Solidarschuld bei Mietvertragsgebühr
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., Adr., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom , betreffend Gebühren zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Am erging der Bescheid über die Festsetzung der Mitvertragsgebühr iHv
€ 270 für den am zwischen der Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf.) als Mieterin und AB als Vermieter (im Folgenden Vermieter) abgeschlossenen Mietvertrag, an die Bf. Als Begründung gab das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glückspiel an, da der nach zivilrechtlichen Vorschriften zur Entrichtung der Abgabe Verpflichtete, die Mietvertragsgebühr bis dato nicht entrichtet habe, ergehe dieser Bescheid an die Bf.. Ein gleichlautender Bescheid sei an den Vertragspartner ergangen. Sofern einer der Vertragspartner die Forderung des Bundesschatzes erfülle, seien beide schuldbefreit.
Gegen diesen Bescheid erhob die Bf. fristgerecht die Beschwerde. Hierzu führte die Bf. begründend aus, dass die Rechtsgeschäftsgebühr für den gegenständlichen Mietvertrag dem Vermieter bei der Vertragsunterzeichnung in bar übergeben und dies auch auf dem Mietvertrag vermerkt worden sei. Aufgrund eines Gerichtsprozesses, wisse die Bf., dass der Vermieter andere Rechnungen wie Gasrechnungen nicht bezahlt habe, obwohl im Mietzins laut Mietvertrag auch Betriebskosten enthalten seien. Dass sich der Vermieter an sämtliche Verpflichtungen aus dem Mietvertrag nicht gehalten habe, könne man auch dem Urteil des Bezirksgerichts X, das in dieser Sache ergangen sei, entnehmen. Die Bf. sehe nicht ein, dass sie die Mietvertragsgebühr noch einmal abführen müsse, zumal sie diese schon an den Vermieter übergeben habe und dieser für die ordnungsgemäße Abfuhr an das Finanzamt verantwortlich sei.
Nach einem Ergänzungsersuchen des Finanzamtes reichte die Bf. den Mietvertrag nach und gab im Zuge dessen ebenso ihre neue Adresse bekannt. Weiters gab die Bf. an, dass auf der ersten Seite des Mietvertrages ein Vermerk über die Selbstberechnung der Mietvertragsgebühr zu finden sei und dass sie und ihr Lebensgefährte diese bar an den Vermieter übergeben hätten. Im beiliegenden Mietvertrag findet sich auf Seite 1 folgender Vermerk: „Selbstberechnung der Rechtsgebühr am , € 270,- St. Nr. 123. Postzahl: 1, Bankkonto: 456, BLZ:789“. Im Pkt. 18. wurde vereinbart: „Die Rechtsgebühr für diesen Vertrag trägt zur Gänze der Mieter. Dieser verpflichtet sich auch, den Vermieter hinsichtlich seiner Gebührenmithaftung völlig schad- und klaglos zu halten. Zum Zweck der Gebührenbemessung wird festgestellt, dass der auf den Mietgegenstand entfallende Bruttomietzins jährlich € 9.000,00 beträgt. Die Rechtsgeschäftsgebühr beträgt daher 36x jährlicher Bruttomietzins x 1% das sind € 270,00. Die Rechtsgeschäftsgebühr wird vom Vermieter einkassiert und an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern Graz abgeliefert. Der Mieter hat diesen Betrag spätestens bei Unterzeichnung des Mietvertrages an den Vermieter zu bezahlen. Der Vermieter übernimmt die fristgerechte Selbstberechnung und Entrichtung der Gebühr“.
In weiterer Folge erging am (zugestellt am ) eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Das Finanzamt begründete unter Hinweis auf die einschlägigen Gesetzesbestimmungen, dass vom Vermieter eine Gebühr in Höhe von € 270,00 gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 GebG mit 1% von € 270.000,00 selbstberechnet worden sei. Dieser Betrag sei vom Vermieter aber nicht an das Finanzamt abgeführt worden. Nach § 28 Abs. 1 Z 1 GebG seien bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn beide Vertragsparteien die Urkunde unterzeichneten, beide Parteien zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet. Nach § 6 BAO seien die Personen die nach den Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner. Daran hätte auch die Bestimmung des § 33 TP 5 Abs. 5 Z 1 GebG, wonach die Gebühr vom Vermieter, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland hat, selbst zu berechnen sei und dem auf die Entstehung der Gebührenschuld zweitfolgenden Monates zu entrichten sei, nichts geändert. Hierdurch entfiele lediglich die Anzeigepflicht der Mieterin. Aus diesem Grund sei die Bf. nicht verpflichtet, die Abgabenschuld selbst zu berechnen und ohne abgabenbehördliche Festsetzung an diese zu entrichten. Da jedoch der Vermieter die Abgabenschuld bisher nicht entrichtet habe, sei der Gebührenbescheid nun an die Bf. ergangen.
