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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.04.2020, RV/5101632/2017

Umsatzsteuerpflicht von Automatenerlösen; Schätzungsberechtigung aufgrund von Aufzeichnungsmängeln und ungeklärten Einlagen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Ri über die Beschwerden vom 5. Mai bzw. des Beschwerdeführers Bf, gegen die Bescheide des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr, 4400 Steyr, Handel-Mazzetti-Promenade 14 betreffend Umsatzsteuer 2016 vom und Haftung für Kapitalertragsteuer 2016 vom zu Recht:  

I)
Der Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2016 wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlagen sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Spruches.

Der Bescheid betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2016 wird abgeändert. Sie werden für den Zeitraum 2016 als Haftungspflichtige in Anspruch genommen. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe betragen:

Bemessungsgrundlage: € 46.228,08       Kapitalertragsteuer: 11.557,02

II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Bezüglich der Beschwerde gegen die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Zeiträume 09/2016 und 11/2016 ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht auszuführen, dass aufgrund der Bestimmung des § 253 BAO die Beschwerde vom als auch gegen den Jahresbescheid betreffend Umsatzsteuer 2016 vom gilt.

           

1. Verfahrensgang

Nach einer bei der Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz BF) durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung wurden vom Finanzamt am ein Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2016 sowie Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Zeiträume 9/2016 und 11/2016 erlassen. Das Finanzamt unterwarf die aus am Standort Adresse1 aufgestellten Glücksspielautomaten erzielten Erlöse der Umsatzsteuer. Aufgrund materieller Mängel in der Buchhaltung wurde ein Zuschlag von 30 % der erzielten Erlöse betreffend Glücksspielautomaten im Schätzungsweg vorgenommen.

Hinsichtlich der Einnahmen aus Pokerspiel an den Standorten S, WE, W und G wurde aufgrund vorliegender Aufzeichnungsmängel ein Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % zu den daraus erklärten – umsatzsteuerfreien – Umsätzen verhängt.

Bezüglich der Gastronomieumsätze („K GmbH“) wurden die bislang unter den Positionen „Einladung, Eigenverbrauch und Bruch/Reinigung“ erfassten Beträge als steuerpflichtige Umsätze behandelt.

Sämtliche Umsatzzuschätzungen wurden vom Finanzamt als verdeckte Gewinnausschüttungen an den Alleingesellschafter und Geschäftsführer, Herrn TM behandelt und der angeführte Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer erlassen.  

Mit den Schreiben vom und wurden gegen die Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer für die Zeiträume 9/2016 und 11/2016 sowie über den Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer 2016 Beschwerden eingebracht. Nach einem durchgeführten Mängelbehebungsverfahren wurde mit Schreiben vom eine Begründung zu den Beschwerden nachgereicht. Zur Umsatzsteuerpflicht bei Glücksspielautomaten wurde darin vorgebracht, dass § 6 Abs. 1 Z 9 lit d UStG 1994 dem Unionsrecht widerspreche. Nach Artikel 135 Abs 1 lit i der MwStSysRL seien Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt würden, von der Mehrwertsteuer befreit. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität bedeute, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich zu behandeln seien. Befreiungen wie jene von Artikel 135 Abs 1 lit i MwStSysRL seien als Ausnahme eng auszulegen. Dies könne nicht dazu führen, dass gleiche Umsätze unterschiedlich behandelt würden. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität verbiete es, erlaubte und unerlaubte Glücksspiele unterschiedlich sowie Umsätze aus Ausspielungen von Spielbanken auf der einen Seite und von Spielhallen auf der anderen Seite ungleich zu behandeln.

Diese differenzierte Besteuerung sei vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGHs zum steuerlichen Neutralitätsgrundsatz in The Rank Group (C-259/10 vom ) und BGZ Leasing (C-224/11 vom ) fragwürdig. Der Durchschnittsverbraucher werde bei vergleichbaren Dienstleistungen unterschiedlich besteuert. Je nachdem, ob er in einer Spielbank, in einer Gaststätte diverse Casinospiele („einarmige Banditen“), über ein Internet-Terminal oder über ein Tablet oder einen Internet-Anschluss ein Produkt über win2day.at (aber auch von vergleichbaren nicht im Inland konzessionierten ausländischen Angeboten) spiele sei das Entgelt für die Dienstleistung entweder steuerpflichtig oder steuerfrei. Aufgrund der eindeutigen Rechtsprechung des EuGHs in der Rechtssache Rank plc. bzw. in den davor ergangenen Urteilen zur Auslegung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität im europäischen Mehrwertsteuerrecht stünden diese Dienstleistungen aus Sicht des Durchschnittsverbrauches in einem Wettbewerb. Die unterschiedliche Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung für Produkte, die über eine elektronische Lotterie gem. § 12a GSpG und nicht über Spieleapparate im Sinne von VLTs angeboten würden und VLTs bzw. Glücksspielapparaten widerspreche dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität.

Betreffend die Aufzeichnungsmängel und die Schätzungsberechtigung wurde vorgebracht, dass den Aufzeichnungsverpflichtungen schon genüge getan sei, wenn der Steuerpflichtige beim realen Transfer von Bareinnahmen und Barausgaben entsprechende Aufzeichnungen führe. Die Vorgänge im Glücksspielgerät bzw. Glücksspielautomaten würden per se noch nicht zu einer Aufzeichnungspflicht führen. Der Einwurf des Kunden stelle weder eine Bareinnahme noch eine Barausgabe dar. In die Einflusssphäre des Steuerpflichtigen gelange erst der Hold, den die BF aus dem Gerät entnommen und entsprechend aufgezeichnet habe. Die Festsetzung eines Zuschlages von 30 % sei in keinster Weise begründet.

