Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 27.02.2020, RV/5101263/2018

Zurückweisung eines verspätet eingebrachten Vorlageantrages vor Erledigung eines offenen Wiedereinsetzungsantrages

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin RR

in der Beschwerdesache

BF, Adr1, vertreten durch STB., Adr2, gegen den Bescheid der belangten Behörde FA vom , Steuernummer, betreffend Wiederaufnahme gemäß § 303 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2014

beschlossen:

Der Vorlageantrag vom wird gemäß § 264 Abs. 4 lit. e BAO iVm § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf) wurde aufgrund seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom antragsgemäß veranlagt.

Mit Schriftsatz vom  beantragte er durch seinen nunmehrigen steuerlichen Vertreter die Wiederaufnahme des Verfahrens Einkommensteuer 2014 gemäß § 303 Abs. 1 BAO , da von ihm in Unkenntnis der steuerlichen Bestimmungen die Berücksichtigung verschiedener Aufwendungen und Freibeträge nicht beantragt worden sei.

Der Wiederaufnahmeantrag wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom mit der Begründung, dass aus der Sicht des Antragstellers keine Tatsachen neu hervorgekommen seien, abgewiesen.

Mit Schreiben vom erhob der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter innerhalb verlängerter Frist Beschwerde gegen diesen Abweisungsbescheid. Darin brachte er Einwände im Hinblick auf den Grundsatz von Treu und Glauben sowie den Neuerungstatbestand vor.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom – vom zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertreter am nachweislich übernommen – wurde die Beschwerde vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen, indem im Wesentlichen darauf hingewiesen wurde, dass die Kenntnis der steuerlichen Auswirkungen keine neu hervorgekommene Tatsache sei und außerdem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Neuhervorkommen von Tatsachen bei einem Antrag auf Wiederaufnahme aus der Sicht des Antragstellers zu beurteilen sei.

Mit Faxschreiben vom brachte der Bf durch seinen steuerlichen Vertreter beim Finanzamt einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) ein, wobei im Zuge der Bezeichnung des Bescheides auf den „Abweisungsbescheid vom zur Wiederaufnahme betreffend der Einkommensteuer 2014 vom , bekanntgegeben am “, Bezug genommen wurde.

Im Ergänzungsersuchen des Finanzamtes vom wurde der Bf darauf hingewiesen, dass der Vorlageantrag im Hinblick auf seine Angaben, dass ihm die Beschwerdevorentscheidung vom am bekanntgegeben bzw. zugestellt worden sei, der Vorlageantrag nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Gleichzeitig wurde er um Stellungnahme hierzu gebeten.

In seinem Antwortschreiben vom  gestand der steuerliche Vertreter des Bf’s zu, dass der Vorlageantrag leider nicht fristgerecht eingebracht worden sei, und kündigte diesbezüglich einen Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand an.

Mit Faxschreiben vom stellte er einen „Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zum Vorlageantrag gem. § 264 Abs. 1 BAO zur Beschwerde gegen den Bescheid über die Abweisung des Antrages gem. § 303 Abs. 1 BAO auf Wiederaufnahme des Verfahrens zur Einkommensteuer 2014“.
Auch in diesem Schreiben nahm der Bf neben seinen Ausführungen, dass eine Wiedereinsetzung infolge Antritts der Wochenhilfe durch eine Kanzleimitarbeiterin begründet sei, zur Verspätung des Vorlagenantrages Stellung und führte aus, dass der gegenständliche Vorlageantrag grundsätzlich spätestens am beim Finanzamt eingebracht hätte werden müssen, um die Frist entsprechend zu wahren. Auf einer diesem Wiedereinsetzungsantrag beigefügten Kopie der Beschwerdevorentscheidung scheint auch der Eingangsstempel des steuerlichen Vertreters des Bf’s mit Datum „“ auf.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die gegenständliche Beschwerde dem Bundesfinanzgericht mit dem Antrag auf Zurückweisung zur Entscheidung vor, wobei darauf hingewiesen wurde, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein unerledigter Wiedereinsetzungsantrag der Zurückweisung des Rechtsmittels nicht entgegenstünde.

Über Anfrage des Bundesfinanzgerichtes teilte die Vertreterin des Finanzamtes am mit, dass über den Wiedereinsetzungsantrag vom bisher nicht entschieden worden sei.

II. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Aktenteilen.
Außer Streit stand vor allem, dass der Vorlageantrag verspätet eingebracht worden war:
Dass der Vorlageantrag mit Faxeingabe vom eingebracht wurde, ergibt sich aus der Aktenlage der belangten Behörde und ist unstrittig.
In diesem Vorlageantrag hat der zustellungsbevollmächtigte steuerliche Vertreter des Bf’s selbst den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung ehrlich mit angegeben.
Das Finanzamt hat ihm daraufhin im Wege des Parteiengehörs die Verspätung mitgeteilt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Die Verspätung wurde daraufhin sowohl in seinem Antwortschreiben vom als auch in seinem Wiedereinsetzungsantrag vom eingeräumt. Dem Wiedereinsetzungsantrag war überdies eine Fotokopie der Beschwerdevorentscheidung vom beigelegt, aus deren Eingangsstempelaufdruck der Kanzlei des steuerlichen Vertreters mit Datum „“ eindeutig das Datum des Eingangs bzw. der Zustellung des Bescheides in der Kanzlei des zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertreters hervorging.
 

III. Rechtliche Beurteilung:

III.A. Rechtsgrundlagen:

III.A.1. Zur Verspätung:

Gemäß § 264 Abs. 1 BAO  kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag).

Für Vorlageanträge ist nach § 264 Abs. 4 lit. b BAO  unter anderem § 249 Abs. 1 BAO sinngemäß anzuwenden.
Nach § 249 Abs. 1 BAO  ist die Bescheidbeschwerde bei der Abgabenbehörde einzubringen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Nach § 264 Abs. 4 lit. e BAO ist für Vorlageanträge die Bestimmung des § 260 Abs. 1 BAO sinngemäß anzuwenden.
Gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO ist eine Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ((§ 262 BAO) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Demzufolge sind auch Vorlageanträge mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht fristgerecht eingebracht wurden.

Gemäß § 264 Abs. 5 BAO obliegt die Zurückweisung nicht fristgerecht eingebrachter Vorlageanträge dem Verwaltungsgericht.

III.A.2. Zum offenen Wiedereinsetzungsantrag:

Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen.

Die Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand obliegt  gemäß § 310 Abs. 1 BAO  der Behörde, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war.

Nach § 310 Abs. 3 BAO tritt das Verfahren durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat. Soweit die versäumte Handlung erst die Einleitung eines Verfahrens zur Folge gehabt hätte, ist durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung die ursprünglich versäumte Handlung als rechtzeitig vorgenommen anzusehen.

III.B. Erwägungen:

III.B.1. Schriftliche Erledigungen werden gemäß § 97 Abs. 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO erfolgt die Bekanntgabe bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Eingaben bei Behörden sind fristgerecht, wenn sie spätestens am letzten Tag der Frist eingebracht werden.
Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden gemäß § 108  Abs. 2 BAO mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Beginn der Frist maßgebenden Tag entspricht.
Vorlageanträge sind gemäß § 264 Abs. 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe der Beschwerdevorentscheidung bei der Abgabenbehörde einzubringen, die die Beschwerdevorentscheidung erlassen hat.

Im gegenständlichen Fall wurde die Beschwerdevorentscheidung vom , wie sich einwandfrei aus dem dargestellten Sachverhalt ergibt, am wirksam bekanntgegeben, indem sie nachweislich dem zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertreter des Bf’s zugestellt wurde.
Die Frist zur Einbringung eines Vorlageantrages endete somit am Freitag, den .
Der Vorlageantrag wurde aber tatsächlich erst mit Faxschreiben vom , also außerhalb der hierfür bestehenden Monatsfrist beim Finanzamt eingebracht.
Damit erwies sich der Vorlageantrag als nicht fristgerecht eingebracht und war er gemäß § 260 Abs. 1 lit. b BAO iVm § 264 Abs. 4 lit. e BAO mit Beschluss des Verwaltungsgerichtes zurückzuweisen (§ 264 Abs. 5 BAO).
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

