Abzugsfähigkeit von Kosten für Anschaffung eines Reisekoffers und Laptop-Rucksackes als Werbungskosten (hier: Servicetechniker im Außendienst)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf., W, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2018, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
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Gesamtbetrag der Einkünfte | 37.306,11 |
Einkommen | 36.806,11 |
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge | 8.738,57 |
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge | 7.766,57 |
Einkommensteuer | 8.017,24 |
Anrechenbare Lohnsteuer | -8,599,11 |
Festgesetzte Einkommensteuer | -582,00 |
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe:
Das Finanzamt hat den Einkommensteuerbescheid 2018 wie folgt begründet:
"Versicherungsprämien und -beiträge (freiwillige Kranken-, Unfall-, Lebensversicherung, Sterbekassen, freiwillige Höherversicherung im Rahmen der gesetzlichen Pensionsversicherung) sind für die Kalenderjahre 2016 bis 2020 nur mehr dann als Topfsonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 steuerlich absetzbar, wenn der bezughabende Vertrag vor dem abgeschlossen worden ist.
Da Sie uns die gewünschten Unterlagen bereits für die Veranlagung 2017 nicht vorgelegt haben, konnten die beantragten Aufwendungen nicht berücksichtigt werden.
Da wir bereits für die Veranlagung 2017 keine Unterlagen zu den beantragten Ausgaben für Arbeitsmittel, Fachliteratur, Reisekosten und sonstige Werbungskosten erhielten, konnten diese Beträge nicht berücksichtigt werden.
Weiters können Werbungskosten nur in Zusammenhang mit einer Einkunftsquelle berücksichtigt werden. Da im Jahr 2018 keine Lohnzettel übermittelt wurden, haben Werbungskosten keine Auswirkung."
Dagegen hat der Beschwerdeführer (Bf.), der als Servicetechniker für Automatisierungstechnik nichtselbständig tätig ist, mit folgender Begründung Beschwerde erhoben:
Das Buch "Automatisieren mit SPS - Theorie und Praxis" - Rechnung Amazon: 56 € - habe er angeschafft, um sich beruflich weiter zu entwickeln.
Da er als Servicetechniker im Außendienst beruflich sehr viel reise, benötige er einen Reisekoffer als Arbeitsmittel (siehe Rechnung über € 315). Ebenso benötige er einen Laptop-Rucksack (siehe Rechnung über € 132).
Für seine Ehegattin habe er in den Monaten Jänner bis Juli 2018 an die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse Beiträge für die Mitversicherung in Höhe von insgesamt € 630,85 geleistet.
Bezüglich der einbehaltenen Betriebsratsumlage und des Gewerkschaftsbeitrages in Höhe von insgesamt € 380 werde auf die Lohnzettel verwiesen.
Das Finanzamt hat die abweisende Beschwerdevorentscheidung im Wesentlichen folgendermaßen begründet:
Da trotz Aufforderung keine Unterlagen zu den beantragten Ausgaben für Arbeitsmittel, Fachliteratur, Reisekosten und sonstige Werbungskosten beigebracht worden seien, hätten diese Beträge nicht berücksichtigt werden können.
Grundsätzlich seien die Kosten für Kinderbett, Kindersitz, Kinderwagen, Reisekoffer, Laptoptaschen usw. der privaten Sphäre zuzurechnen und steuerlich gemäß § 20 EStG 1988 nicht absetzbar bzw. mit der Familienbeihilfe abgegolten.
Die Mitversicherung der Ehegattin, die ebenfalls nicht belegt worden sei, könne nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden, da sie nicht der Erhaltung, Sicherung oder dem Erwerb der Einnahmen diente.
Da die als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Aufwendungen niedriger als der Selbstbehalt in Höhe von € 4.214,72 seien, hätten diese nicht berücksichtigt werden können.
Dagegen hat der Bf. im Wesentlichen unter Wiedergabe der Beschwerdeausführungen den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht gestellt.
Das Finanzamt hat im Vorlagebericht an das Bundesfinanzgericht - dem Bf. mit Schreiben vom übermittelt - zum Sachverhalt Nachstehendes ausgeführt:
"Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Servicetechniker. In der Beschwerde vom betreffend den Einkommensteuerbescheid 2018 machte er Sonderausgaben (Wohnraumschaffung) und Werbungskosten (Arbeitsmittel, Fachliteratur, Gewerkschaftsbeiträge, sonstige Werbungskosten) geltend.
