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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 11.02.2020, RV/1100034/2020

Versagung der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen wegen Beteiligung an einer von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia Mauthner in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Troll/Dalpiaz/Mündlein, Arlbergstraße 139, 6900 Bregenz, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom , betreffend Umsatzsteuer 2011 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Umsatzsteuerbescheid 2011 wird wie folgt abgeändert:

Umsatzsteuer 2011


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Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstigen Leistungen (einschließlich Anzahlungen)
998.199,82 €
Davon steuerfrei mit Vorsteuerabzug (Ausfuhrlieferungen)
-853.810,99 €
Innergemeinschaftliche Lieferungen ohne Fahrzeuglieferungen als Abnehmer ohne UID-Nummer und durch Private)
-25.410,00 €
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Lieferungen, sonstigen Leistungen und Eigenverbrauch (einschließlich steuerpflichtiger Anzahlungen)
118.978,83 €
20% Normalsteuersatz
23.795,76 €
Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz sowie gemäß Art. 19 Abs. 1 Z 3 und Art. 25 Abs. 5
1.568,77 €
Summe Umsatzsteuer
25.364,53 €
Innergemeinschaftliche Erwerbe
607.027,11 €
Gesamtbetrag der steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerbe
607.027,11 €
20 % Normalsteuersatz
121.405,42 €
Summe Erwerbsteuer
121.405,42 €
Summe Umsatzsteuer
25.364,53 €
Summe Erwerbsteuer
+121.405,42 €
Gesamtbetrag Vorsteuern (ohne nachstehende Vorsteuern)
-56.005,56 €
Vorsteuern, betreffend die geschuldete, auf dem Abgabenkonto verbuchte Einfuhrumsatzsteuer
-5.808,19 €
Vorsteuern aus dem innergemeinschaftlichen Erwerb
-121.393,68 €
Vorsteuern betreffend die Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz sowie gemäß Art. 19 Abs. 1 Z 3 und Art. 25 Abs. 5
-1.568,77 €
Gutschrift
-38.006,25 €

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf. abgekürzt)" betrieb im streitgegenständlichen Jahr 2011 ein Textilunternehmen.

Im Zuge einer im Jahr 2014 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer unter anderem fest, dass für eine Warenlieferung der Bf. nach Ort1 (Land1) eine Ausgangsrechnung in Höhe von 45.175 $ (33.463 EUR) gelegt worden sei, als Ausfuhrnachweis für die betreffende Lieferung hingegen eine Ausfuhranzeige (E-Zoll) über einen Warenwert von lediglich 23.000 $ vorliege. Laut Mitteilung der Mitbeteiligten sei der niedrigere Warenwert auf der Ausfuhrbestätigung auf Verlangen des afrikanischen Kunden angegeben worden.

Die Abgabenbehörde erachtete es als nicht ausreichend, dass die Warenmenge auf der Ausgangsrechnung und den Ausfuhrpapieren übereinstimmte. Durch die Angabe des Warenwerts von 23.000 $ auf der Ausfuhranzeige komme klar zum Ausdruck, dass nur Waren in diesem Wert für die Ausfuhr bestimmt gewesen seien. Da ein Nachweis der Ausfuhrbescheinigung zu den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gehöre, sei die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 für die Differenz von 22.175 $ (16.425,95 EUR) nicht zu gewähren.

Das Finanzamt nahm aufgrund der Prüfungsergebnisse unter anderem das Verfahren betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2011 wieder auf und erließ einen neuen Sachbescheid. Hinsichtlich der zwischen den Werten der Ausgangsrechnung und des Ausfuhrnachweises bestehenden Differenz gewährte das Finanzamt die Steuerbefreiung des § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 nicht.

In der gegen den neuen Sachbescheid erhobenen Beschwerde wandte sich die Bf. unter anderem gegen diese Versagung der Steuerbefreiung.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte das Finanzamt hinsichtlich der Steuerpflicht des Differenzbetrags aus, dass für diesen kein Ausfuhrnachweis vorliege und es sich daher in diesem Ausmaß um eine steuerbare und steuerpflichtige Lieferung handle, die nicht gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 befreit sei.

