Fiktiver Betrieb gewerblicher Art (entgeltliche Überlassung von Grundstücken an Schiliftbetreibergesellschaft) einer Körperschaft öffentlichen Rechts (Agrargemeinschaft) als selbständiges Körperschaftsteuersubjekt
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/3100707/2016-RS1 | Die Körperschaft öffentlichen Rechts kann keine betrieblichen Einkünfte erzielen ().
Der Betrieb gewerblicher Art ist ein selbständiges fiktives Steuersubjekt, das neben die Körperschaft öffentlichen Rechts tritt und der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt (vgl. ; Achatz in Achatz/Kirchmayr, KStG § 2Rz 103). Steuerrechtlich ist also nicht die Trägerkörperschaft (hier: Gemeindegutsagrargemeinschaft) sondern ihr Betrieb gewerblicher Art (hier: entgeltliche Überlassung von Grundstücken an Schiliftbetreibergesellschaft) als selbständiges Steuersubjekt anzusehen ().
Ein Körperschaftsteuerbescheid hat daher unmittelbar an den Betrieb gewerblicher Art und nicht an die Trägerkörperschaft als Bescheidadressaten zu ergehen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. A in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch die Steuerberater, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt B vom und betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2010 bis 2014 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1) Die Beschwerdeführerin (Bf), eine Agrargemeinschaft, ist Eigentümerin einer land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaft an der sie der „K Schiliftgesellschaft mbH & Co KG“ (Rechtsvorgängerin der jetzigen Liftbetreibergesellschaft „C Bergbahnen K AG“) in einem im Jahr 1972 abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrag u.a. das Recht eingeräumt hat, Liftanlagen und Schipisten zu errichten und zu betreiben. Die aus dieser Nutzungsüberlassung erzielten Entgelte (in den Beschwerdejahren 2% des jährlichen Umsatzes der Liftbetreibergesellschaft) wies die Bf in den Beschwerdejahren 2010 bis 2014 (wie bereits in den Vorjahren) in den Körperschaftssteuererklärungen (nach Abzug eines pauschalen Schadenersatzes für Bodenwertminderung) als Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus.
2) Das Finanzamt führte für die Jahre 2010 bis 2013 am (für 2010), am (für 2011), am (für 2012) und am (für 2013) erklärungsgemäße Körperschaftsteuerveranlagungen durch, erließ aber nach einer für die Vorjahre durchgeführten Außenprüfung die Bescheide vorläufig. Eine Begründung für die Vorläufigkeit der Veranlagung ist den Bescheiden nicht zu entnehmen. Adressiert waren die Bescheide jeweils an die „AGRARGEM Hochalm E-Dorf“ zu Handen des damaligen Obmannes **** in E-Dorf, HNr. 10.
3) Mit Eingabe vom beantragte die Bf die vorläufigen Körperschaftssteuerbescheide der Jahre 2010 bis 2013 durch endgültige Körperschaftsteuerbescheide zu ersetzten und die Körperschaftsteuer jeweils mit null Euro festzusetzen.
Gleichzeitig reichte sie die Körperschaftssteuererklärung für das Jahr 2014 ein, in der sie den Gesamtbetrag der Einkünfte mit null Euro ansetzte (Nullerklärung), führte aber in einer Beilage die Höhe der vereinnahmten Entgelte aus der Einräumung nicht landwirtschaftlicher Nutzungsreche (Pistenentschädigung, Verpachtung Garagenvorplatz und Schischulgelände) an.
Die Bf vertrat die Ansicht, dass die Einkünfte aus der Nutzungsüberlassung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke zum Betrieb von Liftanlagen und der Nutzung als Schipisten nicht der Bf als Gemeindegutsagrargemeinschaft sondern der Gemeinde E-Dorf als Substanzberechtigte an diesen Grundstücken zuzurechnen seien.
