NoVA- bzw. KfzSt-Pflicht bei österreichischem Hauptwohnsitz/Lebensmittelpunkt und fehlendem Gegenbeweis betr. Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, Adr_Bf, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide der belangten Behörde Finanzamt O vom , betreffend Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer für die Zeiträume 01-12/2015, 01-12/2016 und 01-16/2017 sowie Normverbrauchsabgabe für den Zeitraum 01/2015 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird hinsichtlich des Bescheides über die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer 01-06/2017 gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
Der Beschwerde wird hinsichtlich des Bescheides über die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer 01-12/2015 gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung vom abgeändert und die Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum 02-12/2015 iHv € 427,62 festgesetzt.
Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
I.1. Am wurde der Beschwerdeführer (Bf) durch die Abgabenbehörde aufgrund der Verwendung eines Kraftfahrzeuges mit ausländischem Kennzeichen befragt.
Aufgrund seiner in diesem Zusammenhang gemachten Angaben gelangte die Abgabenbehörde zu dem Schluss, der Bf verwende sein Kfz in Österreich widerrechtlich iSd § 82 Abs. 8 KFG und erließ den beschwerdegegenständlichen Bescheid über die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) sowie die beschwerdegegenständlichen Bescheide über die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer (KfzSt) für die Zeiträume 1-12/2015, 1-12/2016 und 1-6/2017.
I.2. Die Beschwerde begründete der Bf damit, eine Anmeldung und Versicherung des Kfz in Österreich sei nur bei in Österreich gelegenem Hauptwohnsitz möglich. Er selbst sei in Österreich jedoch nur mit Nebenwohnsitz gemeldet und habe auch seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland, wo sich seine Familie, Kinder und Enkel, sowie Freunde und Bekannte aufhielten, die er regelmäßig besuche.
Aufgrund der regelmäßigen Fahrten nach Deutschland zu seinem Hauptwohnsitz habe sein Kfz in Österreich auch keinen dauernden Standort. Auch sei die Bemessungsgrundlage (für die NoVA – Anm.) von € 1.500,00 willkürlich festgelegt; eine werkstattliche Bewertung des Kfz Anfang 2015 habe einen Wert von € 700,00, eine aktuelle Bewertung einen Wert von € 550,00 ergeben.
I.3. Die Abgabenbehörde lud den Bf in seiner Angelegenheit vor, wobei er dieser Vorladung, die ohne Zustellnachweis geschickt worden war, jedoch keine Folge leistete.
Mit Schreiben vom forderte die Abgabenbehörde den Bf daraufhin zur schriftlichen Äußerung auf. Sie schilderte dem Bf ausführlich den ihrerseits angenommenen Sachverhalt und legte die im Beschwerdefall anzuwendenden Bestimmungen des NoVAG, des KfzStG sowie des KFG und die geltende Rechtslage dar. Es folgten Ausführungen zu den Begrifflichkeiten „Wohnsitz“, insbesondere „Hauptwohnsitz“ und „Lebensmittelpunkt“ und deren Anwendung auf den Beschwerdefall. Insgesamt kam die Abgabenbehörde zu dem Schluss, dass der Bf seinen Lebensmittelpunkt in Österreich habe weshalb sein Kfz in Österreich anzumelden wäre. Es sei nicht gelungen, die Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG zu widerlegen. Es liege eine widerrechtliche Verwendung des Kfz in Österreich und somit ein Anwendungsfall des § 1 Z. 3 NoVAG und des § 1 Abs. 1 Z. 3 KfzStG vor. Abschließend wurde die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der NoVA erläutert und der Bf darauf hingewiesen, dass es ihm freistehe, einen geringeren Wert des Kfz und somit eine geringere Bemessungsgrundlage nachzuweisen.
I.4. In Erwiderung stellte der Bf mit Schreiben vom in Abrede, eine Vorladung oder diesbezügliche Anrufe oder Nachrichten erhalten zu haben und verwies erneut auf seine polizeiliche Nebenwohnsitzmeldung, die es ihm unmöglich gemacht habe, sein Auto in Österreich anzumelden. Die kraftfahrrechtliche Anmeldung stelle seiner Ansicht nach die rechtliche Grundlage für die NoVA dar.
