Keine Abweisung des Antrags auf erhöhte Familienbeihilfe, wenn kein Antrag auf den Grundbetrag vorliegt
Entscheidungstext
BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Einzelrichter in der Beschwerdesache A., Adresse1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Z. vom , mit dem der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes B. (VNR 1234567890 ) für den Zeitraum ab April 2014 abgewiesen wurde, beschlossen:
Der angefochtene Bescheid vom und die Beschwerdevorentscheidung vom werden aufgehoben. Die Sache wird gemäß § 278 Abs. 1 BAO an die Abgabenbehörde zurückverwiesen.
Die Beschwerde vom wird als unzulässig geworden zurückgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
1. Mit Eingabe auf dem Formblatt Beih 3 vom , eingelangt bei der belangten Behörde am , beantragte die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: BF) den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe für ihren Sohn B. (SV-Nr. 1234567890) ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ab Antragstellung.
2. Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde den Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe ab April 2014 mit folgender Begründung ab:
„Laut ärztlichem Sachverständigengutachten vom beträgt der Grad der Behinderung für Ihren Sohn 40 Prozent und eine dauernde Erwerbsminderung liegt nicht vor. Ein Anspruch auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe ist daher nicht gegeben.“
3. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom Beschwerde.
4. Aufgrund der Beschwerde wurde von der belangten Behörde ein zweites Gutachten beim Sozialministeriumservice angefordert.
In diesem Gutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50% festgestellt, wobei der Grad der Behinderung seit 02/2018 vorliege. Der Sohn der BF sei voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Die Erkrankung hat nicht vor dem 21. Lebensjahr begonnen.
5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde mit folgender Begründung als unbegründet ab:
„Gemäß § 2 Abs 1 lit c Familienlastenausgleichsgesetz besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21.
Lebensjahres eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Laut Sachverständigengutachten beträgt der Grad der Behinderung 50% ab , aber es liegt keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor und die Erkrankung hat nicht vor dem 21. Lebensjahr begonnen.
Liegt keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor, kann die Familienbeihilfe nur gewährt werden, wenn sich das Kind in einer Berufsausbildung befindet.“
6. Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom beantragte die BF:
die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorzulegen;
die angebotenen Beweise aufzunehmen;
die Gutachtensergänzung durch einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie bzw. durch einen klinischen Psychologen einzuholen, wonach die Behinderungen des Sohnes der BF bereits vor dessen 21. Lebensjahr eingetreten seien und dieser hiedurch außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen;
nach Gutachtensergänzung die Parteien zur Erörterung der Sach- und Rechtslage zu laden;
die Durchführung einer mündlichen Verhandlung;
der Beschwerde Folge zu geben;
in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und die Sache zu weiteren Ermittlungen an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Der Begründung der Beschwerdevorentscheidung widersprechend wurde ausgeführt, dass schon vor dem 21. Lebensjahr eine zumindest 50%-ige Behinderung bestanden habe und das Kind der BF außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
7. Am legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und brachte ergänzend vor:
Laut Gutachten vom würde der Grad der Behinderung 40% betragen, dieser Behinderungsgrad sei nicht dauerhaft und nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten.
Das Gutachten vom bestätige zwar eine Behinderung von 50% ab , jedoch nicht dauernd und nicht vor dem 21. Lebensjahr eingetreten.
Liegt keine dauernde Erwerbsunfähigkeit vor, könne die Familienbeihilfe nur gewährt werden, wenn sich das Kind in einer Berufsausbildung befindet. Die Arbeitserprobung bei „CC“ stelle jedoch keine solche Berufsausbildung dar.
8. Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom wurde die BF aufgefordert ergänzende Unterlagen beizubringen, auf deren Basis die Anforderung eines dritten Gutachtens begründet werden könnte.
9. Am übermittelte die rechtsfreundliche Vertretung der BF eine als Mitteilung bezeichnete umfangreiche Eingabe mit dem Antrag auf Einholung eines Gutachtens des Sozialministeriumservice zur Frage des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit.
