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Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 10.02.2020, RS/7100142/2019

Behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht im Fall eines zurückgesandten Formulars "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe"

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Ri in der Beschwerdesache VN-KM NN, Adresse, 1070 Wien, vertreten durch GT-KMU Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH, Auhofstr 1, 1130 Wien, wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf betreffend "Überprüfung des Antrages auf Familienbeihilfe" vom beschlossen:

Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 284 Abs. 7 lit. b BAO i.V.m. § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang:

Das Finanzamt übermittelte VN-KM NN, in der Folge mit Bf. bezeichnet, ein mit datiertes Formular "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe", in welchem die dem Finanzamt bekannten Angaben vorausgefüllt waren. Ferner wurde die Bf. aufgefordert, einen „Tätigkeitsnachweis von Ihrem Kind, das in Kürze das 18. Lebensjahr vollendet“ diesem Schreiben beizulegen.

Die Bf. korrigierte und ergänzte das Formular teilweise händisch. Die aufgedruckte Angabe „Bezieher(in) einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung" wurde durchgestrichen und als derzeitige Tätigkeit „geringfügig beschäftigt“ angegeben. Als Wohnort wurde Wien angegeben, als Dienstgeber Dr. ARBEITGEBER, Eisenstadt. Im Feld „Angaben zur Partnerin/zum Partner, von der/dem Sie nicht dauernd getrennt leben, oder zur Lebensgefährtin/zum Lebensgefährten“ war der Name NN VN1-KV, eine (österreichische) Sozialversicherungsnummer und die Staatsbürgerschaft „Ungarn“ vorausgefüllt. Angaben zum Dienstgeber bzw. zu einem allfälligen Dienstort wurden nicht gemacht. Als derzeitige Tätigkeit wurde bei den jüngeren Kindern „Schülerin“ bzw. „Schüler“, als Bezeichnung und Anschrift der Schule „Volksschule“ angeführt, bei der ältesten Tochter „Schülerin“ und „Gimnasium“.

Die Bf. unterfertigte das Schreiben, datierte es mit und legte eine Bescheinigung bei, gemäß welcher die älteste Tochter im Schuljahr 2017/2018 in ein Gymnasium in HU-Stadt eingeschrieben sei. Die Bestätigung war mit datiert.

Mit Schreiben vom übermittelte das Finanzamt der Bf. ein Ergänzungsersuchen und setzte eine Frist bis fest, welche in der Folge telefonisch erstreckt wurde. Unter dem Stichwort „Ergänzungspunkte“ (Kopien genügen, sofern nicht ausdrücklich ein Original verlangt wird), wurde der Bf. die Vorlage folgender Unterlagen aufgetragen:

„Nachweis, dass kein bzw. für welchen Zeitraum Anspruch auf eine der österr. Familienbeihilfe gleichzusetzenden ausländische Beihilfe bestand/besteht
von allen Kindern ab Geburt von den ungarischen Behörden bestätigt
Meldebestätigung der gesamten Familie ab Geburt der Kinder in Ungarn
Schulbestätigung oder Schulnachricht/Jahreszeugnis von allen Kindern ab Schulpflicht.
Einkommensnachweis von Ihnen und Ihren Gatten ab 2008 bis laufend.
Alle Unterlagen müssen Übersetzt sein.“

Die Bf. retournierte das Schreiben (eingelangt beim Finanzamt am ) mit dem Bemerken „Ich bestätige, dass mein Mann in Ungarn nach unsere Kinder keine Familienbeihilfe und auch sonst keine finanzielle Unterstützung bekommen hat! Nichts!“

Dem Schreiben beigelegt waren folgende Unterlagen:

Schulbesuchsbestätigungen der Kinder wie folgt:

[...]

[...]

[...]

Ferner legte die Bf. Auskünfte aus dem Zentralmelderegister vor, gemäß welchen die Kinder NN Tochter2 und NN Sohn in Wien geboren wurden, die österreichische Staatsbürgerschaft haben und mit der Bf. an derselben Adresse in Wien ab dem Monat ihrer Geburt angemeldet wurden. Für die älteste Tochter wurde die Bestätigung der Meldung an der Adresse der Bf. vom vorgelegt.

