1) Geschäftsführerhaftung eines Pro-forma-Geschäftsführers 2) Reduzierung der Haftungsschulden im Rahmen des Ermessens wegen lange verstrichener Zeit
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. R in der Beschwerdesache AB, Adresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom zu St.Nr. 000/0000 betreffend Haftung gemäß §§ 9, 80 ff BAO für Abgabenschulden der Fa. D GmbH i.L. zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert und die Haftungsinanspruchnahme auf folgende Abgabenschulden eingeschränkt:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Höhe |
Umsatzsteuer* | 2007 | 16.997,74 |
Umsatzsteuer | 09/2008 | 14.669,04 |
Umsatzsteuer | 10/2008 | 10.962,71 |
Umsatzsteuer | 11/2008 | 12.700,18 |
Umsatzsteuer | 12/2008 | 6.710,88 |
Umsatzsteuer | 01/2009 | 4.244,93 |
Lohnsteuer | 10/2008 | 3.180,95 |
Lohnsteuer* | 2008 | 2.481,32 |
Kraftfahrzeugsteuer | 10-12/2008 | 2.275,95 |
Summe | 74.223,70 |
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt
Mit Beschluss vom wurde über das Vermögen der Fa. D GmbH das Ausgleichsverfahren eröffnet. Am stellte das Landesgericht Linz das eröffnete Ausgleichsverfahren ein und eröffnete mit gleichem Datum den Anschlusskonkurs.
Laut Insolvenzdatei wurde der Konkurs nach Schlussverteilung am aufgehoben; die Quote für die Konkursgläubiger betrug 2,76 %.
Der Beschwerdeführer (Bf) war seit als (alleiniger) selbständig vertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin und seit als deren selbständig vertretungsbefugter Liquidator im Firmenbuch eingetragen.
Am wurde die Firma wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöscht.
Mit Ergänzungsersuchen vom teilte das Finanzamt dem Bf mit, dass es beabsichtige, ihn für die aushaftenden Abgabenschulden der D GmbH im Ausmaß von 142.964,87 € in Anspruch zu nehmen. Es wies den Bf darauf hin, dass er seit Geschäftsführer der nunmehr in Konkurs befindlichen Gesellschaft und daher für die Entrichtung der Abgaben aus deren Mitteln verantwortlich gewesen sei.
Das am über das Vermögen der D GmbH eröffnete Konkursverfahren sei am nach Schlussverteilung wieder aufgehoben worden, weshalb die angeführten Abgabenschulden bei der Primärschuldnerin nicht mehr einbringlich seien.
Der Bf möge darlegen, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, diese Abgaben zu entrichten (z.B. Fehlen ausreichender Mittel, Zessionsvereinbarung, Einstellung der Überweisungen durch die Hausbank, Weisungen der Gesellschafter usw.). Die entsprechenden Unterlagen zum Beweis seiner Rechtfertigung seien vorzulegen. Falls vorhandene Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden seien, sei dies durch geeignete Unterlagen zu belegen.
Der Bf wurde weiters ersucht, anhand des beiliegenden Fragebogens seine derzeitigen persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen.
Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Bf gemäß §§ 9, 80 BAO für aushaftende Abgabenschulden der Fa. D GmbH i.L. in Höhe von 151.695,69 € in Anspruch.
Die Abgabenschulden wurden wie folgt aufgegliedert:
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Abgabenart | Zeitraum | Höhe |
Umsatzsteuer* | 2007 | 33.995,48 |
Umsatzsteuer | 09/2008 | 30.170,73 |
Umsatzsteuer | 10/2008 | 22.547,70 |
Umsatzsteuer | 11/2008 | 26.121,25 |
Umsatzsteuer | 12/2008 | 13.802,69 |
Umsatzsteuer | 01/2009 | 8.730,82 |
Lohnsteuer | 10/2008 | 6.542,46 |
Lohnsteuer* | 2008 | 5.103,48 |
Kraftfahrzeugsteuer | 10-12/2008 | 4.681,08 |
Summe | 151.695,69 |
In der Bescheidbegründung wurde eingangs auf die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 9, 80 BAO verwiesen.
