Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.04.2020, RV/7100474/2016

Waisenpension, Kostenersatz für Unterbringung in einem Verein der Kinder- und Jugendhilfe.

Beachte

wie RV/1100554/2014

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom , betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf. ) bezog im Streitjahr neben Einkünften aus unselbständiger Tätigkeit eine Waisenpension aus der gesetzlichen Sozialversicherung. Die Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2014 ergab eine Abgabennachforderung. Gegen den Einkommensteuerbescheid wurde eine Beschwerde mit der Begründung eingebracht, dass der Bf. bei einem Verein der Kinder- und Jugendhilfe (Verein V.) untergebracht sei und dass an das Land Niederösterreich eine Kostenersatzzahlung von seiner Waisenpension iHv € 5.892,30 entrichtet werde. Er ersuche daher um Nachsicht.

Die Beschwerde wurde vom Finanzamt (FA) im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass diese Kosten (Aufwendungen der vollen Unterbringung im Verein V.) den nichtabzugsfähigen Aufwendungen für den Haushalt des Steuerpflichtigen im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 EStG zuzuordnen seien.

Im Vorlageantrag führte der Bf. ergänzend aus, dass nach Auskunft eines Juristen der Kinder- und Jugendhilfe die Waisenpension nicht als Einkommen gelte und er diese nicht selbst beziehe.

Im vorgelegten Steuerakt befindet sich eine Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft B., Fachgebiet Rechtsvertretung Minderjähriger, vom , wonach im Jahr 2014 Kostenersatzzahlungen von € 5.892,30 für den Bf. an das Land Niederösterreich übergegangen sind.

Es wurde erwogen:

Als entscheidungsrelevanter Sachverhalt ist festzuhalten:

Der Bf. war im Jahr 2014 in einem Verein der Kinder- und Jugendhilfe (Verein V.) untergebracht. Die dabei entstehenden Kosten wurden vom Land Niederösterreich, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft B. getragen. Aufgrund einer Legalzession, angeordnet in § 324 Absatz 3 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (AVG), werden 80 % der Waisenpension an das Land Niederösterreich abgeliefert. Im betreffenden Streitjahr kam es laut der Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft B. somit zu einer Überweisung von insgesamt € 5.892,30. Die Zahlung dient als Kostenrückersatz für die Aufwendungen der vollen Unterbringung beim genannten Verein.

Eine Waisenpension aus der gesetzlichen Sozialversicherung zählt zu den steuerpflichtigen Einkünften gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 EStG 1988. Waisenpensionen werden nicht wegen Hilfsbedürftigkeit gewährt, weshalb die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 3 lit. a EStG 1988 nicht anwendbar ist (vgl. , mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung).

Gemäß § 15 Abs. 1 EStG 1988 liegen Einnahmen dann vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs. 3 Z 4 bis 7 EStG 1988 zufließen. Eine Waisenpension ist unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 EStG 1988 zu subsumieren.

§ 19 EStG 1988 bestimmt, dass Einnahmen in jenem Kalenderjahr bezogen sind, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Strittig ist, ob die Waisenpension dem Bf. zugeflossen ist.

§ 324 Abs. 3 ASVG spricht grundsätzlich aus, dass, wenn ein Renten(Pensions)
berechtigter auf Kosten eines Trägers der Jugendwohlfahrt in einem Familienverband oder auf einer Pflegestelle verpflegt wird, für die Zeit dieser Pflege sein Anspruch auf Pension in einem im Gesetz näher umschriebenen Ausmaß auf den Träger der Jugendwohlfahrt übergeht.

Nach § 1392 ABGB liegt eine Abtretung (Zession) dann vor, wenn eine Forderung von einer Person auf eine andere übertragen und von dieser angenommen wird. Die Zession stellt einen Gläubigerwechsel dar (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht 13, II 116).

In bestimmten Fällen überträgt das Gesetz selbst eine Forderung an einen Dritten, ohne dass es eines rechtsgeschäftlichen Aktes bedarf. Es handelt sich dabei um gesetzliche oder Legal-Zessionen (zB § 1358 ABGB, § 332 ASVG, § 67 VerVG).

Auch die in Streit stehende Waisenpension der Pensionsversicherungsanstalt stellt eine Leistung dar, die im Wege einer Legalzession als Kostenrückersatz für die Aufwendungen der vollen Unterbringung an den Verein V. abzutreten war.

Schuldnerin ist im Streitfall die Pensionsversicherungsanstalt, Zedent ("Altgläubiger") der Bf., Zessionar ("Neugläubiger") die Bezirkshauptmannschaft als Vertreterin des Vereins. Zahlungen, die der Schuldner des Zedenten unmittelbar an den Zessionar leistet, fließen dem Zedenten im Zeitpunkt der Zahlung zu (Doralt, EStG20, § 19 Tz 30, Einzelfälle, mit Verweisen auf die höchstgerichtliche Judikatur).

Mit der direkten Überweisung der Waisenpension hat die Pensionsversicherungsanstalt eine Schuld des Bf. gegenüber dem Jugendwohlfahrtsträger getilgt. Gäbe es die gesetzlich angeordnete Legalzession gemäß § 324 Abs. 3 ASVG nicht und hätte die Pensionsversicherungsanstalt die Pension dem Bf. ausbezahlt, so wäre sie von ihm an die Bezirkshauptmannschaft weiterzuleiten gewesen. Das wirtschaftliche Ergebnis für den Bf. ist in beiden Fällen dasselbe, die Pension ist ihm zugeflossen und bei ihm steuerlich zu erfassen.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Streitfall aufgeworfene Rechtsfrage ist mit Hilfe der anzuwendenden gesetzlichen Normen so eindeutig lösbar, dass nur eine Möglichkeit der Auslegung ernstlich in Betracht zu ziehen ist und daran keine Zweifel bestehen können.

Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz

Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde -  mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i. V. m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100474.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at