Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.01.2020, RV/4100397/2018

Auslegung der Befreiungsbestimmung des § 30 Abs 2 Z 1 lit b EStG 1988 auf Grundlage einer teleologischen Reduktion

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Ri über die Beschwerde des BF, Adr1, vertreten durch Haimerl Hörler WP und StB GmbH, Linke Wienzeile 4, Stiege 1, 2. DG,
1060 Wien, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Spittal Villach, dieses vertreten durch HR Dr. Gerhard Petschnigg, vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 gemäß § 299 Abs. 1 BAO zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Abweisungsbescheid erfährt keine Änderung.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf) war in der Zeit vom bis zum in W, S7, RH 6, nebenwohnsitzlich gemeldet. Ab dem war der Bf in K, L1, meldebehördlich erfasst (Nebenwohnsitz). Laut Melderegisterauskunft ist der Bf seit seiner Geburt (TT/MM/JJ) in T, hauptwohnsitzlich gemeldet.

In der Zeit zwischen dem und dem bewohnte der Bf gemeinsam mit seiner Gattin D sowie den drei gemeinsamen Kindern K2, K3 und K1 an der besagten Adresse in W ein Reihenhaus. Dieses Objekt hatte der Bf und seine Gattin mit Bestandvertrag vom vom WohnungsAG (W-AG) angemietet.

Mit Schreiben vom bot das W-AG das Bestandobjekt in der S7 in W sowie den dazugehörigen KFZ-Stellplatz (RH/3) dem Bf und seiner Gattin zum Kauf an. Die nämliche Kaufofferte wies einen Kaufpreis (gem. § 15 d WGG) iHv € 327.100 abzüglich des seinerzeit geleisteten Finanzierungsbeitrages (€ 63.519,78) aus. Damit ergab sich ein von den präsumtiven Erwerbern aufzubringender Barkaufpreis iHv € 263.580,22. Die Gültigkeit dieses Anbots war mit sechs Monaten befristet.

Mit Kaufvertrag vom bzw. (Gegenzeichnung durch die Verkäuferin) erwarb der Bf das genannte Bestandobjekt samt KFZ-Stellplatz zum vereinbarten Fixpreis (€ 263.280,22) in sein Alleineigentum.

In der Folge vermietete der Bf das erworbene Objekt mit Bestandvertrag vom an den Bestandnehmer Ge zu einem vereinbarten monatlichen Mietzins iHv € 1.550,00 zzgl. anteilige BK. Dieser Bestandvertrag wurde auf drei Jahre befristet abgeschlossen.

Mit Kaufvertrag vom veräußerte der Bf das Objekt S7 an IM und BA als Käufer zu einem vereinbarten Kaufpreis von € 455.000,00.

Mit dem am zwischen der Hausgemeinschaft Si als Vermieterin einerseits und dem Bf als Mieter andererseits abgeschlossenen Mietvertrag mietete letztgenannter ein in  K, L1, situiertes Einfamilienhaus samt Nebengebäude, Geräteschuppen und Garten an. Die Vertragsparteien hielten fest, dass das Bestandverhältnis mit beginnen und mit enden solle, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedürfe. Die Dauer des Mietverhältnisses könne allerdings einvernehmlich verlängert werden. Als Mietzins wurde € 2.700,00 monatlich zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. In Pkt. 12 der Mietvereinbarung wurde die Verpflichtung des Bf festgehalten, sich und seine Familienangehörigen meldebehördlich an der angeführten Adresse anzumelden und die Anmeldung der Vermieterin in Kopie vorzulegen.

Im Zuge einer am vom Finanzamt durchgeführten Nachschau gem. § 144 BAO traf die Prüferin nachstehende Feststellungen:

„1. Hauptwohnsitz

Aufgrund der Stellungnahme wurde dargelegt, dass sich der faktische Hauptwohnsitz (unabhängig von der HWS Meldung It ZMR) jeweils an jener Adresse befunden hat, die im ZMR als Nebenwohnsitz aufscheint.

2. Einkünfte aus der Veräußerung von Privatgrundstücken

Der Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit b EStG 1988 (2. Tatbestand) stehen folgende Argumente entgegen:

Die Hauptwohnsitzbefreiung bei privaten Grundstücksverkäufen impliziert das Vorliegen eines Eigenheims bzw. einer Eigentumswohnung: eine solche muss im Eigentum des Erwerbers oder Errichters stehen. Ist aber insoweit das Eigentum zwingende Voraussetzung gilt dies auch für die Hauptwohnsitzbefreiung im Zusammenhang mit privaten Grundstücksveräußerungen.

Ein durch einen Bestandsvertrag begründeter Hauptwohnsitz vermochte somit - selbst bei grundsätzlichem Vorliegen der Fristen gemäß § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG - nach Ansicht des BFG eine Hauptwohnsitzbefreiung nicht zu begründen.

Siehe hierzu sowie Mag. Bernhard Renner in RdW 7/2017.

Weiters muss die Eigenschaft des veräußerten Gebäudes als Eigenheim (Eigentumswohnung) während der fünfjährigen Mindestnutzungsdauer UND im Zeitpunkt der Vereinbarung gegeben sein, um die 2. Tatbestandsvariante der Hauptwohnsitzbefreiung anwenden zu können.

Die Veräußerung eines zur Gänze vermieteten Gebäudes ist daher infolge schädlicher Nutzung zur Einkünfteerzielung niemals von der Hauptwohnsitzbefreiung erfasst.

Aus obgenannten Gründen stellt daher der Verkauf der 140/4474 Miteigentumsanteile an der EZ ** KG **** laut Kaufvertrag vom einen steuerpflichtigen Vorgang dar.

Die gegenständliche Liegenschaft stellt Neuvermietungen dar, somit ist eine Regeleinkünfteermittlung durchzuführen.