I.5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde gegen den Bescheid über die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer 01-12/2015 insofern teilweise stattgegeben, als eine Festsetzung nur für die Monate Februar bis Dezember zu erfolgen hatte. Im Übrigen wurden die Beschwerden mit zum Schreiben vom im Wesentlichen gleichlautender Begründung abgewiesen. Dieser Begründung ist explizit zu entnehmen, dass die Abgabenbehörde im Zuge eines Telefonates mit der im Schreiben vom noch als "Lebensgefährtin" bezeichneten Dame von dieser keine Bestätigung darüber erhalten habe, dass der Bf an seiner deutschen Adresse in A regelmäßig Miete zahle; ebenso wenig habe sie bestätigt, seine Lebensgefährtin zu sein.
I.6. Im Vorlageantrag vom wurde der Beschwerdepunkt der Höhe der NoVA-Bemessungsgrundlage nicht mehr angeführt. Davon abgesehen wiederholte der Bf das bisherige Vorbringen, ebenso in einem Schreiben ans Bundesfinanzgericht vom . Im Weiteren brachte er unter Hinweis auf die Beschwerde vor, in Österreich zwar seinen Arbeitsmittelpunkt, nicht jedoch seinen Lebensmittelpunkt zu haben. Den Kilometerstand seines PKW, welcher im Übrigen tatsächlich nicht 332.000, sondern 352.000 km betragen habe, habe er während seiner Vernehmung durch den Mitarbeiter der Finanzpolizei nur schätzen können, dieser habe außerdem die Meinung vertreten, ein Ablesen des Kilometerstandes sei nicht nötig. Darüber hinaus sei die Annahme des Finanzamtes, es gäbe eine Wiedereinstellungsvereinbarung mit seinem Arbeitgeber betreffend sein befristetes Arbeitsverhältnis, schlicht falsch. Seine persönliche bzw. Wohnsituation in A sprach er in keinem der beiden Anbringen an.
I.7. Am brachte das Bundesfinanzgericht dieses Schreiben der Abgabenbehörde gem. § 115 Abs. 2 BAO zur Kenntnis und forderte sie zur Stellungnahme ua dazu auf, welche Ermittlungen zum vom Bf behaupteten Hauptwohnsitz in Deutschland durchgeführt und in welcher Weise die seitens der Abgabenbehörde immer wieder angeführten Kilometerstände festgestellt worden waren.
Was die Frage des Hauptwohnsitzes in Deutschland anbelangt, vertrat das Finanzamt dazu die Auffassung, dass der Lebensmittelpunkt in Österreich aufgrund dessen anzunehmen sei, dass der Bf 11 Monate im Jahr bei der Firma AG in Vollzeit angestellt sei und die restliche Zeit des Jahres österreichisches Arbeitslosengeld beziehe. Voraussetzung dafür sei, dass sich der Bf in dieser Zeit im Inland aufhalte. Die der Stellungnahme beigelegte Bestätigung des Arbeitsmarktservice S zeige, dass sich der Bf lediglich wegen Arbeitsannahme, nicht jedoch wegen Auslandsaufenthalten vom Bezug der AMS-Leistungen abgemeldet habe.
Während seine Arbeitskollegen Personalwohnungen in der Nähe der Arbeitsstelle bewohnten, habe der Bf in Z, wo er mit Nebenwohnsitz polizeilich gemeldet sei, eine Wohnung angemietet und pendle täglich zwischen dieser Wohnung und seiner Arbeitsstelle.
Was die Kilometerstände des PKW angehe, so werde mangels Nachweis des später behaupteten Kilometerstandes von 352.000 km von der Richtigkeit der ursprünglichen Angabe, somit 332.000 km zum Zeitpunkt der Vernehmung durch die Finanzpolizei im Juni 2017, ausgegangen. Die Kilometerleistung habe somit seit Erwerb des Kfz im November 2014 nur 42.000 km betragen und sei diese angesichts der Entfernung zwischen Z und dem behaupteten Hauptwohnsitz in A (710 km), wie durch die Abgabenbehörde bereits ausgeführt, zu niedrig für die behaupteten regelmäßigen Fahrten dorthin.