Zur Begründung führte sie neben einer Darstellung der Ausgangssituation und der seit 2010 geänderte Rechtslage zusammenfassend aus, in der Novelle 2010 zum Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG) sei im § 33 Abs. 5 2. Satz festgeschrieben, dass der Substanzwert an agrargemeinschaftlichen Grundstücken der Gemeinde zustehe. Der Wortlaut dieser Bestimmungen stelle klar, dass der Gemeinde nicht bloß Ausschüttungen oder Gewinnanteile zustehen würden, sondern der Substanzwert an den agrargemeinschaftlichen Grundstücken an sich. Das heiße, die Gemeinde könne darüber entscheiden, wie dieser Wert realisiert oder sonst wie verwertet werde.
Eine grundlegende Voraussetzung für die Zurechnung von Einkünften bestehe im Körperschaftsteuerrecht darin, dass die Organe der Körperschaft frei über die Einkunftsquellen der Körperschaft disponieren könnten. Diese Voraussetzung sei bei Gemeindegutsagrargemeinschaften gerade nicht erfüllt, da den Organen durch die TFLG-Novelle 2010 die Dispositionsbefugnis über den Substanzwert entzogen und den substanzberechtigen Gemeinden übertragen worden sei.
Den substanzberechtigten Gemeinden sei durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und das TFLG idF TFLG-Novelle 2010 eine herausragende Stellung eingeräumt worden. Dies komme nicht nur in den Mitbestimmungsrechten der Gemeinde zum Ausdruck, sondern zeige sich auch darin, dass in der Satzung und im Eigentumsblatt des Grundbuches die Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ anzuführen sei. Durch die Publizitätswirkung des Grundbuchseintrages werde auch im Außenverhältnis signalisiert, dass eine Gemeinde substanzberechtigt sei. Für die steuerliche Einkünftezurechnung sei diese Außenwirkung nicht erforderlich und sei es ausreichend, dass die Gemeinde im Innenverhältnis über die Einkunftsquellen disponieren könne.
Ein weiteres Merkmal der besonderen Stellung der substanzberechtigten Gemeinde sei die Konzeption des Rechnungskreises II. Gemäß § 36 Abs. 2 TFLG 1996 seien darin die Einnahmen und Ausgaben aus dem Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke aufzuzeichnen. Die Erträge aus dem Rechnungskreis II stünden der substanzberechtigen Gemeinde nicht nur zu, sondern könnten von dieser jederzeit entnommen werden.
Die Bestimmung spreche nicht von einer Ausschüttung, die eines Beschlusses durch die Mitgliederversammlung bedürfe, sondern sie gewähre der substanzberechtigten Gemeinde freien Zugriff. Die Entnahme sei deshalb – ungeachtet der Rechtspersönlichkeit der Agrargemeinschaft – der Entnahme eines Einzelunternehmers aus seinem Unternehmen vergleichbar. Darin sei ein weiteres Indiz dafür zu sehen, dass die Rechtspersönlichkeit der Agrargemeinschaft, der Einkünftezurechnung an die substanzberechtigte Gemeinde nicht entgegenstehe, sondern dass steuerlich durch die Agrargemeinschaft durchzugreifen sei.
Aus den angeführten Gründen seien der Gemeinde E-Dorf, die über die Einkunftsquelle wirtschaftlich disponieren und ihre Nutzung bestimmen könne, die Einkünfte zuzurechnen, welche die Bf als Gemeindegutsagrargemeinschaft aus der Überlassung ihrer Grundstücke an die „C Bergbahnen K AG“ u.a. als Schiabfahrt erziele. Von der Gemeinde E-Dorf würden somit nichtlandwirtschaftliche Nutzungsrechte an Grundstücken eingeräumt. Da dies für die Gemeinde E-Dorf eine vermögensverwaltende Tätigkeit darstelle, erfolge diese Tätigkeit nicht innerhalb, sondern außerhalb eines Betriebes gewerblicher Art. Aus diesem Grund komme für die Gemeinde E-Dorf § 2 Abs. 2 Z 3 KStG 1988 nicht zur Anwendung und sei diese Tätigkeit nicht körperschaftsteuerbar.