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Verkaufspreis 2015
455.000,00
- adaptierte Anschaffungskosten
333.905,16
Differenz
121.094,84
davon 25% Immo ESt
30.273,71

Berechnung adaptierte Anschaffungskosten:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Tatsächliche AK
344.268,54
lt. AVZ (incl. Nebenkosten)
+ Instandsetzung Rest 2012
2.133,36
6/10
+ Instandsetzung Rest 2013
295,05
7/10
- Afa 2012 bis 2015
-12.791,70
 
adaptierte AK
333.905,16
 

3. Vermietung "S7"

Aufgrund der vorgelegten Unterlagen (Prognoserechnung, Schriftverkehr mit Immobilienmaklern) ist nachvollziehbar, dass die gegenständliche Vermietung innerhalb eines absehbaren Zeitraumes einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten hatte erwarten lassen und dass die vorzeitige Einstellung der Vermietung durch Unwägbarkeiten veranlasst war.

Insoweit wird die gegenständliche Vermietung als Einkunftsquelle anerkannt.“

Das Finanzamt  folgte der Rechtsauffassung der Prüferin und brachte im Einkommensteuerbescheid 2015 eine Steuer für Einkünfte aus Grundstücksveräußerungen (besonderer Steuersatz 25%) iHv. € 30.273,71 in Ansatz.

Der Einkommensteuerbescheid 2015 erwuchs in Rechtskraft.

Mit Eingabe vom beantragte der Bf die Aufhebung dieses Steuerbescheides gemäß § 299 Abs. 1 iVm § 302 Abs. 2 lit. b BAO wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und begründete seinen Antrag mit folgender Argumentation:

Im Jahre 2015 sei die Liegenschaft in der S7/RH 6 in W unter Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit b EStG 1988 verkauft worden. Der Bf habe die Liegenschaft in den letzten 10 Jahren vor Verkauf zu mehr als 5 Jahren als Hauptwohnsitz genutzt und habe seinen dort geführten Hauptwohnsitz aufgegeben.

Das Finanzamt habe im Rahmen der Nachschau die Hauptwohnsitzbefreiung mit dem Argument nicht zuerkannt, dass für die Anwendbarkeit des zweiten Tatbestandes der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit b EStG 1988 die Eigenschaft als Eigenheim auch während der 5-jährigen Mindestnutzungsdauer vorzuliegen habe. Eine Nutzung als Bestandnehmer könne nicht auf die Fünfjahresfrist angerechnet werden. Der VwGH habe in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0005, allerdings festgehalten, dass die zweite Befreiungsbestimmung nur auf die durchgehende Nutzung der Wohnung als Hauptwohnsitz, nicht aber auf einen bestimmten Rechtstitel, etwa dem des „Eigentums“, abstelle. Die Liegenschaft in der S7 sei von 2002 bis Anfang 2012 als Hauptwohnsitz genutzt worden. Mit Kaufvertrag vom habe der Bf die Liegenschaft im Wege eines Kaufes erworben. Der Bf habe seinen Hauptwohnsitz in W aufgegeben und sei im Anschluss daran nach K gezogen, wo er seit 2012 auch steuerlich gemeldet sei. Der Verkauf des Reihenhauses in W sei im Juni 2015 erfolgt.

Die Zeiten der Nutzung des Objektes vor dem Kauf seien für die zumindest 5-jährige Nutzung der Wohnung als Hauptwohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahren vor dessen Veräußerung heranzuziehen. Dies ergebe sich aus dem Erkenntnis des VwGH, Zl. Ra 2017/13/0005. Gegenständlich betrage die Nutzung der Liegenschaft als Hauptwohnsitz in den letzten 10 Jahren vor der Veräußerung 7 Jahre (2005 – 2012). Da der Bf im Jahre 2012 seinen Hauptwohnsitz in W aufgegeben habe, seien die beiden Voraussetzungen für die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 gegeben.

Die Festsetzung der Immobilienertragssteuer sei somit rechtswidrig.

Bei der Ermessensübung, ob eine Aufhebung nach § 299 BAO zu erfolgen habe, prävaliere nach herrschender Rechtsprechung der Grundsatz der Rechtsrichtigkeit vor dem Grundsatz der Rechtsbeständigkeit.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag des Bf vom auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2015 vom als unbegründet ab.

In der Bescheidbegründung führte die Abgabenbehörde aus, dass der Bf seinen Hauptwohnsitz ausschließlich in der gemieteten Liegenschaft gehabt habe. Erst nach Aufgabe des Hauptwohnsitzes habe er das Eigentum an der Wohnung erworben. Der Bf habe, so die Feststellungen der belangten Behörde, die Liegenschaft zu keinem Zeitpunkt als Eigentümer hauptwohnsitzlich genutzt. Die Liegenschaft sei nach deren Ankauf vermietet worden und sei sodann - nach Ablauf des Mietverhältnisses - bis zu deren Verkauf leer gestanden.

Die Hauptwohnsitzbefreiung nach dem zweiten Tatbestand des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 sei nach dem Wortlaut dieser Bestimmung grundsätzlich möglich. Allerdings habe der VwGH in seinem Erkenntnis zum Mietkauf vom , Ra 2017/13/0005, zwei Rechtsfragen abschließend geklärt. Im Blickwinkel der Hauptwohnsitzbefreiung erweise es sich als unschädlich, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Hauptwohnsitz zunächst in der gemieteten Wohnung habe, welche er in der Folge im Wege des Kaufes erwerbe. Für die Fristberechnung sei die gesamte Hauptwohnsitzzeit zu berücksichtigen. Weiters sei nicht entscheidend, ob die als Hauptwohnsitz genutzte Wohnung während der gesamten Nutzung als Hauptwohnsitz eine Eigentumswohnung gewesen sei; es sei ausreichend, wenn sie im Zeitpunkt des Verkaufes im Eigentum des Veräußerers gestanden sei.

