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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 15.04.2020, RV/7100277/2020

Zurückweisung einer Beschwerde gegen nicht zugestellten Bescheid

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH, Hauptplatz 32, 2700 Wiener Neustadt, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Neunkirchen Wr. Neustadt vom , betreffend Haftung gemäß § 9 BAO, beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm die Abgabenbehörde die Beschwerdeführerin (Bf) als ehemalige Geschäftsführerin der Fa. Z-GmbH, Firmenbuchnummer Z1, als Haftungspflichtige gemäß § 9 i.V.m. §§ 80 ff. BAO für die folgenden aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Z-GmbH im Ausmaß von € 37.746,28 in Anspruch:


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Abgabenart
Zeitraum
Betrag in Euro
Grundlage
Umsatzsteuer
2014
31.203,93
Bescheid
Körperschaftssteuer
2014
1.593,01
Bescheid
Körperschaftssteuer
2015
111,68
Bescheid
Körperschaftssteuer
10-12/15
392,22
Bescheid
Körperschaftssteuer
01-03/16
390,43
Bescheid
Körperschaftssteuer
04-06/16
390,43
Bescheid
Körperschaftssteuer
07-09/16
390,43
Bescheid
Verspätungszuschlag
2014
3.231,77
Bescheid
Exekutionsgebühren
2016
40,56
Bescheid
Barauslagen
2016
1,82
Bescheid
Summe
 
37.746,28
 

Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

„Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs. 1 leg.cit. haften die in § 80 Abs. 1 leg.cit. erwähnten Personen neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für diese Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 1298 ABGB obliegt dem, der vorgibt, dass er an der Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung ohne sein Verschulden verhindert war, der Beweis.

Aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen ergibt sich, dass der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet hat, für diese Abgaben haftet, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden können und er nicht beweist, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht entrichtet werden konnten.

Sie waren im Zeitraum von bis Da1 (=Konkurseröffnung der GmbH) unbestritten handelsrechtliche Geschäftsführerin der GesmbH, also einer juristischen Person, und daher gemäß § 18 GesmbHG zu deren Vertretung berufen. Sie waren somit auch verpflichtet, die Abgaben aus deren Mitteln zu bezahlen.

Der angeführte Rückstand besteht infolge Nichtentrichtung der im Zeitraum Ihrer Geschäftsführertätigkeit fällig gewordenen Abgaben.

Hinsichtlich der Heranziehung für aushaftende Umsatzsteuer ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 21 Abs. 1 UstG 1994 hat der Unternehmer spätestens am Tag (Fälligkeitstag) des auf den Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweit folgenden Kalendermonats eine Voranmeldung bei dem für die Einhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer (Vorauszahlung) oder den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss unter entsprechender Anwendung des § 20 Abs. 1 und Abs. 2 und des § 16 leg.cit., selbst zu berechnen hat. Der Unternehmer hat eine sich ergebene Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Es ist laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Sache des Geschäftsführers, die Gründe darzulegen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert haben, die ihm obliegende abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung gem. § 9 Abs. 1 BAO angenommen werden darf.

(Das Schreiben des Finanzamtes Neunkirchen Wiener Neustadt vom , womit Ihnen die Möglichkeit der Darlegung etwaiger Gründe geboten wurde, wurde bis dato nicht beantwortet.)“

Mit Eingabe vom ersuchte die Bf durch ihren Vertreter um Zustellung des Haftungsbescheides vom . Ein Haftungsbescheid vom für die Firma Z-GmbH liege der Einschreiterin nicht vor.

Mit Eingabe vom erhob die Bf durch ihren Vertreter gegen den Haftungsbescheid vom Beschwerde mit folgender Begründung:

„Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde: Der Haftungsbescheid vom wurde der Beschwerdeführerin erstmals wirksam durch Zustellung an die Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am zugestellt. Die Beschwerde erfolgt daher innerhalb der offenen Beschwerdefrist und ist daher rechtzeitig.

Eine gesetzmäßige Zustellung vor dem erfolgte nicht. Die Adresse Adr1, stellt keine Abgabestelle der Klägerin dar. An diese Adresse konnten keine wirksamen Zustellungen an die Beschwerdeführerin erfolgen.

Die Adresse ist zudem nicht korrekt. Die richtige Adresse lautet Adr2.

Der Haftungsbescheid vom wurde auch nicht an diese Adresse zugestellt. Es handelt sich bei der Adresse Adr2 um die Adresse der Eltern der Beschwerdeführerin. Die Adresse Adr1 ist daher unvollständig;

Die b Postbediensteten sind extrem unterbezahlt und es gibt erhebliche Missstände im Zustellwesen. Empfänger erhalten zu 80-90% ihre Post nicht.