4) Am erließ das Finanzamt gegenüber der B für das Jahr 2014 einen vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid in dem es die gegenständliche entgeltliche Nutzungsüberlassung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke an die C Bergbahnen K AG in Höhe von 49.338,62 EUR als Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Körperschaftsteuer unterzog. Begründend wurde dazu ausgeführt, laut BMF-010216/0038-VI/6/2014, würden die erzielten Einkünfte ertragsteuerlich ab Inkrafttreten der Änderung im TFLG 1996, somit ab , der Gemeinde zugerechnet. Aufgrund der unterjährigen Zurechnungsänderung bestünden aus verwaltungsökonomischen Gründen keine Bedenken, die im Kalenderjahr 2014 aus dem Substanzwert erzielten Einkünfte in einem Verhältnis von 1 zu 1 auf die beiden Jahreshälften aufzuteilen.
Da über die Höhe der Bodenwertminderung vom Bundesfinanzgericht noch keine Entscheidung getroffen worden sei (Anmerkung: betreffend die Vorjahre 2006-2008, ), halte das Finanzamt an seiner Entscheidung fest, die Bodenwertminderung lediglich mit 3.000 EUR Maximalbetrag anzuerkennen. Der Körperschaftsteuerbescheid ergehe weiterhin vorläufig, da eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes noch ausstehe.
5) Mit Bescheiden vom erklärte das Finanzamt die für die Jahre 2010 bis 2013 vorläufig erlassen Körperschaftsteuerbescheide gemäß § 200 Abs. 2 BAO für endgültig. In der Begründung wurde auf die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/4100211/2011 verwiesen (in der für die Jahre 2006 bis 2008, entsprechend der damals vor der mit LGBl 7/2010 am in Kraft getreten umfassenden Novellierung des Tiroler Flurverfassungsgesetzes bestehenden Rechtslage, die Einkünfte aus der gegenständlichen Nutzungsüberlassung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke für nicht land- und forstwirtschaftliche Zwecke der Bf zugerechnet und entsprechend der Körperschaftsteuer unterzogen worden sind).
6) Gerichtet sind die Bescheide mit denen die vorläufigen Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2013 für endgültig erklärt worden sind (Rz 5) und der oben angeführte vorläufige Körperschaftssteuerbescheid für das Jahr 2014 vom (Rz 4), an die „GGAG Hochalm E-Dorf“ z.H. Edmund G in E-Dorf HNr. 20.
7) Gegen diese Bescheide erhob die Bf mit Schreiben vom Beschwerde, beantragte wiederum die Körperschaftsteuer für die Jahre 2010 bis 2014 mit null Euro festzusetzen und wiederholte im Wesentlichen das Vorbringen der Eingabe vom (Rz 3).
8) In den abweisenden Beschwerdevorentscheidungen vom führte das Finanzamt aus, die Beschwerde enthalte kein Vorbringen, das auf eine vollständige Ausübung der Dispositionsbefugnis der Gemeinde hindeuten würde. Die Einkünfte seine daher, analog dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes für die Jahre 2006 bis 2008, der Bf zuzurechnen.
9) Mit Eingabe vom stellte die Bf fristgerecht den Antrag, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. In der Begründung wird unter Verweis auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom , B 464/07 und , B 1645/10, die TFLG-Novelle, LGBl Nr. 7/2010 sowie das im Auftrag des Tiroler Gemeindeverbandes vom Ass.Prof. DDr. Hermann Peyerl im November 2013 erstellte Gutachten „Die Besteuerung der Tiroler Gemeindegutsagrargemeinschaften“, die Ansicht vertreten, die Gemeindegutsagrargemeinschaften seien nur formale Eigentümer des Gemeindegutes, die Dispositionsbefugnis über den Substanzwert des Gemeindegutes komme jedoch den Gemeinden zu.
10) Mit Schreiben vom stellte die Bf den Antrag die angefochten Körperschaftsteuerbescheide aufzuheben.
Zur Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, das Bundesfinanzgericht habe im Erkenntnis vom , RV/3100855/2016 entschieden, dass Körperschaftsteuerbescheide unmittelbar an den Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft öffentlichen Rechts als Bescheidadressaten zu ergehen hätten.
