Herabsetzung der Einsatzgebühren nach § 28 Abs .2 des Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetzes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache NameBf, AdresseBf, vertreten durch Gebhard Klötzl, Leegasse 7/7, 1140 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Magistratsabteilung 70 Fachbereich vom , MA 70-*******, betreffend Einsatzgebühren zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, als der Beschwerdeführer verpflichtet ist, für die am erfolgte Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes gemäß §§ 28, 29 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, WRKG und gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung des Wiener Gemeinderates betreffend die Festsetzung der Gebühren gemäß §§ 28 Abs. 3 und 29 Abs. 4 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz - WRKG im Zusammenhang mit § 210 Bundesabgabenordnung (BAO) eine verminderte Gebühr von 109,06 Euro zu entrichten.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Dem Beschwerdeführer wurden von der belangten Behörde mit Bescheid vom die Gebühren für einen Rettungseinsatz der Wiener Berufsrettung vom in Höhe von 694,00 Euro vorgeschrieben.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass für den Zeitpunkt des Rettungseinsatzes kein Versicherungsanspruch habe festgestellt werden können bzw. eine Übernahme der Einsatzgebühren seitens des zuständigen Sozialversicherungsträgers abgelehnt worden sei.
In der dagegen eingebrachten Beschwerde führte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers aus, dieser sei tatsächlich am von der Besatzung eines Rettungswagens angesprochen worden, ob er Hilfe benötige. Der Beschwerdeführer sei etwas alkoholisiert gewesen und habe sich auf dem Heimweg zu seiner Wohnung befunden. Der Sanitäter habe sich selbst davon überzeugt, dass keine Notwendigkeit zum Einschreiten bestanden habe.
Der Beschwerdeführer wisse bis heute nicht, wer eigentlich die Rettung unnötigerweise gerufen habe. Er könne nur vermuten, dass es eine alte Frau gewesen sei, die kurz vorher an ihm vorbeigekommen und ihn unnötigerweise angesprochen habe. Der Beschwerdeführer habe aber ausdrücklich bestätigt, dass alles in Ordnung sei. Er habe sich, nachdem die Rettung wieder weggefahren sei, aus eigener Kraft in seine nicht weit entfernte Wohnung begeben.
Als Beweis werde die Parteieneinvernahme des Beschwerdeführers und die Einvernahme von Frau G als Zeugin angeboten.
Die Behörde habe es offensichtlich verabsäumt, den Sachverhalt ausreichend zu erheben, sodass sie aufgrund unrichtiger Tatsachenfeststellung zu einem fehlerhaften (rechtswidrigen) Bescheid gekommen sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen, wobei im Wesentlichen darauf verwiesen wurde, dass seitens der Wiener Gebietskrankenkasse aufgrund der Diagnose "Alkoholintoxikation" eine Gebührenübernahme abgelehnt worden sei. Auf die Entscheidung der Sozialversicherungsträger, eine Übernahme der Einsatzgebühren abzulehnen, habe die Magistratsabteilung 70 keinen Einfluss. Dem Beschwerdeführer stehe es jedoch frei, sich seinerseits mit der Gebietskrankenkasse in Verbindung zu setzen und eine Gebührenübernahme abzuklären. Im Fall einer nachträglichen Bewilligung durch den zuständigen Sozialversicherungsträger könne von einer Einhebung zur Gänze abgesehen und der Bescheid als gegenstandslos angesehen werden.
Im Vorlageantrag vom brachte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers vor, die Beschwerdevorentscheidung enthalte nur eine "Scheinbegründung", sie gehe nicht auf das Beschwerdevorbringen ein. Es werde ausdrücklich die Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht, zumal auch der ursprüngliche Bescheid keine konkreten Sachverhaltsfeststellungen enthalte, wer die Rettung tatsächlich gerufen habe und in welchem Zustand der Beschwerdeführer gewesen sei. In Ergänzung der bereits in der Bescheidbeschwerde gestellten Beweisanträge werde beantragt, den einschreitenden Rettungssanitäter als Zeugen einzuvernehmen, dass dieser aus eigenem gesagt habe, dass ein Mitkommen des Beschwerdeführers unnötig sei. Der rechtsfreundliche Vertreter stellte den Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
Mit Vorlagebericht vom wurde der Beschwerdeführer über die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht informiert.