Betreffend die Erwerbstätigkeit des Kindesvaters NN VN1-KV VN2-KV, wurden Bescheinigungen EU/EWR vorgelegt, aus denen ersichtlich ist, dass dieser in Ungarn, PLZ HU-Stadt, hu-Adresse wohnhaft ist. Die Art der Einkünfte wurde in unleserlicher Handschrift in ungarischer Sprache angegeben und ohne Übersetzung vorgelegt. Auf den Bescheinigungen befindet sich ein Stempelabdruck im Feld „Bestätigung der ausländischen Steuerbehörde“ mit der Bezeichnung der Behörde und deren Postanschrift (Postfach), ein Dienststempel befindet sich nicht auf der dafür vorgesehenen Stelle, die Unterschrift entspricht keinem erkennbaren Namenszug und enthält auch keine gedruckte Angabe, wer das Formular in welcher Funktion unterschrieben hätte.

Als Einkünfte, die im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen, wurden für die einzelnen Jahre folgende Beträge angegeben:

[...]

Die Bf. legte weiters eine Bestätigung Dris ARBEITGEBER vor, gemäß welcher sie bei diesem seit beschäftigt sei und ein Entgelt von monatlich 250,00 Euro brutto und 500,00 Euro Sonderzahlungen pro Jahr beziehe.

Das Formular E 411 wurde von der Bf. teilweise (drei von neun Punkten) ausgefüllt, wobei als Wohnort der Bf. die Wiener Adresse und als Wohnort der Kinder „Wien“, als Wohnort des Kindesvaters die Adresse in HU-Stadt angegeben wurde. Das Formular wurde von der Bf. auf der letzten Seite eigenhändig unterfertigt.

Mit Vorhalt vom forderte das Finanzamt die Bf. auf, zu erläutern, warum die Kinder in Ungarn zur Schule zu gehen. Der Mietvertrag von der Wohnung in Wien und von dem Wohnsitz in HU-Stadt sollten vorgelegt und angegeben werden, wo die Kinder ab der Geburt leben. Weiters forderte das Finanzamt die Bf. auf, einen Einkommensnachweis hinsichtlich ihres Einkommens der Jahre 2008 bis 2014 bis zum vorzulegen.

Mit Eingabe vom übermittelte der steuerliche Vertreter eine Erklärung der Bf. mit nachstehendem Inhalt:

