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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.03.2020, RV/7102778/2019

Keine erhöhte Familienbeihilfe, wenn keine Bescheinigung einer Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr vorliegt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. über die Beschwerde der Bf., Dorf, vertreten durch NÖ Landesverein für Erwachsenenschutz - Erwachsenenvertretung, Bewohnervertretung, Neuer Markt 15, 3910 Zwettl, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling vom , betreffend Abweisung des Antrages vom auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab April 2018, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, geb. 1977, stellte am einen Antrag auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe.

Die Bf. wurde im Zuge des Antragverfahrens  am  von Dr.in L., Allgemeinmedizinerin, Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, untersucht und folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:

Seit der Volksschule habe sie sich mit dem Lernen schwer getan. Die Mutter sei psychisch krank gewesen, die Großmutter und später die Tante hätten nicht gut helfen können. Daher ab dem 11. Lebensjahr Unterbringung Jugendheim Pottenstein. 4 Jahre VS, 4 Jahre Hauptschule Berndorf, Polytechnikum, Berufsschule Einzelhandelskauffrau, diese aber nach 3 Jahren ohne Abschluss beendet „wegen den Lernschwierigkeiten". Sie habe ab ungefähr dem 20. Lebensjahr alleine gelebt, habe oft den Job gewechselt, keine langen durchgehenden Arbeitsverhältnisse. Sie habe sich schon immer sehr bemüht, sei aber oft zu langsam gewesen, „irgend etwas hat immer nicht gepasst". Letzte Berufstätigkeit etwa 2007, danach arbeitslos, Mindestsicherung.

Etwa 12jährige Partnerschaft bis 04/2017 (Tod des Partners, Karzinom), in der Partnerschaft habe die Haushaltsführung funktioniert. Wenn sie jemanden fragen könne, funktioniere die eigenständige Alltagsführung gut, mit Geld kenne sie sich aus.

Da das alleine Leben so schwer war (Angst, Unruhe) lebe sie abwechselnd bei Bekannten.

Keine Obdachlosigkeit.

Die Erwachsenenvertretung wurde im Rahmen der krisenhaften Verschlechterung nach Ablehnung eines ersten Antrags 06/2017 heuer im Frühjahr (03/2018) etabliert. Hauptsächlich wäre Organisationshilfe für Behörden und offizielle Wege nötig. Beruflich sei derzeit keine Fortbildung oder Bewerbung geplant.

Frau Bf. kommt in Begleitung der Erwachsenenvertreterin Frau Mag. Hierländer zur Erstbegutachtung (03/2018 Urkunde Sachwalterschaft NÖ vorgelegt: Vertretung vor Ämtern und Sozialversicherungsträgern, in Rechtsgeschäften und Vermögensverwaltung); sie wünscht die Anwesenheit der Sachwalterin im Rahmen des Gespräches.

Derzeitige Beschwerden:

Jetzt gehe es wieder ganz gut. Sie könne schon den täglichen Alltag ganz alleine, wolle das aber nicht, sie halte das alleine Sein (Anmerkung: Tod des langjährigen Partners Frühjahr 2017) an sich nicht aus. Sie lebe wechselnd bei Bekannten, habe seit kurzem einen neuen Freund, bei dem sei sie vor wenigen Tagen eingezogen. Eine sozialarbeiterische Betreuung sei nicht nötig, sie habe regelmäßigen Kontakt zur Erwachsenenvertreterin. Sie sei 1x 2017 zum PSD gegangen, „aber dort hab ich nicht hingepasst", betreutes Wohnen mit Tagesstätte (Schnuppertage Kolpinghaus) Anfang 2018 „da sind andere Klienten, das passt nicht". Sie wolle keine psychiatrische (z.B. angstlösende) Medikation, das brauche sie nicht. Sie sei 2017 im Spital in Baden (Psychiatrie) gewesen, da sei es ihr einige Zeit sehr schlecht gegangen. Jetzt sei es besser. Sie habe Wirbelsäulen „Kreuzbeschwerden", schon seit der Jugend. Es gäbe keine diesbezüglichen Befunde in den letzten 20 Jahren, keine Therapien. Sie nehme täglich 1 Magenschutzpulver, brauche aber keine Schmerzmittel.

