zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.02.2020, RV/6100704/2016

Direktvorschreibung von Kapitalertragsteuer

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache A.B. (ehemals A.C.), Anschr., vertreten durch RA

I. über die Beschwerde vom gegen die Bescheide vom , betreffend Festsetzung von Kapitalertragsteuer für die Zeiträume Jänner 2009 bis Dezember 2009, Jänner 2010 bis Dezember 2010, Jänner 2011 bis Dezember 2011, Jänner 2012 bis Dezember 2012, Jänner 2013 bis Dezember 2013, Jänner 2014 bis Dezember 2014,

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

1) Aus Anlass der Beschwerde werden die Bescheide vom , betreffend Festsetzung von Kapitalertragsteuer für die Zeiträume Jänner 2009 bis Dezember 2009, Jänner 2010 bis Dezember 2010 und Jänner 2011 bis Dezember 2011 jeweils dahingehend abgeändert, dass im Spruch die Wortfolge “wird gem. § 95 Abs. 4 EStG 1988 festgesetzt“ durch die Wortfolge “wird gem. § 95 Abs. 5 EStG 1988 festgesetzt“ ersetzt wird.

2) Aus Anlass der Beschwerde wird der Bescheid vom , betreffend Festsetzung von Kapitalertragsteuer für die Zeiträume Jänner 2012 bis Dezember 2012, dahingehend abgeändert, dass im Spruch die Wortfolge “wird gem. § 95 Abs. 4 EStG 1988 festgesetzt“ durch die Wortfolge “wird für die Zeiträume Jänner 2012 bis März 2012 gem. § 95 Abs. 5 EStG 1988 und für die Zeiträume April 2012 bis Dezember 2012 gem. § 95 Abs. 4 EStG 1988 festgesetzt“ ersetzt wird.

II. über die Beschwerde vom gegen die “berichtigte Festsetzung vom

den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin A.B. (ehemals A.C.) war Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der X-GmbH, Adresse. Die genannte Firma wurde am im Firmenbuch gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht (FN xy).

Bei der X-GmbH wurde eine Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO iVm § 99 Abs. 2 FinStrG betreffend die Jahre 2009 bis 2013 hinsichtlich Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer (Nachschauzeitraum Jänner 2014 bis September 2015) durchgeführt.

Im Rahmen dieser Prüfung (siehe dazu im Einzelnen die Ausführungen im BP-Bericht vom zu ABNr. xy) stellten die Prüfer Folgendes fest:

Die X-GmbH betreibt ein Bordell mit Barbetrieb. Die genannte GmbH bietet ihren Kunden eine Gesamtleistung aus Getränken und Sexualleistungen an. Die Einnahmen aus den Sexualleistungen werden zwischen der X-GmbH und den die Sexualleistungen erbringenden Mädchen geteilt. Vom Anteil, den die X-GmbH erhält, bezahlt diese einen näher bezeichneten Betrag an die Y-GmbH, die die Bordellkonzession und die Arbeitszimmer für die Mädchen zur Verfügung stellt. Der restliche Betrag verbleibt bei der X-GmbH bzw. bei Frau C. (nunmehr B.) als Gesellschafter-Geschäftsführerin, scheint jedoch im Rechenwerk der genannten GmbH nicht auf.

Angesichts der bestehenden formellen und materiellen Mängel der Buchhaltung ermittelten die Prüfer die Besteuerungsgrundlagen im Schätzungswege gemäß § 184 BAO. Bei der Schätzung gingen sie vom errechneten durchschnittlichen Prostitutionsumsatz je Freier und der ermittelten Anzahl der Freier (Prostitutionskunden) aus. Als Aufteilungsschlüssel für die Verteilung der vereinnahmten Gelder aus den Prostitutionsleistungen brachten sie, ausgehend von Zeugenaussagen (Ex-Kellner und ehemalige Prostituierte), 45 % für die X-GmbH und 55 % für die Mädchen in Ansatz. Die bei der X-GmbH nach Abzug der Zahlungen an die Y-GmbH verbliebenen Gelder werteten sie als verdeckte Gewinnausschüttung.

Hinsichtlich der rechnerischen Darstellung der geschätzten Besteuerungsgrundlagen für die Umsatz-, Körperschaft- und Kapitalertragsteuer siehe BP-Bericht Seite 26, 27.