Wäre eine Zustellung des Haftungsbescheides an die Eltern tatsächlich erfolgt, hätte die Beschwerdeführerin eine entsprechende Information erhalten. Die Beschwerdeführerin bestreitet daher, dass eine Zustellung des Haftungsbescheides erfolgt ist.

Die Beschwerdeführerin lebt bereits seit mehreren Jahren in S. Auch bereits aus diesem Grund liegt keine Abgabestelle in B vor.

Beweis: Erklärung an Eides Statt, Beilage ./A Einvernahme der Beschwerdeführerin, die auf erste Anforderung über die Kanzlei der Klagevertreter stellig gemacht werden kann (da sich die Beschwerdeführerin im Ausland [S] befindet und eine längere, kostenintensive Flugreise für ein Erscheinen notwendig ist, wird ersucht diesbezüglich entsprechende Vorlaufzeiten zu berücksichtigen und vorzugsweise eine Einvernahme per Videokonferenz in Erwägung zu ziehen) vorzulegende Kontoverdichtung des Geschäftskontos der Z-GmbH

Verletzung in den Rechten der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist durch den Haftungsbescheid in ihren einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit ihres Eigentums und Unterbleiben nicht gesetzeskonformer Abgabenvorschreibungen verletzt.

Zur Sache:

Mit Haftungsbescheid vom wird die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der Z-GmbH über einen Betrag in Höhe von € 37.746,28 in Anspruch genommen.

Die Inanspruchnahme der Haftung erfolgt gesetzwidrig. Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme liegen nicht bzw. nur entsprechend der untenstehenden Ausführungen vor. Aus prozessökonomischen Gründen unterbleibt eine Bestreitung von Teilpositionen.

Voraussetzung für die Geltendmachung einer Haftung nach § 9 BAO sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden (), die Stellung als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ().

Umsatzsteuer 2014

Hinsichtlich der Haftung für Umsatzsteuer wird der Beschwerdeführerin vorgeworfen, sie habe die Umsatzsteuer nicht korrekt selbstbemessen. Die Umsatzsteuer 2014 war am fällig.

Dazu ist folgendes auszuführen:

Zum beliefen sich die Gesamtverbindlichkeiten auf EUR 499.000 (siehe Beilage ./1). Es handelt sich dabei um das Darlehen von Hr. Sh, deren Saldo zum sich objektiv aus der Kontoverdichtung (Beilage ./3) ableiten lässt.

Am beliefen sich die Gesamtverbindlichkeiten auf EUR 559.817,93. Davon entfallen EUR 31.203,93 auf das Finanzamt (Umsatzsteuer 31.203,93). Es wurden insgesamt Zahlungen iHv EUR 25.837,84 geleistet, was sich aus der Kontoverdichtung ebenfalls nachvollziehen lässt (siehe Beilage ./2 und ./3).

Liquide Mittel 27:469,48
Verbindlichkeiten 559.817,93,
Gleichbehandlungsquote 4,91%
Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung 1.531,13

Liquide Mittel 27:469,48
Verbindlichkeiten 499:000,00
Gleichbehandlungsquote. 5,50%
Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung 1.717,75

Abhängig von der Berechnung hätte das Finanzamt demnach eine Quote von zwischen-4,91% und 5,50% erhalten müssen, um zu einer Gleichbehandlung zu gelangen.

Bei Anwendung einer Quote von 5,5% ergibt sich ausgehend von einem auf die USt entfallenden Betrag von EUR 31.203,93 EUR 1.717,75.

Der Verspätungszuschlag 2014 ist entsprechend zu kürzen.

Werden diese Grundsätze auch auf die Körperschaftssteuer 2014 angewandt, ergibt sich ein gekürzter Betrag von EUR 87,62.

Die übrigen Positionen bleiben lediglich aus prozessökonomischen Gründen unbekämpft.

Aufgrund der Geringfügigkeit dieser Haftungsbeträge wird weiters angeregt, die Haftung aufgrund einer Ermessensentscheidung nachzusehen.

Der angefochtene Haftungsbescheid beruht sohin auf unrichtiger rechtlicher Beurteilung und ist aufzuheben.