„Durch meine Arbeit in Wien von 1983 - 2000 (hernach 2000-2002 In Karenz) im Nichtselbstständigen-Arbeitsverhältnis verlegte ich den Wohnsitz nach Wien (zuletzt FIRMA-X). ich nahm auch die österreichische Staatsbürgerschaft an.
Hier kamen auch alle drei Kinder im NAME-SPITAL zur Welt.
Alle drei Kinder sind ausschließlich österreichische StaatsbürgerInnen.
Durch meinen zweiten Mann, der in Ungarn von seiner Arbeit her gebunden war, wohnten wir sowohl in Ungarn, wie auch in Wien.
Die Entscheidung die Kinder in Ungarn (HU-Stadt) in eine deutschsprachige Grundschule zu schicken fiel, als wir zu Kenntnis nehmen mussten, dass es in der zuständigen Wiener Volksschule zu 95 Prozent Türken und Serben mit Sprachproblemen gab.
Das Niveau der deutschsprachigen Grundschule in HU-Stadt wurde nicht annähernd erreicht.
Die Wohnung in Wien gab ich nicht auf. da ich diese benötigte, wenn ich mit meinen zwei jüngeren Kindern in Wien länger dauernde Behandlungen und Spitalaufenthalte hatte (mein Sohn benötigte Therapien am Fußgelenk und meine Tochter Tochter2 hatte lange Zeit Hüftprobleme). So war die Familie oft geteilt, sodass ich mit meinen zwei jüngeren Kindern in Wien war und mein Mann mit der größeren Tochter in HU-Stadt.
Am Wochenende sah sich die Familie. sowohl in Wien, wie auch in HU-Stadt. Mein Mann hatte meine Mutter und meinen Schwägerinnen (beide Lehrerinnen) als Betreuungshilfe.
Nachdem ich die Arbeit als Schneiderin gekündigt hatte, meldeten sich jedoch immer wieder ehemalige österreichische Kundschaften bei mir. weil sie von meinen Designideen und meiner Arbeit überzeugt waren.
So wurde meine Wiener Wohnung auch zur Werkstatt. Mit ein bis zwei Kleidern pro Monat lag mein Verdienst in Wien weit unter der Grenze jeglicher steuerlicher Verpflichtung. Auch überstieg mein Einkommen nie die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG (siehe Aufzeichnungen).
Für die Braut-‚ Abend- oder Traditionskleider brachten die Damen den Stoff und sonstiges Zubehör mit. Die Firma XXX war ja nicht weit entfernt. Zusätzlich hatte ich die sehr gute Abfertigung der Schneiderei. Finanziell war ich dann auch noch durch eine Erbschaft zusätzlich abgesichert.
Da dieses Einkommen sehr nachließ (drei bis vier Kleider pro Jahr). suchte ich mir im Burgenland eine Arbeitsstelle. Als Reinigungskraft bei Dr. ARBEITGEBER bin ich seit Juni 2014 beschäftigt und gemeldet.
Dadurch, dass ich jährlich beim Wiener Stadtschulrat um Genehmigung ansuchen musste, damit meine Kinder in Ungarn zur Schule gehen durften war ich der Annahme hiermit auch steuerrechtlich alle Unterlagen zeitgerecht nachgereicht zu haben.
Da meine Kinder österreichische StaatsbürgerInnen sind müssten wir auch für sie um Aufenthaltsgenehmigung ansuchen.
Die ungarischen Behörden verweigern auch aus diesem Grund die Zahlung jeglicher Beihilfen.
Zusätzlich entfielen steuerliche Vergünstigungen in Ungarn (z.B. 10.000.000,- HUF zinsfreier Kredit und Familienförderung 10.000.000‚- HUF) da alle drei Kinder österreichische Staatsbürgerlnnen sind.

Beilagen:

Mietvertrag

Staatsbürgerschaftsnachweise
NN VN-KM
NN VN-Tochter1 VN2-Tochter1
NN Sohn VN2-Sohn
NN Tochter2

Geburtsurkunden
NN VN-Tochter1 VN2-Tochter1
NN Sohn VN2-Sohn
NN Tochter2

Meldebestätigungen
NN VN-Tochter1 VN2-Tochter1
NN Sohn VN2-Sohn
NN Tochter2

Schulbesuchbestätigungen
NN VN-Tochter1 VN2-Tochter1
NN Sohn VN2-Sohn
NN Tochter2

Aufzeichnungen Einnahmen 2008 — 2014

Bestätigungen von K1 (Kundin)
K2“

Die Bf. legte die Kopie eines Mietvertrages vor, gemäß welchem VN-KM ehem-NN, geboren am GebDat, Beruf/Gegenstand des Unternehmens „Schneiderin“ mit Mietbeginn mit dem Magistrat der Stadt Wien - Magistratsabteilung 17 Wiener Wohnen einen Mietvertrag über eine Wohnung in der Mietwohnung-Ö-Adresse, mit einer Fläche von 37,00 m2 abschloss. Für Jänner wurde ein Betrag von 1.592,59 Schilling inklusive Betriebskosten und Umsatzsteuer als Miete vorgeschrieben.

Die Bf. legte einen Bescheid über die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vor. Aus diesem ist ersichtlich, dass die Staatsbürgerschaft an VN-KM ehem-NN, geb. GebName-KM, geboren am GebDat in HU-Stadt, wohnhaft in Wien 12, alte-Adresse mit Wirkung vom verliehen wurde.