Die Bf habe Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der entgeltlichen Überlassung von Grundstücken erklärt. Die Abgabenbehörde habe daraufhin die hier bekämpften Körperschaftsteuerbescheide an die Bf und nicht an einen Betrieb gewerblicher Art der Bf erlassen. Die Abgabenbehörde habe unzulässigerweise die Bf als Körperschaft öffentlichen Rechts als Steuersubjekt für die Einkünfte aus einem Betrieb gewerblicher Art zur Körperschaftsteuer herangezogen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Sachverhalt
11) Die Bf ist eine nach § 34 Abs. 3 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG ) als Körperschaft öffentlichen Rechts organisierte Gemeindegutsagrargemeinschaft (§ 33 Abs. 2 lit. c Z 2 iVm § 38 Abs. 2 TFLG 1996 idF LGBl 7/2010).
12) Sie erklärte in den Beschwerdejahren gegenüber dem Finanzamt aus der entgeltlichen Nutzungsüberlassung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 an die C Bergbahnen K AG zum Betrieb von Liftanlagen und Schipisten, Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Die bekämpften Körperschaftsteuerbescheide mit denen die Einkünfte aus dieser Nutzungsüberlassung für das Jahr 2014 vorläufig festgesetzt und für die Jahre 2010 bis 2013 (nach einer vorläufigen Festsetzung) für endgültig erklärt worden sind, sind wie bereits oben unter Rz 6 angeführt, an die „GGAG Hochalm E-Dorf“ z.H. Edmund G in E-Dorf, HNr. 20 ergangen.
13) Edmund G ist der Vizebürgermeister der Gemeinde E-Dorf, der mit Beschluss des Gemeinderates vom zu dem in den §§ 36a bis 36j mit der TFLG-Novelle 2014 vom , LGBl. Nr. 70/2014 für Gemeindegutsagrargemeinschaften neu geschaffenen Organ eines Substanzverwalters bestellt worden ist, dem nach § 36c TFLG-2014 u.a. die Besorgung jener Angelegenheiten obliegt, die ausschließlich den Substanzwert (§ 33 Abs. 5) betreffen, wie insbesondere die Veräußerung, die Verpachtung und die dauernde Belastung von Grundstücken im Sinn des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG, die Begründung einer Dienstbarkeit oder eines Baurechtes, die Schotter- und Steinbruchnutzung oder die Ausübung des Jagdrechtes hierauf sowie alle Verfügungen über Substanzerlöse und den Überling.
Bei der Anschrift E-Dorf HNr. 20 handelt es sich um die Anschrift des Gemeindeamtes.
Rechtslage und Erwägungen:
14) Nach § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 sind inländische Körperschaften des öffentlichen Rechts mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 2 und 3 KStG 1988 beschränkt steuerpflichtig. Die Steuerpflicht erstreckt sich somit im Wesentlichen auf Einkünfte, bei denen die Steuer durch Steuerabzug erhoben wird.
15) Eine Körperschaft öffentlichen Rechts kann keine betrieblichen Einkünfte erzielen, da die Bestimmung des § 2 Abs. 3 EStG 1988 und die Gewinnermittlungsvorschriften, aus denen sich das Vorliegen von (steuerlichem) Betriebsvermögen ergibt, auf sie nicht anwendbar sind (vgl. § 7 Abs. 1 KStG 1988). Betriebliche Einkünfte erzielen allenfalls die Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften öffentlichen Rechts ().
16) Gemäß § 1 Abs. 2 Z 2 KStG 1988 sind Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts körperschaftsteuerpflichtig.
17) Nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 KStG 1988 ist Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts jede Einrichtung, die
- wirtschaftlich selbständig ist und
- ausschließlich oder überwiegend einer nachhaltigen privatwirtschaftlichen Tätigkeit von wirtschaftlichem Gewicht und
- zur Erzielung von Einnahmen oder im Falle des Fehlens der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr von anderen wirtschaftlichen Vorteilen und
- nicht der Land- und Forstwirtschaft (§ 21 des Einkommensteuergesetztes 1988) dient.
Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Die Tätigkeit der Einrichtung gilt stets als Gewerbebetrieb.
