Umsatzsteuerpflicht von Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und Video Lotterie Terminals, geltend gemachte Unionsrechtswidrigkeit des § 6 Abs. 1 Z 9 lit d UStG 1994
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter Ri über die Beschwerde vom der Beschwerdeführerin Bf, gegen den Bescheid des Finanzamtes betreffend Umsatzsteuerfestsetzung für den Zeitraum 04-12/2015 vom zu Recht:
I)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II)
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist gem. Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang
Nach einer bei der Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz BF) durchgeführten Außenprüfung wurde vom Finanzamt ein Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 04-12/2015 erlassen. Das Finanzamt ging vom Bestehen einer Betriebsstätte (feste Niederlassung mit eigenem Personal und Sachmitteln) aus und unterwarf die erzielten Automatenumsätze der Umsatzsteuer.
Mit Schreiben vom wurde gegen den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für den Zeitraum 04-12/2015 Beschwerde eingebracht. Nach einem durchgeführten Mängelbehebungsverfahren wurde mit Schreiben vom eine Begründung zur Beschwerde nachgereicht. Vorgebracht wird darin ausschließlich, dass § 6 Abs. 1 Z 9 lit d UStG 1994 dem Unionsrecht widerspreche. Trotz vergleichbarem Angebot (verwiesen wird dabei auf die von der ÖGmbH auf der Website w.at angebotenen Spiele) würden die Umsätze aus elektronischen Lotterien gemäß § 12a GSpG, die nicht über Video Lotterie Terminals (VLTs) angeboten würden, gem. § 6 Abs. 1 Z 9 lit d UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreit. Diese differenzierte Besteuerung sei vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zum steuerlichen Neutralitätsgrundsatz in The Rank Group (C-259/10 vom ) und BGZ Leasing (C-224/11 vom ) fragwürdig. Der Durchschnittsverbraucher werde bei vergleichbaren Dienstleistungen unterschiedlich besteuert. Je nachdem, ob er in einer Spielbank, in einer Gaststätte diverse Casinospiele („einarmige Banditen“), über ein Internet-Terminal oder über ein Tablet oder einen Internet-Anschluss ein Produkt über w.at (aber auch von vergleichbaren nicht im Inland konzessionierten ausländischen Angeboten) spiele sei das Entgelt für die Dienstleistung entweder steuerpflichtig oder steuerfrei. Aufgrund der eindeutigen Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Rank plc. bzw. in den davor ergangenen Urteilen zur Auslegung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität im europäischen Mehrwertsteuerrecht stünden diese Dienstleistungen aus Sicht des Durchschnittsverbrauches in einem Wettbewerb. Die unterschiedliche Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung für Produkte, die über eine elektronische Lotterie gem. § 12a GSpG und nicht über Spieleapparate im Sinne von VLTs angeboten würden und VLTs bzw. Glücksspielapparaten widerspreche dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom Finanzamt als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom wurde von der BF die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) beantragt. Seitens des Finanzamtes wurde die Beschwerde am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
2. Sachverhalt
Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts basiert auf folgendem Sachverhalt, der in den Akten der Abgabenbehörde sowie des Gerichtes abgebildet und soweit nicht gesondert angeführt unbestritten ist.
Die BF hat ihren Sitz in P.. Sie ist im tschechischen Handelsregister seit eingetragen. Die BF ist seit in Österreich unternehmerisch tätig und betrieb im Streitzeitraum einen Pokerclub in S.. Neben den Umsätzen aus dem Pokerspiel erzielte die BF dort auch Umsätze mit Spielautomaten. Weiters hatte die BF in einem Lokal in L. Automaten aufgestellt. Die technische Wartung der Automaten und die laufende tatsächliche Betreuung und Abrechnung mit den Kunden erfolgte durch das Personal der BF in Österreich.
Die Spieleinnahmen wurden seitens der BF auf elektronischem Wege bei dem für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel zuständigen Finanzamt erklärt.
Beim Finanzamt wurden weder Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht noch Umsatzsteuerzahlungen geleistet. Die im Beschwerdezeitraum von der BF erzielten Umsätze mit Spielautomaten wurden vom Finanzamt als umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig behandelt.
3. Beweiswürdigung
Gem. § 167 Abs. 2 BAO haben die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die Angaben der BF sowie auf die dem Gericht vorgelegten Unterlagen des Finanzamtes und ist insoweit unstrittig.
4. Rechtsgrundlagen, rechtliche Würdigung
Außer in den Fällen des § 278 BAO hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen (§ 279 Abs. 1 BAO).
