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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.02.2020, RV/5100552/2017

Kinderbetreuung durch nicht pädagogisch qualifizierte nahe Angehörige

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 zu Recht:

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

Im Rahmen seiner Erklärung zur ArbeitnehmerInnenveranlagung für das Jahr 2015 machte der Beschwerdeführer unter anderem Ausgaben für Kinderbetreuung für seine beiden haushaltszugehörigen Kinder im Betrag von jeweils 2.300,00 Euro (Gesamtbetrag 4.600,00 Euro) als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend.

Mit Vorhalt der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass Kosten der Kinderbetreuung durch Angehörige dann absetzbar seien, wenn einem Fremdvergleich standgehalten wird. Dies sei dann der Fall, wenn genaue Angaben über Zeiträume (Tagesangabe und Stundenanzahl) der Betreuung angegeben werden können und der Zahlungsfluss nachgewiesen werden kann. Der Beschwerdeführer werde daher ersucht, folgende Nachweise zu erbringen:
- Angaben über die Zeiträume (Tagesangabe und Stundenanzahl) der Betreuung,
- Nachweis des Zahlungsflusses.

Bezugnehmend auf diesen Vorhalt führte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom aus, dass seine Ehefrau und er jeweils 40 Stunden in der Woche arbeiten gehen würden und ihre Kinder daher in den Schulwochen 2 Mal wöchentlich (jeweils von 11:30 bis 18:00) betreut würden. In den Ferien würden die Kinder 3 Wochen à 40 Stunden betreut. Betreffend den Nachweis des Zahlungsflusses verwies der Beschwerdeführer auf der belangten Behörde bereits vorliegende Honorarnoten. Ergänzend führte der Beschwerdeführer aus, er habe „den Gesamtbetrag in Bar übergeben“ und dafür sein zu Hause befindliches Barvermögen herangezogen.

Mit Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom wurde die Veranlagung ohne Berücksichtigung der beantragten Ausgaben für Kinderbetreuung durchgeführt. In der Bescheidbegründung wurde dazu wie folgt ausgeführt: „Die beantragten Kosten für Kinderbetreuung durch den Angehörigen sind nicht absetzbar, da die vorgelegten Rechnungen einem Fremdvergleich nicht standhalten. Einerseits wurde eine genaue Abrechnung mit Angaben über Zeiträume (Tagesangabe und Stundenanzahl) der Betreuung nicht vorgelegt, andererseits würde eine ‚fremde‘ Kinderbetreuung nicht erst am Rechnungen für den Zeitraum 01-12/2015 ausstellen. Der Zahlungsfluss wurde ebenfalls nicht belegt.

Gegen den oa Bescheid brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein und führte begründend aus, dass es aufgrund der ganztägigen Berufstätigkeit seiner Frau dringend erforderlich sei, für die beiden Söhne eine Kinderbetreuungsperson zu haben. Beigelegt wurden der Beschwerde Stundenaufzeichnungen und Auszüge aus Publikationen des BMF betreffend die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten.

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass die vorgelegten Unterlagen keinen Rückschluss auf eine marktübliche Ausgestaltung der Kinderbetreuung zulassen würden. In diesem Zusammenhang verwies die belangte Behörde auch darauf, dass es nicht üblich sei, dass die Kinderbetreuung durch Anverwandte (hier: Großeltern) finanziell abgegolten wird.

Mit Schreiben vom stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Begründend wurde im Vorlageantrag unter anderem vorgebracht, dass die Betreuungsperson der Kinder Frau ***AB*** 2009 die Kinderbetreuungsausbildung absolviert habe, um die Betreuung der Enkel vornehmen zu können.

Mit Vorhalt der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer unter anderem ersucht, einen Nachweis über die Kinderbetreuungsausbildung seiner Schwiegermutter Frau ***AB*** vorzulegen sowie diverse Fragen zu den vorgelegten Stundenaufzeichnungen und der Höhe des für die Kinderbetreuung vereinbarten Entgelts zu beantworten.

Mit Schreiben vom nahm der Beschwerdeführer zu den von der belangten Behörde gestellten Fragen Stellung und übermittelte eine vom Eltern- und Familienzentrum ***XY*** am ausgestellte Teilnahmebestätigung, der zufolge Frau ***AB*** an einem Seminar mit dem Titel „Mit Kindern reden, streiten, Konflikte lösen“ (Kursdauer: 9 Unterrichtseinheiten à 60 Min) teilgenommen habe.