I.8. Mit Vorhalt vom brachte das Bundesfinanzgericht dem Bf die Ausführungen des Finanzamtes zur Kenntnis und gab ihm außerdem eine weitere Gelegenheit, die seitens der Abgabenbehörde angenommene Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG durch Nachweis des deutschen Lebensmittelpunktes zu widerlegen. Unter Hinweis darauf, dass entgegen seiner Ansicht nicht die polizeiliche Haupt- oder Nebenwohnsitzmeldung für die Beurteilung des „Hauptwohnsitzes“ iSd § 37 Abs. 2 KFG von Bedeutung ist, sondern der Mittelpunkt der Lebensinteressen, wurde er mit detaillierter Fragestellung ersucht, sich zu seinen persönlichen Beziehungen und Lebensumständen – Deutschland ebenso wie in Österreich – zu äußern und seine Angaben durch Vorlage zweckdienlicher Unterlagen zu untermauern.
Ergänzend zu seinem bislang erstatteten Vorbringen gab der Bf an, seine gesamte Familie, Kinder, Enkel, Freunde und Bekannte regelmäßig am Wochenende und anderen freien Tagen zB am B und in C zu besuchen. Auch seine Urlaube verbringe er regelmäßig in Deutschland.
In Deutschland habe er im fraglichen Zeitraum eine Lebensgefährtin gehabt, wogegen im fraglichen Zeitraum in Österreich keine sozialen und persönlichen Beziehungen existierten.
Fahrten nach Deutschland seien auch mit anderen Kfz durchgeführt worden bzw. sei der Bf auch mitgenommen worden. Zu seinem damaligen Kfz könne er keine Angaben mehr machen; es sei veräußert worden. Der Kaufvertrag vom November 2014 liege dem Finanzamt vor.
Diesem Schreiben beigelegt war ein Mietvertrag vom , demzufolge der Bf in A zwei Zimmer mit Bad im ersten Stock des betreffenden Gebäudes für € 200,00 monatlich gemietet habe; vereinbart war Mitbenützung der Küche sowie der Kellerräume einschließlich aller Geräte. Ebenfalls beigelegt war die Kopie des Personalausweises des Bf, ausgestellt am , auf welchem als Adresse die Adresse laut Mietvertrag angegeben war.
II. Sachverhalt
Der Bf ist deutscher Staatsbürger. Er ist seit August 2013 mit Nebenwohnsitz in Adr_Bf polizeilich gemeldet. Er bewohnt dort eine 45 m2 große Mietwohnung, für welche er pro Monat € 500,00 plus Betriebskosten zu zahlen hat. An seiner deutschen Wohnadresse in A hat er im März 2011 zwei Zimmer mit Bad (Mitbenützungsmöglichkeit für Küche und Kellerräume) um € 200,00 monatlich gemietet. (siehe Niederschrift vom und Mietvertrag vom )
Seit 2013 ist er bei der AG (H_AG) in H in Vollzeit beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis dauert jeweils 11 Monate, einen Monat pro Jahr bezieht der Bf Arbeitslosengeld in Österreich. (siehe Niederschrift vom )
Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (2015 bis 2017) war der Bf Halter eines Audi A4 mit dem deutschen Kennzeichen 123. Er hatte das Fahrzeug im November 2014 mit einem Kilometerstand von 290.000 erworben und am nach Österreich eingeführt. Im Juni 2017 wies das Kfz einen Kilometerstand von 332.000 auf. (siehe ebenfalls Niederschrift vom )
Der Bf ist geschieden; seine erwachsenen Töchter sowie Enkel lebten in E; ebenso lebten sonstige Familienmitglieder und Freunde in Deutschland. Seine Töchter und Enkel besuchte der Bf regelmäßig bzw. fanden Treffen in B_L (B, C) statt. (siehe wiederum Niederschrift vom sowie Schreiben vom )
III. Rechtslage und Erwägungen
III.1. Gemäß § 1 Z. 3 NoVAG 1991 unterliegt die erstmalige Zulassung von Kaftfahrzeugen zum Verkehr im Inland der Normverbrauchsabgabe. Als erstmalige Zulassung gilt auch die Verwendung eines Fahrzeuges im Inland, wenn es nach dem Kraftfahrgesetz zuzulassen wäre (…), wobei derjenige, der das Fahrzeug verwendet, gem. § 4 Z. 3 NoVAG der Abgabenschuldner ist.