Aus dem besagten verwaltungsgerichtlichen Judikat lasse sich allerdings nicht ableiten, dass der VwGH nicht verlange, dass zumindest ein Teil der Nutzung als Hauptwohnsitz als Eigentümer der Wohnung zu erfolgen hätte. Der VwGH habe zu dieser Frage im zitierten Erkenntnis festgehalten: „ .. Der in den Erläuterungen umschriebene Sinn und Zweck der Befreiung mag darauf hindeuten, dass ihm die Befreiung bei Erwerb der Wohnung erst nach Aufgabe des Hauptwohnsitzes und ohne Zusammenhang damit nicht entspräche, doch braucht auf die hypothetische Beurteilung eines solchen – wohl nicht häufigen – Falles im Sinne einer teleologischen Reduktion nicht eingegangen werden“.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung bzw. des BMF sei daher der Wortlaut des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 teleologisch zu reduzieren. Nach den erläuternden Bemerkungen zu dieser Gesetzesbestimmung diene die Hauptwohnsitzbefreiung dazu den Veräußerungserlös des alten Hauptwohnsitzes zur Anschaffung des neuen Hauptwohnsitzes ungeschmälert zu nutzen.

Dieser Zweck werde durch den vorliegenden Sachverhalt allerdings in keinem Fall erfüllt. Die besagte Liegenschaft sei nach deren Anschaffung ausschließlich als Objekt der Vermögensverwaltung genutzt worden. Da aber das Eigentum niemals den Hauptwohnsitzzweck gedient habe, würde die Anwendung der Befreiung auch in diesem Fall am angestrebten Zweck der Bestimmung vorbeigehen.

In seiner gegen den Abweisungsbescheid eingebrachten Bescheidbeschwerde vom beantragte der Bf die Festsetzung der Immobilienertragsteuer mit „Null“.

In der Beschwerdebegründung führte der Bf aus, dass ihm der Erwerb des Reihenhauses S7 vom W-AG mit Datum  angeboten worden sei. Bereits vor Vorliegen dieses Anbots habe er sich entschlossen die Liegenschaft käuflich zu erwerben, zumal diese dem Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz unterlegen sei und daher der Kaufpreis durch die Anrechnung der in der Vergangenheit geleisteten Finanzierungsbeiträge sich als attraktiv erwiesen habe. Mit Datum habe er  – nach einigen Verzögerungen – den Kaufvertrag unterzeichnet und sei dieser mit Datum von der Verkäuferin gegengezeichnet worden.

Er habe bis Ende August 2012 das Reihenhaus als Hauptwohnsitz genutzt. Erst mit Beginn des neuen Schuljahres seiner Kinder sei der endgültige Umzug nach K erfolgt. Danach habe er sein Reihenhaus in W einer Vermietung zugeführt. So sehe der mit Andreas Günterseder abgeschlossene Mietvertrag als Einzugs- bzw. Übergabetermin den  vor. Ein weiteres Indiz für die Nutzung des Objektes S7 bis Ende August 2012 sei auch darin zu erblicken, dass der zweite Garagenplatz, welcher von der Gattin des Bf angemietet gewesen sei, von dieser erst Ende Oktober 2012 aufgekündigt worden sei.

Der Mietvertrag mit der Si Hausgemeinschaft betreffend das Objekt in K sei am geschlossen worden. Die verwaltungspolizeiliche Anmeldung (Wohnsitzmeldung) in K sei zwar bereits am geschehen, allerdings sei dies lediglich aufgrund einer entsprechenden mietvertraglichen Verpflichtung erfolgt. Für die Beurteilung des gegenständlichen Falles seien allerdings die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend. Das Wohnhaus in K sei für seine Wohnbedürfnisse angepasst worden und sei dieses im Sommer 2012 parallel zur Eigentumswohnung in W in untergeordnetem Ausmaß genutzt worden. Die endgültige Übersiedlung nach K sei allerdings erst Ende August 2012 erfolgt.

Im Blickwinkel des § 299 BAO sei festzuhalten, dass für die Beurteilung der Frage, ob die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 erfüllt sei oder nicht, der Rechtstitel der Nutzung (Miete oder Eigentum) irrelevant sei. So habe der VwGH in seinem Erkenntnis vom ausdrücklich festgehalten, dass „auf einen Rechtstitel (Eigentum) dabei nicht Bezug genommen wird“. Der Gerichtshof habe dabei unter Bezugnahme auf den klaren Gesetzeswortlaut festgestellt, dass Mietzeiten bei der Beurteilung der in § 30 Abs. 2 EStG 1988 ausgewiesenen Fristen einzubeziehen bzw. zu berücksichtigen seien.

Wenn die Behörde in der Bescheidbegründung ausführe, dass laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage die Hauptwohnsitzbefreiung dazu diene, den Veräußerungserlös des alten Hauptwohnsitzes zur Anschaffung eines neuen Hauptwohnsitzes ungeschmälert zu nutzen, so sei dem zuzustimmen. Allerdings würden die Erläuterungen von der „Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes“ und nicht von der „Anschaffung“ sprechen. Damit bleibe offen, wie der neue Wohnsitz auszusehen habe, insbesondere ob dieser sich auf Basis von Eigentum oder auf Basis eines Bestandverhältnisses gründe. Auch gehe aus den Erläuterungen nicht näher hervor, in welcher Zeitspanne der neue Hauptwohnsitz zu schaffen sei. Ausdrücklich festgehalten werde lediglich, dass der alte Hauptwohnsitz aufzugeben sei. Durch die Regelung, dass die Wohnsitzbefreiung dann greife, wenn mindestens 5 Jahre ein Hauptwohnsitz vorliege, sei klargestellt, unter welchen Detailbedingungen die Steuerbefreiung anwendbar sei. Die Hauptwohnsitzbefreiung fordere keine qualifizierte Mittelverwendung bezogen auf den Veräußerungserlös.

Ausdrücklich festgehalten werde in den Erläuterungen, dass eine Vermietung innerhalb der letzten 10 Jahre unschädlich sei, wenn die Fünfjahresfrist für den Hauptwohnsitz erfüllt sei. Wenn das Finanzamt moniere, dass der Bf das Wohnobjekt nach dessen Anschaffung für Zwecke der Vermögensverwaltung genutzt habe, so sei dies nicht zielführend. Die Fünfjahresfrist lege eindeutig fest, wann die Hauptwohnsitzbefreiung greife.

