub) auf das gegenständliche Mietverhältnis.

  • Die Mieterin verzichtet für den Zeitraum von 10 Jahren ab Mietbeginn auf ihr ordentliches Kündigungsrecht. Eine Erklärung der Kündigung während des Kündigungsverzichtszeitraums ist zulässig. Das Mietverhältnis kann daher ordentlich frühestens mit Ablauf des Kündigungsverzichtszeitraums zum gekündigt werden.

  • 1. Unbeschadet des Kündigungsverzichts der Mieterin gemäß obig III.4. ist die Mieterin dennoch nach Ablauf von 5 Jahren ab Mietbeginn berechtigt, das Mietverhältnis unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist jeweils zum Monatsletzten vorzeitig aufzukündigen ("außerordentliche Kündigung").
    2. Für den Fall der Ausübung des Rechts der außerordentlichen Kündigung verpflichtet sich die Mieterin jedoch zur Entrichtung einer, vom jeweiligen Kündigungsjahr abhängigen Abschlagszahlung wie folgend:
    5.2.1. Kündigung im 6 Jahr: 91 % des fiktiv geschuldeten Hauptmietzinses
    5.2.2. Kündigung im 7 Jahr: 93 % des fiktiv geschuldeten Hauptmietzinses
    5.2.3. Kündigung im 8 Jahr: 95 % des fiktiv geschuldeten Hauptmietzinses
    5.2.4. Kündigung im 9 Jahr: 97 % des fiktiv geschuldeten Hauptmietzinses
    5.2.5. Kündigung im 10 Jahr: ohne Abschlagszahlung
    3. Festgehalten wird, dass sich der "geschuldete Hauptmietzins" aus der Summe der, zwischen dem jeweiligen Kündigungstermin und dem liegenden Monate, multipliziert mit dem zuletzt geschuldeten Netto-Hauptmietzins errechnet.

  • Die Rechte der Vertragsparteien zur vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses gemäß §§ 1117 und 1118 ABGB bleiben darüber hinaus unberührt.

IV. Übergabe des Mietgegenstandes, Gewährleistung

1. Der Mietgegenstand ist gemäß der Bau- und Ausstattungsbeschreibung, dem Plan sowie sämtlichen für die Benützung als MG erforderlichen Unterlagen und Genehmigungen, gereinigt und gebrauchsfähig/bezugsfertig zu übergeben ("ordnungsgemäßer Zustand").
2.1. Der Vermieter verpflichtet sich bis zum den ordnungsgemäßen Zustand herzustellen.
4.1. Der Vermieter leistet der Mieterin auf Bestanddauer Gewähr, dass der Mietgegenstand ohne Einschränkungen als MG geeignet ist.

VIII.7. Rechtsnachfolge

Die Mieterin hat das Recht, den Mietvertrag an Konzerngesellschaften zu übertragen. Die Mieterin kann zudem den gesamten Mietgegenstand untervermieten. Die Mieterin wird den Vermieter von der geplanten Untervermietung verständigen.

IX. Verbücherung des Mietvertrages

Die Vertragsparteien kommen überein, dass aufgrund der in diesem Vertrag getroffenen Vereinbarungen ein Bestandrecht zugunsten der M verbüchert wird.

Der Schriftenverfasser RA, =RA, hat die zu entrichtende Mietvertragsgebühr am mit 3.733,28 € selbst berechnet, wobei er von einem Vertrag auf unbestimmte Dauer ausgegangen ist.

Im Zuge einer Prüfung bei RA, ABNR, hat das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, =GVG, festgestellt, dass die Berechnung obiger Gebühr hinsichtlich der Dauer unrichtig erfolgt sei, weil beide Vertragsteile während einer Dauer von 10 Jahren an den Vertrag gebunden seien.

Das GVG hat daher mit Bescheiden je vom

  • gemäß § 201 BAO die Gebühr für den Mietvertrag vom gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 Gebührengesetz (GebG) von einer Bemessungsgrundlage von 1,617.755,58 € mit 1 % in Höhe von 16.177,56 € festgesetzt. Der Bescheid ist an die Bf. ergangen. 

  • Zusätzlich hat das GVG gemäß § 9 Abs. 2 GebG eine Gebührenerhöhung von 10 % (von der Nachforderung von 12.444,28 €) in Höhe von 1.244,43 € vorgeschrieben.

Zur Begründung führt das GVG aus, die Festsetzung erfolge, weil auf Grund der unrichtigen Selbstberechnung … Der Vermieter könne nicht jederzeit das Vertragsverhältnis beenden und der Mieter verzichte auf die Dauer von 10 Jahren auf sein Kündigungsrecht. … Die Berechnung der Gebühr gem. § 33 TP 5 GebG erfolge daher von 10 Jahren bestimmter und anschließend unbestimmter Dauer, ergibt gesamt 13 Jahre, das ist 124.442,76 € jährlicher Mietzins x 13 Dauer = 1,617.755,58 € Bemessungsgrundlage.

Die gegenständliche Beschwerde vom richtet sich gegen beide Bescheide vom .