Keine schweren Erkrankungen oder Operationen erhebbar.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Ärztlicher Entlassungsbrief KH Baden, Psychiatrie 12/2017: Pantoprazol 20mg lxl;

Weitere psychiatrische Medikation vorgeschlagen, wird aber von Frau Bf. abgelehnt. Keine laufenden Therapien; Einmaliger Kontakt zu PSD 2017, 1 Woche Schnuppern Kolping Club: „da will ich nicht mehr hingehen";

Sozialanamnese:

Lebt bei Bekannten, seit Kurzem bei neuem Freund;
Anamnestisch Mutter paranoide Schizophrenie;
Beruf: ungelernte Arbeiten, häufige Arbeitsplatzwechsel;

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

19910703 Bezirksgericht Baden, Beschluss: nach Tod der Großmutter Bestellung der BH Baden, Jugendabteilung, zum Vormund; „eher schwach begabtes Mädchen .... Lernbetreuung notwendig";

20171012 Mag. s:, Psychologin, psychologisches Gutachten (unvollständig, S 1-4 vorgelegt): nach Tod des Partners nach 13jähriger Partnerschaft 04/2017 habe sie Probleme in der Alltagsbewältigung gehabt, da verstorbener Partner Amtswege erledigt habe; Frau Bf. habe Angst vor neuen Situationen, Versagensängste, in Stresssituationen Zittern; „Es muss eine Reduktion der psychophysischen Leistungsfähigkeit durch die vorhandene psychische Erkrankung angenommen werden."

20171122 KH Baden, Psychiatrie, ärztlicher Entlassungsbrief: Antrag auf Sachwalterschaft im Vorfeld abgelehnt; Frau Bf. wolle nicht alleine wohnen; Aufnahme zur Anbahnung des Sozialmanagements; Dg.: Anpassungsstörung; Magenschutzmedikation;

20171211 KH Baden, Psychiatrie, klinisch-psychologischer Befund: kooperativ, ausreichendes Instruktionsverständnis, langsamer Arbeitsstil, Kontaktverhalten anhänglich und verunsichert; IQ (69) im Grenzbereich einer leichten Intelligenzminderung (IQ=50-69), Leistungen im Handlungsbereich besser als im Verbalbereich;

20180213 Dr. JB, psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Feststellung der Notwendigkeit einer Erwachsenenvertretung: Konzentrationsschwäche, manchmal Gedankenabreißen, nervös, einfache Sprache, komplexe Inhalte werden nicht verstanden, kaum Wahninhalte, mittelgradig ausgeprägte Zwangsimpulse und Zwangshandlungen; Mangel an Problemlösung und planerischem Denken; Diagnose: leichte Intelligenzminderung ICD F70, Zwangsstörung, vorwiegend Zwangshandlungen (ICD F42.1); Adipositas, Zahnstatus sanierungsbedürftig; leichte Intelligenzminderung vermutlich seit Kindheit (siehe auch Bericht Jugendamt 1991);

[…]

Psycho(patho)logischer Status:

freundliche, offene, mitteilsame, recht bestimmt in grammatikalisch korrekten einfachen folgerichtigen Sätzen über ihr Leben und jetzigen Alltag erzählende Frau; Ductus formal geordnet, regelrechte Sprechgeschwindigkeit und Artikulation, Orientierung, Mnestik (Langzeit, Kurzzeit), Affizierbarkeit, Stimmungslage, Vigilanz, Konzentration, Impulsivität situationsadäquat; Kritikfähigkeit und Problembewusstsein etwas vermindert; leichte Zwangshandlungen bei Gesprächsende (wiederholtes Kontrollieren der mitgebrachten Handtasche);

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


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Lfd.Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
Gdb%
1
leichte Intelligenzminderung verbunden mit umschriebenen milden Zwangshandlungen;
unterer Rahmensatz, da Eigenfürsorge und soziale Eingliederung unter Teilbetreuung (Erwachsenenvertretung) gelingt;
50

Gesamtgrad der Behinderung: 50 v.H. 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 10/2017

Frau Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Trotz Leiden 1 (leichte Intelligenzminderung) ist die selbständige Unterhaltsbeschaffung in Form von angeleiteten einfachen Tätigkeiten denkbar, bzw. war in der Vergangenheit möglich. Dauerzustand".