Die Abgabenbehörde folgte den Feststellungen der Prüfer, verfügte mit Bescheiden vom die Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatz- und Körperschaftsteuer 2009 bis 2013 und erließ gleichzeitig neue Sachbescheide. Mit Bescheiden vom selben Tag setzte die Abgabenbehörde weiters die Umsatzsteuer für das Jahr 2014 (vorläufig) und Umsatzsteuer für die Monate Jänner 2015 bis März 2015 (diese Bescheide wurden am gemäß § 293 BAO berichtigt) sowie Vorauszahlungen an Körperschaftsteuer für das Jahr 2016 fest. Des Weiteren erließ die Abgabenbehörde mit Ausfertigungsdatum Bescheide betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen 2009 bis 2013.

Gegen diese Bescheide brachte die X-GmbH innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist mit Schreiben vom Bescheidbeschwerde ein.

Mit Bescheiden jeweils vom schrieb die Abgabenbehörde der Beschwerdeführerin gemäß § 95 Abs. 4 EStG 1988 Kapitalertragsteuer für die Zeiträume Jänner 2009 bis Dezember 2014 vor. Die Bemessungsgrundlagen und die festgesetzte Steuer stellen sich dabei wie folgt dar:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Zeitraum
steuerpflichtige Kapitalerträge
Steuersatz
Kapitalertragsteuer
01/2009 -12/2009
145.852,63 €
25 %
36.463,16 €
01/2010 -12/2010
178.371,31 €
25 %
44.592,83 €
01/2011 -12/2011
222.155,44 €
25 %
55.538,86 €
01/2012 -12/2012
154.977,23 €
25 %
38.744,31 €
01/2013 -12/2013
197.072,82 €
25 %
49.268,21 €
01/2014 -12/2014
134.931,72 €
25 %
33.732,93 €

Diese Entscheidungen (es handelt sich dabei um die Bescheide, die im gegenständlichen Verfahren angefochten sind) begründete sie jeweils damit, gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 sei der Empfänger der Kapitalerträge Schuldner der Kapitalertragsteuer. Die Kapitalertragsteuer sei von dem gemäß § 95 Abs. 2 EStG 1988 zum Abzug Verpflichteten einzubehalten. Nach § 95 Abs. 4 EStG 1988 sei die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise dem Empfänger der Kapitalerträge direkt vorzuschreiben, wenn der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt habe und die Haftung nach Abs. 1 nicht oder nur erschwert durchsetzbar wäre oder der Empfänger wisse, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt habe und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteile.

Im Zuge der abgabenbehördlichen Außenprüfung bei der Fa. X-GmbH (ABNr. xy) sei von der Steuerfahndung festgestellt worden, dass Zahlungen von Kunden iZm Prostitutionsleistungen regelmäßig zwischen den leistenden Prostituierten und der Fa. X-GmbH geteilt worden seien, wobei die auf die GmbH entfallenden Anteile nicht in das Rechenwerk der Fa. X-GmbH aufgenommen worden seien. Die Abrechnung mit den Mädchen und somit Aufteilung der Zahlungsbeträge sei im Regelfall täglich erfolgt, sodass berechtigt von einem monatlichen Geldzufluss bzw. von einer verdeckten Gewinnausschüttung an die Gesellschafterin Frau C. ausgegangen werden müsse, auch wenn die genauen monatlichen Zahlen aufgrund der erfolgten Jahresschätzung nicht ermittelt werden könnten. Es werde auf die Begründung und zahlenmäßige Darstellung im beiliegenden Außenprüfungsbericht (ABNr. xy) verwiesen.

Die Haftung gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 erscheine nicht oder nur erschwert durchsetzbar, weil bei der Fa. X-GmbH keine ausreichenden Vermögenswerte festgestellt hätten werden können und überdies iZm der verfahrensgegenständlichen abgabenbehördlichen Prüfung (ABNr. xy) hohe Nachforderungen an Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2014 und Körperschaftsteuer 2009 bis 2013 vorzuschreiben gewesen seien.

Mit Eingabe vom brachte die Beschwerdeführerin innerhalb verlängerter Rechtsmittelfrist gegen die Kapitalertragsteuerfestsetzungsbescheide vom und die “berichtigte Festsetzung vom “ (dabei handelt es sich um die Buchungsmitteilung Nr. 2/2015 vom ) Bescheidbeschwerde ein.

In der Rechtsmittelschrift verweist sie zunächst auf die von der X-GmbH erhobene Beschwerde vom , die sie zu einem integrierenden Bestandteil ihrer Beschwerde erklärt.