Zu den Aufzeichnungsmängeln und der Schätzungsberechtigung betreffend die Einnahmen aus Pokerspiel an den Standorten S, WE, W und G wurde vorgebracht, dass sich alleine aus dem Verstoß gegen Aufzeichnungsverpflichtungen keine Schätzungsberechtigung ergebe. Aus der Bescheidbegründung sei nicht ersichtlich, warum es zu einer Zurechnung kommen solle.

Zu den Feststellungen bezüglich Gastronomiebetrieb „K GmbH“ wurde ausgeführt, dass sehr wohl dokumentiert worden sei, dass es sich um Einladungen und Eigenverbrauch gehandelt habe, wobei es gerade in der Phase der Betriebseröffnung zu höheren Aufwendungen komme. Die Erfassung der Bonierungen als steuerpflichtige Umsätze und als verdeckte Gewinnausschüttung sei rechtswidrig.

Betreffend den Haftungsbescheid hinsichtlich Kapitalertragsteuer wurde ergänzend vorgebracht, dass der Bescheid rechtswidrig sei, da gegen den Grundlagenbescheid im Sinne der Umsatzsteuer-Festsetzungen Beschwerde erhoben worden und daher das Verfahren offen sei und zudem Herr TM ein positives Verrechnungskonto im Sinne einer Forderung gegen die BF aufweise und die vermeintlich zugeflossenen Beträge mit dem offenen Verrechnungskonto zu verrechnen wären.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom und wurden die Beschwerden vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. In der Begründung betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer 09/2016 wurde ausgeführt, dass die unter Bruch/Reinigung oder Einladungen bonierten Umsätze nicht nachgewiesen hätten werden können. Betreffend die Festsetzung der Umsatzsteuer 11/2016 wurde ausgeführt, dass die Umsatzsteuerpflicht von Glücksspielautomaten von der Steuerbefreiung des § 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG 1994 ausdrücklich ausgenommen und diese gesetzliche Regelung von der Rechtsprechung des EuGHs gedeckt sei (, Leo-Libera GmbH). Hinsichtlich der Festsetzung der Kapitalertragsteuer wurde ausgeführt, dass die Umsatzsteuer-Festsetzungsbescheide keine Grundlagenbescheide darstellen würden. Auch das positive Verrechnungskonto könne zu keinem Erfolg der Beschwerde führen, da nur bei einem Vorteilsausgleich keine Kapitalertragsteuer anfalle, und diesbezüglich eine schriftliche Vereinbarung Voraussetzung sei, was nicht behauptet worden wäre.

Mit Schreiben vom und wurden von der BF Anträge auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageanträge) eingebracht. Seitens des Finanzamtes wurden die Beschwerden am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Am wurde der Jahresbescheid betreffend Umsatzsteuer 2016 erlassen.

Das Finanzamt wurde mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom aufgefordert, darzulegen, aufgrund welcher Grundlagen das Finanzamt bei den Erlösen Glücksspielautomaten eine Hinzuschätzung von 30 % der erklärten Erlöse vorgenommen habe und bei den Erlösen Pokerspiel ein Sicherheitszuschlag angesetzt worden sei bzw. warum, die unter den Positionen „Einladung, Eigenverbrauch und Bruch/Reinigung“ erklärten Erlöse steuerpflichtige Umsätze darstellen würden und ob das Finanzamt bei der Erlassung des Bescheides über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer überprüft habe, ob die angenommene verdeckte Gewinnausschüttung innerhalb des maßgeblichen Wirtschaftsjahres bilanziell erfasst worden sei.

Mit Schreiben vom wurde vom Finanzamt eine umfangreiche Stellungnahme abgegeben. Die bei der BF beschlagnahmten Glücksspielautomaten würden über elektronische Aufzeichnungen mit den verschiedensten Auswertungen verfügen, jedenfalls könne mit der in diesen Geräten enthaltenen Gerätebuchhaltung das Einspielergebnis abgelesen werden. Durch die alle 14 Tage erfolgende Zurücksetzung der Zählwerkstände sei eine laufende Überprüfung der Gesamtzählwerkstände nicht möglich gewesen. Auch seien die Zählwerkstände nicht erfasst, aufgezeichnet oder gespeichert worden. Es sei lediglich eine Summe pro Spielgerät auf einen Zettel geschrieben worden, obwohl die Zählerstände (Anfangszählerstand, Endzählerstand) Grundaufzeichnungen iSd § 132 Abs 1 BAO seien. Für einzelne Glücksspielgeräte seien teilweise Minusumsätze ausgewiesen worden. Hinsichtlich der Höhe der vorgenommenen Zuschätzung sei auszuführen, dass ein vom Finanzamt angesetzter Bruttoumsatz von € 78.019,50 pro Automat an der absoluten Untergrenze liege. Diesbezüglich sei auch zu berücksichtigen, dass auf dem Verrechnungskonto des Geschäftsführers, Herrn TM, eine verbuchte Einlage in Höhe von € 50.000,00 aufscheine. Herr TM habe angegeben, dass er ca. im Juni 2016 von Frau KM, der in B lebenden Mutter seiner Freundin, ein Darlehen erhalten habe. Nachweise über diese vorgebrachte Mittelherkunft seien nicht beigebracht worden.

Zu den Pokererlösen wurde ausgeführt, dass aus den vorgelegten Auszeichnungen nicht ersichtlich sei, welche Dienstnehmer der BF an den Pokerspielen als Spielleiter teilgenommen hätten, ebenso sei die Beginn- und Endzeit nicht ersichtlich. Über die Pokerspiele am Standort G sei zB lediglich die Gesamtsumme der Fees und der Collections erfasst worden.

