Feste Einrichtung einer ungarischen Dolmetscherin in Österreich
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2020/13/0004. Zurückweisung mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Stb, vom , gegen die Bescheide des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart, FA 123123, betreffend
a) Abweisung eines Antrages auf Veranlagung zur Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 vom sowie
b) Aufhebung gem. § 299 BAO betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2015 vom und 2016 vom ,
zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
II. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Strittig ist, ob die Beschwerdeführerin (Bf.) in den o.a. Streitjahren über eine "feste Einrichtung" im Sinne des Art. 14 Abs. 1 DBA Österreich-Ungarn verfügt hat.
Die Bf. ist ungarische Staatsbürgerin mit Wohnsitz in Ungarn.
Sie übt die Tätigkeit einer Diplom-Übersetzerin und Dolmetscherin aus und bietet Sprachdienstleistungen (in den Sprachen Deutsch, Ungarisch und Italienisch) an.
Diese Tätigkeit wird seit ausgeübt, die Bf. ist seit dieser Zeit auch in der Kranken- und Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) pflichtversichert (VSNR 555).
Das Finanzamt ersuchte die Finanzpolizei die Behauptung der Bf., wonach sie ihre Tätigkeit ausschließlich am Sitz ihres "Hauptauftraggebers" ausübe (siehe Schreiben vom ), zu überprüfen.
Im Zuge mehrerer Betriebsbesichtigungen bei der Fa. B1 (FN 9685z), wurde von den angetroffenen Sekretärinnen der Fa. B1 ausgesagt, dass die Bf. täglich ein bis zwei Stunden im Büro sei. Der von der Bf. behauptete "kostenlose" Arbeitsplatz für sie, konnte nicht vorgefunden werden.
Das Finanzamt veranlagte am erklärungsgemäß die Einkommensteuer für die Jahre 2015 und 2016.
Die elektronisch eingebrachten Anträge vom auf Veranlagung der Einkommensteuer für die Jahre 2013 und 2014 wurden hingegen mit Bescheid vom abgewiesen, da nach mehrmaliger Nachschau durch die Finanzpolizei eine inländische Betriebsstätte an der Adresse A1, nicht festgestellt habe werden können ("Briefkastenfirma").
Folglich wurden auch die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016 mit Bescheid gem. § 299 BAO vom 21. und ersatzlos aufgehoben.
In der dagegen erhobenen Beschwerde vom führt die Bf. im Wesentlichen wie folgt aus:
Auch wenn die Bf. bei den Betriebsbesichtigungen von der Finanzpolizei nicht persönlich angetroffen worden sei, bedeute dies ihrer Ansicht nicht, dass sie keine Erwerbstätigkeit als Selbständige ausgeübt habe.
Auch habe sie dem Finanzamt stets Beweise für ihre Abwesenheit vorgelegt (z.B. AK-Zeitbestätigung vom , Zeitbestätigung vom , Familienurlaub etc.).
Die Bf. sei seit dem in Österreich selbständig erwerbstätig.
Ihr "Standort" sei bis zum in A2, und von Ende November 2013 bis Mitte Dezember 2016 in A1, gelegen.
An dieser Adresse befände sich auch der Sitz eines ihrer Auftraggeber, der ihr "gratis" einen Ort zur Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit bzw. freie Nutzung der Büroinfrastruktur zur Verfügung gestellt habe.
Obwohl die Kinder der Bf. noch klein gewesen seien, habe sie mit zeitlicher Unterstützung ihrer Eltern versucht, einen Kundenkreis aufzubauen, um ins Berufsleben zurückkehren zu können und so einen Beitrag zum Familieneinkommen (mit 8 Kindern) zu leisten.
Nach Ansicht der Bf. sei sie ausschließlich österreichische Gewerbetreibende, unbeschränkt in Österreich steuerpflichtig, Kammermitglied und pflichtversichert.
Seit Mitte Dezember 2016 übe sie ihre Tätigkeit als Selbständige in ihrem Büro in C, das sie von der Gemeinde W angemietet habe, aus. Da sie aber weiterhin bei ihren Kunden arbeite, könne keine ständige Anwesenheit im Büro in X gewährleistet werden.
Sie habe keine festen Bürozeiten, da sich ihre Arbeitszeiten nach ihren Aufträgen und ihrer Familie richten.
Bei einer Standortbegehung, die aber nicht den gegenständlichen Streitzeitraum betrifft, durch die Finanzpolizei am in ihrem Büro in X, wo die Bf. mit einem Kunden angetroffen worden sei, seien mehrere Unterlagen, die Registrierkasse samt Signaturerstellungseinheit fotografiert worden.