Vorweg verweist die Bf. auf die Gebührenrichtlinie (Richtlinie des , wonach nur die Vereinbarung eines beidseitigen Kündigungsverzichts die Annahme eines Vertrages auf bestimmte Dauer rechtfertige. Auch sei auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), zuletzt wiederum in RA 2017/16/0111, zu verweisen, wonach die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten darstelle, sodass in einem solchen Fall ein Vertrag auf unbestimmte Zeit anzunehmen sei.

"Die Behörde vermeint nun, dass entgegen diesem Wortlaut der Richtlinie und entgegen dieser ständigen Rechtsprechung des VwGH ein Vertrag auf unbestimmte Zeit vorliege, weil der Vermieter das Vertragsverhältnis keinesfalls jederzeit aus freien Stücken einseitig beenden könne, da er ausdrücklich auf die Geltendmachung der Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 Z 9 und 11 MRG verzichtet habe.
Dieser Standpunkt ist rechtsirrig, insbesondere übersieht die Behörde hierbei, dass der Bf. immer noch die Kündigungsgründe gemäß § 30 Abs. 2 Z 8, 14 und 15 MRG sowie insbesondere auch die Kündigungsmöglichkeiten gemäß § 31 MRG (Teilkündigung) verbleiben. Es bestehen sohin weiterhin Kündigungsmöglichkeiten die nicht in der Person der Bestandnehmerin gelegen und somit jeglichem Einfluss der Bestandgeberin entzogen wären, weshalb die von der Rechtsprechung formulierten Voraussetzungen für die Annahme eines Vertrages auf bestimmte Dauer nicht gegeben sind.
Zudem stellt sich die Behörde mit ihrer Rechtsansicht auch gegen die nachfolgende, diesbezüglich konkret vorliegende, Spruchpraxis des VwGH:
Brachte die Vertragsformulierung im Wesentlichen nichts anderes zum Ausdruck als die Vereinbarung aller im vorliegenden Fall denkmöglichen Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG, wobei lediglich auf die (wenn überhaupt in Betracht kommende) Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs. 2 Z 9 MRG (Eigenbedarf) verzichtet wurde, so war von einer unbestimmten Dauer auszugehen (; 88/15/0040)."

ln eventu bekämpft die Bf. die Bescheide insoweit, als hierin von zehn Jahren bestimmter und anschließend unbestimmter Dauer, sohin gesamt 13 Jahren, statt bloß fünf Jahren bestimmter und anschließend unbestimmter Dauer, sohin gesamt acht Jahren, ausgegangen wird.

"Die Behörde hat rechtsirrig außer Betracht gelassen, dass der Mieterin im Pkt. III.) 5. 1. des Mietvertrages die Möglichkeit eingeräumt wurde, das Mietverhältnis nach Ablauf von fünf Jahren ab Mietbeginn vorzeitig aufzukündigen, ohne dass sie in diesem Fall irgendwelche Gründe anführen oder den Eintritt von Bedingungen beweisen muss. Hieraus folgt, dass äußerstenfalls ein Kündigungsverzicht auf fünf Jahre vorgelegen wäre."

In seiner abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom weist das GVG demgegenüber ausführlich auf die Bezug habende VwGH Judikatur und die zuletzt vorherrschende Entscheidungspraxis des Bundesfinanzgerichtes (BFG) hin.

"Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf einzelne, im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss …
Wenn auch die Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG allein noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten mit dem Ergebnis eines Vertrages auf bestimmte Dauer darstellt, so kann eine Gewichtung und eine Unwahrscheinlichkeit der Realisierung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe durchaus zum Ergebnis führen, von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen … "

Diese Rechtslage verlange eine Einzelfallüberprüfung, welcher der VwGH in seinen Beschlüssen vom , Ra 2017/16/0111 und vom , 2018/16/0040, nicht entgegengetreten sei.

"Zu bedenken ist hier, dass die Bestimmungen des MRG primär auf Wohnraummiete abstellen, aber auch bei einer bloß sinngemäßen Auslegung gewisse Kündigungsmöglichkeiten auf den vorliegenden Fall einer Geschäftsraummiete zwischen zwei Gesellschaften gar nicht anwendbar sind. Es verbleiben der Bestandgeberin im Wesentlichen von den Kündigungsgründen des § 30 Abs. 2 MRG die Kündigungsgründe der Ziffern 1 (Mietrückstand), 3 (erheblich nachteiliger Gebrauch) und 7 (Leerstand). Keinesfalls wurden aber alle Kündigungsgründe des MRG, wie die Bf. vermeint, vereinbart. 
Die der Bf. verbleibenden Gründe haben allesamt ein Fehlverhalten des Pächters zur Ursache. Betrachtet man die vorliegenden Kündigungsgründe der Verpächterin, so ist festzustellen, dass diese nicht im Belieben der Verpächterin stehen, sondern ausschließlich in der Person der Pächterin liegende Umstände beinhalten (Zahlungsverzug, sonstige Vertragsverletzungen, Insolvenz, rücksichtsloses Verhalten), die dem Einfluss der Verpächterin entzogen sind.
Das BFG hat sich mehrfach mit Bestandverträgen beschäftigt, in denen Vertragsparteien zwar die Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG vereinbart haben, sich aus den übrigen Vertragsbestimmungen bzw. aus dem Gegenstand des konkreten Bestandvertrages jedoch ergibt, dass von den in § 30 Abs. 2 MRG genannten Kündigungsgründen nur einzelne Kündigungsgründe überhaupt in Betracht kommen können. Verträge, bei denen nur einzelne der in § 30 Abs. 2 MRG aufgezählten Kündigungsgründe verbleiben, wurden als Bestandverträge auf bestimmte Zeit beurteilt.
Ist die Geltendmachung des Kündigungsgrundes von einem schuldhaften Verhalten des anderen Vertragspartners abhängig, kann keine Rede davon sein, dass die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses gewährleistet ist ()."