III.B.2. Zum offenen Wiedereinsetzungsantrag vom ist anzumerken, dass dieser – wie auch vom Finanzamt in seinem Vorlagebericht ausgeführt – der Zurückweisung des Vorlageantrages nicht entgegenstand. Nach der seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates () bestehenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht ein offener Wiedereinsetzungsantrag der Zurückweisung einer Eingabe als verspätet nicht entgegen (siehe zB ; ; ; ). Diese Ansicht ist insofern konsequent, als die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Versäumung einer Frist voraussetzt. Es ist daher auch unter prozessökonomischen Gesichtspunkten zweckmäßig, wenn zunächst die Frage geklärt wird, ob eine Fristversäumnis überhaupt vorliegt: nur wenn diese Frage bejaht wird (und die Fristversäumnis wie gegenständlich in einem Zurückweisungsbeschluss festgestellt wird), ist die Bewilligung einer Wiedereinsetzung überhaupt erst denkbar (siehe ).
Der im gegenständlichen Fall offene Wiedereinsetzungsantrag wird nach Ergehen dieses Zurückweisungsbeschlusses vom Finanzamt als der hierfür gemäß § 310 Abs. 1 BAO zuständigen Behörde zu erledigen sein.
Sollte die Wiedereinsetzung bewilligt werden, so verlieren die nach Eintritt der Säumnis gesetzten Verfahrensakte rückwirkend von Gesetzes wegen ihre Gültigkeit, treten also ex lege außer Kraft (Fischerlehner, Das neue Abgabenverfahren 2, § 310 Anm. 2). Der Zurückweisungsbescheid (hier: Zurückweisungsbeschluss) tritt im Falle der nachträglichen Bewilligung des Wiedereinsetzungsantrages von Gesetzes wegen außer Kraft, ohne dass es einer gesonderten Aufhebung bedürfte (siehe dazu Ritz, BAO6, § 310 Tz 2 und § 260 Tz 22).
 

III.B.3. Zum Ablauf des Beschwerdeverfahrens:

Gemäß § 272 Abs. 2 Z 1 BAO obliegt die Entscheidung über eine Beschwerde unter anderem dem Senat, wenn dies in der Beschwerde oder im Vorlageantrag beantragt wird.

Nach § 272 Abs. 4 BAO idF BGBl I 117/2016 (anzuwenden gemäß § 323 Abs. 51 BAO ab )obliegen dem Berichterstatter zunächst unter anderem Zurückweisungen gemäß § 260.

Gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 lit. a BAO hat eine mündliche Verhandlung unter anderem stattzufinden, wenn dies in der Beschwerde beantragt wird.

Nach § 274 Abs. 3 Z 1 iVm Abs. 5 BAO kann der Einzelrichter ungeachtet des Antrages nach Abs. 1 Z 1 von einer mündlichen Verhandlung unter anderem absehen, wenn die Beschwerde als nicht rechtzeitig eingebracht zurückzuweisen ist. Dies gilt gemäß § 264 Abs. 4 lit. f BAO auch für nicht rechtzeitig eingebrachte Vorlageanträge.

Bezogen auf den gegenständlichen Beschwerdefall bedeuten obige Ausführungen Folgendes:

Aufgrund der Bestimmung des § 272 Abs. 4 BAO in der ab anzuwendenden Fassung haben Zurückweisungen gemäß § 260 BAO durch den Berichterstatter zu erfolgen.
Auch im gegenständlichen Fall war daher der die Zurückweisung aufgrund der Bestimmung des § 260 BAO aussprechende Beschluss gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO durch die berichterstattende Richterin zu erlassen.  

Eine mündliche Verhandlung war zufolge § 274 Abs. 3 Z 1 BAO iVm § 274 Abs. 5 BAO nicht durchzuführen, zumal die Verspätung unstrittig und daher nicht ersichtlich war, welches weitere Vorbringen in einer mündlichen Verhandlung dem Begehren des Bf's zum Erfolg verhelfen hätte können.

III.B.4. Angemerkt wird abschließend, dass über die ebenfalls beim Bundesfinanzgericht anhängige Beschwerde des Bf's gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 gesondert abzusprechen sein wird.

IV. Zum Abspruch über die Revision:

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG).

Die Beurteilung der Verspätung einer Eingabe hat jeweils im Einzelfall bezogen auf das konkret vorliegende tatsächliche Geschehen zu erfolgen. Des Weiteren sind die im gegenständlichen Verfahrens entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB ) geklärt. Der Beschluss war somit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängig und eine Revision daher nicht zuzulassen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 264 Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 310 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.5101263.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at