Weiters wurden Staatsbürgerschaftsnachweise für die Bf. und ihre Kinder sowie Geburtskurkunden für die Kinder vorgelegt. Als Wohnort des Kindesvaters wird auf den Geburtsurkunden der jüngeren Kinder HU-Stadt, Ungarn, angeführt.

Die Meldezettel für die jüngeren Kinder in Österreich wurden noch einmal vorgelegt, ebenso einzelne Schulbesuchsnachweise.

Für die Jahre 2008 bis 2014 wurden händische Aufzeichnungen betreffend von der Bf. angefertigte Kleider und dafür von der Bf. verrechnete Beträge vorgelegt sowie eine Bestätigung von K1 und eine handschriftliche Bestätigung von K2

Mit Eingabe vom brachte die steuerliche Vertreterin der Bf. eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht ein. Die Bf. habe den ausgefüllten „Antrag auf Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe“ beim Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf eingebracht. Dieser Antrag sei am beim Finanzamt eingelangt. Von Seiten des Finanzamtes sei „hinsichtlich dieses Antrags“ ein Ergänzungsersuchen an die Bf. gerichtet worden, welches innerhalb verlängerter Frist am ausführlich beantwortet worden sei. Die Entscheidung über die Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe sei bis heute nicht erledigt. Die Bf. sei daher in ihrem Recht auf Entscheidung innerhalb von 6 Monaten durch die belangte Behörde verletzt worden. Die Bf. stelle daher den „Antrag auf Entscheidung über die Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe“.

Mit Beschluss vom erteilte das Bundesfinanzgericht der belangten Behörde den Auftrag, spätestens binnen einer Frist von drei Monaten zu entscheiden und eine Abschrift des Bescheides (samt Zustellnachweis) vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliege.

Mit erklärte das Finanzamt zum Verfahrensablauf, dass mit ein von der Bf. am unterfertigtes Überprüfungsschreiben ("Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe") im Finanzamt eingegangen sei. Beigelegt sei eine Schulbesuchsbestätigung aus Ungarn gewesen. Sowohl Kinder als auch Kindesmutter seien österreichische Staatsbürger, der Kindesvater besitze die ungarische Staatsbürgerschaft. Aufgrund des dadurch bestehenden internationalen Sachverhaltes seien umfangreiche Ermittlungen (Ergänzungsersuchen am und , die Einholung der Formulare E 401 und E 411 und noch weitere Erhebungen) notwendig. Zur Säumnis erklärte das Finanzamt, dass mit dem „Antrag auf Überprüfung des Anspruchs auf Familienbeihilfe“ wohl das Schreiben „Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe“ gemeint sei. Dazu werde mitgeteilt, dass Bezieher der Familienbeihilfe ca. einen Monat vor Einstellung der Auszahlung der Familienbeihilfe eine Aufforderung zur Überprüfung des Anspruches auf (Weitergewährung) der Familienbeihilfe erhalten würden. Dabei handle es sich um einen Ergänzungsauftrag iSd § 161 BAO. Der Bezieher der Familienbeihilfe werde aufgefordert, die darin angeführten Angaben zu überprüfen und ggf. zu ergänzen oder zu ändern, sowie die abverlangten Unterlagen vorzulegen. Nur so könne das mögliche Weiterbestehen bzw. das rückwirkende Bestehen eines Anspruches ge- und überprüft werden. Im gegenständlichen Fall sei der Bf. ein solcher Ergänzungsauftrag mit dem Überprüfungsschreiben übermittelt worden, welches zwar beantwortet worden sei, aber weitere Fragen aufgeworfen habe, deren Abklärung noch andauere. Die Überprüfung sei durch die nach österr. Recht bevorstehende Volljährigkeit des ältesten Kindes ausgelöst worden. Die Überprüfung von laufenden Ansprüchen auf Familienbeihilfe sei in regelmäßigen Abständen durchzuführen. Es liege kein Antragsrecht der Partei vor, weshalb nach Meinung des Finanzamtes keine Verletzung der Entscheidungspflicht und damit keine Säumnis vorliege. Es wurde beantragt, die Säumnisbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Wahrung des Parteiengehörs wurde der Bf. mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom aufgetragen, zur Stellungnahme des Finanzamtes eine Gegenäußerung zu erstatten.