Die Bf. berufe sich auch auf die Niederlassungsfreiheit der Europäischen Union.
"Nach dem Unionsrecht unterliegen Personen, für die die VO 883/2004 gilt, immer nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates (Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004).
In der Regel sind dies gem. Art. 3 lit. a VO 883/2004 die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, und zwar auch dann, wenn die Person im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaates wohnt."
Die Bf. erziele seit über vier Jahren regelmäßige Einkünfte.
Da sie ihre Tätigkeit - mit Ausnahme von einigen Dolmetschaufträgen - in Österreich ausübe, und ausschließlich in Österreich als Gewerbetreibende eingetragen sei, unterliege sie den Vorschriften von Österreich und sei somit auch in Österreich steuerlich zu erfassen.
Zu den Standortbegehungen durch die Finanzpolizei halte die Bf. ergänzend wie folgt fest:
Im Bürogebäude der Fa. B11 habe es sechs Schreibtische gegeben, wovon einer von der Bf. benutzt worden sei, wenn sie für die Fa. B11 gearbeitet habe. Sie habe dabei auch den Laptop der Fa. B11 verwendet (z.B. zur Übersetzung von Briefen).
Daneben verfüge die Bf. auch über einen eigenen Laptop, der bei ihren Kunden zum Einsatz komme.
Für diese zwei Laptops habe sie eigentlich zwei Schreibtische, die von der Finanzpolizei auch fotografiert worden seien.
Der Kundenkreis der Bf. setze sich zum Teil aus Kunden der Fa. B11 zusammen, viele von ihnen seien ungarische Staatsbürger aus ganz Ungarn, die in Österreich den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen haben, oft aber nicht ausreichend der deutschen Sprache mächtig seien, und bei der Erledigung ihrer Angelegenheiten die Sprachdienstleistungen der Bf. in Anspruch nehmen würden.
Die Bf. könne ihre berufliche Tätigkeit auch nicht im Familienwohnhaus mit 10 Mitbewohnern ausüben, da dort ein ungestörtes Arbeiten und Telefonieren nicht möglich sei.
Die Bf. würde täglich ein bis fünf Stunden im Büro verbringen, dies sei auch der Finanzpolizei mitgeteilt worden. Ihr Standort befände sich seit bei der Fa. B11.
Bei Auswärtsterminen habe die Bf. dem Finanzamt auch Zeitnachweisbestätigungen übermittelt.
Als Selbständige verfüge sie über keine feste Arbeitszeit.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurde die Beschwerde vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde darin angeführt, dass die Bf. aufgrund ihrer Dolmetschertätigkeit Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 22 Z 1 lit. b EStG 1988 erziele, sofern diese Tätigkeit persönlich im Inland ausgeübt werde.
Dies habe durch Standortüberprüfungen der Finanzpolizei am , , , und nicht verifiziert werden können.
Darüber hinaus würden die ausgestellten Rechnungen weder den Ort der Leistungserbringung noch die aufgewendete Zeit aufzeigen.
Die vorgelegten Rechnungen aus den o.a. Streitjahren würden Dienstleistungen betreffen, die für Personen mit Anschrift aus dem ungarischen Wohnort der Bf. oder dessen Umgebung erbracht worden seien.
Da die Aufträge fast ausschließlich von ungarischen Kunden erteilt worden seien und somit das wirtschaftliche Ergebnis der Übersetzungsarbeit diesen Personen zugutekomme, sei somit die Arbeit der Bf. in Ungarn verwertet worden.
Das Finanzamt gehe daher davon aus, dass die Leistungen der Bf. nicht am Standort "A2a", sondern zum wesentlichen Teil in Ungarn erbracht worden seien.
Auch die Bf. selbst räume im Schriftsatz vom ein, dass sie Leistungen in Ungarn erbracht habe.
Aus diesem Grunde seien auch nach Ansicht des Finanzamtes die Aufhebungsbescheide gem. § 299 BAO vom 21. und betreffend die Streitjahre 2015 und 2016 zu Recht erlassen worden.
Die Bf. stellte daraufhin am einen Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und ergänzte ihr bisheriges Beschwerdevorbringen wie folgt:
Sie sei EU-Bürgerin (mit ungarischer Staatsbürgerschaft) mit Wohnsitz in Ungarn.
Seit dem sei sie Gewerbetreibende in Österreich.