Betreffend die Gastronomieumsätze sei festzuhalten, dass die Aufzeichnungen mittels Registrierkasse erfolgt und diese Aufzeichnungen im Rahmen der Prüfung als steuerliche Grundaufzeichnungen anerkannt worden seien. Lediglich die Bonierungen „Einladungen, Eigenverbrauch und Bruch/Reinigung“ würden in einem auffallend hohen Missverhältnis zu den erklärten Erlösen stehen. In der Registrierkasse seien gewisse Umsätze als „Einladungen“ bzw. „Eigenverbrauch“ eingegeben worden. Dadurch werde jedoch nicht nachgewiesen, dass es tatsächlich „Einladungen“ (Gratiskonsumationen) bzw. Eigenverbrauch in der erfassten Höhe gegeben habe. Auf den vorgelegten Bonierungen finde sich lediglich die Anführung des Getränkes, das Datum und die Uhrzeit der Erfassung, die Bezeichnung „Einladung“ und eine unleserliche Paraphe.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

2. Sachverhalt

Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.

Herr TM ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer der BF. Die BF betrieb am Standort Adresse1 im Zeitraum 02/2016 bis zur Beschlagnahme am sieben Glücksspielautomaten (2 Kajot Multigame, 2 Amatic, 2 ACD und einen Hot Space). Die daraus erzielten Einnahmen wurden nicht der Umsatzsteuer unterzogen. Die Spieleinnahmen wurden seitens der BF auf elektronischem Wege bei dem für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel zuständigen Finanzamt erklärt. Die im Beschwerdezeitraum von der BF erzielten Umsätze mit Spielautomaten wurden vom Finanzamt als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig behandelt. Neben den Einnahmen aus den Glücksspielautomaten erzielte die BF – umsatzsteuerbefreite – Einnahmen aus Pokerspiel an den Standorten S, WE, W und G.

Nach der Maßgabe der Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung über den Zeitraum 12/2015 bis 11/2016 sind folgende Mängel der Bücher und Aufzeichnungen des Beschwerdeführers festzustellen:

Sämtliche Glücksspielautomaten haben über eine elektronische Zähleinrichtung verfügt, mit der das Einspielergebnis abgelesen werden kann. Die Zählwerkstände der Automaten wurden von Herrn TM ungefähr alle 14 Tage auf „Null“ gestellt. Diese Vorgangsweise wurde von Herrn TM auch nach einer Kontrolle durch das Finanzamt beibehalten. Pro Spielgerät wurde lediglich eine Summe auf einen Zettel geschrieben. Für einzelne Glücksspielgeräte wurden teilweise Minussummen ausgewiesen.

Bei den Erlösen „Pokerspiel“ ist aus den vorgelegten Auszeichnungen nicht ersichtlich, welche Dienstnehmer der BF an den Pokerspielen als Spielleiter teilgenommen haben. Die Beginn- und Endzeit geht aus den Aufzeichnungen nicht hervor. Hinsichtlich der Pokerspiele am Standort G wurde nur die Gesamtsumme der Fees und der Collections erfasst. Betreffend das Pokerspiel „Jackpot“ liegen keine Aufzeichnungen vor. Beim Spiel „Collection“ wurde von der BF nur eine Tagessumme aufgezeichnet.

Der Belegerteilungspflicht im Sinne des § 132a BAO wurde von der BF nicht entsprochen. Eine Registrierkasse wurde von der BF nicht angeschafft.

Das Verrechnungskonto des Geschäftsführers der BF zeigt im Zeitraum vom bis einen Überhang der Einlagen in Höhe von € 49.000,00. Die Mittelherkunft der Einlagen konnte vom Geschäftsführer der BF, Herrn TM, nicht aufgeklärt werden.

Aufgrund dieser Mängel ist davon auszugehen, dass nicht alle Geschäftsfälle ordnungsgemäß erfasst wurden.

In Übereinstimmung mit der im Zuge der Betriebsprüfung vom Prüfer vorgenommenen Schätzung werden folgende bislang nicht erklärte Erlöse festgestellt:

Erlöse Glücksspielautomaten:

Zuschätzung von 30 % der erklärten (bisher umsatzsteuerfrei behandelten) Nettoerlöse: € 15.003,75

Erlöse Pokerspiel:

Zuschätzung in Höhe von 10 % der erklärten (gem. § 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG 1994 umsatzsteuerfreien) Nettoerlöse: € 28.223,58

Abweichend von der im Zuge der Betriebsprüfung vorgenommenen Zuschätzung „Erlöse Gastronomie“ werden im Bereich der „Erlöse Gastronomie“ nicht erklärte Erlöse wie folgt festgestellt:

Erklärte Bonierungen „Einladungen, Eigenverbrauch u. Bruch/Reinigung“: € 25.913,17

davon entfallen auf „Einladungen, Eigenverbrauch und Bruch/Reinigung“: € 2.591,31

Hinzuschätzung daher € 23.321,86

Die schätzungsweise erfolgte Erlöshinzurechnung der Beschwerdeführerin mit Ausnahme der Hinzuschätzung der Gastronomieerlöse gilt als dem Alleingesellschafter zugeflossen.

Die Bemessungsgrundlage der verdeckten Ausschüttung beträgt:

€ 46.228,08 (setzt sich zusammen aus Zuschätzung Erlöse Glücksspielautomaten brutto € 18.004,50 und Zuschätzung Erlöse Pokerspiel € 28.223,58)

davon 25 % Kapitalertragsteuer = € 11.557,02

3. Beweiswürdigung

Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der BF sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes.