Der Antrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom  unter Zugrundelegung der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen unter Zitierung der Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung, wonach Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder besteht, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, abgewiesen, da keine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt wurde.


Gegen den Abweisungsbescheid wurde von der Erwachsenenvertretung der Bf. Beschwerde erhoben (Schreiben vom , eingelangt beim Finanzamt am ) und vorgebracht, dass die Bf. laut Schreiben des Jugendamtes Baden vom  an das Bezirksgericht Baden u.a. "auf Grund von Erziehungsproblemen und vor allem wegen der erforderlichen Lernbetreuung des eher schwach begabten Mädchens" am im Alter von 11 Jahren im Landesjugendheim Pottenstein untergebracht worden sei. In genanntem Schreiben sei ebenso angeführt worden, „dass VornameBf die intensive Lernbetreuung, die nur im Heim gewährleistet ist, dringend braucht".

Auch im Psychiatrischen Sachverständigengutachten von Frau Dr. JB vom (Seite 19) werde auf Basis der Unterlagen und Schilderungen der Klientin aus ihrer Biografie u.a. eine leichte Intelligenzminderung seit der Kindheit diagnostiziert. Trotz der intensiven Lernbetreuung hätte die bestehende Intelligenzminderung nicht soweit kompensiert werden können, dass Frau Bf. keine Schwierigkeiten im Alltag mehr habe, sodass wiederum der Rückschluss auf eine angeborene Intelligenzminderung zulässig erscheine. Die Bf. vermöge nach wie vor komplexe Inhalte nicht zu erfassen und zu verstehen sowie viele Aktivitäten des täglichen Lebens nicht ohne Anleitung zu meistern. Somit sei sie auch am Arbeitsmarkt nicht vermittelbar, der Versicherungsdatenauszug weise lediglich zahlreiche Arbeitsversuche auf. Derzeit beziehe die Bf. bedarfsorientierte Mindestsicherung OHNE Anbindung an das AMS, da sie aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht in der Lage sei sich den Lebensunterhalt selbst zu verschaffen.

Die Bf. wurde auf Grund der eingebrachten Beschwerde am neuerlich untersucht und von Dr.in Silvia Bauer, Fachärztin für Neurologie, folgendes Gutachten vom  erstellt:

"Anamnese:

Lt. VGA von 7/2018 50% GdB mit Diagnose Intelligenzminderung mit milden Zwangshandlungen.

Beschwerde von Seiten der AW, welche Behindertenstatus ablehnt. In Konflikt mit der Sachwalterin, welche erhöhte Familienbeihilfe mit Rückdatierung beantragt hat.

Zn. Missbrauch in der Kindheit; seither Ängste. Lernschwierigkeiten seit Schuleintritt. Paranoide Schizophrenie der Mutter. Kein Kontakt zum leiblichen Vater. 10.- 19. Lj. Unterbringung in Jugendheim Pottenstein. Nach Tod der Großmutter 1991 wurde 7/1991 BH Baden zum Vormund bestellt. Ab 20. Lj. allein gelebt. Ca. 2007- 4/2017 in  Lebensgemeinschaft mit älterem Partner (77j. Tod an Krebserkrankung). Anschließend wegen Angstzuständen teilweise bei Bekannten gelebt. 11/2017 und 12/2017-1/2018 stationärer Aufenthalt Psych./KH Baden aufgrund Anpassungsstörung (Probleme in der Alltagsbewältigung, Angst vor neuen Situationen; Medikation wurde abgelehnt). Konzentrationsschwäche. Zwangshandlungen. Hohe emotionale Labilität. 4/2017-6/2018 unregelmäßiger erhöhter Alkoholkonsum. Nun abstinent und keine Ängste und Zwänge mehr seit in neuer Lebensgemeinschaft.