Als Diplom-Übersetzerin und Dolmetscherin würde sie Sprachdienstleistungen (Deutsch, Ungarisch, Italienisch) anbieten.
Seit dem sei sie auch kontinuierlich in Österreich bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft sozialversichert.
In Ungarn habe sie seit dem keine unter die ungarische Steuerhoheit fallende Erwerbstätigkeit ausgeübt und keine Einkünfte erzielt.
Sie habe weniger als 5 % ihrer Erwerbstätigkeit im Gebiet von Ungarn ausgeübt.
Da sie ihre Erwerbstätigkeit kontinuierlich in Österreich ausübe, und dadurch sich ihr Lebensmittelpunkt in Österreich befinden würde, unterliege sie aufgrund der Rechtsvorschriften der EU (VO EG 883/2004) den Rechtsvorschriften Österreichs.
Auch seien die Umsätze der Bf. Jahr für Jahr gestiegen (2018 habe sie Einkünfte i.H.v. 11.270 € erzielt).
Sie sei somit keine "Briefkastenfirma" und übe ihre Tätigkeit nicht überwiegend in Ungarn aus.
Auch wäre - entgegen den Behauptungen der Finanzpolizei - bei der Fa. B11 genügend Platz für sie zum Arbeiten gewesen, insbesondere im Zimmer der Büroassistentin mit 2 großen Schreibtischen und einem Besprechungstisch).
Es könne nicht sein, dass die persönliche Anwesenheit zu einem beliebigen Zeitpunkt im Büro (nicht einmal der Ort der Arbeitsausübung zähle) beweisen solle, dass sie in Österreich als Selbständige tätig sei.
Am wären zwei Mitarbeiter des Finanzamtes in ihrem Büro gewesen und hätten ihre Rechnungen und ihre Registrierkasse kontrolliert.
Die Bf. führe keine Einnahmen/Ausgaben-Rechnung, da sie die Pauschalierung für nichtbuchführende Gewerbetreibende anwende.
Auch habe sie nur geringe Aufwendungen für Fahrtkosten, Handykosten und Laptop-Kosten gehabt. Eine Büroinfrastruktur darüber hinaus sei nicht erforderlich gewesen.
Wegen der grenznahen Lage gebe es im Umkreis ihres Wohnortes sehr viele Ungarn, die in Österreich berufstätig seien.
Auch sei es für sie wirtschaftlicher ihre Tätigkeit in Österreich auszuüben, da es im Kreis Oberpullendorf kaum Sprachdienstleister gäbe.
Lt. Mitteilung der Gemeinde W1 habe die Bf. vom bis ein 18,5 m² großes unmöbliertes (ohne eigenen Internetanschluss, ohne WLAN und ohne Telefonanschluss) Büro im Bibliotheksgebäude der Gemeinde W2, zu einem Bestandzins von 150 € (inkl. USt) zuzüglich 30 € monatlicher Betriebskosten angemietet.
Das Büro sei schließlich am von der Bf. nach Y verlegt worden.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Die Bf. ist ungarische Staatsbürgerin und ist in U1 (Ungarn) wohnhaft.
Sie ist als Übersetzerin und Dolmetscherin tätig und bietet Sprachdienstleistungen an.
Die Finanzpolizei stellte fest, dass es sich bei der behaupteten inländischen Betriebsstätte in A1, bloß um eine "Briefkastenfirma" gehandelt hat.
Lt. Mitteilung der Gemeinde W1 hatte die Bf. vom bis ein 18,5 m² großes unmöbliertes (ohne eigenen Internetanschluss, ohne WLAN und ohne Telefonanschluss) Büro im Bibliotheksgebäude der Gemeinde W2, zu einem Bestandzins von 150 € (inkl. USt) zuzüglich 30 € monatlicher Betriebskosten angemietet.
Ein fremdüblicher Bürobetrieb bereits im Streitzeitraum Dezember 2016 konnte nicht festgestellt werden, wurde seitens der Bf. bloß behauptet, jedoch weder nachgewiesen noch durch Vorlage entsprechender nachprüfbarer Unterlagen (Anwesenheitsaufzeichnungen, Abschluss von Aufträgen etc.) glaubhaft gemacht.
Die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2015 und 2016 wurden am beim Finanzamt eingebracht.
Die Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 2013 und 2014 wurden am im elektronischen Wege eingebracht.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Abgabeninformationssystem des Bundes sowie aus dem vorgelegten und abverlangten Akteninhalt.