Die Feststellungen betreffend die Mängel der Bücher und Aufzeichnungen der BF (Löschen bzw. auf „Nullstellen“ der Zähleinrichtung bei den Glücksspielautomaten, mangelhafte Führung der Aufzeichnungen bei den Erlösen Pokerspiel, wie zB das Nichtführen von Aufzeichnungen betreffend das Pokerspiel „Jackpot“ bzw. Führen der Aufzeichnungen nur in Tagessummen (zB beim Spiel „Collection“), keine Aufzeichnung der Beginn- und Endzeiten bzw. welche Dienstnehmer als Spielleiter teilgenommen haben, keine Belegerteilung, keine Anschaffung einer Registrierkasse) beruhen auf den von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, denen die BF nicht entgegengetreten ist. Erschwerend wirkt zudem der Umstand, dass die BF trotz des Hinweises der belangten Behörde, dass die regelmäßige Löschung der elektronischen Zählwerksstände nicht zulässig sei, diese Vorgangsweise auch zwei Monate später noch beibehalten hat. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass das Vorbringen der BF nicht geeignet ist, die sachliche Richtigkeit der geführten Aufzeichnungen glaubhaft zu machen.

Betreffend den Überhang der Einlagen auf dem Verrechnungskonto in Höhe von € 49.000,00 wurde von Herrn TM im Rahmen der Schlussbesprechung angegeben, dass er ca. im Juni 2016 von Frau KM ein Darlehen in Höhe von € 50.000,00 erhalten habe und er damit die Einlagen auf das Verrechnungskonto finanziert habe. Bei Frau KM handle es sich um die in B lebende Mutter seiner Freundin.

Aufgrund des Umstandes, dass diesbezüglich von Herrn TM keinerlei schriftliche Nachweise, wie zB ein Darlehensvertrag, vorgelegt werden konnten, und in diesem Zusammenhang auch die Grundsätze des Fremdvergleiches (nahe Angehörigenjudikatur) zu beachten sind, ist der Schlussfolgerung der belangten Behörde, wonach es sich dabei um nicht geklärte Einlagen handelt, zu folgen. Die Annahme, den Überhang auf dem Verrechnungskonto der betrieblichen Sphäre zuzurechnen, widerspricht weder der Lebenserfahrung noch den Denkgesetzen.

Insgesamt kann der belangten Behörde daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine Zuschätzung zu den Automatenerlösen im Ausmaß von 30 % und bei den Erlösen Pokerspiel im Ausmaß von 10 % vorgenommen hat. Dies alleine schon aus dem Grund, dass die vorgenommenen Zuschätzungen aufgrund der festgestellten Mängel der Bücher und Aufzeichnungen der Höhe nach auch in den nicht geklärten Einlagen auf das angeführte Verrechnungskonto Deckung finden.

Hinsichtlich der vom Finanzamt als steuerpflichtige Erlöse erfassten Positionen „Einladung, Eigenverbrauch und Bruch/Reinigung“ wurde von der BF glaubhaft vorgebracht, dass es vor allem in der Phase der Betriebseröffnung zu höheren Aufwendungen aus Einladungen und Eigenverbrauch gekommen sei. Es steht für das Bundesfinanzgericht zudem fest, dass „Spieler“ oftmals gerade durch Einladungen zum Weiterspielen animiert werden sollen und daher Gratisgetränke in einem höheren Ausmaß als in der normalen Gastronomie anfallen. Jedoch ist die Höhe der von der BF unter den Positionen „Einladung, Eigenverbrauch und Bruch/Reinigung“ vorgenommenen Buchungen auch für das Bundesfinanzgericht nicht nachvollziehbar. Außer dem Umstand, dass in der Registrierkasse gewisse Umsätze als „Einladungen“ oder „Eigenverbrauch“ bezeichnet wurden, wurden von der BF keinerlei diesbezügliche Nachweise erbracht. Es ist der belangten Behörde daher zu folgen, dass „Einladungen“, „Eigenverbrauch“ oder „Schwund“ in einem Verhältnis von rund 44 % zu den „normal bonierten“ Umsätzen völlig außerhalb jeder Lebenserfahrung liegen.

Das Bundesfinanzgericht geht daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass „Einladungen, Eigenverbrauch und Bruch/Reinigung“ in einem über dem branchenüblichen Schnitt liegenden Ausmaß vorgelegen sind und werden 10 % der von der BF unter der Position „Einladung, Eigenverbrauch und Bruch/Reinigung“ vorgenommenen Buchungen als solche anerkannt.

Dass die BF im Beschwerdezeitraum bloß einen Alleingesellschafter hatte und von diesem als Geschäftsführer vertreten wurde, ist dem aktenkundigen Firmenbuchauszug zu entnehmen. Daher kann auch der Zufluss der Erlöshinzurechnung – mit Ausnahme der schätzungsweisen Erlöszurechnung bei den Gastronomieerlösen – an diesen ohne Bedenken angenommen werden. Hinsichtlich der Gastronomieerlöse liegt ein Zufluss dieser Erlöszurechnung an Herrn TM jedoch nicht auf der Hand, da es durchaus auch möglich erscheint, dass Dienstnehmer der BF entsprechende Bonierungen ohne Wissen des TM vorgenommen und die vereinnahmten Erlöse für sich verwendet haben. Eine Zurechnung dieser Erlöszuschätzungen Gastronomie als verdeckte Ausschüttung an Herrn TM kommt daher nicht in Betracht.

Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.

4. Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung

Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).

