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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.01.2020, RV/7106288/2019

Unzulässige Zustellung durch Aushang

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter D. in der Beschwerdesache Bf. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Bruck Eisenstadt Oberwart vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum Februar 2013 bis Oktober 2016 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Das Bundesfinanzgericht legt seinen Erwägungen, anhand der Aktenlage, folgenden Sachverhalt zu Grunde:

Die in Ungarn wohnhafte Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am die Gewährung der Ausgleichszahlung der Familienbeihilfe für ihren Sohn rückwirkend ab Jänner 2013. Dieser wurde mit Bescheid, datiert mit , abgewiesen. Da der Bescheid nicht zugestellt werden konnte, weil sie bereits verzogen war, wurde die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG verfügt und durchgeführt. Die Bf. war laut Zentralmelderegister nie in Österreich gemeldet.

Nach erneuter Beantragung der Ausgleichszahlung ab Jänner 2013 wurde diese der Bf. gewährt. Mit Bescheid, datiert mit , wurde der Kinderabsetzbetrag und die Ausgleichszahlung von Februar 2013 bis Oktober 2016 rückgefordert, da über diesen Zeitraum bereits ein Abweisungsbescheid ergangen sei.

Bisheriger Verfahrensverlauf:

Die Bf. beantragte am die Gewährung der Ausgleichszahlung für ihren 2006 geborenen Sohn rückwirkend ab Jänner 2013. Als Wohnort gab sie eine Adresse in Ungarn an.

Mit Bescheid, datiert mit , wies das Finanzamt den Antrag auf Ausgleichszahlung ab Jänner 2013 ab, da die Bf. keine Unterlagen beigebracht habe. Der Bescheid wurde an die Bf. an die im Antrag angegebene Adresse versandt.

Dieser Bescheid konnte an dieser Adresse nicht zugestellt werden und wurde mit der Notiz vom Zustelldienst „Déménagé/Elköltözött“ (Anm. französisch und ungarisch für „verzogen“) zurückgesandt.

Am wurde die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 Zustellgesetz verfügt, die Mitteilung darüber an der Amtstafel angeheftet und am wieder abgenommen.

Am beantragte die Bf. erneut die Gewährung der Familienbeihilfe für ihren Sohn rückwirkend ab Jänner 2013. Als Wohnort gab sie eine andere Adresse in Ungarn an.

Mit der Mitteilung über den Bezug der Ausgleichszahlung vom wurde der Bf. diese von Februar 2013 bis März 2019 gewährt. Diese Mitteilung wurde an die Bf. an die neue Adresse in Ungarn versandt.

Mit Bescheid, datiert mit , wurde der Kinderabsetzbetrag und die Ausgleichszahlung von Februar 2013 bis Oktober 2016 rückgefordert, da über diesen Zeitraum bereits ein Abweisungsbescheid ergangen sei. Dieser Bescheid wies als Zustelladresse die des zuständigen Finanzamtes auf. Nachweislich wurde der Rückforderungsbescheid der Bf. am zugestellt.

In ihrer Beschwerde, eingebracht am , führte die Bf. aus, dass sie sämtliche Voraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe erfülle und sie der Meinung sei, dass ihr diese zustehe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Der erste Antrag der Bf. über den Zeitraum ab Jänner 2013 vom sei mit Bescheid abgewiesen worden, welcher am zugestellt worden sei. Daher sei die Beschwerdefrist für diesen Bescheid bereits abgelaufen und der Bescheid bereits rechtskräftig. Daher könne über diesen Zeitraum kein Antrag mehr gestellt werden.

In ihrem fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag führte die Bf. aus, dass sie den Abweisungsbescheid, datiert mit , nie erhalten habe. Weiters sei ihr auch der Rückforderungsbescheid vom erst auf Nachfrage zugestellt worden.

Das Finanzamt legte in weiterer Folge die Beschwerde und die bezughabenden Akten dem Bundesfinanzgericht vor und führte in seiner Stellungnahme aus, dass über diesen Zeitraum bereits mit Bescheid, datiert mit , entschieden worden sei und daher darüber nicht neuerlich entschieden hätte werden dürfen.

Rechtliche Grundlagen

Gemäß § 98 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.

Gemäß § 245 Abs 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.

Gemäß § 7 Zustellgesetz (ZustG) gilt, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Gemäß § 8 Abs 1 ZustG hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen.

Gemäß § 8 Abs 2 ZustG ist, wenn diese Mitteilung unterlassen wird, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Gemäß § 23 Abs 1 ZustG ist, wenn die Behörde aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift angeordnet hat, dass ein Dokument ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, dieses sofort bei der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst zur Abholung bereitzuhalten.

Gemäß § 23 Abs 2 ZustG ist die Hinterlegung von der zuständigen Geschäftsstelle des Zustelldienstes oder vom Gemeindeamt auf dem Zustellnachweis, von der Behörde auch auf andere Weise zu beurkunden.

Gemäß § 23 Abs 4 ZustG gilt das so hinterlegte Dokument mit dem ersten Tag der Hinterlegung als zugestellt.