§ 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG 1994 lautet:
„Von den unter § 1 Abs 1 Z 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:
d)
aa) die mit Wetten gemäß § 33 TP 17 Abs 1 Z 1 GebG 1957 und mit Ausspielungen gemäß § 2 Abs 1 GSpG, ausgenommen Ausspielungen mit Glücksspielautomaten (§ 2 Abs 3 GSpG) und mit Video Lotterie Terminals, unmittelbar verbundene Umsätze,
bb) Umsätze aus der Mitwirkung im Rahmen von Ausspielungen, soweit hierfür vom Konzessionär (§ 14 GSpG) Vergütungen gewährt werden, ausgenommen Vergütungen aufgrund von Ausspielungen mittels Video Lotterie Terminals, und
cc) die Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs 3 Glücksspielgesetzes.“
Umsätze, die mittels Glücksspielautomaten und mit Hilfe von VLTs erzielt werden, sind nach § 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG 1994 nicht von der Steuerfreiheit umfasst.
Strittig ist im beschwerdegegenständlichen Verfahren die Frage, ob § 6 Abs 1 Z 9 lit d UStG 1994 dem Unionsrecht widerspricht.
Unionsrechtlich ist die Befreiung durch Art. 135 Abs. 1 lit. i MwSt-RL gedeckt, wonach Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz steuerfrei sind „unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden“. Nach der EuGH-Rechtsprechung räumt das Unionsrecht den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet einen weiten Spielraum ein und verlangt insbesondere keine umfassende Befreiung der Glücksspiele. Eine differenzierte Behandlung von Glücksspielen ist zulässig, sofern die verschiedenen Arten von Spielen nicht miteinander im Wettbewerb stehen; den Mitgliedstaaten ist es somit gestattet, nur bestimmte Glücksspiele (zB Lotterien und Wetten, nicht aber sonstige Glücksspiele) von der MwSt zu befreien (Ruppe/Achatz , UStG5, § 6 Tz 282, „Leo-Libera“; , C-259/10 „The Rank Group“).
Der Grundsatz der Neutralität der MwSt verbietet es allerdings, die Steuerbefreiung den erlaubten Glücksspielen vorzubehalten, selbst wenn unerlaubte Glücksspiele nicht den sonst für Glücksspiele vorgesehenen Abgaben unterliegen ( „Fischer“; , C-259/10 „The Rank Group“).
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es mit dem Unionsrecht auch nicht vereinbar, die Befreiung auf Glücksspiele in zugelassenen öffentlichen Spielbanken zu beschränken, sie aber auf die Ausübung der gleichen Tätigkeit durch Wirtschaftsteilnehmer, die nicht Spielbankbetreiber sind, nicht anzuwenden ( „Linneweber“; das Urteil geht von einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift auf solche Fälle aus; so auch BFH , V R 52/01).
In Österreich werden alle Umsätze mit Glücksspielautomaten und VLTs umsatzsteuerpflichtig behandelt, egal ob sie mit illegalen Geräten oder mit konzessionierten Geräten erwirtschaftet werden. Die österreichische Regelung ist demnach als unionsrechtskonform zu bewerten, da sie Gleiches nicht ungleich behandelt, was nach der EuGH Rechtsprechung geboten ist. Die innerstaatlichen Bestimmungen bewegen sich vielmehr im von Art. 135 Abs. 1 lit. i der MwSt-RL (Richtlinie 2006/112) erlaubten Rahmen, der einen weiten Wertungsspielraum zulässt.
Nichts Anderes ist auch aus dem Urteil C-259/10, „The Rank Group“, vom abzuleiten. Der EuGH stellt hier einmal mehr fest, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen ist, dass zwei aus der Sicht des Verbrauchers gleichartige Dienstleistungen, die dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigen, hinsichtlich der Mehrwertsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Im Rank-Fall ging es darum, dass die Umsätze verschiedener von Rank betriebenen Glücksspielgeräte (Geldspielautomaten) unterschiedlich besteuert wurden. Unstrittig war, dass die besteuerten Geräte und die nicht besteuerten Vergleichsgeräte aus der Sicht der Verbraucher gleichartig waren.