Nach Erhalt des Vorlageberichtes änderte der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom den Beschwerdeantrag wie folgt ab:
"Der Beschwerdeführer wohnt in AdresseBf. Am Vorfallstag kam er in alkoholisiertem Zustand heim und fand seine Schlüssel nicht. Daher setzte er sich etwas ratlos auf den Treppenabsatz vor seiner Wohnung und schlief dabei unbeabsichtigt ein. Die einschreitende Rettung, die er nicht gerufen hat, weckte ihn auf, der Sanitäter fand die Schlüssel und brachte ihn bloß in seine Wohnung, wo er eben dann "seinen Rausch ausschlief". Eine eigentliche sanitäterische oder gar ärztliche Intervention war nicht erforderlich. Daher ist für den Beschwerdeführer überhaupt nicht einzusehen, warum er eine Gebühr zahlen soll. Die Höhe der Gebühr ist für ihn, da er Arbeitslosengeld bezieht, im übrigen existentiell ruinös.
Es wird somit wiederholt der
A n t r a g ,
den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben, sodass dem Beschwerdeführer keinerlei Einsatzkosten vorgeschrieben werden."
Der Antrag auf Zeugeneinvernahme von Frau G wurde in einem zurückgezogen.
Diese Ausführungen wurden der belangten Behörde in Wahrung des Parteiengehörs mit dem Ersuchen übermittelt, bekanntzugeben, ob in Anbetracht der finanziellen Situation des Beschwerdeführers gemäß § 28 Abs. 2 WRKG von der Vorschreibung der Gebühr Abstand genommen werden kann.
Die belangte Behörde teilte mit, dass aufgrund der finanziellen Situation des Beschwerdeführers die Angelegenheit als besonders berücksichtigungswürdig zu beurteilen sei und von der Einhebung der Einsatzgebühr bis auf eine Zahlung von 109,06 Euro abgesehen werden könne.
Der rechtsfreundliche Vertreter nahm mit Mail vom den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
1. Sachverhaltsfeststellungen
Die Wiener Berufsrettung wurde am um 15:34 Uhr zur Adresse AdresseBf, gerufen. Die Anforderung erfolgte unter dem Berufungsgrund "bewusstlos". Der Beschwerdeführer wurde liegend und schlafend im Stiegenhaus angetroffen. Er war alkoholisiert und wies ein leicht unsicheres Gangbild auf. Er wurde am Einsatzort belassen.
Die Wiener Gebietskrankenkasse als zuständiger Sozialversicherungsträger lehnte eine Gebührenübernahme ab.
Der Beschwerdeführer bezieht seit Notstandshilfe.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem von der MA 70 vorgelegten Verwaltungsakt und stützt sich insbesondere auf die Einsatzbeschreibung vom .
Im Einsatzbericht finden sich die folgenden Informationen:
"Pat liegend und schlafend im Stiegenhaus angetroffen
Pat konnte erweckt werden
Pat gibt an heute ein bißchen Alkohol getrunken zu haben da er mit seiner Freundin Streit hatte
Pat konnte selbständig aufstehen und in seine Wohnung gehen
Pat auf allen vier Ebenen orientiert
Leicht unsicheres Gangbild
Pat möchte keine Untersuchung da er laut ihm ja nur ein bißchen zu viel getrunken hat"
Die Erstdiagnose der Einsatzkräfte lautete auf Erkrankung mit Indikation Alkohol.
Dass der Beschwerdeführer Alkohol konsumiert hat, wurde von diesem nicht bestritten.