Gemäß § 25 Abs 1 ZustG können Zustellungen an Personen, deren Abgabestelle unbekannt ist, wenn nicht gemäß § 8 vorzugehen ist, durch Kundmachung an der Amtstafel, dass ein zuzustellendes Dokument bei der Behörde liegt, vorgenommen werden. Findet sich der Empfänger zur Empfangnahme des Dokuments nicht ein, so gilt, die Zustellung als bewirkt, wenn seit der Kundmachung an der Amtstafel der Behörde zwei Wochen verstrichen sind.

Erwägungen

Zwar wies der Rückforderungsbescheid, datiert mit , als Zustelladresse die des Finanzamtes auf, dieser Zustellmangel ist allerdings gemäß § 7 ZustG durch die tatsächliche, nachweislich erfolgte Zustellung an die Bf. am geheilt. Daher wurde dieser Bescheid wirksam zugestellt und die Beschwerde vom wurde somit fristgerecht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist gem. § 245 Abs 1 BAO eingebracht.

Grundsätzlich hat gemäß § 8 Abs 1 ZustG eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Im erstmaligen Antragsverfahren war die Bf. Partei eines laufenden Verfahrens über den Bezug der Ausgleichszahlung. Diese war ihr auch bekannt, zumal sie den Antrag selbst erst einen Monat zuvor gestellt hatte. Die Bf. war daher gehalten dem Finanzamt, ihre geänderte Zustelladresse mitzuteilen. Die Bf. hat diese Mitteilung rechtswidrig unterlassen.

Daher wäre gemäß § 8 Abs 2 ZustG, wenn eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt hätte werden können, eine Hinterlegung im Akt vorzunehmen gewesen. Die Bf. war nie in Österreich gemeldet und ihre neue Abgabestelle, vermutlich in Ungarn, daher nicht ohne Schwierigkeiten feststellbar. Das Finanzamt hätte daher gemäß § 23 ZustG vorgehen und zur Dokumentation der erfolgten Hinterlegung im Akt einen entsprechenden Aktenvermerk anfertigen sollen.

Stattdessen wurde die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG verfügt und durchgeführt.

Aus § 25 Abs. 1 ZustG lässt sich ableiten, dass der Gesetzgeber § 8 und demzufolge der Hinterlegung (im Akt) gemäß § 23 ZustG, dem Vorrang vor einer Zustellung durch Aushang einräumt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) dazu in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, kann die Hinterlegung gemäß § 23 ZustG nicht durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG ersetzt werden. „Es handelt sich nämlich um völlig verschiedene Arten der Zustellung. Damit, dass diese von der Behörde auseinandergehalten werden, kann der Adressat rechnen und daher darauf vertrauen, dass er Nachforschungen über hinterlegte Sendungen lediglich bei den in § 23 ZustG genannten Stellen vornehmen muss“ (; vgl. auch ; , 2000/19/0115; , 2006/19/0322; , 2000/03/0259; , 99/18/0406; , 2002/08/0206).

Daher und mangels erfolgter Verfügung der Zustellung durch Hinterlegung wurde der Abweisungsbescheid, datiert mit , der Bf. nicht rechtswirksam zugestellt und entfaltete daher keinerlei rechtliche Wirkung. Weiters ist dem Akt nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob und wann der Orginalbescheid der Bf. zur Kenntnis gelangt ist. Eine Zustellung einer Bescheidkopie wäre diesbezüglich nicht ausreichend. Daher kommt, nach Überzeugung des Gerichtes, eine Heilung dieses Zustellmangels gemäß § 7 ZustG nicht in Betracht.

Da der Abweisungsbescheid vom nicht rechtswirksam ergangen ist, konnte mit diesem somit über den Zeitraum von Jänner 2013 bis Oktober 2016 noch nicht entschieden worden sein. Das Verfahren war somit noch unerledigt.

Wenn nun das Finanzamt in einem weiteren später geführten Verfahren, auch über diese Zeiträume mitentschieden hat, so stand dabei nicht das Verfahrenshindernis der für diese Zeiträume bereits rechtskräftig entschiedenen Sache – res iudicata – entgegen.

Der mit dieser Begründung erlassene Rückforderungsbescheid über eine Rückforderung des Kinderabsetzbetrages und der Ausgleichszahlung erweist sich daher im Ergebnis als unbegründet und es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Ob und inwieweit die Bf. für die streitgegenständlichen Zeiträume die materiellen Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen erfüllt hat, ist zwischen den Verfahrensparteien ohnedies unstrittig und das Gericht konnte dem vorgelegten Akteninhalt keine Hinweise entnehmen, die dem Anspruch entgegenstünden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine Revision wird nicht zugelassen, da durch die obzit. Rechtsprechung des VwGH bereits hinreichend geklärt ist, dass die Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 23 ZustG nicht durch eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustG ersetzt werden kann, und das Gericht keine Veranlassung sieht, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 8 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 23 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 25 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7106288.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at