III.2. Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 3 KfzStG 1992 unterliegen Kraftfahrzeuge, die auf Straßen mit öffentlichem Verkehr im Inland ohne die kraftfahrrechtlich erforderliche Zulassung verwendet werden (widerrechtliche Verwendung) der Kraftfahrzeugsteuer; gemäß § 3 Z. 2 KfzStG ist die Person, die das Kraftfahrzeug im Inland verwendet, Steuerschuldner.
III.3. Gemäß § 36 lit. a KFG 1967 dürfen Kraftfahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen ua des § 82 über die Verwendung von Kraftfahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur verwendet werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind (§§ 37 bis 39) oder mit ihnen behördlich bewilligte Probe- oder Überstellungsfahrten durchgeführt werden.
Gemäß § 82 Abs. 8 KFG 1967 in der für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung BGBl. I 26/2014 sind Fahrzeuge mit ausländischem Kennzeichen, die von Personen mit dem Hauptwohnsitz oder Sitz im Inland in das Bundesgebiet eingebracht oder in diesem verwendet werden, bis zum Gegenbeweis als Fahrzeug mit dem dauernden Standort im Inland anzusehen. Die Verwendung solcher Fahrzeuge ohne Zulassung gem. § 37 KFG ist nur während eines Monats ab der erstmaligen Einbringung in das Bundesgebiet zulässig. Eine vorübergehende Verbringung aus dem Bundesgebiet unterbricht diese Frist nicht.
III.4. Der Wohnsitz eines Menschen ist an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben (§ 1 Abs. 6 MeldeG). Der Hauptwohnsitz eines Menschen ist an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehung eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat (§ 1 Abs. 7 MeldeG).
Gemäß § 26 BAO hat einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
III.5. Davon ausgehend, dass sich der Hauptwohnsitz im Sinne des Mittelpunktes der Lebensinteressen des Bf in Österreich befinde, brachte die Abgabenbehörde die Standortvermutung des § 82 Abs. 8 KFG 1967 zur Anwendung.
Nach § 1 Abs. 8 MeldeG sind für den Mittelpunkt der Lebensbeziehungen eines Menschen sind insbesondere folgende Kriterien maßgeblich: Aufenthaltsdauer, Lage des Arbeitsplatzes oder der Ausbildungsstätte, Ausgangspunkt des Weges zum Arbeitsplatz oder zur Ausbildungsstätte, Wohnsitz der übrigen, insbesondere der minderjährigen Familienangehörigen und der Ort, an dem sie ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen, ausgebildet werden oder die Schule oder den Kindergarten besuchen, Funktionen in öffentlichen und privaten Körperschaften.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Beurteilung der Frage, in welchem von zwei Ländern der Mittelpunkt der Lebensinteressen einer Person anzunehmen ist, das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dieser Person unter zusammenfassender Wertung aller Umstände maßgebend (Tumpel in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA Art. 4 Rz 33 unter Hinweis auf ).
III.6. Der Bf übte im Streitzeitraum 2015 bis 2017 eine Vollzeitbeschäftigung für jeweils 11 Monate pro Jahr in H, somit in Österreich aus. Während des zwölften Monats bezog der Bf österreichisches Arbeitslosengeld. Aufgrund seines gesamten Vorbringens steht fest, dass der Bf einer wie auch immer gearteten Erwerbstätigkeit in Deutschland nicht nachging und dort auch über kein Liegenschafts- oder anderes Vermögen verfügte.