Dieser Sachverhalt war rechtlich folgendermaßen zu würdigen:
1. ad Abweisungsbescheide für die Streitjahre 2013 und 2014:
Gem. § 134 Abs. 1 BAO sind die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer bis zum Ende des Monates April jeden Folgejahres einzureichen.
Diese Abgabenerklärungen sind bis Ende des Monates Juni einzureichen, wenn die Übermittlung elektronisch erfolgt.
Da die Abgabenerklärungen für die Einkommensteuer 2013 und 2014 erst am elektronisch beim Finanzamt eingebracht worden sind, wurden diese somit verspätet eingebracht (ein begründeter Fristverlängerungsantrag wurde seitens der Bf. nicht eingebracht).
Auch die Behauptung der Bf. im Vorlageantrag vom , wonach sie stets ihre Einkommensteuererklärungen fristgerecht eingereicht hätte, wurde von ihr weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Strittig ist in den o.a. Streitjahren, ob die Bf. in Österreich eine feste Einrichtung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 DBA Österreich-Ungarn hatte und deshalb in Österreich zu versteuernde Einkünfte erzielte.
Art. 14 DBA Österreich-Ungarn lautet:
(1) Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt.
Verfügt sie über eine solche feste Einrichtung, so dürfen die Einkünfte in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.
(2) Der Ausdruck "freier Beruf" umfasst insbesondere die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische, unterrichtende oder sportliche Tätigkeit sowie die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten, Zahnärzte und Steuerberater.
Die "fallweise" Benützung eines Schreibtisches bei der Fa. B1 in A2a stellt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes keine "feste Einrichtung" gem. Art. 14 Abs. 1 DBA Österreich-Ungarn dar, da lt. Verwaltungsgerichtshof () nicht nur ein Schreibtisch, sondern der ganze Raum der Bf. hätte zur Verfügung stehen müssen, samt weiteren Einrichtungsgegenständen (zur Aufbewahrung von benötigten Geschäftsunterlagen) und weiterer Hilfsmittel zur Ausübung der beruflichen Tätigkeit (Büromaterial etc.).
Auch die "jederzeitige" Verfügungsmöglichkeit über die Räumlichkeiten bei der Fa. B1 wurde von der Bf. weder behauptet, nachgewiesen oder glaubhaft gemacht.
Der Begriff der "festen Einrichtung" hat grundsätzlich dieselbe Bedeutung und Reichweite wie der Begriff der "Betriebsstätte" bei gewerblicher Tätigkeit.
Art. 5 DBA Österreich-Ungarn lautet:
(1) Im Sinne dieses Abkommens bedeutet der Ausdruck "Betriebstätte" eine feste Geschäfts- oder Produktionseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird.
(2) Der Ausdruck "Betriebstätte" umfasst insbesondere:
a) einen Ort der Leitung,
b) eine Zweigniederlassung,
c) eine Geschäftsstelle,
d) eine Fabrikationsstätte,
e) eine Werkstätte,
f) ein Bergwerk, einen Steinbruch oder eine andere Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen,
g) eine Bauausführung oder Montage, deren Dauer zwei Jahre überschreitet.
(3) Als Betriebstätten gelten nicht:
a) Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern oder Waren des Unternehmens benutzt werden;
b) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden;
c) Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden;
d) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen;
e) eine feste Geschäftseinrichtung, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten wird, für das Unternehmen zu werben, Informationen zu erteilen, wissenschaftliche Forschung zu betreiben oder ähnliche Tätigkeiten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen.
(4) Ist eine Person - mit Ausnahme eines unabhängigen Vertreters im Sinne des Absatzes 5 - in einem Vertragsstaat für ein Unternehmen des anderen Vertragsstaates tätig, so gilt eine in dem erstgenannten Staat gelegene Betriebstätte als gegeben, wenn die Person eine Vollmacht besitzt, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, und die Vollmacht in diesem Staat gewöhnlich ausübt, es sei denn, dass sich ihre Tätigkeit auf den Einkauf von Gütern oder Waren für das Unternehmen beschränkt.
(5) Ein Unternehmen eines Vertragsstaates wird nicht schon deshalb so behandelt, als habe es eine Betriebstätte in dem anderen Vertragsstaat, weil es dort seine Tätigkeit durch einen Makler, Kommissionär oder einen anderen unabhängigen Vertreter ausübt, sofern diese Personen im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln.