Die Rechtsauffassung des Finanzamtes, wonach es schädlich sei, wenn das Objekt in der Zeit mit Eigentumsstellung niemals als Hauptwohnsitz gedient habe, sei durch den klaren Gesetzeswortlaut nicht gedeckt. Weiters sei zu berücksichtigen, dass der vorliegende Sachverhalt eine Überschneidung von Hauptwohnsitz und Eigentum aufweise. Wirtschaftlich betrachtet habe sich der Bf spätestens seit dem Kaufanbot des W-AG vom in einer eigentümerähnlichen Position befunden. Dieser habe bis zum Auszug Ende August 2012 in der S7 seinen Hauptwohnsitz in der Position eines Eigentümers innegehabt. Auf die „zeitliche Dauer der Hauptwohnsitznutzung mit Eigentumsposition“ komme es gemäß den Ausführungen im VwGH-Erkenntnis vom  keinesfalls an. Ferner sei zu berücksichtigen, dass auch im ersten Hauptwohnsitzbefreiungstatbestand (§ 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988) eine Toleranzfrist von bis zu einem Jahr vertreten werde (siehe EStR, Rz 6632).

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die vom Finanzamt gezogene Schlussfolgerung, wonach mangels Überschneidung von Eigentum und Hauptwohnsitz die Hauptwohnsitzbefreiung nicht zum Tragen komme, als unrichtig zu qualifizieren sei. Der VwGH habe die grundsätzliche Tauglichkeit von Mietzeiten für die 5-jährige Hauptwohnsitzzeit bestätigt. Für eine vom klaren Wortlaut des Gesetzes abweichende Interpretation bleibe nach Auffassung des Bf kein Spielraum. Weiters gäbe es eine zeitliche Überschneidung von Hauptwohnsitz und Eigentumsstellung. Auch wenn diese Überschneidung kurz sei, so sei der vorliegende Sachverhalt mit der vom VwGH in seinem Erkenntnis vom beurteilten Fallkonstellation durchaus vergleichbar. So werde in beiden Fällen der überwiegende Teil der 5-jährigen Hauptwohnsitzposition in Mieterstellung und nur ein geringer Anteil in Eigentümerstellung erfüllt.

Aus diesem Grunde würden die Voraussetzungen für eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO vorliegen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Bescheidbeschwerde als unbegründet ab und führte begründend aus:

Laut Auszug aus dem Zentralen Melderegister (Abfrage vom , 14:15 Uhr) ist Herr BF seit seiner Geburt in Adr1, als Hauptwohnsitz gemeldet.

Vom bis war der Beschwerdeführer in der S7, Haus 6, W, als Mieter des W-AG. mit Nebenwohnsitz gemeldet. Seit bis dato erfolgte die Anmeldung als Nebenwohnsitz in K, L1.
Die Gattin des Beschwerdeführers, D Bf, hat laut Abfrage aus dem Zentralen Melderegister (Abfrage vom , 16:31 Uhr) in der S7, Haus 6, W, vom bis und seit in der L1, K, ihren Hauptwohnsitz gemeldet.

Laut Schreiben des steuerlichen Vertreters vom anlässlich einer vom Finanzamt Spittal Villach durchgeführten Nachschau hat Herr Bf zwar laut Melderegister seinen Hauptwohnsitz in Kärnten, sein faktischer Hauptwohnsitz lag in den Jahren 2002 bis Anfang 2012 jedoch durchgehend in W. So habe er gemeinsam mit seiner Frau D und seinen drei Kindern K1, K2 und K3 bis Anfang 2012 in der S7/RH 6 gewohnt und sei im Anschluss daran nach K gezogen. Die bestehende Meldung des Hauptwohnsitzes in Kärnten beruhe auf Nachlässigkeit. Herr Bf gab seinen Hauptwohnsitz deutlich vor dem Verkauf der Liegenschaft auf (siehe Seite 1 und 2 des Schreibens vom ).

Im Antrag auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO vom wird neuerlich ausgeführt, dass die Liegenschaft in der S7/RH 6, W, von Herrn Pufitsch von 2002 bis Anfang 2012 als Hauptwohnsitz genutzt wurde.

Im Abweisungsbescheid vom und der dazu ergangenen Bescheidbegründung vom wird seitens des Finanzamtes Spittal Villach die Ansicht vertreten, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Erwerbs der Liegenschaft S7, Haus 6, W, vom W.-AG., den Hauptwohnsitz dort bereits aufgegeben hatte und ihm die erworbene Liegenschaft in der Zeit als Eigentümer nicht als Hauptwohnsitz gedient habe.

In der Beschwerdeschrift vom wird nunmehr - entgegen den bisherigen Ausführungen - behauptet, Herr Bf habe die Eigentumswohnung bis Ende August 2012 als Hauptwohnsitz genutzt, nachdem der Kaufvertrag aufgrund eines Kaufanbots des W-AG. vom 24. Feber 2012 am zustande gekommen war.

Die Anmietung des neuen Wohnsitzes in K erfolgte mittels Mietvertrages vom . Die Wohnsitzmeldung in K sei zwar bereits am erfolgt, allerdings nur, weil es so im Mietvertrag verlangt war.

Ob ein „Hauptwohnsitz" vorliegt, ist von der Abgabenbehörde im Rahmen der Sachverhaltswürdigung eigenständig zu beurteilen (vgl. ).

Vom Finanzamt Spittal Villach wird der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage wie folgt gewürdigt:

Der Beschwerdeführer hatte vom Jahr 2002 bis Ende April 2012 den Hauptwohnsitz in der am erworbenen Liegenschaft S7, Haus 6, W.

Mit Mietvertrag vom mietete der Beschwerdeführer von der Hausgemeinschaft Si ein Einfamilienhaus samt Nebengebäude (Gartenhaus) in der L1, K, zum damaligen monatlichen Mietzins von 2.700 Euro zuzüglich Umsatzsteuer.