Das Ergänzungsersuchen mit der Bitte um Nachweis der beantragten Aufwendungen beantwortete er nicht. Folglich erging diesbezüglich eine abweisende Beschwerdevorentscheidung.
Da der Bf. im Erstantrag "Anzahl der inländischen gehalts- oder pensionsauszahlenden Stellen im Jahr: 0" angegeben hatte, zwischenzeitlich jedoch ein Lohnzettel übermittelt wurde, ergab die Beschwerdevorentscheidung eine Nachforderung.
Im rechtzeitig eingebrachten Vorlageantrag beantragt der Bf. nochmals Werbungskosten und zwar: Fachbuch "Automatisieren" 56 €, Reisekoffer € 315, Laptop Rucksack € 132, Betriebsratsumlage Gewerkschaftsbeitrag laut Lohnzettel 2018 und beitragspflichtige Mitversicherung für die Gattin € 550."
Dazu führt das Finanzamt in der Stellungnahme aus:
"1.) Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss gerade bei Aufwendungen, die auch in den Kreis der privaten Lebensführung fallen können, ein strenger Maßstab angelegt werden ().
Da hinsichtlich des Reisekoffers und des Laptop-Rucksackes somit grundsätzlich auch eine Privatnutzung möglich ist, ist ein Werbungskostenabzug nicht möglich.
2.) Der Gewerkschaftsbeitrag kann nicht zuerkannt werden, da dieser bereits bei der Lohnverrechnung abgezogen wurde.
3.) Das beantragte Werk "Automatisieren" stellt Fachliteratur dar und ist daher abzugsfähig (52,99 €).
4.) Die Mitversicherung für die Gattin ist ebenfalls abzugsfähig, jedoch nur in der belegmäßig nachgewiesenen Höhe von 457,02 €.
5.) Die Betriebsratsumlage kann mit einem Betrag von insgesamt 165,28 € für das ganze Jahr (Monate 1-4: 12,98 €; Monate 5-10: 13,48 €; Monate 11-12: 14,24 €) abgesetzt werden (als Werbungskosten abzugsfähig siehe Doralt EStG-Kommentar, § 16 Tz 73).
Das Finanzamt beantragt der Beschwerde in Ansehung der o.a. Punkte 3-5 teilweise Folge zu geben."
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 dürfen Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.
§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. a gilt gleichermaßen für laufende Aufwendungen wie auch für den Erwerb von Wirtschaftsgütern und sowohl im Bereich der Betriebsausgaben wie auch jenem der Werbungskosten. Nach Rechtsprechung und Verwaltungspraxis liegt die Kernaussage dieser Bestimmung in einem Aufteilungs- und Abzugsverbot, dem der Gedanke der Steuergerechtigkeit (§ 114 BAO) zu Grunde liegt; es soll vermieden werden, dass ein Steuerpflichtiger aufgrund der Eigenschaft seines Berufes eine Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen herbeiführen und dadurch Aufwendungen der Lebensführung steuerlich abziehbar machen kann, was ungerecht gegenüber jenen Steuerpflichtigen wäre, die eine Tätigkeit ausüben, die eine solche Verbindung zwischen beruflichen und privaten Interessen nicht ermöglicht, und die derartige Aufwendungen aus ihrem bereits versteuerten Einkommen tragen müssen.
Demnach sind gemischt veranlasste Aufwendungen grundsätzlich zur Gänze nicht abzugsfähig. § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a schließt aber die Abzugsfähigkeit dann nicht aus, wenn der betreffende Aufwand (nahezu) ausschließlich betrieblich bzw. beruflich veranlasst ist bzw. das betreffende Wirtschaftsgut (nahezu) ausschließlich betrieblich bzw. beruflich genutzt wird oder sich der Teil der Aufwendungen, der auf die ausschließlich betriebliche bzw. berufliche Veranlassung bzw. Nutzung entfällt, einwandfrei von den Ausgaben für die private Lebensführung trennen lässt und die betriebliche bzw. berufliche Veranlassung nicht bloß völlig untergeordnet ist [Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Band II, § 20 Tz 21/2 () und die dort zitierte Judikatur].