(6) Allein dadurch, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige juristische Person eine juristische Person beherrscht oder von einer juristischen Person beherrscht wird, die in dem anderen Vertragsstaat ansässig ist oder dort (entweder durch eine Betriebstätte oder in anderer Weise) ihre Tätigkeit ausübt, wird eine der beiden juristischen Personen nicht zur Betriebstätte der anderen.
Das Merkmal einer Betriebsstätte ist somit, dass in ihr ganz oder teilweise die Tätigkeit des Unternehmens ausgeübt wird (vgl. VwGH-Erkenntnis vom , 96/14/0084).
Davon kann aber im gegenständlichen Fall keine Rede sein, da sich die Bf. lt. ihren eigenen Aussagen (siehe Vorlageantrag vom ) und lt. den Erhebungen der Abgabenbehörde nur geringfügig (ein bis zwei Stunden täglich) bei der Fa. B1 in A2a aufgehalten hat und somit im überwiegenden Ausmaß außerhalb der erklärten Räumlichkeiten mit ihren überwiegend in Ungarn ansässigen Kunden im o.a. Streitzeitraum unterwegs war (Arbeiterkammer, Versicherungsgesellschaften, Behörden etc.).
Auch ist unter "Ort der Leitung", der eine Betriebsstätte begründet, der Ort der Leitung des Gesamtunternehmens und nicht der jeweilige Ort der Leitung der einzelnen Auftragsabwicklungen zu verstehen.
Aufgrund des durch die Finanzverwaltung erhobenen Sachverhalts gelangt das Bundesfinanzgericht zu dem Schluss, dass sich der Leitungsort des Unternehmens der Bf. in seiner ungarischen Wohnstätte der Bf. befindet.
Da somit der Mittelpunkt der Lebensinteressen als am ungarischen Wohnort gelegen anzusehen ist (die Familie mit 8 Kindern befindet sich in Ungarn; Gegenteiliges hat die Bf. bis dato nicht behauptet), vermag der Umstand, dass die Bf. berufsbedingt mit vorwiegend ungarischen Kunden, die der deutschen Sprache nicht (ausreichend) mächtig sind, bei österreichischen Ämtern und Behörden vorspricht, nicht zu bewirken, dass dadurch in Österreich die erzielten Einkünfte zu besteuern sind.
Denn eine natürliche Person ist dort ansässig, wo sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen hat (dies ist im gegenständlichen Fall bei ihrer Familie und ihren Kindern in Ungarn).
Den Ausführungen der Bf., wonach aber im gegenständlichen Fall der Tätigkeitsstaat, das wäre Österreich, die erzielten Einkünfte zu versteuern hätte, kann nicht gefolgt werden, da die angeführten Örtlichkeiten bei der Fa. B1 nicht einer fremdüblichen "festen Einrichtung" bzw. Betriebsstätte eines selbständig Tätigen entspricht, so dass dies für ihre Übersetzungstätigkeit nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes nur bloße Hilfsfunktion gehabt hat, die aber nicht ausreicht, um Österreich ein Besteuerungsrecht zukommen zu lassen.
So wurde auch seitens der Bf. nicht behauptet, dass potenzielle Kunden sich zu fremdüblichen Geschäftszeiten regelmäßig an die Bf. an den o.a. Örtlichkeiten einfinden konnten, um Aufträge zu besprechen, Unterlagen zu bringen oder wieder abzuholen etc. Dies war auch mangels weiterer Mitarbeiter der Bf., in ihrer überwiegenden Abwesenheit, somit nicht möglich (siehe auch Aussagen der Mitarbeiter der Fa. B1, wonach die Bf. nur ca. zu einer Stunde täglich anwesend war und der vorgesehene Arbeitsplatz lt. mehrerer Erhebungen und Fotodokumentationen der Finanzpolizei überwiegend von der Fa. B1 genutzt wurde; vgl. Schriftsatz der Finanzpolizei vom ).
Weiters ist den Ausführungen der Bf. nicht zu entnehmen, dass die Räumlichkeiten bei der Fa. B1 "jederzeit" (d.h. mit eigenem Firmenschlüssel auch außerhalb der Betriebszeiten der Fa. B1) durch die Bf. genutzt werden konnten. Eine bloße Mitbenutzung von Räumlichkeiten durch die Bf. bewirkt jedenfalls keine Betriebsstätte bzw. feste Einrichtung (vgl. ).