Zur Umsatzsteuerpflicht bei Glücksspielautomaten:

§ 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG 1994 lautet:

Von den unter § 1 Abs 1 Z i fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

d)

aa) die mit Wetten gemäß § 33 TP 17 Abs 1 Z 1 GebG 1957 und mit Ausspielungen gemäß § 2 Abs 1 GSpG, ausgenommen Ausspielungen mit Glücksspielautomaten (§ 2 Abs 3 GSpG) und mit Video Lotterie Terminals, unmittelbar verbundene Umsätze,

bb) Umsätze aus der Mitwirkung im Rahmen von Ausspielungen, soweit hierfür vom Konzessionär (§ 14 GSpG) Vergütungen gewährt werden, ausgenommen Vergütungen aufgrund von Ausspielungen mittels Video Lotterie Terminals, und

cc) die Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs 3 Glücksspielgesetzes.“

Umsätze, die mittels Glücksspielautomaten und mit Hilfe von VLTs erzielt werden, sind nach § 6 Abs 1 z 9 lit d UStG 1994 nicht von der Steuerfreiheit umfasst.

Strittig ist im beschwerdegegenständlichen Verfahren die Frage, ob § 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG 1994 dem Unionsrecht widerspricht.

Unionsrechtlich ist die Befreiung durch Art. 135 Abs. 1 lit. i der MwSt-RL gedeckt, wonach Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz steuerfrei sind „unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden“. Nach der EuGH-Rechtsprechung räumt das Unionsrecht den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet einen weiten Spielraum ein und verlangt insbesondere keine umfassende Befreiung der Glücksspiele. Eine differenzierte Behandlung von Glücksspielen ist zulässig, sofern die verschiedenen Arten von Spielen nicht miteinander im Wettbewerb stehen; den Mitgliedstaaten ist es somit gestattet, nur bestimmte Glücksspiele (zB Lotterien und Wetten, nicht aber sonstige Glücksspiele) von der MwSt zu befreien (Ruppe/Achatz , UStG5, § 6 Tz 282, „Leo-Libera“; „The Rank Group“).

Der Grundsatz der Neutralität der MwSt verbietet es allerdings, die Steuerbefreiung den erlaubten Glücksspielen vorzubehalten, selbst wenn unerlaubte Glücksspiele nicht den sonst für Glücksspiele vorgesehenen Abgaben unterliegen ( „Fischer“; , C-259/10 „The Rank Group“).

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es mit dem Unionsrecht auch nicht vereinbar, die Befreiung auf Glücksspiele in zugelassenen öffentlichen Spielbanken zu beschränken, sie aber auf die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber sind, nicht anzuwenden ( „Linneweber“; das Urteil geht von einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift auf solche Fälle aus; so auch BFH , V R 52/01).

In Österreich werden alle Umsätze mit Glücksspielautomaten und VLTs umsatzsteuerpflichtig behandelt, egal ob sie mit illegalen Geräten oder mit konzessionierten Geräten erwirtschaftet werden. Die österreichische Regelung ist demnach als unionsrechtskonform zu bewerten, da sie Gleiches nicht ungleich behandelt, was nach der EuGH Rechtsprechung geboten ist. Die innerstaatlichen Bestimmungen bewegen sich vielmehr im von Art. 135 Abs. 1 lit. i der MwSt-RL (Richtlinie 2006/112) erlaubten Rahmen, der einen weiten Wertungsspielraum zulässt.

Nichts Anderes ist auch aus dem Urteil C-259/10, „The Rank Group“, vom abzuleiten. Der EuGH stellt hier einmal mehr fest, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen ist, dass zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Im Rank-Fall ging es darum, dass die Umsätze verschiedener von Rank betriebenen Glücksspielgeräte (Geldspielautomaten) unterschiedlich besteuert wurden. Unstrittig war, dass die besteuerten Geräte und die nicht besteuerten Vergleichsgeräte aus der Sicht der Verbraucher gleichartig waren.

Eine solche Ungleichbehandlung verstößt nach dem EuGH grundsätzlich gegen das unionsrechtliche Neutralitätsgebot, ohne dass es noch der Feststellung bedarf, dass die betreffenden Dienstleistungen in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen oder dass der Wettbewerb wegen dieser Ungleichbehandlung verzerrt ist. Bei der im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vorzunehmenden Prüfung, ob zwei Arten von Geldspielautomaten gleichartig sind und die gleiche Behandlung hinsichtlich der Mehrwertsteuer erfordern, ist zu prüfen, ob die Benutzung dieser Gerätearten aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers vergleichbar ist und dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigt, wobei insoweit insbesondere Gesichtspunkte wie die Mindest- und Höchsteinsätze und ‑gewinne und die Gewinnchancen berücksichtigt werden können.

In Rz 53 führte der EuGH dazu aus: „Zunächst ist festzustellen, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, soll Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie und dem in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils genannten weiten Wertungsspielraum, der den Mitgliedstaaten in dieser Bestimmung eingeräumt worden ist, nicht jede praktische Wirksamkeit genommen werden, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz sämtlich als gleichartige Leistungen im Sinne dieses Grundsatzes anzusehen wären. Ein Mitgliedstaat kann daher die Mehrwertsteuerbefreiung auf bestimmte Formen von Glücksspielen beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil „Leo Libera GmbH“, Randnr. 35).“ Auch aus diesem Urteil ergibt sich somit, dass der nationale Gesetzgeber sehr wohl unterschiedliche Arten von Glücksspielen unterschiedlich behandeln kann und die unionsrechtlichen Vorgaben keine generelle Steuerbefreiung für Glücksspiele verlangen.

Nach dem Vorbringen der BF wäre es unionsrechtlich geboten, Spiele mit den VLTs und Casinospiele in einer Gaststätte gleich den Online-Glücksspielen zu behandeln. Ein Durchschnittsverbraucher werde unterschiedlich besteuert, je nachdem, ob er in einer Spielbank oder in einer Gaststätte "einarmige Banditen" bediene; über ein Internet-Terminal oder aber über ein Tablet oder einen Internet-Anschluss ein Produkt über win2day konsumiere. Diese Dienstleistungen stünden aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers auch im Wettbewerb. Die unterschiedliche Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung verstoße gegen den Grundsatz der Neutralität.