10. Mit verfahrensleitendem Beschluss vom wurde die belangte Behörde aufgefordert, ein drittes Gutachten vom Sozialministeriumservice anzufordern, in dem auf die Argumente der Stellungnahme vom eingegangen wird und eine retrospektive Betrachtung unter Einbeziehung des Befundes vom vorgenommen wird.
Die in der Mitteilung des Rechtsvertreters vom vorgelegten Unterlagen wurden angeschlossen.
11. Im daraufhin vom Sozialministeriumservice erstellten ärztlichen Sachverständigengutachten vom wurde der Grad der Behinderung von 70 % rückwirkend ab und von 50% ab bestimmt.
Der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit liege vor der Vollendung des 21. Lebensjahres.
Begründet wurde die rückwirkende Anerkennung mit der Würdigung des Facharztbefundes vom .
12. Das Bundesfinanzgericht teilte dem Finanzamt mit E-Mail vom mit, dass aufgrund dieses Gutachtens der bekämpfte Abweisungsbescheid aufgehoben werde.
13. Von der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin wurde am der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
14. Mit E-Mail vom teilte die belangte Behörde dem Bundesfinanzgericht mit, dass am nur ein Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe, aber kein Antrag auf den Grundbetrag eingebracht worden sei. Ein Antrag auf Familienbeihilfe sei Voraussetzung für die Gewährung des Erhöhungsbetrages und könne nicht nachgeholt werden. Es werde daher beantragt die Beschwerde abzuweisen.
Über die Sache wurde erwogen:
Die BF hat am einen „Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung“ unterfertigt und diesen Antrag am beim Finanzamt eingebracht.
Einen Antrag auf Gewährung des Grundbetrages der Familienbeihilfe hat sie, wie das Finanzamt mitteilte, nicht gestellt.
Dennoch hat das Finanzamt mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid über die „erhöhte Familienbeihilfe“, und damit sowohl über die Familienbeihilfe selbst als auch über den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung abgesprochen.
Zur Begründung des Bescheides wurde auf § 8 Abs. 5 FLAG 1967 verwiesen.
Gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe, abgesehen von den hier nicht interessierenden Fällen des § 10a FLAG 1967, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind ist besonders zu beantragen.
Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist gemäß § 13 FLAG 1967 ein Bescheid zu erlassen.
Im vorliegenden Fall hat das Finanzamt mit dem angefochtenen Bescheid einen vom Beschwerdeführer nicht gestellten Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe abgewiesen.
Da ein derartiger Abweisungsbescheid nach der zitierten Rechtslage zwingend einen entsprechenden Antrag voraussetzt, ist der angefochtene Bescheid, soweit er die (Nicht-) Gewährung der Familienbeihilfe betrifft, daher jedenfalls rechtswidrig und musste somit, ebenso wie die in der Folge ergangene Beschwerdevorentscheidung aufgehoben werden.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist, um einen im Gesetz genannten Betrag.
Daraus folgt, dass der Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe diese erhöht, jedoch niemals ohne Familienbeihilfe allein gewährt werden kann.
Da im vorliegenden Fall, wie bereits ausgeführt wurde, ein Antrag auf Familienbeihilfe gar nicht gestellt wurde, durfte das Finanzamt den allein gestellten Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages nicht in der Sache behandeln, somit dem Antrag weder stattgeben, aber diesen Antrag auch nicht in der Sache mit Bescheid abweisen (Reinalter in Lenneis/Wanke, FLAG, 2. Aufl. 2019, § 10, Rz 3).
Durch die Aufhebung des abweisenden Bescheides und der Beschwerdevorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde tritt das Verfahren gemäß § 278 Abs. 2 BAO in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
Für das weitere Verfahren bedeutet dies, dass das Finanzamt in dem Falle, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe einbringt, über diesen Antrag und auch über den wieder unerledigten Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung zu entscheiden haben wird (vgl. RV/2100179/2017).
Das Bundesfinanzgericht hatte daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt hier nicht vor, daher war die Unzulässigkeit der Revision auszusprechen.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 8 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 13 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 278 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100809.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at