18) Darüber hinaus sieht § 2 Abs. 2 KStG 1988 Sonderformen von Betrieben gewerblicher Art vor. Ziffer 3 erster Teilstrich sieht folgende Sonderform vor:
Die entgeltliche Überlassung von Grundstücken zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken durch Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Artikel 12 Abs. 1 Z 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes), die nach den zur Ausführung des § 6 Abs. 2 des landwirtschaftlichen Siedlungs-Grundsatzgesetzes erlassenen landesgesetzlichen Vorschriften als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt sind.
19) § 2 Abs. 2 Z 3 KStG 1988 sieht ergänzend eine subjektive Steuerpflicht für die Überlassung von Grundstücken zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken vor, da diese nach § 2 Abs. 1 keinen Betrieb gewerblicher Art begründen, Agrargemeinschaften des privaten Rechts mit derartigen Überlassungen allerdings der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Der Zweck dieser Vorschrift zielt somit darauf ab, Agrargemeinschaften des öffentlichen Rechts mit Agrargemeinschaften in der Rechtsform einer juristischen Person des privaten Rechts gleichzustellen. Die Agrargemeinschaft selbst unterliegt als Körperschaft öffentlichen Rechts der beschränken Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988. Der fiktive Betrieb gewerblicher Art entsteht nur dann, wenn die Überlassung zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken erfolgt (vgl. Achatz in Achatz/Kirchmayr, KStG § 2, Rz 101 f).
20) Das Gesetz weist die Steuerpflicht dem Betrieb gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts zu und nicht der Körperschaft des öffentlichen Rechts für ihren Betrieb gewerblicher Art. Der Betrieb gewerblicher Art ist daher Steuersubjekt und insofern (zumindest vor den Abgabenbehörden) parteifähig (vgl. ). Die im Rahmen der Nutzungsüberlassung erzielten Einkünfte rechnen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb. Die Nutzungsüberlassung begründet einen eigenen Betrieb gewerblicher Art (eigenes Steuersubjekt), der getrennt von der öffentlichrechtlichen Agrargemeinschaft und anderen Betrieben gewerblicher Art dieser Körperschaft besteht (vgl. Achatz in Achatz/Kirchmayr, KStG § 2, Rz 103).
21) Der Betrieb gewerblicher Art gemäß § 1 Abs. 2 Z. 3 KStG 1988 ist somit ein selbständiges fiktives Steuersubjekt, das neben die Körperschaft öffentlichen Rechts tritt und der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt (vgl. ). Steuerrechtlich ist also nicht die Trägerkörperschaft sondern ihr Betrieb gewerblicher Art als selbständiges Steuersubjekt anzusehen ().
In körperschaftsteuerlicher Sicht erfolgt eine Aufspaltung der zivilrechtlichen Rechtsperson "Körperschaft öffentlichen Rechts" in die beschränkt steuerpflichtige Trägerkörperschaft einerseits und den grundsätzlich unbeschränkt steuerpflichtigen Betrieb gewerblicher Art andererseits (vgl. Oberhuber in Renner/Strimitzer/Vock, KStG 1988, 30. Lfg, § 2 Tz 20ff).
22) Ein Körperschaftsteuerbescheid hat daher unmittelbar an den Betrieb gewerblicher Art der Körperschaft öffentlichen Rechts als Bescheidadressaten zu ergehen. Betreibt die Körperschaft öffentlichen Rechts mehrere Betriebe gewerblicher Art, so stellt ein jeder dieser Betriebe für sich ein eigenes Steuersubjekt dar. Für jeden einzelnen Betrieb gewerblicher Art hat die Abgabenbehörde eine eigene Steuernummer zu vergeben zu der mittels Körperschaftsteuererklärung die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erklären sind (vgl. ).
23) Im gegenständlichen Fall sind die strittigen Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2010 bis 2014 nicht unmittelbar an den „Betrieb gewerblicher Art“ als selbständiges Steuersubjekt sondern an die Bf als Trägerkörperschaft ergangen. Die Bf selbst unterliegt – wie oben ausgeführt – aber nicht der Steuerpflicht nach dem Körperschaftsteuergesetz.