Dem in eventu vorgebrachten Einwand der Bf., die Vertragsdauer sei aufgrund des außerordentlichen Kündigungsrechtes der Mieterin mit acht Jahren anzunehmen, hält das GVG entgegen:

"Die Möglichkeit des Mieters, den Vertrag nach Ablauf von 5 Jahren zu kündigen, führt nicht dazu, die Dauer seines Kündigungsverzichts auf 5 Jahre zu reduzieren, hat doch der Mieter im Falle der Aufkündigung vor Ablauf der Dauer seines Kündigungsverzichts gemäß den Bestimmungen des Punktes III, 5.2.0. eine Abschlagszahlung zu leisten. Nur dann rechtfertigt die bloß einseitige Beendigungsmöglichkeit die Annahme eines Vertrages auf unbestimmte Dauer, wenn die nur einem Vertragsteil zustehende Möglichkeit, den Vertrag aufzulösen, die Befreiung beider Vertragsteile von ihren Verpflichtungen für die Zeit nach der Vertragsauflösung nach sich zieht. (, je vom , 97/16/0027 und 97/16/0038 und vom , 2011/16/0169)."

Bezüglich der Beschwerde gegen die Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 2 GebG führt das GVG aus, dass eine Voraussetzung für die (seinerzeitige) Bewilligung zur Selbstberechnung der Gebühren gemäß § 33 GebG der steuerlichen Vertretung die Gewähr für die ordnungsgemäße Einhaltung der Gebührenvorschriften gewesen sei. Das Finanzamt habe daher insbesondere bei Inhabern solcher Bewilligungen angenommen, dass das Erkennen der Gebührenpflicht zumutbar gewesen sei.

In ihrem Vorlageantrag vom verweist die Bf. ergänzend darauf, dass

  • die Kündigungsgründe gemäß § 30 Abs. 2 Z 14 und 15 MRG, welche dem Einfluss der Vermieterin nicht entzogen seien, verblieben und

  • der Sachverhalt genau jenem des VwGH-Erkenntnisses vom , 88/15/0040, entspreche und dass

  • die Mieterin definitiv lediglich für einen Zeitraum von 5 Jahren auf das Kündigungsrecht verzichtet habe.

Das GVG hat die Beschwerde am dem BFG zur Entscheidung vorgelegt.

Rechtslage

Die auf den vorliegenden Fall anzuwendenden Bestimmungen des GebG 1957 lauten:

§ 33 TP 5  GebG 1957 idF BGBl. 112/2012

(1) Bestandverträge (§§ 1090 ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert

  • im allgemeinen .......................................................................................1 vH;

  • beim Jagdpachtvertrag ............................................................................2 vH.

(3) Bei unbestimmter Vertragsdauer sind die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. ...

§ 9 Abs. 2 GebG idF BGBl. 54/2010

Das Finanzamt kann zur Sicherung der Einhaltung der Gebührenvorschriften bei nicht ordnungsgemäßer Entrichtung oder nicht ordnungsgemäßer Gebührenanzeige … eine Erhöhung bis zum Ausmaß der verkürzten (gesetzmäßigen) Gebühr erheben. Bei Festsetzung dieser Gebührenerhöhung ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit dem Gebührenschuldner bei Beachtung dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht einer Schrift oder eines Rechtsgeschäftes zugemutet werden konnte, ob eine Gebührenanzeige geringfügig oder beträchtlich verspätet erstattet wurde sowie, ob eine Verletzung der Gebührenbestimmungen erstmalig oder wiederholt erfolgt ist.

§ 30 MRG idF BGBl. 161/2001 lautet:

(1) Der Vermieter kann nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen.