Beweis: Gleichbehandlungsnachweis; Beilage ./1 und /2, Kontoverdichtung des Geschäftskontos der Z-GmbH, Beilage ./3, Einvernahme der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin stellt daher die Anträge auf Aufhebung des angefochtenen Haftungsbescheides, Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 274 Abs. 1 BAO) und Reduktion der vorgeschriebenen Beträge auf nachstehende Beträge:

Umsatzsteuer 2014 EUR 1.717,75
Körperschaftssteuer 2014 EUR 87,62
Körperschaftssteuer 2015 EUR 111,68
Körperschaftssteuer 10-12/15 EUR 392,22
Körperschaftssteuer 01-03/16 EUR 390,43
Körperschaftssteuer 04-06/16 EUR 390,43
Körperschaftssteuer 07-09/16 EUR 390,43
Exekutionsgebühren 2016 EUR 40,56
Barauslagen 2016 EUR 1.82
EUR 3.522,94“

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde vom gemäß § 260 BAO zurück und führte zur Begründung wie folgt aus:

„Der Haftungsbescheid vom wurde an die Adresse in Adr1 zugestellt. Diese Adresse wurde der Abgabenbehörde aufgrund eines Auskunftsersuchen (Artikel 5 der Richtlinie 2010/24/E) von der b Behörde im Mai 2018 als Anschrift von Frau M bekannt gegeben. Zu der in der Beschwerde ins Treffen geführten nicht korrekten Adresse ist auszuführen, das einerseits wie bereits festgehalten, die Adresse des Haftungsbescheides von der b Behörde bekannt gegeben wurde und andererseits eine etwaige geringfügige falsche Bezeichnung nach der Judikatur unbedeutend ist, wenn die Adresse anhand der Angaben identifiziert werden kann. Der Haftungsbescheid wurde der Abgabenbehörde mit dem Vermerk "Non reclame" am zurückgestellt. Es fand sohin ein Zustellversuch statt, die Adresse konnte daher vom Zustellorgan identifiziert werden. Festzustellen ist weiters, wenn Frau M im Zeitpunkt der Zustellung des Haftungsbescheides auf der gegenständlichen Adresse in Z keinen Wohnsitz im Haus der Eltern gehabt hätte, wäre sie ihrer Verpflichtung gem. § 8 (1) ZustellG, der Behörde die Änderung ihrer bisherigen Abgabestelle bekanntzugeben, nicht nachgekommen. Mangels einer diesbezüglichen Mitteilung wäre die Zustellung jedenfalls durch Hinterlegung im Akt gem. § 8 (2) erfolgt. Das Rechtsmittel gegen den Haftungsbescheid wurde erst am eingebracht. Da die Beschwerde somit in jedem Fall verspätet eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden.“

Mit Vorlageantrag vom stellte die Bf den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Die Ausführungen in der Beschwerde würden aufrecht erhalten. Zudem werde darauf hingewiesen, dass § 8 Zustellgesetz keine Anwendung finde.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerdemit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 BAO kann der Senat ungeachtet eines Antrages (Abs. 1 Z 1) von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Beschwerde als unzulässig oder nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen ist (§ 260).

Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

Bestritten wurde der Haftungsbescheid vom vorerst insofern, als eine gesetzmäßige Zustellung vor dem nicht erfolgt sei, da die Adresse Adr1 keine Abgabestelle der Bf darstelle, sodass an diese Adresse keine wirksamen Zustellungen an die Bf hätten erfolgen können.

Gemäß § 2 Z 4 Zustellgesetz kommen als Abgabestelle u.a. die Wohnung oder eine sonstige Unterkunft des Empfängers in Betracht. Als Wohnung werden Räumlichkeiten verstanden, die im Zeitpunkt der Zustellung dem Empfänger tatsächlich als Unterkunft in der Art eines Heimes dienen; Räumlichkeiten also, die der Empfänger tatsächlich benützt, wo er gewöhnlich zu nächtigen oder sich sonst aufzuhalten pflegt (). Eine bloß fallweise Benützung von Räumlichkeiten begründet keine "Wohnung" im Sinne des § 4 ZustG ().

Mit der Beschwerde beiliegenden Erklärung an Eides Statt vom erklärte die Bf Folgendes:

„Ich habe erstmals am eine Mahnung vom des Finanzamts erhalten. Ich habe zuvor weder eine Zustellung des Haftungsbescheides vom noch anderer Schreiben in dieser Sache erhalten.

Die Adresse Adr3, ist die Adresse meiner Eltern. Ich habe dort keine Abgabestelle. Die Adresse wird von mir auch nicht verwendet.