Am wurde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt. Im Rahmen des Vorlageberichts bestritt die belangte Behörde unter Bezugnahme auf den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, dass die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Zahlungen an seine Schwiegermutter tatsächlich geflossen seien.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen wird folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Die beiden haushaltszugehörigen Kinder des Beschwerdeführers hatten zu Beginn des Streitjahrs 2015 das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet und wurden zeitweise von ihrer nicht haushaltszugehörigen Großmutter, der Schwiegermutter des Beschwerdeführers, betreut.

Die Schwiegermutter des Beschwerdeführers hatte im Jahr 2009 an einem vom Eltern- und Familienzentrum ***XY*** veranstalteten Seminar mit dem Titel „Mit Kindern reden, streiten, Konflikte lösen“ teilgenommen. Die Kursdauer umfasste 9 Unterrichtseinheiten à 60 Minuten.

Die Schwiegermutter des Beschwerdeführers stellte dem Beschwerdeführer im Jahr 2015 für die durch sie erfolgte Kinderbetreuung Beträge von insgesamt 4.600,00 Euro in Rechnung.

2. Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen des Beschwerdeführers.

Betreffend den von der belangten Behörde bestrittenen Abfluss der dem Beschwerdeführer für die Kinderbetreuung in Rechnung gestellten Beträge sind im gegenständlichen Fall keine Feststellungen erforderlich. Auf die diesbezüglichen Ausführungen unter Punkt 3. wird verwiesen.

Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

§ 34 Abs 9 EStG 1988 idF BGBl I 2012/112 lautet:

Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis höchstens 2 300 Euro pro Kind und Kalenderjahr gelten unter folgenden Voraussetzungen als außergewöhnliche Belastung:
1. Die Betreuung betrifft
– ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 oder
– ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 2.
2. Das Kind hat zu Beginn des Kalenderjahres das zehnte Lebensjahr oder, im Falle des Bezuges erhöhter Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 für das Kind, das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet. Aufwendungen für die Betreuung können nur insoweit abgezogen werden, als sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
3. Die Betreuung erfolgt in einer öffentlichen institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung oder in einer privaten institutionellen Kinderbetreuungseinrichtung, die den landesgesetzlichen Vorschriften über Kinderbetreuungseinrichtungen entspricht, oder durch eine pädagogisch qualifizierte Person, ausgenommen haushaltszugehörige Angehörige.
4. Der Steuerpflichtige gibt in der Einkommensteuererklärung die Betreuungskosten unter Zuordnung zu der Versicherungsnummer (§ 31 ASVG) oder der Kennnummer der Europäischen Krankenversicherungskarte (§ 31a ASVG) des Kindes an.
Steuerfreie Zuschüsse, die gemäß § 3 Abs. 1 Z 13 lit. b von Arbeitgebern geleistet werden, kürzen den Höchstbetrag von 2 300 Euro pro Kind und Kalenderjahr nicht. Soweit Betreuungskosten durch Zuschüsse gemäß § 3 Abs. 1 Z 13 lit. b abgedeckt sind, steht dem Steuerpflichtigen keine außergewöhnliche Belastung zu.

Gem § 34 Abs 9 Z 3 EStG 1988 ist die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten an die Voraussetzung geknüpft, dass sie durch institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen oder durch pädagogisch qualifizierte Personen, ausgenommen haushaltszugehörige Angehörige, erfolgt. Eine Definition des Begriffs „pädagogisch qualifizierte Personen“ ist dem Gesetz allerdings nicht zu entnehmen.

In den Gesetzesmaterialien werden als Beispiele für institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen Kindergärten, Kinderkrippen und Kindertagesheime angeführt, während als Beispiel für pädagogisch qualifizierte Personen ausgebildete Tagesmütter angeführt werden. Zudem sprechen die Gesetzesmaterialien von Kinderbetreuungseinrichtungen einerseits und der „vergleichbar tätigen Einzelperson“ andererseits (vgl ErläutRV 54 BlgNR XXIV. GP 17).