Auch nach der Rechtsprechung besteht somit für Z 2 lit. a kein absolutes Abzugsverbot. Soweit sich Aufwendungen für die Lebensführung und berufliche Aufwendungen nicht einwandfrei trennen lassen, ist allerdings der gesamte Betrag nicht abzugsfähig (auch nicht im Schätzungsweg). Eine Trennbarkeit ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann nicht gegeben, wenn mangels klarer Quantifizierbarkeit der einzelnen Veranlassungskomponenten ein objektiv überprüfbarer Aufteilungsmaßstab nicht besteht und damit ein entsprechendes Vorbringen des Steuerpflichtigen keiner Nachprüfung zugänglich ist (; ; ; daraus ergibt sich im Ergebnis bei nicht einwandfreier Trennbarkeit ein absolutes Abzugsverbot). Ist eine derartige objektiv nachvollziehbare und einwandfreie Aufteilung nicht möglich, kommt die Berücksichtigung von Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige den Nachweis für eine (zumindest beinahe) gänzliche betriebliche bzw. berufliche Veranlassung erbringt [Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Band II, § 20 Tz 22 () und die dort zitierte Judikatur].
Strittig ist im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht ausschließlich die Abzugsfähigkeit der Ausgaben für die Anschaffung eines Reisekoffers und eines Laptop-Rucksackes, sowie die Gewerkschaftsbeiträge als Werbungskosten im Sinne des § 16 Abs. 1 EStG 1988.
Unter Bedachtnahme auf die dargestellte Rechtslage konnte der Beschwerde in den Streitpunkten aus nachstehenden Erwägungen kein Erfolg beschieden sein.
1) Reisekoffer
Ein Reisekoffer stellt zweifelsohne ein Wirtschaftsgut dar, das typischerweise auch im Rahmen der privaten Lebensführung Verwendung findet. Auch wenn, wie der Bf. ausführt, er als Servicetechniker im Außendienst den Reisekoffer im Rahmen der Dienstreisen unbedingt benötigt, ändert dies nichts daran, dass im vorliegenden Fall bezüglich der beruflichen und wohl auch privaten Verwendung des Reisekoffers kein objektiv überprüfbarer Aufteilungsmaßstab feststellbar ist und damit die im Raum stehende Behauptung des Bf., er habe den gegenständlichen Reisekoffer ausschließlich beruflich im Rahmen der Dienstreisen verwendet, keiner Nachprüfung zugänglich ist.
Somit ist der geltend gemachte Aufwand in Höhe von € 315 insgesamt nicht als Werbungskosten abzugsfähig.
2) Laptop-Rucksack
Auch ein Laptop-Rucksack stellt zweifelsohne ein Wirtschaftsgut dar, das typischerweise auch im Rahmen der privaten Lebensführung Verwendung findet. Denn gerade in der heutigen Zeit finden sich Computer, insbesondere Laptops, praktisch in jedem Haushalt. Der dazu gehörige Rucksack stellt dabei ein unentbehrliches Zubehör dar, um auch auf Reisen, insbesondere im Urlaub "online" sein zu können.
Da vom Bf. weder die ausschließliche Verwendung des Rucksackes auf Dienstreisen unter Beweis gestellt wird, noch bezüglich der beruflichen und wohl auch privaten Verwendung ein objektiv überprüfbarer Aufteilungsmaßstab feststellbar ist, ist der geltend gemachte Aufwand insgesamt nicht absetzbar.
3) Gewerkschaftsbeitrag
Das Finanzamt hat im Vorlagebericht - vom Bf. unwidersprochen - festgestellt, dass der Gewerkschaftsbeitrag (in Höhe von insgesamt € 380,26) bereits bei der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigt worden sei. Wie aus den aktenkundigen Lohnzetteln ersichtlich ist, hat die Arbeitgeberin Beiträge zu Interessenvertretungen in Höhe von insgesamt € 380,26 als Werbungskosten bei der Lohnsteuerberechnung berücksichtigt. Somit konnte dem diesbezüglichen Beschwerdebegehren nicht entsprochen werden.
Somit waren folgende Aufwendungen, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte, im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten abzuziehen:
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Kosten für Fachliteratur | 52,99 |
Kosten für Mitversicherung der Ehegattin | 457,02 |
Betriebsratsumlage | 165,28 |
Abzugsfähige Werbungskosten lt. Erkenntnis | 675,29 |
Im Übrigen wird auf die Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. In der Beschwerde werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme. Vielmehr stützt sich die Entscheidung in den Streitpunkten Absetzbarkeit der Aufwendungen für die Anschaffung eines "Reisekoffers" und eines "Laptop-Rucksackes" auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 (vgl. insbesondere ); die Revision ist somit nicht zulässig.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Hinweis zum 2. COVID-19-Gesetz
Abweichend von der folgenden Rechtsbelehrung beginnt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Entscheidung - sofern diese vor dem zugestellt wurde - mit zu laufen (§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Art. 16 2. COVID-19-Gesetz BGBl. I Nr. 16/2020).
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7100646.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at