Eine solche Ungleichbehandlung verstößt nach dem EuGH grundsätzlich gegen das unionsrechtliche Neutralitätsgebot, ohne dass es noch der Feststellung bedarf, dass die betreffenden Dienstleistungen in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen oder dass der Wettbewerb wegen dieser Ungleichbehandlung verzerrt ist. Bei der im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vorzunehmenden Prüfung, ob zwei Arten von Geldspielautomaten gleichartig sind und die gleiche Behandlung hinsichtlich der Mehrwertsteuer erfordern, ist zu prüfen, ob die Benutzung dieser Gerätearten aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers vergleichbar ist und dieselben Bedürfnisse des Verbrauchers befriedigt, wobei insoweit insbesondere Gesichtspunkte wie die Mindest- und Höchsteinsätze und ‑gewinne und die Gewinnchancen berücksichtigt werden können.
In Rz 53 führte der EuGH dazu aus: „Zunächst ist festzustellen, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, soll Art. 13 Teil B Buchst. f der Sechsten Richtlinie und dem in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils genannten weiten Wertungsspielraum, der den Mitgliedstaaten in dieser Bestimmung eingeräumt worden ist, nicht jede praktische Wirksamkeit genommen werden, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz sämtlich als gleichartige Leistungen im Sinne dieses Grundsatzes anzusehen wären. Ein Mitgliedstaat kann daher die Mehrwertsteuerbefreiung auf bestimmte Formen von Glücksspielen beschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil „Leo Libera GmbH“, Randnr. 35).“ Auch aus diesem Urteil ergibt sich somit, dass der nationale Gesetzgeber sehr wohl unterschiedliche Arten von Glücksspielen unterschiedlich behandeln kann und die unionsrechtlichen Vorgaben keine generelle Steuerbefreiung für Glücksspiele verlangen.
Nach dem Vorbringen der BF wäre es unionsrechtlich geboten, Spiele mit den VLTs und Casinospiele in einer Gaststätte gleich den Online-Glücksspielen zu behandeln. Ein Durchschnittsverbraucher werde unterschiedlich besteuert, je nachdem, ob er in einer Spielbank oder in einer Gaststätte "einarmige Banditen" bediene; über ein Internet-Terminal oder aber über ein Tablet oder einen Internet-Anschluss ein Produkt über win2day konsumiere. Diese Dienstleistungen stünden aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers auch im Wettbewerb. Die unterschiedliche Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung verstoße gegen den Grundsatz der Neutralität.
Zum diesbezüglichen Vorbringen der BF ist auf die oben angeführte Rechtsprechung des EuGHs ( „The Rank Group“) zu verweisen. Im Urteil vom , Rs C-58/09, „Leo-Libera“, hat der EuGH weiters entschieden, dass es nicht dem Neutralitätsgrundsatz widerspricht, wenn eine Art von Glücksspiel mit Geldeinsatz von der Mehrwertsteuer befreit wird, eine andere (zB das Automatenglücksspiel) hingegen nicht, sofern die beiden Arten von Spielen nicht miteinander im Wettbewerb stehen.
Die angeführten Dienstleistungen, Geldspielautomaten in einem Gasthaus oder Pokerclub zum einen und Online-Glücksspiele zum anderen stehen nicht miteinander im Wettbewerb. Es ist aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers sehr wohl etwas Anderes, ob er sich von Zuhause aus über ein Endgerät online einloggt und Glücksspiele ausführt, oder ob er in eine Gaststätte, Spielhalle oder einen Pokerclub geht und dort – neben der Inanspruchnahme der gastronomischen Dienstleistungen – die zur Verfügung gestellten Geräte bedient, mögen die einzelnen Spiele auch ähnlich aufgebaut sein. Beides ist als Glücksspiel zu werten, kann aber nur aufgrund völlig unterschiedlicher Zugangsvoraussetzungen und Mittel konsumiert werden, eine Gleichartigkeit im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung liegt nicht vor.
Der EuGH hat etwa auch ausgeführt, dass im Vergleich von Pferdewetten über das Internet zu traditionellen Pferdewetten eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist, wenn die Nutzung des Internets dazu führt, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen (, „Zeturf“).
Eine Differenzierung dieser im beschwerdegegenständlichen Fall aufgezeigten verschiedenen Angebote im Glücksspielbereich in der Besteuerung ist daher auch unionsrechtlich gedeckt, verstößt nicht gegen das Neutralitätsgebot und dient einer einfacheren Kontrolle und der Rechtssicherheit.
4.1. Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG).
Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Dies trifft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu, wenn die in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig sind (vgl. mit vielen weiteren Nachweisen).
Auf Grund der oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich die Rechtsfolgen unmittelbar aus dem Gesetz und sind auch durch die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Damit liegt hier kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 Z 9 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | BFH , V R 52/01 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100814.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
OAAAC-23424