Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 30.01.2020, RV/7106374/2019

Säumniszuschlag bei freiwilligem Lohnsteuerabzug für entsendete Mitarbeiter

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden R1, den Richter R2 und die weiteren Senatsmitglieder L1 und L in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch PWC PricewaterhouseCoopers WP u StB GmbH, Erdbergstraße 200, 1030 Wien, über die Beschwerden vom und gegen den Bescheide der belangten Behörde Finanzamt Wien 1/23 vom und betreffend Säumniszuschläge in der Sitzung am  in Beisein der Schriftführerin SF zu Recht erkannt: 

Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden – ersatzlos – aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde von der Lohnsteuer 01/2014 in Höhe von € 11.583,69, Lohnsteuer 02/2014 in Höhe von € 11.276,68 und Lohnsteuer 03/2014 in Höhe von € 8.275,71 erste Säumniszuschläge in Höhe von € 231,67, € 225,53 und € 165,51 fest, weil die Abgabenschuldigkeiten nicht bis , und entrichtet wurden.

Mit der dagegen eingebrachten Beschwerde vom beantragte die Beschwerdeführerin (Bf) die Aufhebung des Bescheides über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen für Lohnsteuer 01/2014, Lohnsteuer 02/2014 und Lohnsteuer 03/2014.

Zur Begründung führte die Bf durch ihren Vertreter aus, dass die entsprechende Lohnsteuer von Bf. für entsendete Mitarbeiter mittels freiwilligem Lohnsteuerabzug abgeführt worden sei. Diese Vorgehensweise entspreche dem BMF-Erlass BMF-010221/0362-Vl/8/2014 zum wirtschaftlichen Arbeitgeber bei Arbeitskräfteüberlassungen. Da die Lohnsteuerabfuhr auf freiwilliger Basis durchgeführt worden sei, ersuche sie dementsprechend um Aufhebung des Bescheides über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen und Nicht-Festsetzung der Säumniszuschläge iHv € 622,71.

Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.

Zur Begründung wurde wie folgt ausgeführt:

„Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gem. § 217 Abs. 1-5 BAO Säumniszuschläge zu entrichten.

Im gegenständlichen Fall waren die Lohnsteuern 01-3/2014 bereits am , und fällig, entrichtet wurden diese Lohnsteuern jedoch erst am , also verspätet.

Der von Ihnen zitierte Erlass fußt auf dem Erkenntnis des , wonach die Option für einen (freiwilligen) Lohnsteuerabzug (LStRl. 2002 RZ 927) zwangläufig die Einbehaltungs- und Abfuhrverpflichtung der §§ 78 + 79 EStG 1988 bewirkt.

Die Option für den (freiwilligen) Lohnsteuereinbehalt kann somit nicht zu einem Willkürakt für den Entrichtungszeitpunkt werden, d.h., die in Rede stehenden Abgaben sind jedenfalls spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

Da jedoch die o.a. Abgabenschuldigkeiten verspätet entrichtet wurden, bestehen die Bescheide vom über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen lt. d.o. Gesetzesbestimmung zu Recht.

Mit Vorlageantrag vom stellte die Bf gemäß § 264 BAO den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht.

Ergänzend stellte die Bf die Anträge auf Entscheidung der Beschwerde durch den gesamten Senat (§ 272 Abs. 1 Z 1 BAO), auf mündliche Verhandlung der gegenständlichen Beschwerde (§ 274 Abs. 1 Z 1 lit. b BAO) und auf Ausschluss der Öffentlichkeit für die Dauer der gesamten mündlichen Verhandlung (§ 275 Abs. 3 Z 1 BAO).

Außerdem rege die Bf einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie zur Beilegung des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 BAO an.

Die Lösung der hier zu beurteilenden Rechtsfrage sei für die Praxis von großer Bedeutung und gehe über den Einzelfall hinaus. Auch von der Finanzverwaltung sei gegenüber der steuerlichen Vertreterin der Bf ein Bedarf nach Klärung durch die Rechtsprechung informell bestätigt worden, die derzeit noch nicht vorliege.