In der Beschwerde der X-GmbH (siehe dazu im Einzelnen die Ausführungen in der Rechtsmittelschrift vom ) wird im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Y-GmbH betreibe das Bordell und nicht die X-GmbH. Die Y-GmbH sei Inhaberin der Bordellbewilligung, die X-GmbH verfüge über keine derartige Konzession. Die Y-GmbH habe die Einnahmen aus den Sexualdienstleistungen in Form der Zimmermiete ordnungsgemäß in ihrem Rechenwerk erfasst, in den Steuererklärungen ausgewiesen und versteuert. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Erlöse aus der Prostitution nunmehr plötzlich beiden Gesellschaften zugerechnet werden würden.

Die Tätigkeit der Prostituierten sei als selbständige Tätigkeit zu werten. Dies sei seit einem Erkenntnis des EuGH klargestellt (siehe Urteil C-268/99). Die Einnahmen aus dieser Tätigkeit seien laut den von den Damen unterfertigten Bestätigungen an diese weitergeleitet worden und seien diesen zuzurechnen.

Da die Y-GmbH selbst über kein Personal verfüge, seien eben die Tätigkeiten für diese Gesellschaft von der Beschwerdeführerin, die die Bar betreibe und damit über entsprechendes Personal im Lokal verfüge, miterledigt worden.

Die Voraussetzungen für eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO seien nicht gegeben. Es liege kein Anwendungsfall für eine Schätzung vor. Die vage, tatsächlich aber unrichtige Vermutung der Abgabenbehörde, die Beschwerdeführerin würde einen Bordellbetrieb führen, rechtfertige die Schätzungsbefugnis nicht. Bestritten werde auch die vorgenommene Schätzungsmethode. Diese entspreche keiner der üblichen Schätzungsmethoden (äußerer/innerer Betriebsvergleich, kalkulatorische Schätzung, Schätzung nach Lebensaufwand oder Vermögenszuwachs). Auch die Begründung der Schätzungsergebnisse sei völlig unzulänglich.

Im Anschluss daran führt die Beschwerdeführerin aus, im vorliegenden Fall werde von der Ausnahmebestimmung des § 95 Abs. 4 EStG Gebrauch gemacht, ohne dass dies entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen ausreichend begründet werde. Bei der gegenständlichen Begründung handle es sich lediglich um eine Wiedergabe der verba legalia. Weder habe die X-GmbH Erträge aus Prostitutionserlösen gehabt, womit sie zwingend logisch auch keine Kapitalerträge abgezogen habe, noch habe sie (die Beschwerdeführerin) als vermeintliche Empfängerin irgendetwas von Erlösen aus Prostitution gewusst, sodass sie letztendlich auch derartige Erlöse nicht empfangen habe und demgemäß auch kein Abzug der KESt von Kapitalerträgen erfolgt sei. Die Anwendung des § 95 Abs. 4 EStG scheide somit von vornherein aus. Festzuhalten sei auch, dass den Bescheiden entgegen dem Inhalt der Begründung ein Außenprüfungsbericht nicht beigelegen sei, sodass auch aus diesem Grunde die Begründung unvollständig und unrichtig sei. Auch völlig unsubstantiiert werde davon ausgegangen, dass eine eventuelle Haftung bei der X-GmbH nicht durchsetzbar sein soll. Dies werde mit vagen Aussagen begründet, ohne dass dies näher dargestellt werde. Es gebe keine rechtliche Grundlage gegenüber der Beschwerdeführerin Kapitalertragsteuer für die Jahre 2009 bis 2014 vorzuschreiben.

Der Rechtsmittelschrift fügte die Beschwerdeführerin eine Kopie der Beschwerde der X-GmbH vom als Beilage an.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde gegen die Kapitalertragsteuerfestsetzungsbescheide vom und die “berichtigte Festsetzung vom “ als unbegründet ab.

Zur “berichtigten Festsetzung vom “ hielt sie in der Entscheidungsbegründung fest, Beschwerden seien nur gegen Bescheide zulässig. Mit seien keine berichtigten Bescheide erlassen worden, sondern es sei lediglich die im Zuge der Erlassung der Bescheide vom vorgenommene falsche Verbuchung richtiggestellt und eine entsprechende Buchungsmitteilung zugestellt worden.