Aus dem in der Einsatzbeschreibung festgehaltenen Sachverhalt ist nachvollziehbar, dass im Zeitpunkt der Anforderung des Rettungsdienstes eine Notwendigkeit für einen Rettungseinsatz gegeben war.
Aufgrund der aktenkundigen Sachlage liegt eine Begründung für den Rettungseinsatz eindeutig vor und ist es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges gekommen. Diese Tatsachen sind ausreichend, um eine Gebührenpflicht entstehen zu lassen.
Unstrittig ist die Tatsache, dass die Wiener Gebietskrankenkasse als zuständiger Sozialversicherungsträger eine Gebührenübernahme abgelehnt hat.
3. Rechtliche Beurteilung
Strittig ist, ob der Einsatz der Wiener Berufsrettung gerechtfertigt war und eine Gebührenvorschreibung an den Beschwerdeführer rechtmäßig ist.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetzes (WRKG), in der Fassung LGBl. für Wien 56/2010, lauten:
Rettungsdienst
§ 1. Aufgaben eines Rettungsdienstes sind:
1. Personen, die eine erhebliche Gesundheitsstörung oder erhebliche Verletzung erlitten haben, erste Hilfe zu leisten, sie transportfähig zu machen und sie erforderlichenfalls unter sachgerechter Betreuung mit geeigneten Transportmitteln in eine Krankenanstalt zu befördern oder ärztlicher Hilfe zuzuführen;
2. Personen wegen unmittelbarer Lebensgefahr sofortige erste notärztliche Hilfe zu leisten, die anders nicht gewährleistet ist;
3. den Transport von Personen durchzuführen, bei denen lebenswichtige Funktionen ständig überwacht oder aufrecht erhalten werden müssen;
[…]
Krankentransportdienst
§ 2. (1) Aufgabe eines Krankentransportdienstes ist es, Personen, bei denen während des Transports eine Betreuung durch Sanitäter medizinisch notwendig ist und die aus medizinischen Gründen kein gewöhnliches Verkehrsmittel benützen können, unter sachgerechter Betreuung mit geeigneten Transportmitteln zu befördern.
[…]
Gebühr
§ 28. (1) Für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Transport), ist eine Gebühr zu entrichten, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt.
(2) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann von der Einhebung der Gebühr ganz oder teilweise abgesehen werden.
(3) Der Gemeinderat wird ermächtigt, sofern eine solche Ermächtigung nicht ohnedies bundesgesetzlich eingeräumt ist, die Gebühren in einer Gebührenordnung festzusetzen. Eine Gebührenordnung kann bis zu einem Monat rückwirkend erlassen werden.
(4) In der Gebührenordnung sind für jede einzelne Art oder eine Mehrheit ähnlicher Arten einer Inanspruchnahme Gebühren vorzusehen. Diese Gebühren sind nach den mit der Inanspruchnahme üblicherweise verbundenen Kosten, insbesondere nach Anzahl der gefahrenen Kilometer, nach Anzahl und Art des eingesetzten Personals sowie nach Art und Dauer des Einsatzes abzustufen. Insoweit es aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei der Ermittlung des Ausmaßes der Gebühren zweckmäßig ist, sind diese für bestimmte Arten der Inanspruchnahme oder Teile davon in Pauschbeträgen festzusetzen.
(5) Die Höhe der Gebühren ist unter Zugrundelegung der sich in einem Kalenderjahr voraussichtlich ergebenden Zahl von Einsätzen und des auf ein Kalenderjahr entfallenden Gesamtaufwandes derart festzusetzen, dass die Summe der zur Einhebung gelangenden Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb des öffentlichen Rettungsdienstes sowie für die Verzinsung und Tilgung der Anlagekosten nicht übersteigt.
(6) Für Einsätze außerhalb Wiens können unter Berücksichtigung des sich daraus ergebenden Mehraufwandes Zuschläge pro gefahrenem Kilometer festgesetzt werden.
(7) Die Gebührenordnung ist im Amtsblatt der Stadt Wien kundzumachen.