Daraufhin beantragte die Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom , RV/1100412/2015, unter anderem hinsichtlich der Frage der Steuerpflicht des Differenzbetrages statt und führte begründend aus, dass aufgrund der identen Angaben hinsichtlich Warennummer, Empfänger, Brutto- und Nettogewicht und Anzahl der Pakete und des engen zeitlichen Zusammenhangs kein Zweifel daran bestehe, dass die gegenständliche Warenlieferung mit einem tatsächlichen Wert von 45.175 $ (33.463 EUR) ausgeführt worden sei und es sich bei den Wertangaben im Ausfuhrnachweis um einen auf Wunsch des Käufers zwecks Reduzierung der nigerianischen Einfuhrabgaben bewusst herabgesetzten Kaufpreis gehandelt habe. Das Bundesfinanzgericht sehe den buchmäßigen Nachweis der Ausfuhrlieferung als erbracht an, weshalb die Steuerfreiheit gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 zustehe. Weiters erklärte das Bundesfinanzgericht die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichthof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

Nach Erhebung einer Amtsrevision hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0045, das Erkenntnis des , im Umfang seines Abspruchs über die Umsatzsteuer 2011 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Zur Streitfrage, ob die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen zu versagen sei, wenn der liefernde Unternehmer gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers stehe, hat das Höchstgericht folgende Rechtsauffassung vertreten:

"...Die Befreiung für Ausfuhrlieferungen gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 beruht unionsrechtlich auf Art. 15 Z 1 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, 77/388/EWG (nunmehr Art. 146 der Richtlinie 2006/112/EG, Mehrwertsteuersystemrichtlinie).

Diese Steuerbefreiung soll die Besteuerung der betreffenden Lieferungen von Gegenständen an deren Bestimmungsort sicherstellen, d.h. an dem Ort, an dem die ausgeführten Erzeugnisse verbraucht werden (vgl. Vinš, C- 275/18, Rn. 23).

Gemäß Art. 131 der Mehrwertsteuersystemrichtlinie sind die Mitgliedstaaten dafür zuständig, die Bedingungen festzulegen, unter denen sie Ausfuhrumsätze befreien, um eine korrekte und einfache Anwendung der durch diese Richtlinie vorgesehenen Befreiungen zu gewährleisten und um Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch zu verhindern. Die Mitgliedstaaten müssen jedoch bei der Ausübung dieser Befugnisse die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, die Bestandteil der Rechtsordnung der Union sind und zu denen insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit zählen. Eine nationale Maßnahme gilt dann nicht mehr als verhältnismäßig, wenn sie über das hinausgeht, was erforderlich ist, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen, wenn sie das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung im Wesentlichen von der Einhaltung formeller Pflichten abhängig macht, ohne dass materielle Anforderungen berücksichtigt würden und insbesondere ohne dass in Betracht zu ziehen wäre, ob diese erfüllt sind (vgl. Cartrans Spedition, C-495/17, Rn. 37 und 38).

Insoweit ist eine nationale Voraussetzung, die der Gewährung einer Mehrwertsteuerbefreiung für eine Lieferung von Gegenständen, die bestimmte formelle Anforderungen nicht erfüllt, entgegensteht, obwohl feststeht, dass diese Gegenstände tatsächlich ausgeführt worden sind und dass diese Lieferung daher durch ihre objektiven Merkmale die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuersystemrichtlinie erfüllt, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar (vgl. C-275/18, Vinš, Rn. 30).

Der Verwaltungsgerichtshof hat daher im Erkenntnis vom , 2005/15/0057, ausgesprochen, dass es für die Steuerfreiheit des einzelnen Umsatzes entscheidend auf das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung ankommt, während bloß formelle Belange - etwas der Ausweis eines zu niedrigen Entgelts - bei der Beurteilung der Steuerpflicht zurückzutreten haben.

Anderes gilt nach der Rechtsprechung des EuGH jedoch für jene Fälle, in denen sich ein Steuerpflichtiger an einer das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdenden Steuerhinterziehung beteiligt hat. Ein solcher Steuerpflichtiger kann sich für die Zwecke der Steuerbefreiung nicht auf den Grundsatz der Steuerneutralität berufen, sodass in einem solchen Fall, die Nichteinhaltung einer formellen Anforderung den Verlust des Rechts auf Mehrwertsteuerbefreiung nach sich zieht. Es verstößt nicht gegen das Unionsrecht, von einem Wirtschaftsteilnehmer zu fordern, dass er in gutem Glauben handelt und alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Sollte der betreffende Steuerpflichtige gewusst haben oder hätte er wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und hat er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um diese zu verhindern, muss ihm der Anspruch auf Mehrwertsteuerbefreiung versagt werden (vgl. zu Ausfuhrlieferungen Vinš, C-275/18, Rn. 33, sowie , Cartrans Spedition, C-495/17, Rn. 41).

Dabei ist es nicht maßgeblich, ob der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung zum Nachteil des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems begeht oder ob er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seiner Lieferung an einem Umsatz beteiligt, der in eine von einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe der Lieferkette begangene Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist (vgl. Kittel und Recolta Recycling, C-439/04 und C- 440/04).

Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts handelt es sich bei dem im Ausfuhrnachweis angeführten Entgelt um "einen auf Wunsch des Käufers zwecks Reduzierung der afrikanischen Einfuhrabgaben bewusst herabgesetzten Kaufbetrag". Auf Grund dieser Feststellungen ist dem revisionswerbenden Finanzamt beizupflichten, dass die Mitbeteiligte mit der Angabe eines niedrigeren Warenwerts im Ausfuhrnachweis an einer Steuerumgehung mitgewirkt habe oder zumindest von einer beabsichtigten Steuerumgehung habe wissen müssen.

Wie der ; Unitel, C- 653/18, ausgeführt hat, reicht die Tatsache, dass die betrügerischen Handlungen in einem Drittstaat begangen wurden, für sich nicht aus, um das Vorliegen irgendeines Betrugs zum Nachteil des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems auszuschließen. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."

II. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Durch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses des BFG im Umfang seines Abspruchs über die Umsatzsteuer 2011 tritt die Rechtssache betreffend Umsatzsteuer 2011 in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses befunden hat (§ 42 Abs. 3 VwGG). Die Verwaltungsgerichte sind im fortgesetzten Verfahren verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 63 Abs. 1 VwGG).

Im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2011 wurde die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 lediglich im Ausmaß von 22.175 $ (16.425,95 EUR) nicht gewährt. Das entspricht jener Differenz, um die der in der Ausgangsrechnung angeführte Warenwert 45.175 $ (33.463 EUR) von jenem in der Ausfuhrbescheinigung angegebenen Warenwert (23.000 $ bzw. 17.037,05 Euro) abweicht.

Im Unterschied dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0045, unter Verweis auf die obig zitierte Rechtsprechung des EuGH judiziert, dass bei der vorliegenden Fallkonstellation - Angabe eines niedrigeren Warenwertes im Ausfuhrnachweis auf Wunsch des Käufers zwecks Reduzierung der afrikanischen Einfuhrabgaben - die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 iVm § 7 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 hinsichtlich des gesamten Warenwertes von 45.175 $ (33.463 EUR) zu versagen ist.

In diesem Sinne hat auch das Finanzamt mit Schriftsatz vom zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2019/15/0045, wie folgt Stellung genommen:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0045 das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl RV/1100412/2015 betreffend Umsatzsteuer 2011 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

In diesem Erkenntnis führt der VwGH aus:

"[…]

Sollte der betreffende Steuerpflichtige gewusst haben oder hätte er wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und hat er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um diese zu verhindern, muss ihm der Anspruch auf Mehrwertsteuerbefreiung versagt werden (vgl. zu Ausfuhrlieferungen Vinš, C-275/18, Rn. 33, sowie , Cartrans Spedition, C-495/17, Rn. 41).

[…]

Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts handelt es sich bei dem im Ausfuhrnachweis angeführten Entgelt um "einen auf Wunsch des Käufers zwecks Reduzierung der afrikanischen Einfuhrabgaben bewusst herabgesetzten Kaufbetrag". Auf Grund dieser Feststellungen ist dem revisionswerbenden Finanzamt beizupflichten, dass die Mitbeteiligte mit der Angabe eines niedrigeren Warenwerts im Ausfuhrnachweis an einer Steuerumgehung mitgewirkt habe oder zumindest von einer beabsichtigten Steuerumgehung habe wissen müssen." (Rn 18 und Rn 20)

Aufgrund dieses VwGH-Erkenntnisses steht nach Ansicht des Finanzamt Feldkirch daher zweifelsfrei fest, dass die Mitbeteiligte (nunmehr: Bf) bei den streitgegenständlichen Lieferungen nicht in gutem Glauben gehandelt hat, und dass ihr deshalb für die streitgegenständliche Warenlieferung die Steuerfreiheit (der Ausfuhrlieferung) versagt werden muss.