(2) Als ein wichtiger Grund ist es insbesondere anzusehen, wenn

        1. der Mieter trotz einer nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgten Mahnung mit der Bezahlung des Mietzinses über die übliche oder ihm bisher zugestandene Frist hinaus, mindestens aber acht Tage im Rückstand ist;

        2. der Mieter, dessen vereinbarter Mietzins ganz oder teilweise in eigenen Dienstleistungen besteht, die bedungenen Dienste vertragswidrig verweigert;

        3. der Mieter vom Mietgegenstand einen erheblich nachteiligen Gebrauch macht, namentlich den Mietgegenstand in arger Weise vernachlässigt oder durch sein rücksichtsloses, anstößiges oder sonst grob ungehöriges Verhalten den Mitbewohnern das Zusammenwohnen verleidet oder sich gegenüber dem Vermieter oder einer im Haus wohnenden Person einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen das Eigentum, die Sittlichkeit oder die körperliche Sicherheit schuldig macht, sofern es sich nicht um Fälle handelt, die nach den Umständen als geringfügig zu bezeichnen sind; dem Verhalten des Mieters steht, soweit er es unterließ, die ihm mögliche Abhilfe zu schaffen, das Verhalten seines Ehegatten und der anderen mit ihm zusammenwohnenden Familienangehörigen sowie der von ihm sonst in die gemieteten Räume aufgenommenen Personen gleich;

        4. der Mieter den Mietgegenstand mit oder ohne Beistellung von Einrichtungsgegenständen ganz weitergegeben hat und ihn offenbar in naher Zeit nicht für sich oder die eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs. 3) dringend benötigt oder, wenngleich auch nur teilweise, durch Überlassung an einen Dritten gegen eine im Vergleich zu dem von ihm zu entrichtenden Mietzins und etwaigen eigenen Leistungen an den Dritten unverhältnismäßig hohe Gegenleistung verwertet. Die teilweise Weitergabe einer Wohnung kommt einer gänzlichen Weitergabe gleich, wenn die nicht weitergegebenen Teile der Wohnung nicht zur Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen regelmäßig verwendet werden;

        5. die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen (§ 14 Abs. 3) dienen;

        6. die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen (§ 14 Abs. 3) regelmäßig verwendet wird, es sei denn, dass der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist;

        7. die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden, es sei denn, dass der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthalts abwesend ist;

        8. der Vermieter die gemieteten Wohnräume für sich selbst oder für Verwandte in absteigender Linie dringend benötigt und ihm oder der Person, für die der Mietgegenstand benötigt wird, aus der Aufrechterhaltung des Mietvertrags ein unverhältnismäßig größerer Nachteil erwüchse als dem Mieter aus der Kündigung; die Abwägung der beiderseitigen Interessen entfällt, wenn es sich um eine vom Wohnungseigentümer nach Wohnungseigentumsbegründung vermietete Eigentumswohnung handelt;

        9. der Vermieter den Mietgegenstand für sich selbst oder für Verwandte in gerader Linie dringend benötigt und dem Mieter Ersatz beschaffen wird;

      10. der Vermieter den Mietgegenstand, der schon vor der Kündigung zur Unterbringung von Arbeitern oder sonstigen Angestellten des eigenen Betriebes bestimmt war, für diesen Zweck dringend benötigt;

      11. ein dem Bund, einem Bundesland oder einer Gemeinde gehöriger Mietgegenstand auf eine Art verwendet werden soll, die in höherem Maß den Interessen der Verwaltung dient als die gegenwärtige Verwendung, und dem Mieter Ersatz beschafft wird;

      12. bei Untermietverhältnissen durch die Fortsetzung der Untermiete wichtige Interessen des Untervermieters verletzt würden, namentlich wenn der Untervermieter den Mietgegenstand für sich selbst oder für nahe Angehörige dringend benötigt oder wenn ihm nach den Umständen die Aufrechterhaltung der Wohnungsgemeinschaft mit dem Untermieter billigerweise nicht zugemutet werden kann;

      13. ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der in bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter (Untervermieter), für seine nahen Angehörigen (§ 14 Abs. 3) oder für das Unternehmen, für das der Vermieter (Untervermieter) allein oder in Gemeinschaft mit anderen Personen vertretungsbefugt ist, als wichtig und bedeutsam anzusehen ist;

      14. die ordnungsgemäße Erhaltung des Miethauses, in dem sich der Mietgegenstand befindet, aus den Hauptmietzinsen einschließlich der zur Deckung eines erhöhten Erhaltungsaufwandes zulässigen erhöhten Hauptmietzinse weder derzeit, noch auf Dauer sichergestellt werden kann, die baubehördliche Bewilligung zur Abtragung des Miethauses erteilt worden ist und dem Mieter Ersatz beschafft wird;

      15. ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, dass selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird;

      16. der Hauptmieter einer Wohnung der Ausstattungskategorie „D“ weder bereit ist, eine vom Vermieter im Sinn des § 4 Abs. 4 angebotene Standardverbesserung zuzulassen, noch die angebotene Standardverbesserung selbst durchzuführen, und dem Mieter Ersatz beschafft wird.

(3) Eine Vereinbarung, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als dem vorstehend bestimmten Maß zustehen soll, ist rechtsunwirksam. Überdies kann der Vermieter, der das Miethaus durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat, aus dem Grund des Abs. 2 Z 8 nur kündigen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der Erwerbung und dem Kündigungstermin mindestens zehn Jahre liegen. Ein Miteigentümer kann die Kündigungsgründe des Abs. 2 Z 8 bis 11 überdies nur geltend machen, wenn er wenigstens Eigentümer zur Hälfte ist.