Zahlungspflicht
§ 29. (1) Gebührenschuldner ist derjenige, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, und zwar auch dann, wenn die Hilfeleistung oder der Transport wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes des Gebührenschuldners unterblieb. Die Gebühr ist auch dann zu entrichten, wenn der öffentliche Rettungsdienst zu Personen gerufen wird, ohne dass die im § 1 Z 1 bis 4 geforderten Voraussetzungen gegeben waren, sofern das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund des Zustandsbildes mit gutem Grunde angenommen werden konnte.
(2) Bei Zahlungsunfähigkeit des Gebührenschuldners haften für die Entrichtung der Gebühr nach Abs. 1 Personen im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht. Ist die Verletzung oder Gesundheitsstörung, die zu einer Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes geführt hat, auf ein Ereignis zurückzuführen, für das zufolge gesetzlicher Vorschrift ein Dritter einzustehen hat, haftet dieser bis zur Höhe der noch unbeglichenen Gebühr.
(3) Unbeschadet eintretender Straffolgen und privatrechtlicher Schadenersatzpflicht sind Gebührenschuldner die Personen, die einen vergeblichen Einsatz des öffentlichen Rettungsdienstes veranlassen, obwohl kein Anlass für einen Einsatz besteht.
(4) Wird am Ort einer Veranstaltung im Sinne des Wiener Veranstaltungsgesetzes, LGBl. für Wien Nr. 12/1971, in der jeweils geltenden Fassung, vom Veranstalter, vom Geschäftsführer oder von einer Aufsichtsperson des Veranstalters zur Gewährleistung der ersten Hilfe die Bereitstellung von Sanitätern oder Notärzten eines Rettungs- oder Krankentransportdienstes verlangt, hat der Veranstalter dafür eine Gebühr zu entrichten, die sich nach Umfang und Dauer richtet.
(5) Auf die Bemessung, Einhebung und zwangsweise Eintreibung der Gebühren findet die Wiener Abgabenordnung, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der jeweils geltenden Fassung, Anwendung.
Schuldübernahme
§ 30. (1) Mit Zustimmung der Stadt Wien können die hiefür in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger oder mit deren Einvernehmen der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter durch schriftliche Erklärung an Stelle von Gebührenpflichtigen als Gebührenschuldner eintreten. Nach Abgabe dieser Erklärung sind die Sozialversicherungsträger oder Krankenfürsorgenanstalten öffentlich Bediensteter allein die Gebührenpflichtigen (-schuldner).
(2) Wenn jedoch der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger oder die Krankenfürsorgeanstalt öffentlich Bediensteter im Einzelfall angibt, dass mangels eines ihm (ihr) gegenüber bestehenden Anspruchs auf Kostenübernahme seine (ihre) Eintrittserklärung keine Anwendung findet, ist die Gebühr dem Gebührenschuldner im Sinne des § 29 Abs. 1 vorzuschreiben.
(3) Die schriftliche Erklärung gilt für unbestimmte Zeit. Die Stadt Wien, der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger oder die Krankenfürsorgeanstalt öffentlich Bediensteter kann die Fortdauer der Gebührenschuldnerschaft widerrufen. Der Widerruf wird frühestens nach Ablauf von drei Kalendermonaten wirksam. Für höchstens drei Monate ab der Wirksamkeit des Widerrufs können die im Abs. 1 genannten Sozialversicherungsträger oder Krankenfürsorgeanstalten mit Zustimmung der Stadt Wien durch Erklärung die Inanspruchnahme der Gebührenschuldner gemäß § 29 Abs. 1 aufschieben.
(4) Für die Dauer der Gebührenschuldnerschaft der Sozialversicherungsträger oder der Krankenfürsorgeanstalten öffentlich Bediensteter kann der Gemeinderat ohne Rücksicht auf die Gebührenform (abgestufte Gebühren, Einheitsgebühren) niedrigere Gebühren, als sich gemäß § 28 Abs. 4 und 6 ergeben würden, festsetzen, insoweit diese Gebührenschuldnerschaft einen geringeren Verwaltungsaufwand bei der Einhebung der Gebühren bedingt."