Im Rahmen einer Konzernentsendung seien seit zwei Mitarbeiter der Gesellschaft bis auf weiteres der Tochtergesellschaft, der X-GmbH (Österreich), überlassen worden. Gemäß Art 15 DBA Deutschland/Österreich bzw gemäß Art 16 DBA Deutschland/Österreich komme Österreich das Besteuerungsrecht für die durch die entsendeten Mitarbeiter ausgeübte unselbständige Tätigkeit zu.

Ohne hierzu gesetzlich verpflichtet zu sein, habe die Bf sich entschlossen, entsprechend RZ 927 LStR 2002 die Einkommensteuer für die entsendeten Mitarbeiter im Abzugsweg einzubehalten und abzuführen (freiwilliger Lohnsteuerabzug). Die Vorgehensweise entspreche dem BMF-Erlass BMF-010221/0362-VI/8/2014 zum wirtschaftlichen Arbeitgeber bei Arbeitskräfteüberlassungen.

Im Rahmen der korrekten Periodenzurechnung habe die steuerliche Vertreterin die auf jeden Monat ab Jänner 2014 entfallende Einkommensteuer monatsweise zugegeordnet (periodenrichtig) abgeführt. Die auf die Monate Jänner, Februar, März und April entfallende Einkommensteuer sei am entrichtet worden.

Die bekämpften Bescheide seien erlassen worden, weil die Lohnsteuer 1-3/2014 bereits am , und fällig gewesen wären. Die Entrichtung zum sei demnach verspätet.

Die Beschwerde richte sich gegen die zu Unrecht erfolgte Festsetzung der Säumniszuschläge mangels Fälligkeit von Abgabenschulden; dies infolge des Fehlens einer gesetzlichen Verpflichtung zur Einbehaltung und Entrichtung von Lohnsteuern im konkreten Fall.

Gemäß § 47 EStG werde die Einkommensteuer bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), wenn im Inland eine Betriebsstätte (§ 81 EStG 1988) des Arbeitgebers bestehe.

Ein Lohnsteuerabzug sei nur dann vorzunehmen, wenn eine inländische Betriebsstätte im Sinne des § 81 Abs. 1 EStG 1988 vorliege (vgl LStR 2002 Rz 1205). Liege keine inländische Betriebsstätte vor, sei grundsätzlich kein Lohnsteuerabzug möglich. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit seien diesfalls im Veranlagungsweg zu erfassen (Lenneis in Jakom EStG, § 81 Rz 5). Dies gelte insbesondere im Fall der Personalentsendung, sofern diese nicht über eine bloße Duldungsleistung hinausgehe.

Laut Rz 927 der LStR 2002 hat die Finanzverwaltung keine Bedenken, wenn ein befugter Vertreter im Inland die Lohnkonten für den ausländischen Arbeitgeber führt, die Einkommensteuer im Abzugsweg einbehält und an das Betriebsstättenfinanzamt des befugten Vertreters auf das Abgabenkonto des ausländischen Arbeitgebers abführt sowie einen Lohnzettel gemäß § 84 EStG 1988 ausstellt (siehe auch EStR 2000 Rz 7509).

Wird von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht, sind unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer eines ausländischen Arbeitgebers ohne inländische Betriebsstätte mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu veranlagen.

Die Möglichkeit der freiwilligen Abfuhr von Einkommensteuer ist im Gesetz nicht geregelt. Auch die DBA-Entlastungsverordnung regelt eine derartige freiwillige Einbehaltung der Einkommensteuer bei Konzernentsendungen nicht. Die DBA-Entlastungsverordnung sieht zwar in § 5 Abs.3 vor, dass bei Wahrnehmung der Arbeitgeberpflichten im Sinne der §§ 76, 78, 79 80, 82, 84 und 87 EStG durch den inländischen Gestellungsnehmer (Beschäftiger) ein Freistellungsbescheid durch das ausländische Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen auf Basis eines DBA beantragt werden kann und somit eine Entlastung an der Quelle für die sonst einzubehaltende Abzugssteuer nach § 99 Abs. 1 Z 5 EStG zusteht. Diese Bedingung findet allerdings bei konzerninterner Personalüberlassung keine Anwendung; diesbezüglich ist nämlich gemäß § 5 Abs. 3 Z 4 DBA-EVO die Entlastung an der Quelle auch ohne die Erfüllung der genannten Arbeitgeberverpflichtungen möglich.