Mit Eingabe vom erklärte die steuerliche Vertreterin der Bf., dass es im Wesentlichen darum gehe, dass Familienbeihilfe grundsätzlich nur auf Antrag gewährt werde. Das Finanzamt führe sinngemäß aus, dass das Formular "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" kein Anbringen gemäß § 85 BAO darstelle und auch kein Antrag sei und dass „diesbezüglich kein Antragsrecht der Partei“ bestehe. Im Bereich der Familienbeihilfe, in dem eine bescheidmäßige Erledigung nur im Fall von Abweisungsbescheiden (§ 13 FLAG), nicht aber bei Zuerkennung von Familienbeihilfe, die mittels Auszahlung (§ 11 FLAG) unter Ausstellung einer nicht bescheidmäßigen Mitteilung (§ 12 FALG) erfolgt, sei Säumigkeit der Behörde auch dann gegeben, wenn die Behörde eine beantragte (§ 10 FLAG) Auszahlung nicht vornehme, ohne einen Abweisungsbescheid zu erlassen. Im vorliegenden Fall liege Säumigkeit der Behörde vor, da ein Anbringen bei ihr eingebracht worden sei und dieses Anbringen (Formular „Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe“) eingebracht worden sei und dieses Anbringen als Antrag iSd § 10 FLAG anzusehen sei. Es sei ein allgemeiner Grundsatz des Abgabeverfahrens, dass es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen ankomme, sondern auf den Inhalt und das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischritts (; ). Aus dem Zusammenhang des bisherigen Verfahrens ergebe sich, dass es sich bei der Rücksendung des Formulars „Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe“ um einen Antrag iSd § 10 Abs. 1 FLAG handle.

Begründung:

Sachverhalt:

Unstrittig ist, dass das Finanzamt der Bf. ein Formular "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" mit übermittelte, welches die Bf. teilweise ergänzte, korrigierte und mit einer Schulbesuchsbestätigung der ältesten Tochter dem Finanzamt zurücksandte, sodass es am beim Finanzamt einlangte, welches in der Folge weitere Ermittlungshandlungen setzte.

Den vom Finanzamt vorgelegten Ergänzungsersuchen bzw. als Reaktion darauf erfolgten Eingaben der Bf. ist zu entnehmen, dass die Bf. die Ergänzungsersuchen nur unzureichend und mit Verzögerungen beantwortete.

Zur aktuellen Erwerbstätigkeit des Kindesvaters wurden keine Unterlagen vorgelegt, ebenso wenig zur Wohnsituation der Familie in HU-Stadt, dem Wohnsitz des Kindesvaters, und zur Gestaltung des Familienlebens, insbesondere hinsichtlich des zeitlichen Ausmaßes der Aufenthalte der Kinder in Ungarn. Diese besuchten ausschließlich die Schule am Wohnort des Kindesvaters. Es ist daher wahrscheinlich, dass sie sich überwiegend in Ungarn aufgehalten haben. Die Angaben der Bf. sind vage und enthalten keine zeitlichen Angaben. Es ist daher unmöglich, aufgrund dieser Angaben zu beurteilen, in welchem Ausmaß die Familie sich ab März 2018 überhaupt gemeinsam in Österreich aufgehalten hat (" Die Wohnung in Wien gab ich nicht auf. da ich diese benötigte, wenn ich mit meinen zwei jüngeren Kindern in Wien länger dauernde Behandlungen und Spitalaufenthalte hatte (mein Sohn benötigte Therapien am Fußgelenk und meine Tochter Tochter2 hatte lange Zeit Hüftprobleme). So war die Familie oft geteilt, sodass ich mit meinen zwei jüngeren Kindern in Wien war und mein Mann mit der größeren Tochter in HU-Stadt.
Am Wochenende sah sich die Familie. sowohl in Wien, wie auch in HU-Stadt. Mein Mann hatte meine Mutter und meinen Schwägerinnen (beide Lehrerinnen) als Betreuungshilfe.")

