(Rettungs)Einsatzgebühr - keine gesetzliche Sozialversicherung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch seine Richterin MMag. Elisabeth Brunner über die Beschwerde der A***B***, Adresse***, vertreten durch Strohmayer Heihs Stromayer Schlor Rechtsanwälte OG, 3100 St.Pölten, Herrengasse 3-5, gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 70 vom , MA70-TZ:190210194 betreffend Einsatzgebühr gemäß §§ 28 und 29 WRKG für die am erfolgte Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes zu Recht:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Am wurde um 02:10 Uhr durch die Bundespolizei Wien die Berufsrettung Wien in die Wohnung der Beschwerdeführerin in Adresse***, berufen. Die Bundespolizei sei durch das AKH Wien informiert worden, dass die Beschwerdeführerin die Ambulanz vor Abschluss der Behandlung verlassen habe.
Die Beschwerdeführerin sei durch die Einsatzkräfte in ihrer Wohnung angetroffen worden und aufgrund des dringenden Anratens des Arztes der Unfallchirurgie des AKH wieder ins AKH transportiert worden.
Da die Beschwerdeführerin über keine gesetzliche Sozialversicherung verfügte, sei die Einsatzgebühr für den öffentlichen Rettungsdienst der Beschwerdeführerin vorzuschreiben gewesen.
Gegen den Bescheid mit dem die Einsatzgebühr iHv 694,00 Euro vorgeschrieben wurde, erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde, die sie im Wesentlichen damit begründete, dass ihr Zustandsbild weder im Zeitpunkt der Verständigung noch der Abholung durch den Rettungsdienst einen Anlass dazu gegeben habe, dass mit gutem Grund eine der Voraussetzungen des § 1 Z 1 bis 4 WRKG angenommen habe werden können.
Gebührenschuldner müsse vielmehr derjenige sein, der diesen Einsatz veranlasst habe, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt gewesen seien.
Mit Beschwerdevorentscheidung wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der Rettungsdienst sei durch die Bundespolizei Wien berufen worden. Die Bundespolizei sei durch das AKH Wien informiert worden, dass die Beschwerdeführerin die Ambulanz des AKH vor Abschluss der Behandlung verlassen habe und davon auszugehen sei, dass sich die Patientin in Lebensgefahr befinden würde.
Im Vorlageantrag brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst ergänzend vor, dass sich die Frage stelle, warum sie im Krankenhaus über mehrere Stunden (3,5) hinweg nicht behandelt worden sei, wenn sie sich in Lebensgefahr befunden hätte. Sie habe nach mehrstündiger Wartezeit verlangt, entweder untersucht zu werden oder nach Hause zu gehen und habe dann ihr Zuhause aufgesucht.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vom Magistrat der Stadt Wien vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere das Einsatzprotokoll der Wiener Berufsrettung sowie in eine von der Magistratsabteilung 70 übermittelte schriftliche Zusammenfassung des aufgezeichneten Notrufgespräches. Danach steht folgender Sachverhalt unstrittig fest:
Am wurde um ca 02:10 Uhr die Berufsrettung Wien von der Bundespolizei Wien an die Wohnadresse der Beschwerdeführerin berufen.
Als Grund für die Berufung des Rettungsdienstes wurde angegeben, dass die Beschwerdeführerin aus dem Krankenhaus abgängig ist und aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes der Verdacht der Lebensgefahr besteht.
Beim Rettungsdienst wurde der Berufungsgrund „32B03: Unbekannter Zustand/Andere Codes nicht zutreffend“ im Einsatzprotokoll vermerkt.
Die Beschwerdeführerin wurde von den Mitarbeitern des Rettungsdienstes stehend angetroffen, war wach und ansprechbar. Die Beschwerdeführerin gab an, dass es ihr gut geht und sie nicht ins Krankenhaus möchte. Die Mitarbeiter des Rettungsdienstes hielten mit einem diensthabenden Arzt im AKH Rücksprache. Dieser gab die Auskunft, dass die Beschwerdeführerin unbedingt wieder ins Krankenhaus muss. Die Beschwerdeführerin wurde in weiterer Folge durch die Berufsrettung ins AKH transportiert.