Die Übergabe des Mietobjekts erfolgte am (siehe Punkt 11 des Mietvertrages). Das Mietverhältnis hat am begonnen (siehe Punkt 2 des Mietvertrages) und ist bis dato aufrecht.
Der Beschwerdeführer hatte somit als Mieter den Hauptwohnsitz in der S7/RH 6, W, von 2002 bis April 2012. Nachdem er den Hauptwohnsitz bereits nach K verlegt hatte, erwarb er das bisherige Mietobjekt in der S7/RH 6, W, und veräußerte es am um 455.000 Euro.

Für den Veräußerungsgewinn macht der Beschwerdeführer die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 geltend. Nach dieser Bestimmung sind private Grundstücksveräußerungen von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen von der Besteuerung ausgenommen, wenn sie dem Veräußerer innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

In seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0005, bringt der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, dass nicht nur Zeiten als Eigentümer, sondern auch als Mieter in die Fristenberechnung der Dauer des Hauptwohnsitzes einzubeziehen sind. In Rz 21 dieses Erkenntnisses findet sich jedoch folgender Hinweis des VwGH: „Der in den Erläuterungen umschriebene Sinn und Zweck der Befreiung mag darauf hindeuten, dass ihm die Befreiung bei Erwerb der Wohnung erst nach Aufgabe des Hauptwohnsitzes und ohne Zusammenhang damit nicht entspräche, doch braucht auf die hypothetische Beurteilung eines solchen - wohl nicht häufigen - Falles im Sinne einer teleologischen Reduktion hier nicht eingegangen zu werden."

Im Beschwerdefall hatte der Beschwerdeführer - entgegen der neu aufgestellten Behauptung in der Beschwerdeschrift - zu keinem Zeitpunkt den Hauptwohnsitz im veräußerten Gebäude als Eigentümer inne, sondern stets nur als Mieter.

Das Finanzamt vertritt daher die Ansicht, dass nach dem Sinn und Zweck der Befreiungsbestimmung in einem derartigen Fall die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 nicht anwendbar ist.

Da der Einkommensteuerbescheid vom keine inhaltliche Unrichtigkeit hinsichtlich der Nichtgewährung der Hauptwohnsitzbefreiung erkennen lässt, war die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom als unbegründet abzuweisen.“

Mit Antrag vom beantragte der Bf die Vorlage seines Rechtmittels an das BFG, wobei die bereits im Beschwerdeschriftsatz vertretenen Argumente Wiederholung fanden.

Das Finanzamt legte die gegenständliche Beschwerde dem BFG vor und gab in seinem Vorlagebericht nachfolgende Stellungnahme ab:

„Der Beschwerdeführer beantragt die Bescheidaufhebung gemäß 299 Abs. 1 BAO hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides 2015 vom mit der Begründung, dass für den Verkauf der 2012 erworbenen Liegenschaft die Hauptwohnsitzbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 zustehe. Nach dieser Bestimmung sind private Grundstücksveräußerungen von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen von der Besteuerung ausgenommen, wenn sie dem Veräußerer innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird.

In seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0005, bringt der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, dass nicht nur Zeiten als Eigentümer, sondern auch als Mieter in die Fristenberechnung der Dauer des Hauptwohnsitzes einzubeziehen sind. In Rz 21 dieses Erkenntnisses findet sich jedoch folgender Hinweis des VwGH: „Der in den Erläuterungen umschriebene Sinn und Zweck der Befreiung mag darauf hindeuten, dass ihm die Befreiung bei Erwerb der Wohnung erst nach Aufgabe des Hauptwohnsitzes und ohne Zusammenhang damit nicht entspräche, doch braucht auf die hypothetische Beurteilung eines solchen – wohl nicht häufigen – Falles im Sinne einer teleologischen Reduktion hier nicht eingegangen zu werden.“

Im Beschwerdefall hatte der Beschwerdeführer – entgegen der neu aufgestellten Behauptung in der Beschwerdeschrift - zu keinem Zeitpunkt den Hauptwohnsitz im veräußerten Gebäude als Eigentümer inne, sondern stets nur als Mieter.

Das Finanzamt vertritt daher die Ansicht, dass nach dem Sinn und Zweck der Befreiungsbestimmung in einem derartigen Fall die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988 nicht anwendbar ist.

Da der Einkommensteuerbescheid vom keine inhaltliche Unrichtigkeit hinsichtlich der Nichtgewährung der Hauptwohnsitzbefreiung erkennen lässt, ist nach Ansicht des Finanzamtes die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid vom als unbegründet abzuweisen .“

In den von der belangten Behörde zur Vorlage gebrachten Verwaltungsakten liegen nachstehende Urkunden ein:

  • Mietvertrag vom , abgeschlossen zwischen W-AG und den Eheleuten Bf betreffend Reihenhaus S7, W;

  • Anbot des W-AG vom betreffend Verkauf des Reihenhauses S7, W;

  • Kaufvertrag vom 9.8. bzw. , abgeschlossen zwischen W-AG und Bf betreffend obgenannte Liegenschaft;

  • Hauptmietvertrag vom , abgeschlossen zwischen Bf und Ge betreffend obgenannte Liegenschaft;

  • Bestätigungsschreiben des W-AG an Daniela Bf vom betreffend  Aufkündigung des angemieteten Garagenplatz Nr. 7/04 in W, S7, per Datum ;

  • Kaufvertrag vom , abgeschlossen zwischen Bf und IM/BA betreffend Liegenschaft W, S7;

  • Mietvertrag vom , abgeschlossen zwischen Hausgemeinschaft Si als Vermieterin einerseits und dem Bf als Mieter andererseits betreffend Liegenschaft K, L1;

  • Garagierungsvertrag vom , abgeschlossen zwischen W-AG und DanielaPufitsch betreffend Einstellplatz W, S7/ H3.


Über die vorliegende Beschwerde hat das Gericht erwogen:

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht konnten folgende Feststellungen getroffen werden:

Mit Bestandvertrag vom mietete der Bf und seine Gattin D die auf Grundlage des WEG 1975 errichtete Liegenschaft S7 (Reihenhaus Nr 6) vom W-AG als Eigentümerin.