Wovon die Familie den Lebensunterhalt bestritten hat ist unklar, zumal das Einkommen der Bf. geringfügig war.

Ob die Bf. bzw. ihr Mann Familienleistungen in Ungarn bezogen haben oder Anspruch darauf gehabt hätten, war durch die von der Bf. vorgelegten Unterlagen nicht belegt, zumal es sich um bloße Eigenbestätigungen handelte, welche von der zuständigen ungarischen Behörde nicht bestätigt wurden.

Strittig ist zwischen dem Finanzamt und der Bf., ob es sich bei dem von der Bf. zurückgesandten und teilweise händisch ergänzten Formular „Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe“ um einen Antrag gem. § 10 Abs. 1 FLAG handelt (Ansicht der Bf.), oder ob es sich bei der Übermittlung des Formulars an die Bf. um einen Ergänzungsauftrag iSd § 161 BAO handelt, aufgrund dessen die Bf. durch die Rücksendung eine Verpflichtung gegenüber dem Finanzamt erfüllte (Ansicht des Finanzamtes).

Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 10 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) gelten für den Bezug der Familienbeihilfe u.a. folgende Bestimmungen:

„(1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.“

Gemäß § 12 FLAG hat der Gesetzgeber folgende Verständigungspflichten vorgesehen:

„(1) Das Wohnsitzfinanzamt hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.

(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.“

Gemäß § 13 FLAG hat das Wohnsitzfinanzamt der antragstellenden Person über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

Diesen Regelungen kann entnommen werden, dass grundsätzlich nur im Fall eines Antrages, dem nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ein Bescheid zu erlassen ist. Wird die Familienbeihilfe aufgrund eines Antrages ausbezahlt, kommt es zu fortlaufenden Verlängerungen des Bezuges, bis zum Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen oder Hinzukommen eines Ausschließungsgrundes. Erlangt das Finanzamt Kenntnis von Umständen, die ein Erlöschen des Anspruches auf Familienbeihilfe bewirken, sieht das Gesetz lediglich eine Verständigung gemäß § 12 FLAG vor.

§ 25 FLAG sieht eine Meldepflicht jener Personen vor, an welche Familienbeihilfe ausbezahlt wird:

„Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt (§ 12) wird, sind verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, daß der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, bei dem nach § 13 zuständigen Finanzamt zu erfolgen.“

Die Abgabenbehörden können die Anspruchsvoraussetzungen auch noch überprüfen, nachdem bereits Familienbeihilfenzahlungen erfolgt sind.

Gemäß § 161 BAO gilt Folgendes:

„(1) Die Abgabenbehörde hat die Abgabenerklärungen zu prüfen (§ 115). Soweit nötig, hat sie, tunlichst durch schriftliche Aufforderung, zu veranlassen, daß die Abgabepflichtigen unvollständige Angaben ergänzen und Zweifel beseitigen (Ergänzungsauftrag).

(2) Wenn die Abgabenbehörde Bedenken gegen die Richtigkeit der Abgabenerklärung hegt, hat sie die Ermittlungen vorzunehmen, die sie zur Erforschung des Sachverhaltes für nötig hält. Sie kann den Abgabepflichtigen unter Bekanntgabe der Bedenken zur Aufklärung bestimmter Angaben auffordern (Bedenkenvorhalt). Erforderliche Beweise sind aufzunehmen.

(3) Wenn von der Abgabenerklärung abgewichen werden soll, sind dem Abgabepflichtigen die Punkte, in denen eine wesentliche Abweichung zu seinen Ungunsten in Frage kommt, zur vorherigen Äußerung mitzuteilen.“

Gemäß § 2 lit. a Z 1 BAO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, soweit sie hierauf nicht unmittelbar anwendbar sind und nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden des Bundes zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten Beihilfen aller Art.