Meine Eltern haben am die Mahnung vom erhalten. Vor diesem Zeitpunkt haben sie keine Schreiben des Finanzamts und auch keinen Haftungsbescheid erhalten. Sie haben mir am nach Erhalt der Mahnung diese sofort zur Kenntnis gebracht. Hätten meine Eltern vor diesem Zeitpunkt den Haftungsbescheid wirklich erhalten hätten sie in mir jedenfalls zur Kenntnis gebracht. Hätten meine Eltern Zustellungen erhalten, hätten sie sie mir sicher weitergegeben.
Ich lebe bereits seit Jahren in S.“

Die Bezeichnung der Wohnung der Eltern als Abgabestelle erscheint somit in Hinblick auf die Auskunft der b Behörde nur dann als zulässig, wenn sie im Zeitpunkt der Zustellung dem Empfänger tatsächlich als Unterkunft in der Art eines Heimes diente.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein "regelmäßiger Aufenthalt" an der Abgabestelle im Sinne des § 17 Abs. 1 Zustellgesetz nur dann vor, wenn der Empfänger, von kurzfristigen Abwesenheiten abgesehen, immer wieder an die Abgabestelle zurückkehrt. Hinsichtlich der im § 17 Abs. 1 leg. cit. normierten Voraussetzung, dass der Zusteller Grund zur Annahme haben müsse, dass sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte, ist darauf abzustellen, ob objektive Gründe dafür gegeben sind, dass sich der Empfänger tatsächlich regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Ein regelmäßiger Aufenthalt an der Abgabestelle liegt nicht vor, wenn der Empfänger mehrere Tage ortsabwesend ist, wobei es nicht erforderlich ist, dass eine langfristige Abwesenheit von der Wohnung als Abgabestelle gegeben ist, sondern bereits eine kurzfristige Abwesenheit, etwa für einen Auslandsaufenthalt, eine relevante Ortsabwesenheit darstellt.

Nichts deutet darauf hin, dass im vorliegenden Fall objektive Anhaltspunkte dafür gegeben waren, die Bf halte sich im Sinne des § 17 Abs. 1 leg.cit. regelmäßig an der Abgabestelle auf. Selbst eine polizeiliche Anmeldung lässt noch keine zweifelsfreien Rückschlüsse darauf zu, dass sie sich in der angegebenen Wohnung auch regelmäßig aufhält, aus diesem Grund kann auch allein aus dem Hinweis der Abgabenbehörde, sie habe ein Auskunftsersuchen hinsichtlich der Bf durchgeführt, für ihren Standpunkt nichts gewonnen werden (vgl. ).

Bereits in der Beschwerde wurde die Adresse der Bf mit Adr4, angegeben. Zudem lebe die Bf bereits seit Jahren in S.

Mangels dem entgegenstehender Feststellungen kann dem Vorbringen der Bf, sie habe an der Adresse ihrer Eltern keine Abgabestelle, nicht entgegen getreten werden, zumal für eine bloß vorübergehende Abwesenheit, die den Charakter einer Wohnung als Abgabestelle im Sinne des § 4 ZustG unberührt gelassen hätte, den Darlegungen der Bf kein Anhaltspunkt zu entnehmen ist ().

Die Zustellung durch Hinterlegung des Haftungsbescheides vom war daher in Hinblick auf die Erklärung der Bf mangels dem entgegen stehender Feststellungen entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht rechtswirksam.

Auch die Argumente der belangten Behörde, dass ein Zustellversuch stattgefunden habe und die Adresse daher vom Zustellorgan habe identifiziert werden können , sind nicht zielführend, weil aus ihnen gleichfalls nicht abgeleitet werden kann, die Bf sich zum Zeitpunkt der Zustellversuche an der angegebenen Adresse regelmäßig aufgehalten habe bzw. noch innerhalb der Abholfrist an die Abgabestelle zurückgekehrt sei.

Da sich somit die gegenteilige Annahme des Zustellorganes als verfehlt herausgestellt hat, liegt keine die Zustellung im Sinne der Fiktion des dritten Satzes des § 17 Abs. 3 ZustG (mit Wirkung am ersten Tag der Abholfrist) bewirkende Hinterlegung vor ().

Laut Aktenvermerk der Abgabenbehörde vom wurde der Haftungsbescheid als nicht behoben retourniert, wobei der Beginn der Abholfrist mit angenommen wurde, da sonst kein leserliches Datum vorhanden sei. Allerdings befindet sich dieses Datum neben dem Vermerk „Date de retour“ und befindet sich am Eingangsstempel des Finanzamtes das Datum , sodass wohl eher vom Datum der Rücksendung auszugehen ist. Somit ist auch der Zustellzeitpunkt nicht bekannt.