Der Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen des Bf lag somit in Österreich.
III.7.1. Der Bf bewohnte und bewohnt durchgehend laut seinen eigenen Angaben sowie laut Zentralem Melderegister eine 45 m2 große Mietwohnung im von seinem Arbeitsort ca. 20 km entfernten Z und pendelte im fraglichen Zeitraum täglich. Ein Wohnsitz in Österreich iSd § 26 BAO ist somit gegeben.
III.7.2. Zum Nachweis des von ihm behaupteten deutschen Hauptwohnsitzes brachte der Bf lediglich eine Ausweiskopie, auf der die Adresse in A aufscheint, sowie einen Mietvertrag über zwei Zimmer mit Bad vom bei. Eine deutsche Meldebestätigung wurde nicht vorgelegt.
Die Angaben zum Wohnsitz in A sind widersprüchlich. Tatsächlich handelt es sich laut vorgelegtem Mietvertrag vom nicht um die Bestandnahme einer Wohnung, sondern um zwei Zimmer mit Bad mit einer Wohnfläche von 32 m2, und die Möglichkeit zur Mitbenützung von Küche und Kellerräumen. Außerdem leistete der Bf für diese Unterkunft im Streitzeitraum keine regelmäßigen Mietzahlungen. Entsprechende Vorhaltungen, welche die Abgabenbehörde dem Bf im Schreiben vom und der Beschwerdevorentscheidung machte, blieben unwidersprochen. Auch äußerte sich der Bf nicht dazu, dass die an seiner deutschen Adresse wohnhafte Dame der Abgabenbehörde nicht bestätigte, seine Lebensgefährtin zu sein.
Des Weiteren fehlen konkrete Angaben zur Häufigkeit und Dauer der Aufenthalte des Bf in A im Zeitraum 2015 bis 2017. So gab er während seiner Vernehmung durch die Finanzpolizei am zwar an, eine Freundin in A zu haben, aber auch, dass seine erwachsenen Töchter und seine Enkel in E lebten und er alle zwei Wochen nach Deutschland fahre, um sich mit ihnen zu treffen. Auch in der Beschwerde äußerte er nur, Familie, Freunde und Bekannte regelmäßig in Deutschland zu besuchen. Auf die konkreten Fragen des Bundesfinanzgerichtes im Vorhalt vom , wie oft er nach Deutschland gefahren sei, wohin in Deutschland er gefahren sei, wie lange er sich dort jeweils aufgehalten habe und mit wem er in dieser Zeit zusammen war, brachte er erneut vor, dass sich sein Lebensmittelpunkt aufgrund dort lebender Familie, Freunde und Bekannte in Deutschland befände. Dazu gab er an, diese an den Wochenenden und anderen freien Tagen in C oder B zu besuchen. Aufenthalte am Hauptwohnsitz in A und Treffen mit der sich dort aufhaltenden Lebensgefährtin werden nicht erwähnt.
III.7.3. Es kann somit trotz Vorlage des vom datierenden, unbefristeten Mietvertrages nicht einmal als zweifelsfrei erwiesen angesehen werden, dass der Bf in A im Streitzeitraum 2015 bis 2017 über einen Wohnsitz iSd MeldeG bzw. der BAO verfügte. Sollte ein solcher jedoch vorgelegen sein, so ist der Lebensmittelpunkt des Bf dennoch als in Österreich gelegen anzusehen.