Der Zweck des § 34 Abs 9 EStG 1988 ist der Rsp des VwGH zufolge einerseits in der Entlastung der Eltern durch die Absetzbarkeit von Betreuungskosten zu erblicken; dabei soll aber auch auf das Wohl der Kinder Bedacht genommen werden, da nur bestimmte qualifizierte Arten der Betreuung steuerlich gefördert werden (vgl ). Der Gesetzgeber stelle den Ausführungen des VwGH zufolge „ darauf ab, dass den Kindern eine Betreuung zukommen soll, bei der anzunehmen ist, dass sie den pädagogischen Erfordernissen entspricht.
Die taxative Aufzählung in § 34 Abs. 9 Z 3 EStG nennt zuerst die öffentlichen institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen und die privaten institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen, welche den jeweiligen landesgesetzlichen Vorschriften über Kinderbetreuungseinrichtungen entsprechen. Damit sind nur jene institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen erfasst, bei denen sichergestellt ist, dass die Betreuung unter der Leitung ausgebildeter Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenpädagogen oder vergleichbar gut ausgebildeter Personen erfolgt. Die taxative Aufzählung in § 34 Abs. 9 Z 3 EStG führt schließlich als dritte Betreuungsvariante die Betreuung außerhalb institutioneller Einrichtungen an. Der Gesetzgeber gewährt für die außerinstitutionelle Betreuung eine gleich hohe steuerliche Förderung, stellt aber im Hinblick auf das Kindeswohl auch in diesem Fall auf die pädagogische Qualifikation ab (…)“ ().

Im Hinblick auf den dargelegten Zweck der Bestimmung (steuerliche Förderung der Eltern unter entsprechender Berücksichtigung des Kindeswohles) ist der Begriff der pädagogisch qualifizierten Person in § 34 Abs 9 Z 3 EStG 1988 der Rsp des VwGH zufolge dahingehend auszulegen, dass zumindest jene Ausbildung gegeben sein muss, welche bei Tagesmüttern und -vätern verlangt ist ().

Tagesmütter und -väter müssen gem § 7 Abs 1 NÖ Tagesbetreuungsverordnung (NÖTBVO) idF LGBl 5065/2-3 entweder den Abschluss einer einschlägigen Berufsausbildung (zB KindergartenpädagogIn, SozialpädagogIn, HorterzieherIn, DiplompädagogIn) oder einer Grundausbildung gemäß § 7 Abs 2 NÖTBVO nachweisen. Gem § 7 Abs 2 NÖTBVO hat die Grundausbildung „aus mindestens 220 Unterrichtseinheiten (UE) zu bestehen und umfasst mindestens 48 UE ‚theoretische Grundlagen der Kinderbetreuung‘, mindestens 122 UE ‚tagesbetreuungsspezifische Ausbildung‘ und mindestens 50 UE Praxis. Die Dauer einer Unterrichtseinheit beträgt 50 Minuten.“ Gemäß § 7 Abs 6 NÖTBVO müssen Betreuungspersonen zudem in Ergänzung der Grund- oder Berufsausbildung „eine regelmäßige und einschlägige Fortbildung von jährlich mindestens 20 Unterrichtseinheiten absolvieren.“

Eine Vergleichbarkeit des im Beschwerdefall von der Schwiegermutter des Beschwerdeführers absolvierten Kurses „Mit Kindern reden, streiten, Konflikte lösen“ mit einer von Tagesmüttern und -vätern verlangten Ausbildung scheitert vor diesem Hintergrund bereits in quantitativer Hinsicht angesichts des zeitlichen Umfanges dieses Kurses von nur 9 Stunden. Es erfolgte somit nach der Maßgabe der hg Rsp des VwGH im Beschwerdefall keine Kinderbetreuung durch eine „pädagogisch qualifizierte Person“ iSd § 34 Abs 9 Z 3 EStG 1988 (vgl zB auch ; ). Ob dem Beschwerdeführer im Streitjahr tatsächlich Kosten in Zusammenhang mit der Kinderbetreuung erwachsen sind, kann vor diesem Hintergrund dahingestellt bleiben.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

4. Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Soweit im Beschwerdefall Rechtsfragen zu lösen waren, folgt das Bundesfinanzgericht der hg Rechtsprechung des VwGH (vgl ), weshalb gemäß § 25a Abs 1 VwGG spruchgemäß zu entscheiden ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100552.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at