Derzeitige Beschwerden: subjektiv werden keine Beschwerden angegeben

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel: keine Medikation, keine FÄ-Betreuung, keine Psychotherapie

Sozialanamnese: Ausbildung: 4 J. VS (Regellehrplan), 4J. HS (Regellehrplan), Polytechnikum, 3J. EH-Lehre ohne LAP, kurze Arbeitsverhältnisse mit Kündigung wegen Langsamkeit - max. 1 Jahr (1998/99 als Bedienerin in orthopädischem Spital), zuletzt 2007; Mindestsicherung; keine IV-P. SA: 6/2018 zu neuem Freund gezogen, welcher Landwirtschaft betreibt. Seit 3/2018 Erwachsenenvertretung (v.a. für Behördenwege im Rahmen der Wohnungsauflösung)- gegenwärtig im Auslaufen. Kein PG-Bezug.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

, psycholog. GA, Dr. Mag. ES: psychophysische Leistungsfähigkeit schlechter als dem Alter entsprechend; hohe emotionale Instabilität.

, Psych./KH Baden: leichte Minderbegabung.

, psychiatrisches SV-GA, Dr. JB: leichte Intelligenzminderung, Zwangsstörung mit vorwiegend Zwangshandlungen.

, BG Baden: aus Sicht des Gerichtes besteht nach Abschluss des Verlassenschaftsverfahrens, Verkauf der Wohnung und Veranlagung des Kaufpreises und eines allfälligen Pflegevermächtnisses mangels zu erledigender Angelegenheiten kein Grund für die Aufrechterhaltung der Erwachsenenvertretung.

, Versicherungsdatenauszug

[…]

Psycho(patho)logischer Status:

ausreichend orientiert, einfach strukturiert mit etwas reduzierten Grundschulkenntnissen; etwas labil und unreif, impulsiv; keine produktive Symptomatik; aktuell keine Zwänge erhebbar; Konzentrationsfähigkeit erhalten; Kontakt zur Mutter gegeben; in ADL selbständig; kann sich Hilfstätigkeiten durchaus vorstellen; Hobby ist Sport.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


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Lfd.Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
Gdb%
1
Intelligenzminderung mit Anpassungsstörung
Unterer Rahmensatz, da Eigenfürsorge großteils gegeben.
50

Gesamtgrad der Behinderung: 50 v.H. 

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten: keine Änderung gegenüber dem VGA von 7/2018

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern: ja

GdB liegt vor seit: 10/2017

Begründung-GdB liegt rückwirkend vor:

Frau Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: Die Fähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist gegeben da keine höhergradigen psychischen oder kognitiven Beeinträchtigungen vorhanden sind welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig nicht möglich machen."


Unter Zugrundelegung der in dem Gutachten getroffenen Feststellungen wurde die Beschwerde vom Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung vom mit folgender Begründung abgewiesen:

"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 5 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Das genannte Bundesamt hat in der im Beschwerdeverfahren angeforderten Bescheinigung aufgrund des Fach/Ärztlichen Sachverständigengutachtens vom festgestellt, dass eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bei Ihnen nicht vorliegt.

Es besteht daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe."