Was die Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer anlangt, wies die Abgabenbehörde nach Zitierung des § 95 Abs. 4 EStG 1988 idF BGBl. I Nr.118/2015 und Wiedergabe der Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden auf die im Zuge der abgabenbehördlichen Prüfung getroffene Feststellung hin, wonach die Prostitutionsgelder immer zwischen der X-GmbH und den Mädchen geteilt werden würden. Die X-GmbH bezahle vom Clubanteil einen näher bezeichneten Betrag an die Y-GmbH für die Arbeitszimmerbenützung und Konzessionszurverfügungstellung. Der restliche Betrag verbleibe bei der X-GmbH bzw. bei Frau C. als Gesellschafter-Geschäftsführerin, ohne dass diese Gelder im Rechenwerk der X-GmbH aufschienen. Entsprechend der im BP-Bericht dargestellten Gewinnermittlung und Darstellung der Berechnung der verdeckten Gewinnausschüttung sei die Kapitalertragsteuer berechnet worden. Hinsichtlich der vermögensrechtlichen Situation der X-GmbH wiederholte die Abgabenbehörde noch einmal ihre in den angefochtenen Bescheiden getätigten Ausführungen und wies darauf hin, dass angesichts dieses Umstandes auf jeden Fall davon auszugehen sei, dass die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer bei der X-GmbH im Haftungswege nur erschwert durchsetzbar sei. Zum Vorwurf des nicht zugestellten BP-Berichtes hielt die Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin als Geschäftsführerin der X-GmbH jedenfalls vom Inhalt des BP-Berichtes Kenntnis erlangt hätte. Dies gehe aus der Beschwerdeschrift hervor, werde doch im Rechtsmittelschriftsatz der Beschwerdeführerin auf die Beschwerde der X-GmbH Bezug genommen.

Mit Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

§ 93 EStG 1988 in der im Streitzeitraum geltenden Fassung lautet (Wiedergabe erfolgt auszugsweise):

a) Zeitraum bis :

(1) Bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs. 3) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).

(2) Inländische Kapitalerträge liegen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder Zweigstelle im Inland eines Kreditinstituts ist und es sich um folgende Kapitalerträge handelt:
1. a) Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien, Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung.

b) Zeitraum bis :

(1) Bei inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen wird die Einkommensteuer durch Steuerabzug erhoben (Kapitalertragsteuer) […]
(2) Inländische Einkünfte aus Kapitalvermögen liegen vor:
1. Bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital (§ 27 Abs. 2) […]

Zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 in der im Streitzeitraum bis geltenden Fassung zählen u.a Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Z 1 lit. a).

Gemäß § 27a Abs. 1 EStG 1988 in der im Streitzeitraum bis geltenden Fassung unterliegen Einkünfte aus Kapitalvermögen einem besonderen Steuersatz von 25% und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen (§ 2 Abs. 2) zu berücksichtigen, sofern nicht die Regelbesteuerung (Abs. 5) anzuwenden ist.

§ 95 EStG 1988 in der im Streitzeitraum geltenden Fassung lautet (Wiedergabe erfolgt auszugsweise):

a) Zeitraum bis :

(1) Die Kapitalertragsteuer beträgt 25%.
(2) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Die Kapitalertragsteuer ist durch Abzug einzubehalten. Der zum Abzug Verpflichtete (Abs. 3) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer […].
(3) Zum Abzug der Kapitalertragsteuer ist verpflichtet:
1. Bei inländischen Kapitalerträgen (§ 93 Abs. 2 ) der Schuldner der Kapitalerträge.
(5) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der zum Abzug Verpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder
2. der Empfänger weiß, dass der Schuldner die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

b) Zeitraum bis :

(1) Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Empfänger der Kapitalerträge. Der Abzugsverpflichtete (Abs. 2) haftet dem Bund für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer […].
(2) Abzugsverpflichteter ist:
1. Bei Einkünften aus der Überlassung von Kapital […]
a) Der Schuldner der Kapitalerträge, wenn dieser Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder inländische Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts ist und es sich um Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 1 […] handelt.
(4) Dem Empfänger der Kapitalerträge ist die Kapitalertragsteuer ausnahmsweise vorzuschreiben, wenn
1. der Abzugsverpflichtete die Kapitalerträge nicht vorschriftsmäßig gekürzt hat oder
2. der Empfänger weiß, dass der Abzugsverpflichtete die einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht vorschriftsmäßig abgeführt hat und dies dem Finanzamt nicht unverzüglich mitteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ.xy (siehe dazu Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung vom ), wurde die Beschwerdeführerin der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung für schuldig erkannt. Dieses Urteil ist am in Rechtskraft erwachsen.