Gemäß § 1117 ABGB ist der Bestandnehmer berechtigt, auch vor Verlauf der bedungenen Zeit von dem Vertrag ohne Kündigung abzustehen, wenn das Bestandstück in einem Zustand übergeben oder ohne seine Schuld in einen Zustand geraten ist, der es zu dem bedungenen Gebrauch untauglich macht, oder wenn ein beträchtlicher Teil durch Zufall auf eine längere Zeit entzogen oder unbrauchbar wird. Aus dem Grunde der Gesundheitsschädlichkeit gemieteter Wohnräume steht dieses Recht dem Mieter auch dann zu, wenn er im Vertrage darauf verzichtet oder die Beschaffenheit der Räume beim Vertragsabschluß gekannt hat.

Nach § 1118 ABGB kann der Bestandgeber kann seinerseits die frühere Aufhebung des Vertrages fordern, wenn der Bestandnehmer der Sache einen erheblichen nachtheiligen Gebrauch davon macht; wenn er nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, dass er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat; oder, wenn ein vermietetes Gebäude neu aufgeführt werden muss. Eine nützlichere Bauführung ist der Mieter zu seinem Nachtheile zuzulassen nicht schuldig, wohl aber notwendige Ausbesserungen.

Gemäß § 201 Abs. 1 BAO kann, wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen anordnen oder sie gestatten, nach Maßgabe des Abs. 2 von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist. 
Nach § 201 Abs. 2 Z 3 BAO kann die Festsetzung erfolgen, wenn ... bei sinngemäßer Anwendung des "§ 303" die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegen würden.

Erwägungen

A) Gebühr

Im zu beurteilenden Fall ist zunächst strittig, ob - aus gebührenrechtlicher Sicht - der vorliegende Bestandvertrag als befristet oder unbefristet anzusehen ist.

Die Bf. vertritt diesbezüglich den Standpunkt, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH bei Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG ein Vertrag auf unbestimmte Zeit vorliegt.

Dies ist nach der jüngsten Judikatur des VwGH im Einzelfall zu beurteilen:

und 0112

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das Unterscheidungsmerkmal zwischen "auf bestimmte Zeit" und "auf unbestimmte Zeit" abgeschlossenen Bestandverträgen darin, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile durch eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig aufzulösen, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen, nach dem letzten Satz des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG nicht entgegen steht. Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden beantwortet werden muss.

Ob die Vertragsdauer bestimmt oder unbestimmt ist, wird somit nicht nach der Form, sondern nach dem Inhalt des Vertrages beurteilt und hängt einerseits davon ab, wie umfassend die Kündigungsrechte sind, andererseits aber auch davon, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Kündigungsrecht ausgeübt werden kann (vgl. auch Twardosz, GebG (2015) § 33 TP 5 Rz 37).
Wenn auch die Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG allein noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten mit dem Ergebnis eines Vertrages auf bestimmte Dauer darstellt, so kann eine Gewichtung und eine Unwahrscheinlichkeit der Realisierung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe durchaus zum Ergebnis führen, von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen (vgl. auch nochmals und 0112).

In seinem zuletzt gefassten Beschluss vom , Ro 2018/16/0004, führt der VwGH in diesem Sinne zusammenfassend aus:

"Die Revision erweist sich aus folgenden Gründen als nicht zulässig:

Das BFG prüfte im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung des von der revisionswerbenden Partei abgeschlossenen Mietvertrages das Gewicht und die Wahrscheinlichkeit der Realisierung der vereinbarten Kündigungsgründe und lehnte den in der Beschwerde erhobenen Einwand, im Falle der Vereinbarung aller Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG habe eine Einzelfallprüfung zu unterbleiben, ausdrücklich ab.

Nach der Rechtsprechung des VwGH hängt die für die Bemessung der Rechtsgeschäftsgebühr für Bestandverträge nach § 33 TP 5 Abs. 3 GebG 1957 entscheidende Vertragsdauer davon ab, ob nach dem erklärten Vertragswillen beide Vertragsteile eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht, wobei allerdings die Möglichkeit, den Vertrag aus einzelnen bestimmt bezeichneten Gründen schon vorzeitig einseitig auflösen zu können, der Beurteilung des Vertrages als eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen nicht im Wege steht. Was eine Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit auf einzelne im Vertrag ausdrücklich bezeichnete Fälle darstellt, ist eine Frage, die nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe von Fall zu Fall verschieden behandelt werden muss (vgl. etwa ). Wenn auch die Vereinbarung aller Kündigungsgründe des §  30 Abs. 2  MRG allein noch keine ausreichende Beschränkung der Kündigungsmöglichkeiten mit dem Ergebnis eines Vertrages auf bestimmte Dauer darstellt, so kann eine Gewichtung und eine Unwahrscheinlichkeit der Realisierung dieser vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe durchaus zum Ergebnis führen, von einem Vertrag auf bestimmte Dauer auszugehen (vgl.  bis 0112, und ).