Der Bf lebte in dem besagten Objekt gemeinsam mit seiner Familie (Gattin und drei Kinder) bis 2012. Mit Anbot vom wurde das Objekt dem Bf und seiner Gattin von Seiten der W-AG zum Kauf angeboten;  festgehalten wurde dabei, dass der seinerzeit (bei Anmietung) geleistete Finanzierungsbeitrag nach § 17 (1) WGG auf den Kaufpreis angerechnet werde.

Mit Kaufvereinbarung vom 9. bzw.  erwarb der Bf das Objekt zu einem Barkaufpreis von € 263.280 in sein Alleineigentum.

In der Folge wurde das Objekt vom Bf für die Vermögensverwaltung genutzt; so wurde dieses mit Bestandvertrag vom für eine vereinbarte Dauer von 3 Jahren in Bestand gegeben.

Mit Datum erfolgte die Kündigung eines von der Gattin des Bf in der Wohnanlage angemieteten Garagenplatzes.

Mit Datum mietete der Bf von der Hausgemeinschaft Si ein in K, L1, situiertes Wohnhaus samt Nebengebäude und Garten, welches der Familie als Hauptwohnsitz diente. Der diesbezügliche Bestandvertrag wurde zunächst auf 3 Jahre befristet abgeschlossen, wobei die Möglichkeit einer einvernehmlichen Verlängerung des Mietverhältnisses ausdrücklich vertraglich festgehalten wurde. Der Bestandvertrag wies zudem die Klausel auf, dass der Bf verpflichtet sei, sich und seine Familienangehörigen „amtlich anzumelden und die Anmeldung dem Vermieter in Kopie vorzulegen“. Als Beginn des Mietverhältnisses wurde der vereinbart.

Laut Abfrage des ZMR hatte der Bf seinen Wohnsitz ab dem in K, L1. In der Zeit vom bis zum war der Bf in W, S7, gemeldet. Beide Wohnsitze waren Nebenwohnsitze, der Hauptwohnsitz (gemäß MeldeG 1991) des Bf befand sich seit seiner Geburt in Kärnten.

Bei der Gattin des Bf, D Bf, ergibt sich hinsichtlich ihrer meldebehördlichen Erfassung folgendes Bild: In der Zeit zwischen dem und dem war diese in W, S7, hauptwohnsitzlich gemeldet. Mit Datum verlegte diese ihren Wohnsitz (wie auch ihr Gatte) nach K, L1. Auch diesen Wohnsitz führte D Bf als Hauptwohnsitz.

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens brachte der Bf vor, dass die Wohnung in W als Eigentumswohnung bis Ende August 2012 als Hauptwohnsitz genutzt worden sei. Der Umzug nach K sei erst mit dem Beginn des neuen Schuljahres der Kinder erfolgt. Im Sommer 2012 sei eine parallele Nutzung beider Wohnungen erfolgt.

Im gegenständlichen Fall steht in Streit, ob bei der vorliegenden Sachlage die Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 lit b EStG 1988 zur Anwendung gelangen kann und damit die Möglichkeit einer Bescheidaufhebung nach § 299 BAO durch die Abgabenbehörde besteht. Nur wenn sich ein behördlicher Bescheid als rechtswidrig erweist, kann die Behörde diesen nach der genannten Bestimmung binnen Jahresfrist nach dessen Erlassung auf Antrag der Partei oder von Amts wegen aus dem Rechtsbestand heben. Die Aufhebung eines rechtskräftigen aber rechtswidrigen Bescheides innerhalb der Jahresfrist steht im Ermessen der bescheiderteilenden Behörde. Bei der Ermessensübung kommt dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine zentrale Bedeutung zu, wobei dem Prinzip der Rechtsmäßigkeit der Besteuerung (Rechtsrichtigkeit) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit (Rechtsbeständigkeit) einzuräumen ist. Eine Bescheidaufhebung wird idR dann nicht vorzunehmen sein, wenn sich die Rechtswidrigkeit bloß als geringfügig erweist.

Vorab ist daher festzustellen, ob der aufzuhebende Bescheid überhaupt mit dem Mangel der Rechtswidrigkeit belastet ist. Daher gilt es abzuklären, ob die vorliegende Sachlage überhaupt die Anwendung der Hauptwohnsitzbefreiung iZm der Immobilienertragsteuer zulässt.

Die Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 in der Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl.I Nr. 22, lautet:

"(2) Von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte:

  • Aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit.b), wenn sie dem Veräußerer

    a) ab der Anschaffung bis zur Veräußerung für mindestens zwei Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird oder

    b) innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung mindestens fünf Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben und der Hauptwohnsitz aufgegeben wird."

In den EB zur RV zum 1.Stabilitätsgesetz 2012, 1680 BlgNR 24. GP 7f, wurde die Neugestaltung der "Hauptwohnsitzbefreiung" wie folgt begründet bzw. erläutert:

"Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken und anderen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, sollen grundsätzlich der Steuerpflicht unterliegen, wenn die Veräußerung nach dem stattfindet. (...) Von der Besteuerung ausgenommen sind wie bisher Eigenheime und Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), die zwischen Anschaffung und Veräußerung durchgehend für mindestens zwei Jahre den Hauptwohnsitz des Veräußerers darstellen. Ergänzend soll aber die Veräußerung auch dann befreit sein, wenn das Objekt dem Veräußerer innerhalb der letzten 10 Jahre für mindestens 5 Jahre durchgehend als Hauptwohnsitz gedient hat. Diese Ergänzung ist insbesondere deshalb erforderlich, weil eine ununterbrochene Aufrechterhaltung des Hauptwohnsitzes bei einer unbegrenzten Steuerhängigkeit als unverhältnismäßige Anforderung für eine Steuerbefreiung erscheint. Daher soll die Hauptwohnsitzbefreiung auch dann greifen, wenn der Hauptwohnsitz zumindest für einen erheblichen Zeitraum vor der Veräußerung bestanden hat. Die Hauptwohnsitzbefreiung ist wie bisher vorrangig zur Herstellerbefreiung. Daher ist beispielsweise eine Vermietung innerhalb der letzten zehn Jahre nicht schädlich, wenn die Fünfjahresfrist für den Hauptwohnsitz erfüllt ist.