Der Spruch dieses Urteils lautet (Wiedergabe erfolgt auszugsweise):

“I. A.B. ist schuldig:

sie hat in Salzburg als für die abgabenrechtlichen Belange verantwortliche unternehmensrechtliche Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin der X-GmbH im Zuständigkeitsbereich des Finanzamtes Salzburg-Stadt vorsätzlich unter Verletzung ihrer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflichten Abgabenverkürzungen von insgesamt EUR 822.887,23 bewirkt, und zwar

l. durch Abgabe unrichtiger, nämlich Erlöse nicht erfassender Steuererklärungen mit der Erlassung der darauf beruhenden Erstbescheide für die Kalenderjahre 2009-2013 an

a) Umsatzsteuer
für das Jahr 2009                                           um EUR 60.415,79
für das Jahr 2010                                           um EUR 73.702,34
für das Jahr 2011                                           um EUR 89.959,43
für das Jahr 2012                                           um EUR 68.174,89
für das Jahr 2013                                           um EUR 83.236,24

b) Körperschaftsteuer
für das Jahr 2009                                           um EUR 12.381,44
für das Jahr 2010                                           um EUR 28.211,00
für das Jahr 2011                                           um EUR 32.702,00
für das Jahr 2012                                           um EUR 21.326,00
für das Jahr 2013                                           um EUR 22.401,00

ll. durch Nichtanmeldung und Nichtabfuhr der Kapitalertragsteuer binnen 1 Woche nach dem jeweiligen Zufließen der an sie als Alleingesellschafterin ausgeschütteten Kapitalerträge eine Verkürzung an Kapitalertragsteuer von insgesamt EUR 258.340,29, nämlich

im Jahr 2009 um monatlich EUR 3.038,60
im Jahr 2010 um monatlich EUR 3.716,07
im Jahr 2011 um monatlich EUR 4.628,24
im Jahr 2012 um monatlich EUR 3.228,69
im Jahr 2013 um monatlich EUR 4.105,86
im Jahr 2014 um monatlich EUR 2.811,08,

wobei die Angeklagte als Geschäftsführerin der X-GmbH jeweils die Anmeldung und Entrichtung der sich aus den ihr als Alleingesellschafterin der X-GmbH zugeflossenen steuerlich nicht erklärten Prostitutionserlösen ergebende Kapitalertragsteuer, die die Angeklagte als Steuerschuldnerin der Kapitalertragsteuer (§ 95 EStG) schuldete, in der Absicht unterließ, sich persönlich durch deren wiederkehrende Begehung einen fortlaufenden abgabenrechtlichen Vorteil durch Ersparnis der von der Angeklagten geschuldeten Kapitalertragsteuer von jedenfalls mehr als EUR 400,00 monatlich zu verschaffen, und die Angeklagte bereits bei der Nichtanmeldung und -entrichtung der Kapitalertragsteuer für den Zufluss von unversteuerten Prostitutionserlösen im Jänner 2009, ebenso wie jeweils bei den weiteren identen monatlichen Taten bis Ende 2014, sich entschlossen hatte, für zumindest zwei weitere anschließende Monate solche Taten zu begehen, und dies auch tatsächlich bis Ende 2014 tat;

III. vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen durch Abgabe unrichtiger, nämlich Umsätze nicht erfassender Erklärungen bei gleichzeitiger Nichtentrichtung der darauf entfallenden Umsatzsteuervorauszahlungen an den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten, eine Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen im Gesamtbetrag von EUR 72.036,78, und zwar von Jänner 2014 bis Dezember 2014 um durchschnittlich monatlich EUR 5.016,72 und von Jänner 2015 bis März 2015 um durchschnittlich monatlich EUR 4.460,71, und sie dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten hat.

A.B. hat hiedurch unter Einbeziehung der rechtskräftigen Schuldsprüche des Urteiles des Landesgerichtes Salzburg vom zu GZ.yy

zu l.
die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG

zu II.
die Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs. 1, 38 Abs. 1 FinStrG

zu III.
die Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG

begangen […]“

Die Beschwerdeführerin und der belangte Verband (X-GmbH) haben auf die Erhebung eines Rechtsmittels gegen das genannte Urteil verzichtet. Hinsichtlich des Strafurteils gegen den belangten Verband siehe Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung vom , GZ.xz.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen; die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen (vgl. z.B. , , u.a.).

Wie aus Punkt II. des Urteilspruchs des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ.xy, hervorgeht, hat die Beschwerdeführerin, die die Empfängerin der Kapitalerträge war, als Geschäftsführerin der X-GmbH die auf die Kapitalerträge entfallende Kapitalertragsteuer nicht ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt.