Ob eine ordnungsgemäße Zustellung der Erledigung einer Abgabenbehörde vorliegt, ist stets von Amts wegen zu prüfen. Der Rückschein, auf dem die Zustellung durch den Zusteller beurkundet wurde (§ 22 Abs. 1 Zustellgesetz), ist eine öffentliche Urkunde. Als öffentliche Urkunde begründet ein "unbedenklicher" - d.h. die gehörige äußere Form aufweisender - Zustellnachweis die Vermutung der Echtheit und der inhaltlichen Richtigkeit des bezeugten Vorgangs ().

Von einem die gehörige äußere Form aufweisenden Zustellnachweis kann keine Rede sein, zumal auch die nach § 22 Abs. 1 ZustellG erforderliche Beurkundung der Zustellung vom Zusteller auf dem Zustellnachweis nicht erkennbar ist.

Will eine Behörde davon ausgehen, eine Sendung sei durch Hinterlegung zugestellt, so trifft sie von Amts wegen die Pflicht festzustellen, ob auch tatsächlich durch Hinterlegung eine Zustellung bewirkt wurde.

Die Bf hat in der Beschwerde vorgebracht, erstmals am eine Mahnung erhalten zu haben und zuvor weder eine Zustellung des Haftungsbescheides vom noch anderer Schreiben in dieser Sache (etwa das Schreiben des Finanzamtes vom ) erhalten zu haben, und hat dies mit erheblichen Missständen im b Zustellwesen, in dem Empfänger zu 80-90% ihre Post nicht erhielten, als Ursache begründet. Damit hat die Bf nicht nur die bloße Behauptung, es bestehe die Möglichkeit einer Nichtzustellung, sondern auch konkrete Umstände aufgezeigt, die berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen ließen ().

Sofern die Abgabenbehörde in der Beschwerdevorentscheidung feststellt, wenn Frau M im Zeitpunkt der Zustellung des Haftungsbescheides auf der gegenständlichen Adresse in Z keinen Wohnsitz im Haus der Eltern gehabt hätte, wäre sie ihrer Verpflichtung gem. § 8 (1) ZustellG, der Behörde die Änderung ihrer bisherigen Abgabestelle bekanntzugeben, nicht nachgekommen, ist darauf zu verweisen, dass gemäß § 8 Abs. 1 ZustellG eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen hat. Ein Verfahren, von dem sie Kenntnis haben musste, wäre erst mit Zustellung des Haftungsbescheides vorgelegen, sodass eine Obliegenheit zur Mitteilung der Änderung nicht vorlag.

Zu Recht wendet die Bf daher im Vorlageantrag ein, dass § 8 Zustellgesetz keine Anwendung findet. Eine mangels einer diesbezüglichen Mitteilung durch Hinterlegung im Akt gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG jedenfalls erfolgten Zustellung wäre rechtswidrig. Die tatsächliche Durchführung einer Zustellung durch Hinterlegung im Akt gemäß § 8 Abs. 2 ZustellG erfolgte laut Aktenlage jedoch nicht.

Laut Vorlagebericht vom wurde dem Vertreter aufgrund eines Schreibens vom als Reaktion auf die Mahnung eine Kopie des Haftungsbescheides übersendet. Aus der Sicht der Abgabenbehörde erfolgte die Zustellung im Februar 2019 rechtswirksam, eine Zustellung am , wie in der Beschwerde behauptet, fand nicht statt, zumal kein Bescheid, sondern nur Kopien an den Vertreter übermittelt wurden.

Da nach dieser Bekanntgabe selbst die Abgabenbehörde nicht von einer Zustellung des Haftungsbescheides durch Übermittlung von Kopien am ausgeht und der Haftungsbescheid vom der Bf gegenüber auch durch die Zustellung durch Hinterlegung des Haftungsbescheides am Wohnort ihrer Eltern nicht wirksam wurde, entfaltet der angefochtene Bescheid keinerlei Rechtswirkungen.

Die Wirksamkeit von Erledigungen setzt nämlich nach § 97 Abs. 1 BAO voraus, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind (Ritz, BAO6, Tz 1 zu § 97; ).

Ist die als Haftungsbescheid intendierte Erledigung der Abgabenbehörde erster Instanz mangels einer für die Beschwerdeführerin rechtswirksamen Zustellung als Bescheid rechtlich nicht existent geworden, hat die Berufungsbehörde die Berufung als unzulässig zurückweisen; eine Entscheidung in der Sache wäre rechtswidrig (vgl. ).

Die Beschwerde musste somit gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO als unzulässig zurückgewiesen werden.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 274 Abs. 3 Z 1 BAO iVm § 274 Abs. 5 BAO abgesehen werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da der Beschluss nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn der Beschluss von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierten Entscheidungen), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100277.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at