Da der Hauptwohnsitz nicht unmittelbar vor der Veräußerung gegeben sein muss, besteht die Befreiung auch für jene Steuerpflichtige, die vor der Veräußerung den Hauptwohnsitz bereits aufgegeben haben. Daher ist zB im Zuge einer Scheidung auch jener Ehepartner begünstigt, der noch vor der Veräußerung des im Eigentum beider Ehepartner stehenden Eigenheimes, aus dem gemeinsamen Ehewohnsitz ausgezogen ist.

Entsprechend dem Sinn und Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung, der darin besteht, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht, soll klargestellt werden, dass die Steuerbefreiung nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn der Hauptwohnsitz in diesem Eigenheim oder dieser Eigentumswohnung auch tatsächlich aufgegeben wird ."

Der VwGH hatte sich in seinem Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0005, mit der Frage auseinandergesetzt, ob denn bei der Berechnung der Fünfjahresfrist jene (vorgelagerten) Zeiten, in welchen die ETW zunächst als Mietwohnung genutzt wurde, miteinzubeziehen seien. Der Gerichtshof hielt dazu fest, dass bei Beurteilung der Fünfjahresfrist, der der Nutzung zugrunde liegende Rechtstitel unbeachtlich sei. Sonach seien jene Zeiten, in welchen die Eigentumswohnung lediglich angemietet gewesen sei, bei der Beurteilung der Fünfjahresfrist einzurechnen, sofern diese als Hauptwohnsitz genutzt worden sei. Unstrittig war in dem vom VwGH zu beurteilenden Sachverhalt, dass die ETW bis zum Zeitpunkt ihrer Veräußerung der revisionswerbenden Partei als Hauptwohnsitz gedient hatte.

Richtig ist, dass der VwGH im besagten Erkenntnis unter Rz 21 in einem obiter dictum den Gedanken aufwarf, ob denn die Veräußerung der Liegenschaft nach Aufgabe des Hauptwohnsitzes unter die Wohnsitzbefreiungsbestimmung subsumierbar wäre. Der in den Erläuterungen beschriebene „Sinn und Zweck“ der Befreiung, so der VwGH, deute darauf hin, dass eine Befreiung bei Erwerb der Wohnung „nach Aufgabe des Hauptwohnsitzes und ohne Zusammenhang damit“ nicht zustehe. Ob denn eine derartige teleologische Reduktion vorzunehmen sei oder nicht, darauf gab der VwGH allerdings keine Antwort, zumal in dem von ihm zu beurteilenden Fall ein konkretes Einlassen in diese Problematik aufgrund der vorliegenden Sachlage nicht erforderlich war. Der Revisionswerber hatte nämlich die ETW erworben, die ihm lange Zeit hindurch und auch noch im Zeitpunkt des Erwerbs als Hauptwohnsitz gedient hatte.

Im vorliegenden Fall stellt sich ua. die Frage, ob denn das (den Bestimmungen des WEG unterliegende) Reihenhaus in W im Zeitpunkt seines Erwerbes (August 2012) dem Bf und seiner Familie noch als Hauptwohnsitz gedient hatte. 

Der Bf führte in seinem Antrag auf Bescheidaufhebung aus, dass die ETW in W „von 2002 bis Anfang 2012 als Hauptwohnsitz“ genutzt worden sei. Die Liegenschaft sei mit Kaufvertrag vom vom Bf erworben worden und gab dieser „seinen Wohnsitz auf und zog im Anschluss nach K, wo er seit 2012 wiederum auch steuerlich gemeldet ist“. In der Bescheidbeschwerde präzisierte der Bf seine Ausführungen und brachte vor, dass dieser „die Eigentumswohnung als Hauptwohnsitz bis Ende August 2012 genutzt“ habe. Der Umzug nach K sei letztlich erst mit Beginn des neuen Schuljahres der Kinder erfolgt. Erst danach sei die ETW vermietet worden. Der am mit dem Mieter Ge. abgeschlossene Mietvertrag habe als Übergabe- bzw. Einzugstermin den vorgesehen. Auch sei der zweite von der Gattin des Bf in der Wohnanlage angemietete Garagenplatz erst im Oktober 2012 aufgegeben bzw. aufgekündigt worden. Es sei zutreffend, dass die Wohnsitzanmeldung in K bereits mit Datum erfolgt sei, allerdings nur um einer diesbezüglichen Klausel im Mietvertrag zu entsprechen. Das Haus in K sei für die Wohnbedürfnisse des Bf und seiner Familie angepasst worden und sei dieses im Sommer 2012 parallel zur ETW in W in untergeordnetem Ausmaß genutzt worden. Die endgültige Übersiedlung nach K sei allerdings erst Ende August 2012 erfolgt.

Das Gericht hält fest, dass das Vorbringen des Bf sich im Sommer 2012 an beiden Orten, und zwar sowohl in W als auch in K aufgehalten zu haben, durchaus plausibel erscheint. Fakt ist allerdings auch, dass der Bf, seine Gattin und seine drei zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährigen Kinder K2, K3 und K1, sich am Wohnsitz in W per abgemeldet und am selben Tage in K verwaltungspolizeilich angemeldet hatten. Diese Tatsache stellt zumindest ein nicht unwesentliches Indiz dafür da, dass der eigentliche Lebensmittelpunkt der Familie des Bf ab diesem Tag bereits in K war. Daran vermag auch der Einwand, wonach der Bf laut Mietvertrag zur verwaltungspolizeilichen Meldung in K verpflichtet gewesen sei, nichts zu ändern. Der Mietvertrag selbst enthält keine Frist, innerhalb derer die Meldebestätigung der Vermieterin vorzulegen ist. Das Meldegesetz 1991 selbst erfordert die Vornahme von An- und Abmeldung innerhalb einer Frist von drei Tagen ab Bezug oder Aufgabe der jeweiligen Unterkunft. 