Zum diesbezüglichen Vorbringen der BF ist auf die oben angeführte Rechtsprechung des EuGHs (C-259/10 „The Rank Group“) zu verweisen. Im Urteil vom , Rs C-58/09, „Leo-Libera“, hat der EuGH weiters entschieden, dass es nicht dem Neutralitätsgrundsatz widerspricht, wenn eine Art von Glücksspiel mit Geldeinsatz von der Mehrwertsteuer befreit wird, eine andere (zB das Automatenglücksspiel) hingegen nicht, sofern die beiden Arten von Spielen nicht miteinander im Wettbewerb stehen.

Die angeführten Dienstleistungen, Geldspielautomaten in einem Gasthaus oder Pokerclub zum einen und Online-Glücksspiele zum anderen stehen nicht miteinander im Wettbewerb. Es ist aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers sehr wohl etwas Anderes, ob er sich von Zuhause aus über ein Endgerät online einloggt und Glücksspiele ausführt, oder ob er in eine Gaststätte, Spielhalle oder einen Pokerclub geht und dort – neben der Inanspruchnahme der gastronomischen Dienstleistungen – die zur Verfügung gestellten Geräte bedient, mögen die einzelnen Spiele auch ähnlich aufgebaut sein. Beides ist als Glücksspiel zu werten, kann aber nur aufgrund völlig unterschiedlicher Zugangsvoraussetzungen und Mittel konsumiert werden, eine Gleichartigkeit im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung liegt nicht vor.

Der EuGH hat etwa auch ausgeführt, dass im Vergleich von Pferdewetten über das Internet zu traditionellen Pferdewetten eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist, wenn die Nutzung des Internets dazu führt, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen (, „Zeturf“).

Eine Differenzierung dieser im beschwerdegegenständlichen Fall aufgezeigten verschiedenen Angebote im Glücksspielbereich in der Besteuerung ist daher auch unionsrechtlich gedeckt, verstößt nicht gegen das Neutralitätsgebot und dient einer einfacheren Kontrolle und der Rechtssicherheit.

Zur Schätzungsberechtigung :

Gemäß § 163 Abs 1 BAO haben Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 BAO entsprechen, die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich und sind der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.

Gemäß § 184 Abs 1 BAO hat die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann, zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. § 184 Abs 3 BAO ist unter anderem dann zu schätzen, „wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formellen Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.“

Im Beschwerdefall entsprechen die Bücher und Aufzeichnungen aufgrund der festgestellten Mängel nicht den Vorschriften des § 131 BAO, sodass die in § 163 Abs 1 BAO normierte Vermutung der ordnungsgemäßen Führung derselben nicht zur Anwendung gelangt.

Liegen – wie im Beschwerdefall – formelle Fehler der Bücher und Aufzeichnungen vor, die zu Zweifeln an der sachlichen Richtigkeit der Bücher und Aufzeichnungen Anlass geben, bedarf es nach der Rechtsprechung des VwGH keines Nachweises, dass die genannten Unterlagen mit den Wirtschaftsabläufen tatsächlich nicht übereinstimmen (vgl zB ; ). Zwar steht dem Abgabepflichtigen die Möglichkeit offen, die sachliche Richtigkeit seiner formell mangelhaften oder unrichtigen Aufzeichnungen zu beweisen und damit der ansonsten bestehenden Schätzungsbefugnis entgegenzuwirken (vgl wiederum ). Im vorliegenden Fall hat die BF jedoch die von der belangten Behörde festgestellten Mängel der Buchführung nicht bestritten, sondern es wurde ausschließlich vorgebracht, nur aufgrund dieser Mängel bestehe keine automatische Schätzungsberechtigung der Behörde bzw. die Höhe der in Ansatz gebrachten Zuschätzungen moniert.

Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - unter Bezugnahme auf die Feststellungen im Rahmen der Betriebsprüfung - aufgezeigten Buchführungsmängel sind zweifellos geeignet, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen der Beschwerdeführerin in Zweifel zu ziehen. Im Beschwerdefall war somit bereits auf Grund der von der Betriebsprüfung aufgezeigten wesentlichen formellen Mängel in der Buchführung und Aufzeichnungsführung eine Schätzung im Hinblick auf die Bestimmungen des § 184 BAO jedenfalls geboten (vgl zB ; und 0034). Das Vorbringen in der Beschwerde ist nicht geeignet, die Schätzungsbefugnis der belangten Behörde in Zweifel zu ziehen.

Zur Schätzungsmethode:

Die Wahl der Schätzungsmethode steht der Abgabenbehörde grundsätzlich frei (vgl Ritz, BAO6 § 184 Rz 12 mit Nachweisen der Rsp des VwGH).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist Ziel einer Schätzung, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen (vgl zB ; und ), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (zB ; ). Es ist jene Methode (allenfalls mehrere Methoden kombiniert) zu wählen, die im Einzelfall zur Erreichung dieses Zieles am geeignetsten erscheint (vgl Ritz, BAO6 § 184 Rz 12 mit Nachweisen der Rsp des VwGH).