Indem das BFG nicht allein die Vereinbarung aller Kündigungsgründe nach § 30 Abs. 2 MRG heranzog, sondern sein Erkenntnis tragend auf eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit der vereinbarten Kündigungsgründe stützte, wich es nicht von der dargestellten Rechtsprechung des VwGH ab."

Diese Rechtslage bedeutet, dass die Frage, ob die eingeräumten Kündigungsgründe so umfassend sind, dass man von einer Vertragsdauer auf unbestimmte Zeit auszugehen hat, von Fall zu Fall unterschiedlich zu beantworten ist. Auf Grund des Urkundenprinzips kommt es bei der Vergebührung auf den konkreten Mietvertrag an; diesbezüglich ist aber auf den erklärten Vertragswillen abzustellen und nicht bloß auf die Erklärung. 

Gemäß Punkt III. - Vertragsdauer - des Mietvertrages vom haben die Vertragspartner das Mietverhältnis zunächst auf unbestimmte Zeit abgeschlossen, allerdings verzichtet die Mieterin für die ersten 10 Jahre auf ihr ordentliches Kündigungsrecht. Die Bf. kann nur bei Vorliegen wichtiger Gründe iSd. § 30 MRG (ausgenommen Z 9 und Z 11 MRG) oder §§ 1117 und 1118 ABGB kündigen.

Im gegenständlichen Fall gilt es daher, vom Gericht in einer Einzelfallprüfung konkret zu beurteilen, ob die Vertragsparteien nach ihrem erklärten Willen für 10 Jahre an den Vertrag gebunden sein wollten oder nicht und insbesondere ob nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit eine Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe der Bf. nach § 30 MRG möglich erscheint, weil die formularhafte Vereinbarung aller Kündigungsgründe im Sinne des MRG für sich alleine nicht genügt, um gebührenrechtlich von einem Bestandvertrag auf unbestimmte Dauer auszugehen. 

§ 30 Abs. 2 Z 1-4 und 7 MRG  - Vertragsverletzungen des Mieters

Zu den Kündigungsgründen betreffend Vertragsverletzungen des Mieters kann grundsätzlich vorausgestellt werden, dass sie nicht nach Belieben der Bf. als Vermieterin ausgeübt werden können sondern ein bestimmtes, vertragswidriges Verhalten des Mieters voraussetzen. Dies bedeutet aber, dass die Kündigungsgründe nicht im Einflussbereich der Bf. liegen und  somit keine jederzeitige Kündigungsmöglichkeit der Bf. darstellen.

Die  Kündigungsgründe sind teilweise von einem (schuldhaften) Fehlverhalten des Mieters abhängig (zB Zif. 1 Rückstand bei der Mietenzahlung , Zif. 3erheblich nachteiliger Gebrauch); Anhaltspunkte für die Wahrscheinlichkeit eines solchen Verhaltens sind aus der Aktenlage und in Ansehung des Mieters nicht ersichtlich.
Der Kündigungsgrund der Zif. 2 (Verweigerung von Dienstleistungen) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Mietzins nicht in Dienstleistungen besteht, sondern in einem monatlichen Mietzins, welcher in Geld in der Währung € zu bezahlen ist (Vertragspunkt II. - Mietzins, Nebenkosten).
Auch die Verwirklichung des Kündigungsgrundes nach Zif. 4 (vertragswidrige Weitergabe des Mietgegenstandes) ist in Ansehung des Punktes VIII.7 - Rechtsnachfolge - des Mietvertrages vom nicht wahrscheinlich, weil danach die Mieterin ohnedies sowohl den Mietvertrag an Konzerngesellschaften übertragen als auch den Mietgegenstand untervermieten darf.
Der Kündigungsgrund nach Zif. 7 (Verwendung nicht zur vereinbarten geschäftlichen Betätigung) wird nicht vorliegen, da die Mieterin nach Vertragspunkt I.2. den Mietgegenstand mit Zustimmung der Bf. ausdrücklich zu anderen Zwecken nutzen darf, wobei die Bf. ihre Zustimmung nur aus wichtigen Gründen verweigern kann.

§ 30 Abs. 2 Z 5, 6, 8 und 12 MRG  -Wohnraummiete

Mehrere Kündigungsgründe stellen primär auf eine Wohnraummiete ab. Es wird zB auf Wohnräume (Zif. 5), Wohnung (Zif. 6) und dringendes Wohnbedürfnis des Mieters oder der Eintrittsberechtigten abgestellt. Bei Zif. 8 kommt es auf den Eigenbedarf an Wohnräumen an, nach Zif. 12 auf die Unzumutbarkeit der Wohnungsgemeinschaft für den Untermieter. 

Diese Kündigungsgründe scheiden daher im vorliegenden Fall in Anbetracht der vermieteten Räumlichkeiten einer "MG", welche im Wesentlichen aus einer Halle samt Stellplätzen, Verladeflächen und Straßen (Vertragspunkt I.1.2.) besteht, jedenfalls aus.