Dagegen brachte die Bf. fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) ein. Die Beschwerdeführerin wiederholte ihr Vorbringen aus der Beschwerde.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Nach § 15 Abs. 1 Gebührengesetz 1957 (GebG) idgF sind das Vorliegen eines Rechtsgeschäfts und die Errichtung einer Urkunde über dieses Rechtsgeschäft Voraussetzung für die Gebührenpflicht.
Gemäß § 16 Abs. 1 GebG entsteht die Gebührenschuld, wenn die Urkunde über das Rechtsgeschäft im Inland errichtet wird,
1. bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften,
lit. a wenn die Urkunde von den Vertragsteilen unterzeichnet wird, im Zeitpunkte der Unterzeichnung; […]
§ 33 TP 5 GebG
idF vor BGBl I 147/2017 lautete:
Abs. 1 Z 1 GebG sind Bestandverträge (§§ 1090 ABGB ff.) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert im Allgemeinen mit 1 v.H. zu vergebühren.
Abs. 3: Bei unbestimmter Vertragsdauer sind die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswertes zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswertes. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechtes einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht. Abweichend vom ersten Satz sind bei Bestandverträgen über Gebäude oder Gebäudeteile, die überwiegend Wohnzwecken dienen, einschließlich sonstiger selbständiger Räume und anderer Teile der Liegenschaft (wie Keller- und Dachbodenräume, Abstellplätze und Hausgärten, die typischerweise Wohnräumen zugeordnet sind) die wiederkehrenden Leistungen höchstens mit dem Dreifachen des Jahreswertes anzusetzen.
Abs. 5 Z 1: Die Hundertsatzgebühr ist vom Bestandgeber, der im Inland einen Wohnsitz, den gewöhnlichen Aufenthalt, seine Geschäftsleitung oder seinen Sitz hat oder eine inländische Betriebsstätte unterhält, selbst zu berechnen und bis zum 15. Tag (Fälligkeitstag) des dem Entstehen der Gebührenschuld zweitfolgenden Monats an das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel zu entrichten.
Nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a GebG sind bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt ist, die Unterzeichner der Urkunde zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet.
Abs. 6: Trifft die Verpflichtung zur Gebührenentrichtung zwei oder mehrere Personen, so sind sie zur ungeteilten Hand verpflichtet.
Gemäß § 6 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO) sind Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB).
Nach § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a GebG sind bei zweiseitig verbindlichen Rechtsgeschäften die Unterzeichner der Urkunde zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet, wenn die Urkunde von beiden Vertragsteilen unterfertigt wurde (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren10 § 28 Rz 2, ). Sind mehrere Personen Schuldner derselben Gebühr, so schulden sie diese nach § 28 Abs. 6 GebG als Gesamtschuldner. Nach § 6 Abs. 1 BAO sind Personen, die nach Abgabenvorschriften wie hier, dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner ( 16/1018/80; ; -0252). Ein abgabenrechtliches Gesamtschuldverhältnis muss nicht erst durch einen Haftungsbescheid geltend gemacht werden, es entsteht vielmehr bereits dann, wenn der maßgebliche abgabenrechtliche Tatbestand erfüllt ist. Liegt ein Gesamtschuldverhältnis vor, so hängt es gem. § 891 zweiter Satz ABGB vom Gläubiger ab, ob er von allen Mitschuldnern einen Anteil oder von einem das Ganze einfordert. Der Gläubiger kann somit jeden Mitschuldner nach Belieben in Anspruch nehmen. Die von Parteien im Vertrag getroffene Regelung zur Entrichtung der Gebühr berührt nur das Innenverhältnis und kann nicht gegenüber dem Abgabengläubiger geltend gemacht werden. Diese Vereinbarung sichert nur dem Vertragspartner der vom Finanzamt zur Abfuhr der Abgabe herangezogen wird, einen zivilrechtlich verfolgbaren Regressanspruch gegenüber dem anderen Vertragspartner zu (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren10 § 28 Rz 21; 23-25).