Frau Mag. Anita Gaugusch - Erwachsenenvertretung NÖ Landesverein für Erwachsenenschutz, Erwachsenenvertretung, Bewohnervertretung, brachte am beim Finanzamt einen Vorlageantrag ein und brachte vor, dass sie der Meinung sei, dass die Entscheidung des Finanzamtes falsch sei. Sowohl im psychiatrischen Sachverständigengutachten vom als auch im psychologischen Gutachten von Dr. Mag. ES werde eine Intelligenzminderung festgestellt. Auch in einer Stellungnahme der Jugendabteilung der BH Baden aus dem Jahr 1991, begründe diese die Unterbringung im Jugendheim in Pottenstein damit, dass Bf. „schwach begabt" sei und die Unterbringung ihr einen positiven Hauptschulabschluss gesichert habe. Weiters sei im psychologischen Gutachten von Frau Dr. Mag. ES eine hohe emotionale Instabilität sowie im psychiatrischen Sachverständigengutachten von Dr. JB eine Zwangsstörung diagnostiziert worden. Die hohe emotionale Instabilität zeige sich in einer sehr geringen Stressresistenz. In Kombination mit der Intelligenzminderung habe dies zu einer Überforderung im Rahmen ihrer Arbeitsverhältnisse geführt. Laut Ergebnis des Sachverständigengutachtens für die Familienbeihilfe vom sei Frau Bf. in der Lage, angeleitete, einfache Tätigkeiten durchzuführen. Dies sei wohl an einem „geschützten Arbeitsplatz" möglich, am regulären Arbeitsmarkt jedoch nicht. Dies habe sich auch in ihren bisherigen Arbeitsverhältnissen gezeigt, die immer nur von kurzer Dauer gewesen seien und beendet worden seien, weil Frau Bf. zu langsam gewesen sei bzw. die Arbeitsaufträge nicht verstanden habe. Das letzte Arbeitsverhältnis habe im Jahr 2007 geendet. Seither sei Frau Bf. nicht mehr berufstätig. D.h. sie sei seit 12 Jahren keiner Erwerbstätigkeit nachgekommen. Durch diese lange Arbeitslosigkeit sei die Wahrscheinlichkeit, wieder eine Beschäftigung zu finden sehr gering.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhaltsfeststellungen:

Die Bf. ist am 1977 geboren und vollendete am 1977 das 21. Lebensjahr.

Die Bf. besuchte 4 Jahre die Volksschule (Regellehrplan), 4 Jahre die Hauptschule (Regellehrplan) und das Polytechnikum. Danach machte die Bf. eine dreijährige Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann ohne Lehrabschlussprüfung.

Es folgten kurze Arbeitsverhältnisse mit Kündigung wegen Langsamkeit - max. 1 Jahr (1998/99 als Bedienerin in orthopädischem Spital). Die Bf. war letztmalig im Jahr 2007 berufstätig.

Die Bf. bezieht die Mindestsicherung. Eine Invaliditätspension und ein Pflegegeld wird nicht bezogen.

Ab März 2018 erfolgte eine Unterstützung von der Erwachsenenvertretung (v.a. für Behördenwege im Rahmen der Wohnungsauflösung).

Die Bf. wurde im Zuge ihres Antrages auf Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe zwei Mal von einer Ärztin vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen untersucht und ein Sachverständigengutachten verfasst.

Im Gutachten vom und im Gutachten vom wurde der Bf. eine 50%ige Behinderung rückwirkend ab Oktober 2017 bescheinigt. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde nicht attestiert.

Beweiswürdigung:

Der als erwiesen angenommene Sachverhalt beruht auf den zwei im Wege des Sozialministeriumservices erstellten Gutachten, dem Gutachten von Dr. ES vom , dem Befund des KH Baden vom , dem psychiatrischen SV-Gutachten von Dr. JB vom , dem Schreiben des BG Baden vom sowie dem Versicherungsdatenauszug vom .

Den Gutachtern standen im Zuge ihrer Untersuchung folgende nachstehend angeführte Unterlagen zur Verfügung:

Bericht des Jugendamtes aus dem Jahr 1991, wonach bei der Bf. seit der Kindheit eine leichte Intelligenzminderung besteht.

Gutachten von Dr. ES vom , wonach die psychophysische Leistungsfähigkeit der Bf. schlechter sei als es ihrem Alter entsprechen müsste. Weiters würden sich in der Persönlichkeitsdiagnostik Hinweise auf hohe emotionale Instabilität zeigen.

Klinisch-psychologischer Befund des Krankenhauses Baden vom : Grenzbereich einer leichten Intelligenzminderung (Gesamt IQ = 69).