§ 1 Abs 1 der Verordnung des Wiener Gemeinderates betreffend die Festsetzung der Gebühren gemäß §§ 28 Abs 3 und 29 Abs 4 Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz – WRKG lautet in der für den Beschwerdefall maßgeblichen Fassung (Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 01/2019):
"Für jede Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien innerhalb des Gebietes der Stadt Wien, auch wenn wegen des Verhaltens oder der Änderung des Zustandes desjenigen, für den der öffentliche Rettungsdienst in Anspruch genommen wurde, sowohl eine Hilfeleistung als auch ein Transport unterblieben sind, ist eine Gebühr von 694 Euro zu entrichten."
Gemäß § 28 Abs. 1 WRKG ist der Gebührentatbestand für die Inanspruchnahme des öffentlichen Rettungsdienstes der Stadt Wien, insbesondere für die Betreuung (Hilfeleistung, Beförderung) verwirklicht, wenn es zur Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges kommt. Es ist unstrittig, dass eine solche erfolgt ist.
Dem abgeänderten Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe keiner sanitätischen oder ärztlichen Hilfe bedurft, ist entgegenzuhalten, dass es gemäß § 29 Abs. 1 WRKG bei der Verwirklichung des Gebührentatbestandes nicht darauf ankommt, ob tatsächlich eine Hilfe- oder Beförderungsleistung durchgeführt wurde (vgl. ). Gemäß § 29 Abs. 1 WRKG ist es nicht wesentlich, ob der Einsatz ursprünglich medizinisch erforderlich gewesen ist, sondern entscheidend ist lediglich, ob das Vorliegen der Einsatzvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 bis 4 WRKG auf Grund des Zustandsbildes desjenigen, zu dessen Gunsten der Einsatz erfolgt ist, mit gutem Grund hatte angenommen werden konnte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss diese Annahme bei jenem Mitarbeiter des Rettungsdienstes (der Einsatzleitstelle) bestanden haben, der die Anforderung (betreffend des Rettungseinsatzes) entgegen genommen hat. Das Tatbestandsmerkmal, dass mit gutem Grund das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 1 Abs 1 bis 4 WRKG angenommen werden konnte, bezieht sich somit auf die Person, die den Anruf auf Seiten des öffentlichen Rettungsdienstes entgegengenommen hat (vgl. ; ; ).
Im Einsatzgebührenfestsetzungsverfahren ist es daher nicht erforderlich, Feststellungen zum tatsächlichen Gesundheitszustand desjenigen, für den der Rettungsdienst verständigt wurde, im Verständigungszeitpunkt oder im Zuge des Einsatzes zu treffen (vgl. ). Es kommt nur darauf an, welchen Eindruck die den Anruf entgegennehmende Person haben musste. Es ist auch unerheblich, ob in weiterer Folge die den Einsatz durchführenden Mitarbeiter des Rettungsdienstes auf Grund der Umstände, die sich beim Eintreffen ergaben, eine Einlieferung in ein Krankenhaus als geboten erachteten oder nicht (vgl. ).
§ 30 Abs. 1 WRKG sieht zwar vor, dass der in Betracht kommende Sozialversicherungsträger durch schriftliche Erklärung an Stelle von Gebührenpflichtigen als Gebührenschuldner eintreten kann. Gibt der Sozialversicherungsträger jedoch wie im vorliegenden Fall an, dass seine Eintrittserklärung keine Anwendung findet, ist die Gebühr gemäß § 30 Abs. 2 WRKG dem Gebührenschuldner im Sinne des § 29 Abs. 1 WRKG vorzuschreiben.