Damit sind die Voraussetzungen des § 95 Abs. 5 bzw. § 95 Abs. 4 EStG 1988 als erfüllt anzusehen.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, so liegt es im Ermessen der Abgabenbehörde, ob die Haftung beim Schuldner der Kapitalerträge geltend gemacht wird oder der Steuerschuldner unmittelbar in Anspruch genommen wird (vgl. ).

Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben, in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Bei Auslegung des § 20 BAO ist dem Gesetzesbegriff “Billigkeit“ die Bedeutung von “Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei“ und dem Begriff “Zweckmäßigkeit“ die Bedeutung von “öffentliches Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben“ beizumessen (vgl. , ).

Für eine Ermessensentscheidung ist die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde maßgeblich (vgl. ).

Im vorliegenden Fall liegt die direkte Inanspruchnahme der Beschwerdeführerin (Empfängerin der Kapitalerträge) im öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgabe. Die Abgabenbehörde führt in den angefochtenen Bescheiden aus, die Haftung der X-GmbH gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 sei nicht oder nur erschwert durchsetzbar. Dies begründet sie damit, bei der genannten Gesellschaft hätten keine ausreichenden Vermögenswerte festgestellt werden können und seien an diese überdies iZm der verfahrensgegenständlichen abgabenbehördlichen Prüfung hohe Nachforderungen an Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2014 und Körperschaftsteuer 2009 bis 2013 zur Vorschreibung gelangt (Anmerkung des BFG: Seitens der Abgabenbehörde wurde Umsatzsteuer in Höhe von € 447.525,47 und Körperschaftsteuer in Höhe von € 117.021,44 vorgeschrieben). Wenn die Beschwerdeführerin in der Rechtsmittelschrift rügt, bei den diesbezüglichen Ausführungen der Abgabenbehörde handle es sich um vage Aussagen, die nicht geeignet seien, die Nichtdurchsetzbarkeit der Haftung bei der X-GmbH zu tragen, so vermag sie damit die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen. Faktum ist, dass mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ, über das Vermögen der X-GmbH das Konkursverfahren eröffnet wurde. Faktum ist auch, dass mit Beschluss des genannten Gerichtes vom , GZ (rechtskräftig am ), der Konkurs nach nicht vollständiger Befriedigung der Masseforderungen gemäß § 124a IO iVm § 123a IO aufgehoben wurde und mit Eintragung vom die X-GmbH gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit im Firmenbuch (FN xy) gelöscht wurde (amtswegige Löschung). Im Hinblick auf die Vermögenslosigkeit der X-GmbH bedarf es keiner weiteren Ausführungen, dass es im öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgabe gelegen ist, die Beschwerdeführerin für die Kapitalertragsteuer in Anspruch zu nehmen.

Die Vorschreibung der Kapitalertragsteuer an die Beschwerdeführerin ist nicht als unbillig anzusehen. Die Beschwerdeführerin war als Geschäftsführerin der X-GmbH für die ordnungsgemäße Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer zuständig. Sie war die Empfängerin der Kapitalerträge. Die Beschwerdeführerin ist der genannten Verpflichtung nicht nachgekommen und zwar über Jahre hindurch, wobei ihr bei der von ihr verfolgten Vorgangsweise – wie vom Strafgericht festgestellt – ein gewerbsmäßiges Verhalten zur Last zur legen ist.

Angesichts der gegebenen Situation kann kein Zweifel obwalten, dass sich die Heranziehung der Beschwerdeführerin für die Kapitalertragsteuer als zu Recht erweist.

Auf Grund der Bindungswirkung an das rechtskräftige Strafurteil braucht auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht eingegangen werden.

Aus Anlass der Beschwerde wird die im Spruch der angefochtenen Bescheide angeführte gesetzliche Grundlage richtiggestellt.

Gemäß § 260 Abs. 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

Mit Beschwerde anfechtbar sind nur Bescheide. Bei der von der Beschwerdeführerin mit Beschwerde vom bekämpften “berichtigten Festsetzung vom “ handelt es sich um die Buchungsmitteilung Nr. 2/2015 vom . Einer Buchungsmitteilung kommt keine Bescheidqualität zu (vgl. ). Die dagegen erhobene Beschwerde erweist sich daher als unzulässig und ist gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO zurückzuweisen. 

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Gericht folgt in seiner Entscheidung einer existierenden, einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu die zitierte Judikatur).

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at