24) Das Finanzamt hat daher zu Unrecht unmittelbar die Bf als Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Einkünfte aus dem Betrieb gewerblicher Art (entgeltliche Überlassung von Grundstücken an die Schiliftbetreibergesellschaft) zur Körperschaftsteuer herangezogen. Die angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide, die somit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet sind, waren daher ersatzlos aufzuheben.
25) Soweit mit den angefochtenen Körperschaftssteuerbescheiden für 2010 bis 2014 vom die in den Vorjahren vorläufig festgesetzte Körperschaftsteuer für endgültig erklärt worden ist, ist darauf hinzuweisen, dass durch die Erlassung eines Bescheides, mit dem der vorläufige Abgabenbescheid zu einem endgültigen erklärt wird, der vorläufige Abgabenbescheid aus dem Rechtsbestand ausscheidet.
Mit dem Bescheid, mit welchem der vorläufige Bescheid zum endgültigen erklärt wird, wird zudem der Inhalt des vorläufigen Bescheides übernommen; ein solcher Bescheid über die Endgültigerklärung ist so zu sehen, als enthielte er nicht nur die Endgültigerklärung, sondern auch eine dem vorangegangenen Sachbescheid entsprechende unveränderte Sacherledigung (vgl. u.a. ).
Die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide gegenüber der Bf, mit denen die vorläufigen Bescheide für endgültig erklärt worden sind, kommt inhaltlich – wie von der Bf ursprünglich beantragt - somit einer Nullfestsetzung der Körperschaftsteuer gleich.
26) Insoweit die Erlassung von Körperschaftsteuerbescheiden an den Betrieb gewerblicher Art der Bf verfahrensrechtlich noch möglich sein sollte, wird unvorgreiflich der Entscheidung des Finanzamtes darauf hingewiesen, dass allein der Verweis auf das zu den Vorjahren ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/4100211/2011 die Zuordnung der Einkünfte an einen Betrieb gewerblichen Art der Bf nicht zu Begründung vermag, zumal sich die Rechtslage durch die mit in Kraft getretene Novelle zum TFLG 1996 (LGBl 7/2010) grundlegend geändert hat.
27) Die gegenständlichen Einkünfte beruhen auf der Einräumung von Nutzungsrechten, die an Grundstücken im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 idF LGBl 7/2010 eingeräumt worden sind. Nach der Legaldefinition handelt es sich dabei um agrargemeinschaftliche Grundstücke, „die vormals im Eigentum einer Gemeinde gestanden sind, durch Regulierungsplan ins Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurden, vor dieser Übertragung der Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften gedient haben und nicht Gegenstand einer Hauptteilung waren (Gemeindegut)“.
28) Die auf Gemeindegut beruhende Bf ist auch nach der TFLG Novelle 2010, mit der das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B464/07 umgesetzt worden ist, zwar nach wie vor grundbücherliche Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996, es handelt sich dabei aber nur mehr um ein formales, weitgehend inhaltsleeres, nacktes Eigentum (nuda proprietas) am Gemeindegut. Das Substanzrecht, einschließlich der gegenständlichen Erträge aus der Nutzungsüberlassung für nicht land- und forstwirtschaftliche Zwecke, kommt an diesen als Gemeindegut ausgewiesenen agrargemeinschaftlichen Grundstücken allein der Gemeinde zu (vgl. § 33 Abs. 5 TFLG 1996).
Zulässigkeit einer Revision
29) Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
30) Dass ein Betrieb gewerblicher Art neben der Körperschaft öffentlichen Rechts (Trägerkörperschaft) ein fiktives selbständiges Steuersubjekt darstellt, findet Deckung in der oben angeführten Lehre und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Für die Zulässigkeit der ordentlichen Revision besteht daher kein Anlass.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz:
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung – sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 iVm § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 2 Abs. 2 Z 3 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988 § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996, Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996, LGBl. Nr. 74/1996 § 33 Abs. 5 TFLG 1996, Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996, LGBl. Nr. 74/1996 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100707.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at