§ 30 Abs. 2 Z 9-11 MRG - Eigenbedarf

Die Zifn. 9 und 11 haben die Parteien vertraglich ausgeschlossen (Punkt III.3.).
Zif. 10 greift nicht, weil das vermietete Geschäftslokal zur Unterbringung von Arbeitern oder Angestellten weder geeignet noch bestimmt ist.

§ 30 Abs. 2 Z 14-16 MRG - abbruchreife Häuser, Substandardwohnungen

Die  Zifn. 14 und 15 kommen nicht in Betracht, weil der Mietgegenstand im Jahr 2013 neu errichtet worden ist.
Der Kündigungsgrund der Zif. 16 - Verweigerung einer Standardverbesserung einer „Wohnung der Ausstattungskategorie D“ - ist nicht anwendbar, weil es sich beim Mietgegenstand nicht um eine Substandardwohnung handelt.

§ 30 Abs. 2 Z 13 MRG

Nicht zuletzt kann der Vermieter kündigen, wenn ein schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der für ihn als wichtig und bedeutsam anzusehen ist (Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht II14 Rz 1051). Dies ist kein eigenständiger Kündigungsgrund, sondern sieht bloß die Möglichkeit der Vereinbarung von weiteren Kündigungsgründen vor. Da im Mietvertrag vom pauschal nur die Kündigungsmöglichkeiten der §§ 30 vereinbart wurden, ist Zif. 13 ohne Bedeutung.

Dem Umstand, dass die Auflösung eines Mietvertrages wegen der in den §§  1117 und 1118 ABGB normierten Gründen nicht ausgeschlossen wurde, kommt kein Gewicht in der Frage der Bindung der Vertragsparteien auf bestimmte Zeit zu ().
Somit reicht auch das Bestehen der Kündigungsmöglichkeiten nach §§ 1117 , 1118  ABGB für die Beurteilung eines Bestandvertrages, als auf unbestimmte Dauer abgeschlossen, nicht aus.

Zusammenfassend beurteilt das BFG den vorliegenden Sachverhalt insgesamt ohne Zweifel dahingehend, dass die Vertragsparteien zumindest während der ersten 10 Jahre gebunden bleiben wollten. Die Mieterin hat einen dahingehenden Verzicht abgegeben. Die Kündigungsmöglichkeiten der Bf. beschränken sich auf einzelne, eher unwahrscheinliche Möglichkeiten.

Diesbezüglich gilt es vor allem zu bedenken, dass lt. Kauf- und Abtretungsvertrag vom   Punkt VIII. schon bei Erwerb des Grundstückes durch die Bf. die Errichtung und Inbetriebnahme einer MG der M auf den vertragsgegenständlichen Grundflächen vereinbart war. Schon zu diesem Zeitpunkt hatte die Mieterin in einer Bau und Ausstattungsbeschreibung gültig ab ihre Bedürfnisse im Detail vorgegeben und ist danach der Mietgegenstand speziell für die Mieterin geplant worden. Von Beginn an haben somit alle Beteiligten (Grundeigentümer, Gemeinde, Bf.) zusammengearbeitet, speziell für die Mieterin den Mietgegenstand neu zu errichten. Vor diesem Hintergrund kann zwingend geschlossen werden, dass es im besonderen wirtschaftlichen Interesse der Bf. gelegen ist, den Mietvertrag während der ersten 10 Jahre in Geltung zu belassen. Eine Kündigung von Seiten der Bf. ist somit im Sinne der Judikatur "nach Gewicht und Wahrscheinlichkeit einer Realisierung der vertraglich vereinbarten Kündigungsgründe" nicht anzunehmen, vielmehr sprechen alle Indizien für einen längerfristigen Bindungswillen der Vertragsparteien.

Dem Beschwerdevorbringen ist im Besonderen entgegen zu halten:

Wenn die Bf. vermeint, ihr verblieben vor allem die Kündigungsgründe gemäß § 30 Abs. 2 Z 14 und 15 MRG (das Miethaus soll abgetragen oder umgebaut werden) so besteht diese Möglichkeit wohl nur am Papier, da in Anbetracht der gänzlichen Neuerrichtung des Mietgegenstandes im Jahr 2013 ein Umbau oder gar Abbruch des Mietgegenstandes nicht wahrscheinlich ist.

Betreffend den Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des VwGH ist anzumerken, dass bereits seit 1964 der VwGH auf den Vertragswillen abstellt.
Auch wenn "alle Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG" vereinbart werden, beurteilt der VwGH die Frage der Dauer des Mietverhältnisses danach, welche Kündigungsgründe sich tatsächlich realisieren können (z.B. ; ; ; ; ; ; ; ). 
Dementsprechend hat auch das BFG in zahlreichen Erkenntnissen zuletzt dargetan, dass eine Einzelfallprüfung  „wie verhält sich der individuelle Bestandvertragsinhalt zu den einzelnen Ziffern des § 30 Abs. 2 MRG“ geboten ist. Beispielhaft kann auf das BFG Erkenntnis vom , RV/71020148/2018, mit zahlreichen Literatur- und Judikaturverweisen hingewiesen werden. 