Zum Zeitpunkt des Rettungstransportes verfügte die Beschwerdeführerin über keinen aufrechten Sozialversicherungsanspruch (e-Card Versichertendatenabfrage).
Rechtlich folgt daraus:
Gemäß § 1 des Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetzes - WRKG sind Aufgaben eines Rettungsdienstes:
1. Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung oder erhebliche Verletzung erlitten haben, erste Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie erforderlichenfalls unter sachgerechter Betreuung mit geeigneten Transportmitteln in eine Krankenanstalt zu befördern oder ärztlicher Hilfe zuzuführen;
2. Personen wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortige erste notärztliche Hilfe zu leisten, die anders nicht gewährleistet ist;
3. den Transport von Personen durchzuführen, bei denen lebenswichtige Funktionen ständig überwacht oder aufrecht erhalten werden müssen;
4. akute Blut-, Blutprodukte- oder Organtransporte durchzuführen;
5. Sanitätsdienste zur Behandlung von akuten Erkrankungen oder Verletzungen bei Veranstaltungen mit dem hiefür erforderlichen Personal, den erforderlichen Einrichtungen und erforderlichen Transportmitteln bereit zu stellen;
6. die Bevölkerung in erster Hilfe zu schulen;
7. im zivilen Katastrophenschutz mitzuwirken.
Gemäß § 28 Abs 1 WRKG ist für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Transport), eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt. Nach § 28 Abs 3 WRKG wird der Gemeinderat ermächtigt, diese in einer Gebührenordnung festzusetzen.
Gemäß § 29 Abs 1 WRKG ist Gebührenschuldner derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne dass die im § 1 Z 1 bis 4 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.
Unbeschadet eintretender Straffolgen und privatrechtlicher Schadenersatzpflicht sind Gebührenschuldner die Personen, die einen vergeblichen Einsatz des öffentlichen Rettungsdienstes veranlassen, obwohl kein Anlass für einen Einsatz besteht (§ 29 Abs 3 WRKG).
Mit Zustimmung der Stadt Wien können gemäß § 30 WRKG die hierfür in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger oder mit deren Einvernehmen der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter durch schriftliche Erklärung an Stelle von Gebührenpflichtigen als Gebührenschuldner eintreten. Nach Abgabe dieser Erklärung sind die Sozialversicherungsträger oder Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter allein die Gebührenpflichtigen (Gebührenschuldner).
Wenn jedoch der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger oder die Krankenfürsorgeanstalt öffentlich Bediensteter im Einzelfall angibt, dass mangels eines ihm (ihr) gegenüber bestehenden Anspruchs auf Kostenübernahme seine (ihre) Eintrittserklärung keine Anwendung findet, ist die Gebühr dem Gebührenschuldner im Sinne des § 29 Abs 1 vorzuschreiben (§ 30 WRKG).
Auf Grund der Ermächtigung des § 28 WRKG hat der Gemeinderat der Stadt Wien die im Streitfall anzuwendende Gebührenordnung erlassen. Deren § 1 Abs 1 normiert, dass für jede Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien innerhalb des Gebietes der Stadt Wien, auch wenn wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes desjenigen, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, sowohl eine Hilfeleistung als auch ein Transport unterblieben sind, eine Gebühr von 694 Euro zu entrichten ist (LGBl für Wien Nr 39/2004, idF LGBl für Wien Nr 49/2018).
Das Tatbestandsmerkmal, dass mit gutem Grund das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 WRKG angenommen werden konnte, bezieht sich auf die Person, die den Anruf auf Seiten des öffentlichen Rettungsdienstes entgegengenommen hat ().