Grundsätzlich glaubhaft ist zwar, dass sich der Bf mit seiner Familie in Deutschland regelmäßig getroffen hat. Bloße Besuche bei Freunden und großjährigen Kindern in Deutschland, sei es an deren Wohnorten oder beliebig vereinbarten Treffpunkten, vermögen jedoch nicht einen Mittelpunkt der Lebensinteressen an einer wiederum in einem anderen deutschen Bundesland gelegenen Wohnadresse – sei diese nun als „Wohnsitz“ iSd MeldeG bzw. der BAO anzusehen oder nicht – zu begründen. Wesentlich für den Ort der engeren persönlichen Beziehungen ist der Wohnsitz des (Ehe-)Partners und der minderjährigen Kinder. Der Wohnort volljähriger Kinder wird hingegen für die engsten persönlichen Beziehungen der Eltern keine große Rolle (mehr) spielen. (Tumpel in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA Art. 4 Rz 34 mwN)
Zu weiteren persönlichen Beziehungen in Deutschland, insbesondere einer aufrechten Partnerschaft am behaupteten Wohnsitz in A, wurden vom Bf keine Nachweise erbracht.
Nur der Vollständigkeit halber darf angeführt werden, dass auch der Bezug von Arbeitslosengeld im Anschluss an eine Beschäftigung, wie er auch vom Bf im Streitzeitraum und bereits davor jährlich regelmäßig während des arbeitsfreien Monats in Anspruch genommen wurde, als Indiz für die engeren Beziehungen zu einem Staat angesehen werden kann (). Dazu ist es, wie die Abgabenbehörde zutreffend ausgeführt hat, notwendig, dass sich der Bf während des Bezugszeitraumes im Inland aufhielt und – zumindest theoretisch in Anbetracht der lückenlosen jährlichen Wiedereinstellung durch die AG – verfügbar und arbeitswillig betreffend eine Vermittlung im österreichischen Arbeitsmarkt war.
III.8. Die Abgabenbehörde durfte somit insgesamt gesehen jedenfalls davon ausgehen, dass sich der Hauptwohnsitz iSd § 82 Abs. 8 KFG 1967 im Streitzeitraum in Österreich befand. Damit kam die in dieser Bestimmung ausgesprochene Standortvermutung betreffend das Kfz des Bf zur Anwendung. Diese ist grundsätzlich widerlegbar („bis zum Gegenbeweis“). Um diesen Gegenbeweis erbringen zu können, hätte der Bf von sich aus initiativ und umfassend darlegen müssen, aus welchen Gründen sein Fahrzeug nicht als ein Fahrzeug mit dauerndem inländischem Standort anzusehen gewesen sei, und dafür die erforderlichen Beweise anbieten müssen ().
Einen solchen Beweis ist der Bf jedoch nicht angetreten. Dass im gegenständlichen Fall der dauernde Standort des betreffenden PKW´s in Österreich gewesen sei, wurde vom Bf ausschließlich in der Beschwerde vom mit der Aussage in Abrede gestellt, er wechsle regelmäßig nach Deutschland und zu seinem Hauptwohnsitz. Er verwies dazu auf das - für den Beschwerdefall nicht mehr relevante - Erkenntnis des .
Aufgrund dessen, dass sich der Bf im maßgeblichen Zeitraum selbst überwiegend in Österreich aufhielt sowie aufgrund seiner Angaben während seiner Einvernahme am („Ich verwende das Kfz ständig in Österreich und für Fahrten zu meinen Verwandten nach Deutschland“) und in seiner Stellungnahme vom , wonach nicht sämtliche Fahrten nach Deutschland mit dem eigenen PKW stattfanden, steht fest, dass sich der dauernde Standort des PKW in Österreich befand.
III.9. Abschließend sei nochmals darauf hingewiesen, dass die polizeiliche Nebenwohnsitzmeldung für die Entstehung der Abgabenpflicht nach dem NoVAG und dem KfzStG nicht von Belang ist. Dies ergibt sich aus den oben zitierten Bestimmungen des § 3 Z. 3 NoVAG 1991 sowie § 1 Abs. 1 Z. 3 KfzStG 1992.
III.10. Die Vorschreibung der beschwerdegegenständlichen Normverbrauchsabgabe sowie der Kraftfahrzeugsteuer für die Zeiträume 02-12/2015 und 01-12/2016 erfolgte somit zu Recht, wobei die Teilstattgabe iZm der Kraftfahrzeugsteuer 2015 aus der Monatsfrist des § 82 Abs. 8 KFG 1967 resultiert: Eine widerrechtliche Verwendung, welche die Kfz-Steuerpflicht auslöste, lag demgemäß erst einen Monat nach Einbringung des Kfz ins Bundesgebiet, somit ab , vor.