Nach der Judikatur des VwGH liegt es im Ermessen des Finanzamtes (iSd § 20 BAO) ob sie den Abgabenbescheid nur an einen der Gesamtschuldner richtet oder an mehrere und an wen sie diesen richtet. Somit hat die Behörde hier einen Ermessensspielraum, in dessen Rahmen sie die Entscheidung gemäß § 20 BAO nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen hat (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren10 § 28 Rz 28, ; ; ). Ein Spielraum für die Ermessensausübung liegt aber nicht mehr vor, wenn die Finanzbehörde die Steuer wegen offenbarer Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei dem zunächst herangezogenen Gesamtschuldner dem anderen Gesamtschuldner vorschreibt. Im Hinblick darauf, dass in diesem Zeitpunkt gar kein anderer Gesamtschuldner mehr vorhanden ist, ist die Abgabenbehörde gar nicht in der Lage eine andere Entscheidung im Rahmen ihres Ermessensspielraumes zu treffen und trotzdem ihrer Verpflichtung zur Einbringung der Abgaben nachzukommen (Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren10 § 28 Rz 33 und die dort zit. Judikatur).
Im vorliegenden Fall wurde am ein Mietvertrag über ein Bestandobjekt, nämlich eine Wohnung im Wohnhaus mit der Anschrift Adr.1, zwischen der Bf. und dem Vermieter geschlossen. In diesem Vertrag wurde vereinbart, dass die Rechtsgeschäftsgebühr für diesen Bestandvertrag von der Bf. getragen und spätestens bei Vertragsunterzeichnung an den Vermieter übergeben wird. Der Vermieter verpflichtete sich zur Selbstberechnung und Entrichtung der Rechtsgeschäftsgebühr an das Finanzamt. Diese Gebühr wurde im Vertrag mit € 270,00 selbstberechnet. Auf der ersten Seite des Vertrages findet sich ein Vermerk zur Selbstberechnung der Mietvertragsgebühr vom . Da diese Gebühr vom Vermieter nicht entrichtet wurde und nach Angaben des Finanzamtes beim Vermieter uneinbringlich war, wurde die Rechtsgeschäftsgebühr mittels Bescheid vom gegenüber der Bf. festgesetzt.
Beim gegenständlichen Mietvertrag handelt es sich um einen Bestandvertrag iSd § 33 TP 5 GebG. Der Mietvertrag wurde am zwischen der Bf. und dem Vermieter abgeschlossen und unterzeichnet. Es handelt sich hierbei um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft, der Mietvertrag stellt eine Urkunde über dieses Rechtsgeschäft dar. Somit ist die Gebührenschuld mit Unterzeichnung des Mietvertrages am entstanden. Nach der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geltenden Fassung des § 33 TP 5 GebG vor BGBl I 147/2017, unterlag die Errichtung und Unterzeichnung eines Mietvertrages über Wohnräume einer Rechtgeschäftsgebühr. Die Befreiung von der Rechtsgeschäftsgebühr betreffend Mietverträge über Wohnräume ist erst auf Mietverträge anwendbar, die nach dem abgeschlossen wurden.
Der Mietvertrag wurde von beiden Parteien unterzeichnet, somit liegt hier ein Gesamtschuldverhältnis vor und beide Parteien sind zur Abfuhr der Abgabe verpflichtet. Da die Mietvertragsgebühr lt. Auskunft des Finanzamtes beim Vermieter nicht einbringlich war, hat das Finanzamt den verbleibenden Gesamtschuldner, in diesem Fall die Bf., als einzig verbleibende Gesamtschuldnerin, zur Entrichtung der Abgabe heranzuziehen. Der Rückgriff auf den verbleibenden Gesamtschuldner liegt bei offenbarer Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei dem zunächst herangezogenen Gesamtschuldner nicht mehr im Ermessen der Behörde, sondern sie hat den verbleibenden Gesamtschuldner, aufgrund ihrer Verpflichtung zur Einbringung der Abgaben, in Anspruch zu nehmen. Dies hat das Finanzamt unbeschadet der im Mietvertrag getroffenen Vereinbarung, die den Vermieter zur fristgerechten Selbstbemessung und Entrichtung der Abgabe verpflichtet, zu veranlassen. Diese vertragliche Vereinbarung betrifft nur das Innenverhältnis. Eine bereits erfolgte Bezahlung des genannten Betrages an den Vermieter, zur weiteren Entrichtung an das Finanzamt, befreit die Bf. nicht von ihrer Gebührenschuld gegenüber der Abgabenbehörde.
Auf Grund des im gegenständlichen Fall vorliegenden Sachverhaltes, der gesetzlichen Bestimmungen und der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war über die Beschwerde wie im Spruch zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 16 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 6 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 15 Abs. 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 20 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 28 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 33 TP 5 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 28 Abs. 6 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 § 28 Abs. 1 Z 1 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.2100992.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at