Das gewählte Verfahren muss stets auf das Ziel gerichtet sein, diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, die die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Hiebei muss die Behörde im Rahmen des Schätzungsverfahrens auf alle vom Abgabepflichtigen substantiiert vorgetragenen, für die Schätzung relevanten Behauptungen eingehen. Ziel einer Schätzung ist es, den wahren Besteuerungsgrundlagen möglichst nahe zu kommen, wobei jeder Schätzung eine gewisse Ungenauigkeit immanent ist und, wer zur Schätzung Anlass gibt, die mit der Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen muss. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Schätzung mit Hilfe eines Sicherheitszuschlages eine Methode, die der korrigierenden Ergänzung der Besteuerungsgrundlagen, von denen anzunehmen ist, dass sie zu niedrig ausgewiesen wurden, dient. In Fällen, in denen nähere Anhaltspunkte für eine gebotene Schätzung nicht zu gewinnen sind, kann die Zuschätzung von Sicherheitszuschlägen in Betracht kommen. Auch Schätzungsergebnisse unterliegen der Pflicht zur Begründung. Die Begründung hat die für die Schätzungsbefugnis sprechenden Umstände, die Schätzungsmethode, die der Schätzung zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen und die Ableitung der Schätzungsergebnisse darzulegen. Auch die Höhe von Sicherheitszuschlägen ist zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0273, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist jedoch eine Schätzung mit Hilfe eines Sicherheitszuschlags eine Methode, die der korrigierenden Ergänzung der Besteuerungsgrundlagen, von denen anzunehmen ist, dass sie zu niedrig ausgewiesen wurden, dient. In Fällen, in denen nähere Anhaltspunkte für eine gebotene Schätzung nicht zu gewinnen sind, kann die griffweise Zuschätzung von Sicherheitszuschlägen in Betracht kommen. Solche Sicherheitszuschläge können sich beispielsweise an den Gesamteinnahmen, den Einnahmenverkürzungen oder den Umsätzen orientieren (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom , 96/15/0050, und vom , 2004/15/0065).

Die Anwendung eines Sicherheitszuschlages geht davon aus, dass bei mangelhaften Aufzeichnungen nicht nur die nachgewiesenermaßen nicht verbuchten Vorgänge, sondern auch noch weitere Vorgänge nicht aufgezeichnet wurden. Aufgabe eines Sicherheitszuschlages ist es also, das Risiko möglicher weiterer Unvollständigkeiten von Aufzeichnungen auszugleichen; dabei sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Auch mit Hilfe der Methode des Sicherheitszuschlages soll kein anderes Ergebnis erreicht werden als jenes, das der wahrscheinlichsten Bemessungsgrundlage nahekommt. Der Sicherheitszuschlag hat ebenso wie andere Schätzungskomponenten nicht Strafcharakter (kein "Straf-Zuschlag"). Seine Höhe hat sich daher nach den Besonderheiten des Schätzungsfalles und nach den festgestellten Fehlern, Mängeln und vermuteten Verminderungen des Ergebnisausweises, also nach den Gegebenheiten im Bereich des Tatsächlichen, zu richten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0223, sowie Stoll, Bundesabgabenordnung § 184, 1941).

Aufgrund der eklatanten festgestellten Mängel der Bücher und Aufzeichnungen ist für das Bundesfinanzgericht die griffweise Zuschätzung bei den Automatenerlösen in Höhe von 30 % und bei den Erlösen Pokerspiel in Höhe von 10 % die geeignetste Methode, um der wahrscheinlichsten Bemessungsgrundlage nahe zu kommen. Im Übrigen ist unter den gegebenen Umständen nicht zu erkennen, dass griffweise und sich dementsprechend einer detaillierten Begründung entziehende Zuschätzungen in Form von Sicherheitszuschlägen in der oa Größenordnung im Beschwerdefall unsachlich wären.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dann, wenn in einem mängelfreien Verfahren ein Vermögenszuwachs festgestellt wird, den der Abgabepflichtige nicht aufklären kann, die Annahme gerechtfertigt, dass der unaufgeklärte Vermögenszuwachs aus nicht einbekannten Einkünften stammt; das Vorliegen eines unaufgeklärten Vermögenszuwachses löst diesfalls die Schätzungsbefugnis der Behörde nach § 184 BAO aus, wobei eine solche in einer dem ungeklärten Vermögenszuwachs entsprechenden Zurechnung zu den vom Abgabepflichtigen erklärten Einkünften zu bestehen hat (vgl. für viele etwa das hg. Erkenntnis vom , 95/14/0077). Ob ein Vermögenszuwachs als aufgeklärt oder als ungeklärt geblieben anzusehen ist, ist eine auf der Ebene der Beweiswürdigung zu lösende Sachfrage.

Aufgrund der im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen Feststellung, dass es sich beim Überhang am Verrechnungskonto des Herrn TM um nicht geklärte Einlagen handelt, ist auch aus diesem Grund die Zuschätzung in der oa Größenordnung gerechtfertigt.

Zur Festsetzung der Kapitalertragsteuer:

Die Besteuerungsfolgen einer verdeckten Ausschüttung auf Ebene des Anteilsinhabers sind grundsätzlich unabhängig von den Konsequenzen auf Ebene der Körperschaft. Auch wenn von einem starken faktischen Zusammenhang auszugehen ist, besteht rechtlich keine Bindungswirkung. In verfahrensrechtlicher Hinsicht besteht im Zusammenhang mit verdeckten Ausschüttungen ebenfalls keine Bindung zwischen Körperschaft- und Einkommensteuerbescheid.

Verdeckte Ausschüttungen sind alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegene Zuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber, die das Einkommen der Körperschaft vermindert und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben (zB ; ; ; , , ; ).

Nach der ständigen Rechtsprechung und herrschenden Lehre stellen Erlöshinzurechnungen aufgrund einer gemäß § 184 BAO erforderlich gewordenen Schätzung auf Ebene einer Körperschaft verdeckte Ausschüttungen dar, welche nach § 8 KStG zu behandeln sind (vgl Kirchmayr in Achatz/Kirchmayr, KStG, § 8 Tz 187 ff, mwN; Ressler/Stürzlinger in Lang/Schuch/Staringer, KStG, § 8 Rz 112; Raab/Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock (Hrsg), Die Körperschaftsteuer (KStG 1988)26, § 8 Tz 201 ff, mwN; ; ; ; ; ; ; ; ; ; ).