III.11. Anders verhält es sich mit der Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum 01-06/2017.
Gemäß § 6 Abs. 3 KfzStG 1992 handelt es sich bei der Kraftfahrzeugsteuer um eine Selbstbemessungsabgabe. Zufolge dieser Bestimmung in der im Streitzeitraum geltenden Fassung des 2. AbgÄG 2014, BGBl. I 105/2014, hat der Steuerschuldner jeweils für ein Kalendervierteljahr die Steuer selbst zu berechnen und bis zum 15. des auf das Kalendervierteljahr zweitfolgenden Kalendermonats an das Finanzamt zu entrichten.
Darüber hinaus sieht § 6 Abs. 4 KfzStG 1992 vor, dass der Steuerschuldner für jedes abgelaufene Kalenderjahr bis zum 31. März des darauffolgenden Kalenderjahres beim Finanzamt eine Steuererklärung über die steuerpflichtigen Kraftfahrzeuge abzugeben hat.
Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann gemäß § 201 Abs. 1 BAO nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
Voraussetzung für die Erlassung eines Bescheides gem. § 201 BAO ist damit eine Verpflichtung des Abgabepflichtigen, den selbst berechneten Betrag dem Finanzamt bekannt zu geben. Die Bekanntgabe hat nach Maßgabe der in Betracht kommenden Abgabenvorschriften zu erfolgen, also durch Anmeldung, durch Voranmeldung, durch Steuererklärung oder, soweit keine andere Anordnung getroffen ist, durch bloße Entrichtung (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 201 Anm 11).
Im Falle der Kraftfahrzeugsteuer sieht nun zwar § 6 Abs. 3 KfzStG 1992 die zwingende Selbstberechnung und Entrichtung der Abgabe bis zum angegebenen Fälligkeitszeitpunkt vor, aber § 6 Abs. 4 leg. cit. erlegt dem Abgabepflichtigen eine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Abgabe durch Einreichung einer Steuererklärung auf. Nur für den Fall, dass der Abgabepflichtige dieser Erklärungspflicht nicht nachkommt, begeht er jene Pflichtverletzung, die die Voraussetzung für die Erlassung eines Bescheides gem. § 201 BAO darstellt (zB ).
Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer 01-06/2017 erst nach Ablauf der Erklärungsfrist, sohin erst nach dem zulässig gewesen wäre. Der Bescheid über die Festsetzung von Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum 01-06/2017, der im Übrigen sogar vor Fälligkeit der Kfz-Steuer für das 2. Quartal 2017 erlassen worden war, war somit ersatzlos aufzuheben.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Beschwerdefall hängt die Steuerpflicht vom Vorliegen eines Hauptwohnsitzes bzw. Lebensmittelpunktes des Beschwerdeführers im Inland ab; die Feststellung des Lebensmittelpunktes ist eine Sachverhaltsfrage, keine Rechtsfrage. Soweit gegenständlich Rechtsfragen zu lösen waren, handelt es sich um keine, denen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Z 3 KFZStG, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1952, BGBl. Nr. 110/1952 § 1 Z 3 NoVAG 1991, Normverbrauchsabgabegesetz, BGBl. Nr. 695/1991 § 3 Z 2 KFZStG, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1952, BGBl. Nr. 110/1952 § 36 lit. a KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 § 82 Abs. 8 KFG 1967, Kraftfahrgesetz 1967, BGBl. Nr. 267/1967 § 26 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 1 Abs. 6 MeldeG, Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992 § 1 Abs. 7 MeldeG, Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992 § 1 Abs. 8 MeldeG, Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992 § 6 Abs. 3 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992 § 6 Abs. 4 KfzStG 1992, Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, BGBl. Nr. 449/1992 § 201 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100300.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at