Die Gebührenpflicht für die Person, für die der Rettungsdienst gerufen wurde, entsteht auch dann, wenn die Voraussetzungen für den Einsatz zwar ursprünglich, also im Zeitpunkt der Herbeirufung, nicht vorgelegen sind, deren Vorliegen jedoch auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte ().
Zusammenfassend kommt es danach also nicht darauf an, ob der Einsatz ursprünglich medizinisch erforderlich war, sondern ob das Vorliegen der Voraussetzungen durch jenen Mitarbeiter des Rettungsdienstes, der die Anforderung entgegennahm, mit gutem Grund angenommen werden konnte.
Die den Rettungsdienst berufenden Polizeibeamten wurden vom AKH verständigt, dass die Beschwerdeführerin aus dem AKH abgängig ist und dringend ärztliche Versorgung benötigt. Sie konnten daher mit gutem Grunde das Vorliegen der Voraussetzungen für den Einsatz des Rettungsdienstes annehmen bzw mussten diese mit einer ernsten Erkrankung der Beschwerdeführerin rechnen und waren daher jedenfalls dazu verhalten, den Rettungsdienst zu verständigen.
Den Polizeibeamten kann nicht unterstellt werden, dass sie routinemäßig oder mutwillig einen vergeblichen Einsatz des öffentlichen Rettungsdienstes veranlasst hätten, obwohl kein Anlass für einen derartigen Einsatz bestand. Eine Gebührenvorschreibung an diese gemäß § 29 Abs 3 WRKG kommt daher nicht in Betracht.
Aus der schriftlichen Zusammenfassung des aufgezeichneten Notrufgespräches geht hervor, dass die Polizei vom Verdacht einer Person in Lebensgefahr ausgegangen ist. Im Einsatzprotokoll der Wiener Rettung wurde ein „unbekannter Zustand“ der Beschwerdeführerin festgehalten . Für den Mitarbeiter des Wiener Rettungsdienstes war damit (unter anderem aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine Anforderung seitens der Polizei handelte) jedoch eindeutig ein Zustand als gegeben anzunehmen, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen werden kann.
Es steht daher fest, dass sowohl seitens der Berufer der Rettung (den Polizeibeamten), als auch von dem die Berufung entgegennehmenden Mitarbeiter des Rettungsdienstes mit gutem Grund das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 WRKG angenommen werden konnte. Maßgeblich ist dabei allein, dass eine Gesundheitsstörung vorlag oder mit gutem Grund angenommen werden konnte.
Gemäß § 29 Abs 1 WRKG ist Gebührenschuldner derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde.
Dies ist auch dann der Fall, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist selbst dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne dass die im § 1 Z 1 bis 4 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.
Da der Rettungsdienst für die Beschwerdeführerin gerufen wurde, ist sie somit Schuldnerin der Einsatzgebühr. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin wach und ansprechbar war und angab, dass es ihr gut geht und sie die Hilfeleistung der Wiener Rettung als nicht erforderlich betrachtete, vermag an diesem Umstand nichts zu ändern.
Zum Zeitpunkt des Rettungseinsatzes am verfügte die Beschwerdeführerin über keinen aufrechten Sozialversicherungsanspruch. Der Eintritt eines Sozialversicherungsträgers gemäß § 30 WRKG an die Stelle der Beschwerdeführerin als Gebührenschuldner ist sohin im Streitfall ausgeschlossen.
Der angefochtene Gebührenbescheid erging daher sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, wann eine Einsatzgebühr nach dem WRKG vorzuschreiben ist, wurde durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt (, 90/17/0421; , 91/17/0174; , 2000/17/0012; , 2006/17/0016). Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesfinanzgericht nicht abgewichen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor. Die Revision ist daher unzulässig.
Die Beschwerde ist daher gemäß § 279 Abs 1 BAO als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 1 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 28 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 29 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 30 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400002.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at