Spruch eines Haftungsbescheides
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., Adresse1, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan Hieke, Schottenring 23, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Haftung gemäß § 12 BAO zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Beschwerdeführer (Bf.) war im Zeitraum Datum1 bis Datum2 Geschäftsführer der xy Handelsgesellschaft m.b.H.
Über das Vermögen der Gesellschaft wurde mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom Datum3 das Konkursverfahren eröffnet, welches mit Beschluss vom Datum4 nach erfolgter Schlussverteilung aufgehoben wurde. Am Datum5 wurde die Firma gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.
Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Bf. gemäß § 12 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der GmbH in Höhe von insgesamt € 1.238.721,53 (Umsatzsteuer 2005 in Höhe von € 395.412,97 und Umsatzsteuer 2006 in Höhe von € 843.308,56) zur Haftung heran.
Zur Begründung wurde ausgeführt:
"Gemäß § 80 BAO (Bundesabgabenordnung) haben die Vertreter juristischer Personen insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO angeführten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für deren Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Sie waren laut Firmenbuch gemäß § 11 GmbH Gesetz vom Datum1 bis Datum2 Geschäftsführer und damit Vertreter, der xy Handels GmbH. Die in diesen Zeitraum fallenden aushaftenden Abgaben der xy Handels GmbH sind uneinbringlich, weil die Firma am Datum5 von Amts wegen im Firmenbuch gelöscht wurde.
Die Uneinbringlichkeit ist eingetreten, weil Sie schuldhaft, die fristgerechte Entrichtung der Abgaben aus den Mitteln der von Ihnen vertretenen Abgabenschuldnerin nicht veranlasst, bzw. deren Mittel zu anderen Zwecken verwendet haben.
Auch die Ungleichbehandlung von Abgaben im Verhältnis zu anderen Verbindlichkeiten begründet ein schuldhaftes Verhalten des Vertreters.
Tatsachen, die die Behörde zu einer anderen Auffassung gelangen lassen hätten müssen, haben Sie im Vorhaltefahren nicht dargelegt. Sie haben vielmehr dieses unbeantwortet gelassen.
Ihr schuldhaftes Vertreterverhalten führte ursächlich zur Uneinbringlichkeit der Abgaben beim Primärschuldner.
Die Geltendmachung der Haftung stellt für die Abgabenbehörde die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar und liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten hat.
Aus dem auf die Hereinbringung der Abgaben gerichteten, den Kreis der Abgabenschuldner erweiternden Zweck der Haftungsbestimmungen folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel gesetzeskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist ().
Im Interesse des öffentlichen Anliegens an der Hereinbringung der Abgaben hat die Behörde daher spruchgemäß entschieden."
Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom Beschwerde erhoben. Darin wurde zusammengefasst das Vorliegen einer schuldhaften Pflichtverletzung bestritten.
Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. In der Begründung wurde insbesondere auf die Bestimmungen der §§ 9 und 80 BAO Bezug genommen.
Mit Eingabe vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Dieses Verfahren wurde dem nunmehr zuständigen Richter mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom im Zuge eine Altaktenumverteilung zur Entscheidung übertragen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.
Anders als § 93 BAO, der allgemein die inhaltlichen Erfordernisse von Bescheiden regelt und keine Verpflichtung zur Zitierung jener gesetzlichen Grundlagen vorsieht, auf denen der Bescheid beruht, bestimmt § 224 BAO als besondere Norm ausdrücklich, dass der Haftungspflichtige "auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet" hinzuweisen ist. Der Spruch eines Haftungsbescheides hat daher nicht nur anzuführen, für welche Abgaben die Haftung in Anspruch genommen wird und bis zu welchem Zeitpunkt die Haftungsschuld zu entrichten ist, sondern auch darauf hinzuweisen, auf welche Vorschrift sich die geltend gemachte Haftungspflicht stützt (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 224 Rz 6 mit Hinweis auf RAE Rz 1203).
Im Spruch des gegenständlichen angefochtenen Bescheides wurde die Haftungsinanspruchnahme ausdrücklich auf die Bestimmung des § 12 BAO gestützt. Damit wurde auch die Sache des konkreten Haftungsverfahrens und insoweit auch der Rahmen für die Abänderungsbefugnis der Abgabenbehörde zweiter Instanz im Berufungsverfahren im Sinne des § 289 Abs. 2 BAO festgelegt (vgl. ).
Eine Umdeutung dieses Bescheidspruches in eine Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung für die angeführten Abgaben aufgrund der Bestimmung des § 9 BAO kommt nicht in Betracht. Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist maßgebend, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht, wie ihn die Behörde verstanden wissen wollte oder wie ihn der Empfänger verstand (). Die dem Spruch eines Bescheides beigegebene Begründung kann nur dann als Auslegungsbehelf herangezogen werden, wenn der Spruch, für sich allein betrachtet, Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Ist aber der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu ( 839/76, ). Die Begründung darf daher nicht als Ersatz des Spruches herangezogen werden, sondern lediglich zur Aufhellung des Sinnverständnisses und damit zur Auslegung eines unklaren Spruches (Stoll, BAO, 962).
Da der Spruch des angefochtenen Bescheides unzweifelhaft eine Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung gemäß § 12 BAO ausspricht, kann im gegenständlichen Verfahren nur geprüft werden, ob eine derartige Haftungsinanspruchnahme rechtens war.
Nach dieser Bestimmung haften die Gesellschafter von als solche abgabepflichtigen und nach bürgerlichem Recht voll oder teilweise rechtsfähigen Personenvereinigungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit persönlich für die Abgabenschulden der Personenvereinigung. Der Umfang ihrer Haftung richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes.
Unter die Bestimmung des § 12 BAO fallen die Gesellschafter der Personengesellschaften nach dem UGB (OG, KG) -Judikaturnachweise bei Ritz, BAO6, § 12 Tz 1. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist dagegen keine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit, sondern eine juristische Person im Sinne des § 80 BAO. Eine allfällige Haftungsinanspruchnahme des Berufungswerbers für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der primärschuldnerischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung könnte daher bei Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen nur auf § 9 BAO gestützt werden. Eine derartige Haftungsinanspruchnahme war aber nicht Spruchinhalt des angefochtenen Bescheides.
Da es somit an den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Heranziehung des Berufungswerbers zur Haftung für Abgaben der Primärschuldnerin gemäß § 12 BAO fehlte, war der Berufung stattzugeben, und der Bescheid aufzuheben (vgl auch ).
Zum Antrag des Bf. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist zu bemerken, dass er durch das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ) zwar in seinem aus § 284 Abs. 1 BAO erfließenden Verfahrensrecht verletzt wird. Auf Grund des zu beachtenden Gebotes der Verwaltungsökonomie (vgl. Ritz, ÖStZ 1996, Seite 70) wurde jedoch im Hinblick darauf, dass nach den vorstehenden Ausführungen ausgeschlossen werden kann, dass man bei Vermeidung dieses Mangels (Durchführung einer mündlichen Verhandlung) zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das gegenständliche Erkenntnis weicht von der ständigen und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ab.
Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 12 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 93 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 289 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.7105130.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at