In Ansehung der §§ 1 und 2 WRKG und der darin normierten Aufgaben des Rettungsdienstes/Krankentransportdienstes ist aufgrund der Alkoholisierung und des im Stiegenhaus Liegens des Beschwerdeführers ein Rettungseinsatz als gerechtfertigt zu beurteilen. Aufgrund des im Notrufgespräch geschilderten Sachverhaltes konnte seitens des Mitarbeiters der Wiener Berufsrettung, der die Anforderung entgegengenommen hatte, mit gutem Grund angenommen werden, dass die Voraussetzungen für einen Rettungseinsatz vorlagen. Ob der Einsatz ursprünglich medizinisch notwendig war oder ob der Beschwerdeführer den Einsatz für notwendig erachtet, ist irrelevant. Die belangte Behörde war aus diesem Grunde auch nicht gehalten, Feststellungen zum tatsächlichen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zu treffen. Der Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Verfahrens geht daher ins Leere.
Da unstrittig eine Ausfahrt eines Einsatzfahrzeuges aufgrund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers stattgefunden hat, der Rettungseinsatz daher gerechtfertigt war und die Wiener Gebietskrankenkasse eine Gebührenübernahme abgelehnt hat, ist die Gebühr gemäß § 30 Abs 2 WRKG dem ursprünglichen Gebührenschuldner nach § 29 Abs. 1 WRKG vorzuschreiben.
Gemäß § 28 Abs. 2 WRKG kann von der Einhebung der Gebühr in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen abgesehen werden. Der gänzliche Entfall oder die Einschränkung des Abgabenanspruchs infolge Vorliegens besonders berücksichtigungswürdiger Gründe zählt zu den den Abgabenanspruch einschränkenden oder aufhebenden Umständen. Die Beweislast dafür trifft den Beschwerdeführer.
Es entspricht sowohl der Verwaltungspraxis als auch der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichts (vgl. ), dass eine gänzliche oder teilweise Abstandnahme von der Gebühreneinhebung i. S. d. § 28 Abs. 2 WRKG unbeschadet der Wortwahl des Materiengesetzgebers bereits im Gebührenfestsetzungsverfahren und nicht erst daran anschließend im Einhebungsverfahren vorzunehmen ist.
Wenn das Einkommen das unpfändbare Existenzminimum unterschreitet, liegen in Ausübung des eingeräumten Ermessens in § 28 Abs. 2 WRKG besonders berücksichtigungswürdige Gründe für eine Herabsetzung der Gebühr vor. Der Grundbetrag des unpfändbaren Existenzminimums ist unmittelbar an den Ausgleichszulagenrichtsatz gekoppelt. Dieser soll ein Mindesteinkommen sichern und entspricht für alleinstehende Personen im Jahr 2019 einem Betrag von 933,06 Euro. Die Abstellung auf das unpfändbare Existenzminimum (Mindesteinkommen) ist sachgerecht; ein derart niedriges Einkommen ist sicherlich besonders berücksichtigungswürdig, würde doch durch die Einhebung der Gebühr der notdürftige Unterhalt gefährdet.
Die belangte Behörde ist in der Stellungnahme vom angesichts der finanziellen Situation des Beschwerdeführers davon ausgegangen, dass besonders berücksichtigungswürdige Umstände vorliegen, die eine Reduzierung der ursprünglich vorgeschriebenen Einsatzgebühr von 694,00 Euro auf 109,06 Euro rechtfertigen würden.
In Ausübung des in § 28 Abs. 2 WRKG eingeräumten Ermessens war daher die Gebühr in Anbetracht des geringen Einkommens des Beschwerdeführers auf 109,06 Euro herabzusetzen.
Zulässigkeit der Revision
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Entscheidung des Bundesfinanzgericht weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage ab, wann die Einsatzgebühr nach dem WRKG vorzuschreiben ist, und ist diese auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (vgl ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Landesabgaben Wien |
betroffene Normen | § 28 Abs. 2 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 29 Abs. 1 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 1 Abs. 1 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 30 Abs. 1 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 § 30 Abs. 2 WRKG, Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz, LGBl. Nr. 39/2004 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7400046.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at