Dass sich ihre berufliche Tätigkeit bereits im Streitmonat Dezember 2016 nun gänzlich anders gestaltete als davor, insbesondere dass sie nun überwiegend in ihrem von der Gemeinde W1 angemieteten (lt. Gemeindevertreter unmöbliert vermieteten) Büro ihre Kundenaufträge erledigte, unter Heranziehung einer fremdüblichen Mindest-Geschäftsausstattung (Tisch, Sessel, Aufbewahrungskästen, Drucker, Büromaterialien, Geschäftstafel an der Außen- und Innenseite des Gebäudes etc.), hat die Bf. im gesamten Verwaltungsverfahren nicht behauptet, und auch nicht durch entsprechende Arbeitsaufzeichnungen über konkrete Kundengespräche im Büro, Vertragsabschlüsse etc. nachgewiesen oder glaubhaft gemacht.
Eine "Einrichtungstätigkeit" im Dezember 2016 wurde seitens der Bf. ebenfalls nicht behauptet (auch ist eine solche der Einkommensteuererklärung 2016 nicht entnehmbar) und da lt. Gemeinde W1 das "Büro" unmöbliert gewesen ist, ist nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes eine fremdübliche Kundenbetreuung (ohne Tisch und Sesseln) jedenfalls im Streitmonat Dezember 2016 nicht glaubhaft und nachvollziehbar.
Aus diesem Grunde gehen die Ausführungen der Bf. betreffend fremdüblicher Anmietung eines eigenen Büros in X als Betriebsstätte bzw. feste Einrichtung für den Streitzeitraum Dezember 2016 ins Leere.
Österreich steht daher im gegenständlichen Fall in den Streitjahren 2013 bis 2016 kein Besteuerungsrecht zu, da die Bf. in diesen Jahren unstrittig in Ungarn ansässig war; dort hatte sie ihren aufrechten Wohnsitz bzw. ihren Lebensmittelpunkt (Familie mit 8 Kindern).
Es ist im gegenständlichen Fall nicht zu erkennen, dass die Bf. ihre Geschäftstätigkeit (wenn auch nur im geringfügigem Ausmaß) nicht auch von ihrem ungarischen Wohnsitz aus entfalten konnte, insbesondere wo doch der Großteil ihrer Kunden aus naheliegenden ungarischen Gemeinden stammt (siehe vorliegende Rechnungsbelege der Bf.).
Aus diesem Grunde hat der Ansässigkeitsstaat der Bf., das ist hier unstrittig Ungarn, mangels einer Betriebsstätte der Bf. in Österreich gem. Art. 5 DBA Österreich-Ungarn bzw. mangels regelmäßiger Verfügung über eine feste Einrichtung der Bf. in Österreich gem. Art. 14 DBA Österreich-Ungarn, das Recht die gesamten Einkünfte der Bf. in den o.a. Streitjahren zu versteuern.
Eine unionswidrige Vorgangsweise der Abgabenbehörde, welcher Art auch immer, kann seitens des Bundesfinanzgerichtes in diesem Zusammenhang nicht erkannt werden.
Festgehalten wird, dass vorbereitende oder Hilfstätigkeiten gem. den o.a. gesetzlichen Bestimmungen für eine "feste Geschäftseinrichtung" nicht ausreichend sind und auch nicht als Betriebsstätten gelten.
2. ad Aufhebungsbescheide gem. § 299 BAO für die Streitjahre 2015 und 2016:
§ 299 BAO lautet:
(1) Die Abgabenbehörde kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:
a) die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;
b) die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.
(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.
(3) Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat.
Aufgrund von Erhebungen der Abgabenbehörde (wonach die Bf. über keine Betriebsstätte bzw. feste Einrichtung in Österreich verfügt), gelangte diese zur Ansicht, dass der Tätigkeitsbereich der Bf. nicht der österreichischen, sondern ausschließlich der ungarischen Besteuerung unterliegt.
Da somit der Spruch der am erlassenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2015 und 2016 nicht dem Gesetz entsprochen hat, waren diese zu Recht gem. § 299 BAO aufzuheben.
Im Übrigen wird auf das in Punkt 1 Ausgeführte verwiesen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Zulässigkeit einer Revision:
Gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG wird eine ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof zugelassen, da die Revision von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung betreffend die Voraussetzungen fester Einrichtungen einer Dolmetscherin und Übersetzerin wird im gegenständlichen Fall die ordentliche Revision zugelassen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | Dolmetscherin Büro Wohnsitz Betriebsstätte Leitungsort Geschäftsausstattung Tätigkeit feste Einrichtung |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7102485.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at