Auch in dem von der Bf. in ihrem Vorlageantrag besonders angesprochenen Erkenntnis des , ist der Gerichtshof aufgrund einer Einzelfallprüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass denkmögliche Kündigungsgründe des § 30 Abs. 2 MRG vereinbart wurden. Im Gegensatz dazu, ist das BFG hier, wie oben dargestellt, zu dem Ergebnis gekommen, dass eben die überwiegende Mehrzahl der vereinbarten Kündigungsgründe nicht denkmöglich sind und daher die Bf. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf 10 Jahre gebunden bleibt.

Was das "außerordentliche Kündigungsrecht" der Mieterin betrifft, so hat das GVG zutreffend auf die Rechtsprechung des VwGH hingewiesen, wonach von einer einseitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses nur dann die Rede sein kann, wenn die durch die Aufkündigung erfolgende Beendigung des Vertragsverhältnisses die Befreiung beider Vertragspartner von ihren Verpflichtungen für die Zeit nach der Wirksamkeit der Auflösungserklärung nach sich zieht. Dies trifft im gegebenen Fall nicht zu, weil die Mieterin diesfalls zu größeren Abschlagszahlungen zwischen 91 und 97 % des fiktiv geschuldeten Hauptmietzinses - das ist der zwischen Kündigungstermin und Ende des Kündigungsverzichts geschuldete Netto-Hauptmietzins - verpflichtet ist (Vertragspunkte III.5.2. und 3.).

Der Beschwerde kann daher kein Erfolg beschieden sein, im übrigen hat die Bf. die Berechnung bzw. die Höhe der Gebühr nicht in Zweifel gezogen.

B) Gebührenerhöhung

Das Finanzamt kann gemäß § 9 Abs. 2 GebG zur Sicherung der Einhaltung der Gebührenvorschriften bei nicht ordnungsgemäßer Entrichtung oder nicht ordnungsgemäßer Gebührenanzeige bei den Rechtsgeschäftsgebühren eine Erhöhung bis zum Ausmaß der verkürzten (gesetzmäßigen) Gebühr erheben. Bei Festsetzung dieser Gebührenerhöhung ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit dem Gebührenschuldner bei Beachtung dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht einer Schrift oder eines Rechtsgeschäftes zugemutet werden konnte.

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Bei Ausübung des Ermessens ist maßgeblich „inwieweit dem Gebührenschuldner bei Beachtung dieses Bundesgesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht einer Schrift oder eines Rechtsgeschäfts zugemutet werden konnte“. Unmaßgeblich ist daher, ob der Gebührenschuldner das Gebührengesetz kannte oder nicht. Die Kenntnis – und darüber hinaus – die Beachtung des Gebührengesetzes werden vorausgesetzt. Nur wenn trotz Kenntnis (und Beachtung) des Gebührengesetzes das Erkennen der Gebührenpflicht nicht zumutbar war, ist dies für die Festsetzung der Gebührenerhöhung maßgeblich (Twardosz Kommentar zum GebG, § 9 Rz 16).

Das GVG hat zur Begründung der Erhöhung dargetan, dass Inhabern der Bewilligung zur Selbstberechnung die Einhaltung der Bestimmungen über die ordnungsgemäße Vergebührung zumutbar sei. Dieser Begründung ist die Bf. in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

In Einzelfällen wurde die Zumutbarkeit des Erkennens der Gebührenpflicht von der Judiktur bei einem Rechtsanwalt, Notar, Realitätenvermittler, einem (als Diplomkaufmann) kaufmännisch versierten Beschwerdeführer, einer Bank und einem "anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer" bejaht. Überdies kann der Bf. in Ansehung ihres Unternehmenszweckes (Sonstige Vermietung und Verpachtung von eigenen oder geleasten Grundstücken, Gebäuden und Wohnungen) das Erkennen der Gebührenpflicht zugemutet werden. War dem Gebührenschuldner aber das Erkennen der Gebührenpflicht zumutbar, so liegt kein Begründungsmangel vor, wenn auf die Frage der Entschuldbarkeit der Gebührenverkürzungen nicht eingegangen wird ().

Das GVG hat daher die Gebührenerhöhung, welche ohnedies im unteren Bereich angesiedelt ist, zu Recht vorgeschrieben.

Die Beschwerde war daher sowohl hinsichtlich der Gebühr als auch betreffend die Gebührenerhöhung spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Diese Voraussetzungen treffen im Beschwerdefall nicht zu. Die Entscheidung ist im Einklang mit der angesprochenen Judikatur des VwGH erfolgt, sodass keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wurde.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 33 TP 5 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 9 Abs. 2 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957
§ 30 MRG, Mietrechtsgesetz, BGBl. Nr. 520/1981
§ 1117 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 1118 ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811
§ 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 201 Abs. 2 Z 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7101469.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at