Verdeckte Ausschüttungen stellen als sonstige Bezüge aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung inländische Kapitalerträge iSd § 93 Abs 2 Z 1 lit a EStG 1988 (idF BGBl I 2009/52) dar (; ; ). Gemäß § 95 Abs 2 EStG 1988 (idF BGBl I 2008/65) haftet der Schuldner der Kapitalerträge dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Abgabenrechtliche Haftungen setzen nach ständiger Rechtsprechung zwar den Bestand einer Abgabenschuld voraus, nicht aber, dass diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber bereits geltend gemacht wurde. Es stößt daher auf keine Bedenken, die ausschüttende GmbH zur Haftung für die Kapitalertragsteuer aus verdeckten Ausschüttungen heranzuziehen (vgl , mwN; ).

Seitens der BF wurde vorgebracht, es bestehe ein positives Verrechnungskonto des Herrn TM im Sinne einer Forderung gegen die BF und es wären daher die vermeintlich zugeflossenen Beträge mit dem offenen Verrechnungskonto zu verrechnen gewesen.

Ein die verdeckte Ausschüttung ausschließender Vorteilsausgleich liegt vor, wenn dem Vermögenswert, den eine Körperschaft ihrem Anteilsinhaber einräumt, ein vom Anteilsinhaber der Körperschaft gewährter Vorteilsausgleich – kompensatorisch – gegenübersteht. Dabei müssen die Vorteile von Körperschaft und Anteilsinhaber in einem eindeutigen Zusammenhang stehen. Voraussetzung für einen steuerlich anzuerkennenden Vorteilsausgleich sind zudem ausdrückliche und eindeutige wechselseitige Vereinbarungen über den Ausgleich der gegenseitigen Vorteilszuwendungen, welche bereits im Zeitpunkt der Vorteilsgewährung vorliegen müssen ().

Das Vorliegen von Verbindlichkeiten gegenüber dem Gesellschafter vermag das Absehen von der Annahme einer verdeckten Ausschüttung nicht zu rechtfertigen. Denn Voraussetzung für einen steuerlich anzuerkennenden Vorteilsausgleich sind ausdrückliche wechselseitige Vereinbarungen über den Ausgleich der gegenseitigen Vorteilszuwendungen, welche bereits im Zeitpunkt der Vorteilsgewährung vorliegen müssen ().

Im gegenständlichen Fall wurden ausdrückliche wechselseitige Vereinbarungen nicht abgeschlossen bzw. nicht einmal behauptet. Selbst wenn aber eine solche Behauptung der Wirklichkeit entsprechen würde, würde dieser Umstand am Ergebnis nicht ändern, weil eine bereits verwirklichte verdeckte Ausschüttung nicht nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres mit steuerlicher Wirkung rückgängig gemacht werden kann, es sei denn, die Körperschaft fordert diese noch vor dem Bilanzstichtag zurück und bilanziert eine Rückzahlungsforderung, was hier jedoch nicht geschehen ist.

Die für das subjektive Tatbild erforderliche willentliche Vorteilszuwendung der Körperschaft ist durch die Erlöskürzungen bei der BF, die im Verantwortungsbereich des alleinigen Gesellschaftergeschäftsführers lagen, evident und nachgewiesen.

Gemäß § 93 Abs 2 Z 1 EStG 1988 unterliegen Kapitalerträge aus Anteilen an Kapitalgesellschaften der Kapitalertragsteuer. Unter diese Bestimmung sind auch verdeckte Ausschüttungen zu subsumieren. § 95 Abs 1 EStG 1988 bestimmt, dass der Schuldner der Kapitalertragsteuer der Empfänger der Kapitalerträge ist. Der Abzugsverpflichtete (Abs 2) haftet dem Bund allerdings für die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer.

§ 95 Abs 4 EStG 1988 in der in den Streitjahren jeweils geltenden Fassung vor dem StRefG 2015/16 hat bereits festgelegt, dass ausnahmsweise die Kapitalertragsteuer dem Empfänger der Kapitalerträge vorzuschreiben ist, wenn der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder der Empfänger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

Bei verdeckten Ausschüttungen ist nach dem VwGH grundsätzlich davon auszugehen, dass es sich um nicht vorschriftsmäßig gekürzte Kapitalerträge handelt (vgl. , ). Dabei steht der Abgabenbehörde auch kein Ermessen zu, ob sie die Gesellschaft oder den Gesellschafter in Anspruch nimmt (; vgl dazu auch nunmehr § 95 Abs 4 idF StRefG 2015/16, sowie Erläuterungen zur RV). Bloß subsidiär kann der Gesellschafter herangezogen werden. Von einem solchen Fall ist etwa dann auszugehen, wenn von der Gesellschaft - würde sie gem. § 95 Abs 1 iVm Abs 2 EStG 1988 für die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer haften - dieser Betrag nicht oder nur schwer zu erlangen ist. Davon ist beispielsweise auszugehen, wenn sie im Firmenbuch bereits gelöscht wurde (vgl. ) oder über die Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Da im Zeitpunkt der Vorschreibung der Kapitalertragsteuer keine Hinweise auf eine Zahlungsunfähigkeit der BF bestanden, war vor diesem Hintergrund der von der Abgabenbehörde festgesetzten Vorschreibung – mit Ausnahme der Zuschätzung Gastronomieerlöse – nichts entgegenzusetzen.

4.1. Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).  

Mit dem vorliegenden Erkenntnis folgt das Bundesfinanzgericht der hg einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb gem. § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist. Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 6 Abs. 1 Z 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 163 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 131 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 184 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 95 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 93 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 95 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise




BFH , V R 52/01























ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101632.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at