Überprüfungen des Anspruches auf Gewährung der Familienbeihilfe in Form von Ergänzungsersuchen des Finanzamtes sind üblich. Die Überprüfungen sind vor allem deshalb erforderlich, weil die Familienbeihilfe fortlaufend über einen längeren Zeitraum hinweg ausbezahlt wird und nicht alle meldepflichtigen Umstände und Verhältnisse auch tatsächlich gemeldet werden.

Gemäß § 85 Abs. 1 BAO sind Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

Gemäß § 85a BAO sind die Abgabenbehörden verpflichtet, über Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei wegen Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

Ob tatsächlich eine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt, hängt davon ab, ob das Formular zur "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" , welches die Bf. teilweise ergänzte und korrigierte, als Anbringen anzusehen ist, aufgrund dessen ein Abweisungsbescheid zu ergehen hätte.

Die Übermittlung des Überprüfungsschreibens an den Familienbeihilfenbezieher ist eine verfahrensleitende Verfügung in Form eines Ergänzungsauftrags (vgl. § 161 Abs. 1 BAO). Mit der Rücksendung des Überprüfungsschreibens kommt der Beihilfebezieher seiner sich aus §§ 119, 143 BAO ergebenden Auskunftsverpflichtung nach. Dabei handelt es sich um ein Anbringen i.S. d. § 85 Abs. 1 BAO zur Erfüllung einer Verpflichtung. Aus der Erfüllung dieser Verpflichtung ergibt sich jedoch nicht, dass das Finanzamt einen entsprechenden Bescheid zu erlassen hätte. Wurde der seinerzeitige Antrag auf Familienbeihilfe durch Auszahlung erledigt, ist entweder bei weiterem Vorliegen der Voraussetzungen die Auszahlung unverändert beizubehalten oder bei Wegfall einer Voraussetzung für den Familienbeihilfenbezug die Auszahlung einzustellen und darüber eine Mitteilung auszufertigen. Ein Bescheid ist nicht zu erlassen. Erst wenn nach Einstellung des Familienbeihilfenbezuges ein neuer Antrag auf Zuerkennung von Familienbeihilfe (§ 10 Abs. 1 FLAG 1967) gestellt wird, ist über diesen durch Auszahlung oder durch bescheidmäßige Abweisung zu entscheiden. Die bloße Rücksendung eines Überprüfungsschreibens ist kein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten und kein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe. Zur Geltendmachung von Ansprüchen auf Gewährung der Familienbeihilfe wurde das Formular Beih 1 aufgelegt. Auch ein Formular Beih 38 (Ausgleichs-/Differenzzahlung) kann als Antrag im Sinne des § 10 Abs. 1 FLAG gewertet werden (vgl. ).

Auch wenn es für die Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen ankommt, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes (vgl. ), besteht keine Befugnis oder Pflicht der Behörde, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nicht erstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl. ).

Dem von der Bf. übermittelten Formular "Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe" kann nicht entnommen werden, dass es sich dabei um einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe handelte. Die Absicht des Finanzamtes, den Anspruch zu überprüfen, kam darin hingegen deutlich zum Ausdruck. Die Rücksendung des Formulars war daher nicht als Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe zu betrachten, sondern stellte eine (teilweise) Verpflichtung der Bf. dar, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken.

Die Beschwerde wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht war daher zurückzuweisen.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Hinweis:

Mit Bescheid vom wurde die im Zeitraum von November 2009 bis Februar 2018 gewährte Familienbeihilfe zurück gefordert. Für den Zeitraum ab März 2018 könnte ein Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe oder Ausgleichszahlung gestellt werden, über den das Finanzamt zu entscheiden hätte.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall liegt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, da die Entscheidung keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 10 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 12 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 13 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 25 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 161 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 284 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Säumnisbeschwerde
Formularrücksendung
Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RS.7100142.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at