Es besteht daher keine Rechtsgrundlage – weder im Gesetz noch in der Verordnung – dafür, dass wir Lohnsteuerbeträge zu den jeweiligen (den Säumniszuschlägen zugrunde liegenden) Fälligkeitsterminen schulden würden. Auch das von der Behörde zitierte VwGH-Erkenntnis vom , 2009/13/0031, sagt nichts über eine allfällige Verpflichtung zur Abfuhr von Lohnsteuer für entsendete Konzernmitarbeiter. Der von der belangten Behörde ins Treffen geführte (BMF-010221/0362-Vl/8/2014) kann die notwendige rechtliche Grundlage jedenfalls nicht ersetzen. Die Säumniszuschläge sind daher rechtswidrig festgesetzt.

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde von der Lohnsteuer 04/2015 in Höhe von € 8.370,15 einen ersten Säumniszuschlag mit 2 %, das sind € 167,40, fest, weil die Abgabenschuldigkeit nicht bis entrichtet wurde.

Mit Beschwerde vom erhob die Bf aus den bereits dargelegten Gründen das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte Aufhebung des Bescheides und Nicht-Festsetzung des Säumniszuschlages iHv insgesamt EUR 167,40.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab.

Mit Eingabe vom stellte die Bf den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde vom durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).

Zusätzlich beantragte die Bf die Entscheidung der Beschwerde durch den gesamten Senat (§ 272 Abs. 2 Z1 BAO), die mündliche Verhandlung der gegenständlichen Beschwerde (§ 274 Abs. 1Z1 lit b BAO) und Ausschluss der Öffentlichkeit für die Dauer der gesamten mündlichen Verhandlung (§ 275 Abs. 3 Z1 BAO).

In der Beschwerdeverhandlung wird ergänzend ausgeführt, dass es für den freiwilligen Lohnsteuerabzug keine gesetzliche Fälligkeit gebe und daher eine Entrichtungsverpflichtung in den gegenständlichen Fällen nicht eingetreten sei. Es gehe hier um eine häufig in der Praxis auftretende Problematik, die einer rechtlichen Beurteilung durch einen Senat des BFG habe zugeführt werden sollen.

§ 79 EStG beziehe sich ausschließlich auf Lohnsteuer, die in einem Kalendermonat einzubehalten gewesen wäre und nicht auf eine freiwillig eingehaltene Lohnsteuer.

Die Vertreterin habe für sämtliche nach Österreich überlassene Dienstnehmer dieses Arbeitgebers die Lohnverrechnung durchgeführt, die lohnabhängigen Abgaben berechnet und Lohnzettel an das Finanzamt übermittelt. Wie dies bei Arbeitskräfteüberlassungen üblich sei, sei die Lohnverrechnung erst etwas zeitlich verzögert im April 2014 eingeführt worden.

Mit Erkenntnis vom , Ra 2017/13/0022, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101138/2015, womit die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Nach § 217 Abs. 1 BAO sind Säumniszuschläge (nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen) zu entrichten, wenn eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung  des Verwaltungsgerichtshofes  setzt die Säumniszuschlagspflicht das Bestehen eines formellen Abgabenzahlungsanspruchs (bzw. eine formelle Abgabenzahlungsschuld) voraus (vgl. etwa ; , 2000/16/0080; , 90/15/0028).

Der Abgabenzahlungsanspruch ist die Verpflichtung, einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten (vgl. etwa ; Ritz, BAO6, § 4 Tz 3).

Eine Säumnis für die Zeit vor Bekanntgabe der Selbstberechnung vermag ein freiwilliges Tätigwerden der Bf jedenfalls nicht zu begründen (vgl. zu ähnlich gelagerten Sachverhalten bei der Umsatzsteuer Ritz, BAO6, § 217 Tz 40, sowie Ellinger/Sutter/Urtz, BAO9 § 217 Anm 14, jeweils mit Hinweis auf Rz 917 der Richtlinien für die Abgabeneinhebung).

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 217 BAO erfolgte somit die Festsetzung der gegenständlichen Säumniszuschläge in Höhe von € 231,67, € 225,53, € 165,51 und € 8.370,15

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis von vorhandener Rechtsprechung des VwGH abweicht, diese uneinheitlich ist oder fehlt.

Da die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt sind (siehe die in der Begründung zitierte Entscheidung Ra 2017/13/0022), ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2020:RV.7106374.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at