Sachverständigengutachten von Dr. JB, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige, vom (Anm.: erstellt im Auftrag des Bezirksgerichtes Baden anlässlich der Sachwalterschaftssache der Bf.): psychiatrische Erkrankung in Form einer leichten Intelligenzminderung im Sinne einer Zwangsstörung

Clearingbericht von Mag. Dr. CC vom : erste Sachwalterschaftsanregung Juni 2017 durch eine Sozialarbeiterin der BH Baden; Einstellung des Verfahrens; neuerliche Sachwalterschaftsanregung: November 2017 durch die Psychiatrie des LK Baden

Die mit dem Gutachten vom befasste Sachverständige stellte nach Untersuchung der Bf. - und unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen, in denen der Bf. übereinstimmend eine leichte Intelligenzminderung bescheinigt wurde -  eine 50%ige Behinderung rückwirkend ab Oktober 2017 fest. Eine dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde nicht bescheinigt.

Im Gutachten vom wurde der Bf. erneut eine 50%ige Behinderung rückwirkend ab Oktober 2017 attestiert und, wie schon im Vorgutachten, keine dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt. Angemerkt wurde, dass eine Erwerbsunfähigkeit nicht gegeben sei, da keine höhergradigen psychischen oder kognitiven Beeinträchtigungen vorhanden seien, welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig nicht möglich machen würden.

Das Gericht unterzog im Rahmen der freien Beweiswürdigung die der Bescheinigung zugrunde liegenden Gutachten einer kritischen Würdigung und kommt zu dem Schluss, dass die Gutachten - die in ihren Feststellungen nicht divergieren - schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei sind. Auf die Art der Leiden und deren Ausmaß wurde ausführlich eingegangen. Die vorgelegten Befunde sind in die Beurteilung eingeflossen und stehen nicht im Widerspruch zu den gutachterlichen Beurteilungen.

Die dauernde Erwerbsunfähigkeit der Bf. ist nicht vor dem 21. Lebensjahr (bzw. während einer schulischen Ausbildung) eingetreten.

Der Grad der Behinderung von 50 v.H. trat erst rückwirkend ab Oktober 2017 ein.

Eine Erwerbsunfähigkeit liegt nicht vor.
 

Gesetzliche Grundlagen und rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs 1 lit c FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl. , unter Verweis auf ).

§ 8 Abs. 5 FLAG 1967 normiert:

"Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen."

Nach § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl. , , , ).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat das ärztliche Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung iSd FLAG Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer begründeter Weise zu enthalten und bildet die Grundlage für die Entscheidung, ob die erhöhte Familienbeihilfe zusteht, sofern das Leiden und der Grad der Behinderung einwandfrei daraus hervorgehen und das/die Gutachten nicht unschlüssig sind (vgl. , , , ).

Wird für eine volljährige Person die Familienbeihilfe und der Erhöhungsbetrag beantragt bzw. stellt eine volljährige Person einen Eigenantrag auf die Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag, so hat sich das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren darauf zu erstrecken, ob diese Person wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder - für den Beschwerdefall nicht relevant - während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außer Stande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (vgl etwa , vgl. auch ).

Nach § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ). Gegen die Einschränkung der Beweisführung des Grades der Behinderung oder der voraussichtlichen dauerhaften Unfähigkeit, sich selbst den Erwerb zu verschaffen, hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , B 700/07, keine verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen (vgl. ).

Die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht dürfen die Gutachten nur insoweit prüfen, ob diese schlüssig und vollständig sind und im Fall mehrerer Gutachten nicht einander widersprechen (vgl. , , , Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310, vgl. auch die bei Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung).

Wie bereits ausgeführt, besteht eine Bindung der Abgabenbehörden und auch des Bundesfinanzgerichtes an die im Wege des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 erstellten Gutachten, sofern diese schlüssig sind. Wie oben dargestellt, ist die Schlüssigkeit der zwei Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nicht in Zweifel zu ziehen.

Aus den vorstehenden rechtlichen Ausführungen ergibt sich somit, dass der Antrag der Bf. auf Gewährung der Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag auf Grund der in den Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen abzuweisen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
 

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob und ab wann eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" gegeben ist, handelt es sich um eine Tatfrage und ist insoweit das BFG an das vom Sozialministeriumservice erstellte ärztliche Gutachten gebunden. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at