Der VwGH spricht nicht davon, dass der Ausfuhrnachweis (oder ein Teil des Ausfuhrnachweises) nicht erbracht wurde, sondern davon, dass die Steuerfreiheit (der Ausfuhrlieferung) zu versagen ist. ["muss ihm der Anspruch auf Mehrwertsteuerbefreiung versagt werden" ; Rn 18]

Dies entspricht auch der ständigen Judikatur der Höchstgerichte zu Betrug und Missbrauch, wonach die nationalen Behörden und Gerichte das Recht auf Vorsteuerabzug, auf Befreiung von der Mehrwertsteuer oder auf Erstattung der Mehrwertsteuer zu versagen haben, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht oder wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung von Rechten beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat (vgl. C-131/13, Schoenimport "Italmoda"; C-439/04und C-440/04, Kittel und Recolta Recycling; C-285/11, Bonik, C-18/13, Maks Pen, C-285/09, R und , Mecsek-Gabona; C-624/15, "Litdana" UAB sowie Ra 2015/13/0025; 2009/13/0172; , Ra 2014/13/0023). Diese Entscheidungen sprechen nicht vom Fehlen einzelner Tatbestandsvoraussetzungen für entsprechende Begünstigungsvorschriften, sondern versagen ganz allgemein das Recht auf diese Begünstigung. In Fällen von Betrug oder Missbrauch ist daher - trotz Vorliegen der im Gesetz normierten Voraussetzungen - die Begünstigung (hier: die Steuerbefreiung) zu versagen.

Die Steuerfreiheit für die streitgegenständliche (Ausfuhr)Lieferung ist zur Gänze dh iHv 33.463,00 Euro (= USD 45.175,00) zu versagen. Eine nur teilweise Versagung der Steuerfreiheit widerspräche nicht nur dem Wortlaut und Ausführungen des VwGH-Erkenntnisses Ra 2019/15/0045, sondern auch den Grundsätzen des Mehrwertsteuerrechts.

Eine nur teilweise Versagung der Steuerfreiheit der gegenständlichen Ausfuhrlieferung widerspräche den, dem Umsatzsteuerrecht immanenten Grundsatz der Einheitlichkeit/Unteilbarkeit der Leistung, wonach im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden darf. Aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung folgt, dass Steuerbarkeit, Steuerpflicht und Steuersatz für eine Leistung einheitlich zu bestimmten sind. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung darf daher ein (einziger, einheitlicher) Umsatz nicht in einen steuerfreien und in einen steuerpflichtigen Teil aufgespalten werden. Eine (einheitliche) Ausfuhrlieferung darf daher nicht einen steuerfreien und in einen steuerpflichtigen Teil aufgeteilt werden. Die streitgegenständliche Warenlieferung darf daher - nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung - nicht in einen steuerpflichtigen und in einen steuerfreien Teil aufgespalten werden.

Dem entspricht auch, dass der VwGH in seinem Erkenntnis vom von der Versagung des Anspruchs auf Mehrwertsteuerbefreiung spricht und nicht von der Versagung eines Teilanspruchs oder von der Versagung eines Teils der Mehrwertsteuerbefreiung. Auch die bisher zu Betrug und Missbrauch ergangenen Entscheidungen sprechen davon, dass sich der Steuerpflichtige in Fällen von Betrug oder Missbrauch nicht mit Erfolg auf das Recht zum Vorsteuerabzug, auf das Recht auf Steuerbefreiung, auf das Recht auf Mehrwertsteuererstattung berufen kann (vgl zB EuGH Schoenimport "Italmoda"; .Kittel und Recolta Recycling; Bonik; Maks Pen; Mecsek-Gabona und Enteco Baltic). Es wird nicht von einem Teilrecht gesprochen.

Der Anspruch auf Steuerbefreiung bzw. eine Steuerbefreiung bezieht sich nach der Mehrwertsteuerrichtlinie und nach dem UStG 1994 immer auf den Umsatz und nicht auf die Bemessungsgrundlage [siehe § 6 Abs. 1 erster Satz UStG 1994: "Von den unter § 1 Abs 1 Z1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei"]. Eine "teilweise" Steuerbefreiung eines einheitlichen Umsatzes ist der Mehrwertsteuerrichtlinie und dem UStG fremd und nicht zu entnehmen. Daher muss sich die Steuerbefreiung bzw. die Versagung der Steuerbefreiung auch auf den gesamten (einheitlichen) Umsatz (hier: Ausfuhrlieferung) beziehen.

Nach Ansicht des Finanzamtes Feldkirch ergibt sich aus dem VwGH- Erkenntnis vom , Ra 2019/15/0045, dass die streitgegenständliche Warenlieferung, über die mit Ausgangsrechnung AR 147/2011 in Höhe von 45.175 $ abgerechnet worden ist, zur Gänze (dh iHv 33.463,00 Euro (= USD 45.175,00) als steuerpflichtig zu behandeln ist."

Der angefochtene Bescheid war somit im Sinne der obigen Ausführungen abzuändern.

III. Zulässigkeit einer Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Im fortgesetzten Verfahren waren keine Rechtsfragen zu klären, weshalb eine (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise


, Vinš
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.1100034.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at