Der Umstand der verwaltungspolizeilichen Anmeldung in K per spricht nach Auffassung des Gerichtes dafür, dass es wahrscheinlicher ist, dass der Lebensmittelpunkt (iSe Familienhauptwohnsitzes) des Bf und seiner Familie sich ab diesem Zeitpunkt bereits in K befunden hat als (noch) in W. Eine Beurteilung dieser Frage lässt sich letztendlich ohnedies nur anhand von Indizien festmachen, zumal die innere Intention eines Steuerpflichtigen einer anderweitigen Überprüfung bzw. Verifizierung nicht zugänglich ist.

Dem Einwand des Bf, wonach die ETW in W erst mit vermietet und der von  Gattin D angemietete zweite Garagenplatz erst Ende Oktober aufgegeben worden sei, kommt nach Auffassung des Gerichtes nicht jener Stellenwert zu, der es zuließe, die verwaltungspolizeiliche Wohnsitzmeldung im Rahmen der Beurteilung eines (Familien-)Hauptwohnsitzes auszublenden bzw. als unerheblich zu qualifizieren. Das Gericht trifft diese Annahme im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung. Dass die ETW in W vom Bf und seiner Familie auch noch im Sommer 2012 genutzt wurde, wird vom Gericht - wie ausgeführt - ohnehin nicht angezweifelt. 

Für die steuerrechtliche Beurteilung des ggst Falles ist die Beantwortung der Frage, ob denn eine Überschneidung von Hauptwohnsitzzeiten mit jenen der Innehabung des erworbenen Objektes als Eigentümer stattgefunden hat, ohnedies nebensächlich.

In Bezug auf die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. b EStG 1988, laut der das Eigenheim oder die ETW dem Veräußerer innerhalb der letzten zehn Jahre vor der Veräußerung zumindest für fünf Jahre als HWS gedient haben muss, erweist es sich grundsätzlich als nicht schädlich, wenn der HWS bereits vor der Veräußerung aufgegeben worden ist (vgl 1680 der Beilagen XXIV. GP, 8). Dennoch liegt der Befreiungsbestimmung die Überlegung zugrunde, dass der Veräußerungserlös aus dem Verkauf des (ehemaligen) Hauptwohnsitzes typischerweise der Finanzierung eines neuen HWS dient (vgl. /0006). Dass im vorliegenden Fall der Erlös aus dem Verkauf der ETW der Finanzierung des Mietobjektes in K gedient hätte bzw. - in abstracto - dienen hätte können, kann bereits aufgrund der langen Zeitspanne zwischen Anmietung des Wohnhauses in K (Mietvertrag vom ) und Verkauf der (erst nach Anmietung des Wohnhauses in K) erworbenen Eigentumswohnung in W (Kaufvertrag vom ) nicht angenommen werden. Derartiges wurde im Beschwerdeverfahren vom Bf auch nicht vorgebracht und finden sich für eine derartige Annahme auch keine Anhaltspunkte. Die verstrichene Zeitspanne ist nach Auffassung des Gerichtes nicht einmal ansatzweise geeignet, um die Annahme begründen zu können, dass der Erlös aus dem Verkauf der ETW der Schaffung eines neuen HWS dienen hätte können. Dies gilt umso mehr, da es sich bei dem als HWS des Bf und seiner Familie dienenden Wohnhaus in K um ein bereits bestehendes Objekt handelte und nicht etwa um den Neubau eines Eigenheimes, dem etwa der Ankauf einer Bauparzelle bzw. ein (durch Ausübung von Nachbarrechten) überlanges baubehördlichen Verfahren vorausgegangen wäre. Dass es im Einzelfall Konstellationen geben mag, in welchen ein (sachlicher) Zusammenhang zwischen der Veräußerung des alten und der Schaffung eines neuen HWS trotz Verstreichen eines mehrjährigen Zeitraumes objektiv noch erkennbar ist, entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung (vgl. , und Schatzl in BFG journal, Juli/August 2017, S 258f). Im hier zu beurteilenden Fall allerdings wurde die Immobilie in W aus Anlass des (durch die Anrechnung des seinerzeit als Bestandnehmer geleisteten Finanzierungsbeitrages nach WGG) relativ günstigen Kaufpreises als eine der Vermögensverwaltung dienende Wertanlage angeschafft, welche - nachdem die Familie des Bf ihren neuen Hauptwohnsitz in K begründet hatte - im Herbst 2012 der Vermietung zugeführt und im Jahre 2015 schlussendlich veräußert wurde.  

Da bei dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt die Absicht des Gesetzgebers, wonach der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung stehen solle, für das Gericht offenkundig nicht vorliegt und auch nicht vorliegen kann, muss der Wortlaut der Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 lit b EStG 1988 teleologisch reduziert werden. Eine reine Wortinterpretation des Gesetzestextes wäre im gegenständlichen Fall zu extensiv, stünde diese diametral zum eindeutigen Regelungszweck bzw. Ziel dieser gesetzlichen Bestimmung. Daher war die besagte Norm auf Basis des vom Gesetzgeber verfolgen Ziels zu interpretieren.

Aus diesem Grunde bleibt für eine Anwendung der Befreiungsbestimmung nach § 30 Abs. 2 Z 1 lit b EStG 1988 kein Raum.

Aus dieser steuerrechtlichen Beurteilung ergibt sich, dass der Einkommensteuerbescheid 2015, dessen Aufhebung nach § 299 BAO vom Bf begehrt wurde, mit der geltenden Rechtslage in Einklang steht. Sohin fehlt es für eine Bescheidaufhebung nach § 299 BAO an einer tauglichen Rechtsgrundlage.

Begründung nach § 25a Abs. 1 VwGG

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da zur Frage, ob bei gegenständlicher Fallkonstellation eine Interpretation der bezughabenden Norm im Wege einer teleologischen Reduktion anzustellen ist, eine höchstgerichtliche Steuerjudikatur bislang nicht vorliegt, wird die ordentliche Revision zugelassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Hauptwohnsitzbefreiung (ImmoESt)
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.4100397.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at