Mit Beschluss des Landesgerichtes Linz vom sei ein Konkursverfahren über das Vermögen der Fa. D GmbH i.L. eröffnet und mit Beschluss vom nach Schlussverteilung wieder aufgehoben worden. Die im Spruch angeführten Abgabenschulden seien somit bei der Primärschuldnerin uneinbringlich.
Der Bf sei laut Eintragung im Firmenbuch seit Geschäftsführer der Fa. D GmbH i.L. und in dieser Funktion für die Entrichtung der die Gesellschaft treffenden Abgaben aus deren Mitteln verantwortlich gewesen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO annehmen dürfe. Der Geschäftsführer hafte für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die Mittel, die ihm für die Entrichtung aller Verbindlichkeiten zur Verfügung gestanden seien, hierzu nicht ausgereicht hätten; es sei denn, er weise nach, dass er diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet habe, die Abgabenschulden daher im Verhältnis nicht schlechter behandelt habe als andere Verbindlichkeiten.
Den Fragenvorhalt vom habe der Bf nicht beantwortet.
Die Geltendmachung der Haftung sei eine geeignete Maßnahme, um den Abgabenausfall zu verhindern. Es könne nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass nicht zumindest ein Teil der Abgabenschulden einbringlich sein werde.
Hinweis zum Abgabenanspruch:
Zu den mit * gekennzeichneten Abgaben würden in der Anlage die an die Primärschuldnerin ergangenen Bescheide übermittelt. Damit werde dem Haftungspflichtigen Kenntnis über den Abgabenanspruch verschafft. Zu den anderen Abgaben gebe es keine Bescheide. Diesen liege eine von der Primärschuldnerin vorgenommene Selbstbemessung zugrunde.
Innerhalb verlängerter Frist erhob der Bf Beschwerde sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen die Bescheide über die Abgabenansprüche.
Eingangs verwies der Bf in einer „Präambel“ darauf, dass er sowohl die Anfragen des Finanzamtes als auch den Haftungsbescheid wegen mangelnder Zuständigkeit und mangelnder Unterlagen bzw. Informationen an die zuständigen Stellen des "F“-Managements - nämlich dem De-facto-Geschäftsführer EF und auch dem involvierten (Zeugen) RA Dr. IJ - zur zeitgerechten Bearbeitung und Abgabe der Beantwortung an das Finanzamt übermittelt habe.
Nach mehrfacher telefonischer Urgenz bei beiden Herren und den erhaltenen unergiebigen Auskünften habe sich der Bf gezwungen gesehen, selbst die notwendigen Beschwerden zu erarbeiten und termingerecht vorzulegen.
Darüber hinaus verwies der Bf ausführlich auf gesundheitliche Beeinträchtigungen (Vorfußamputation mit Wundheilungsproblemen und Herzklappen-Ersatz-Op Ende 2013, ein Wundaufbruch sowie Zucker), die zu Verzögerungen geführt hätten sowie darauf, dass durch Programmfehler oder Viren seine zwei – wichtigsten, leider nicht gesicherten – USB-Sticks mit vielen Firmendaten sich – auch von Profis – nicht mehr lesen lassen würden.
In der „Vorbemerkung zur Begründung“ verwies der Bf auf eine Information der WKO zum Geschäftsführer. Seiner Ansicht nach sei er als Angestellter und Pro-forma-Geschäftsführer der verschiedenen Firmen der F-Gruppe nicht haftbar zu machen, wenn er keinerlei Verschulden begangen habe. Der faktische Geschäftsführer EF und die Gesellschafter des Managements der Firmen hätten einvernehmlich eine Ressortaufteilung festgelegt.
Der faktische Geschäftsführer EF und auch der gewerberechtliche Geschäftsführer Prokurist MN hafteten selbst für die in der getätigten Ressortaufteilung übernommenen Anteile.
Als bestellter Pro-forma-Geschäftsführer habe er die für ihn vertretbare Rechtsansicht, dass das für die Haftung notwendige Verschulden fehle; weiters befreie ihn ein möglicherweise "entschuldbarer " Rechtsirrtum in der ihm auferlegten, im Beisein von Notar, dem Firmen-Rechtsanwalt und weiteren Zeugen zustande gekommenen Firmenkonstruktion.
Für seinen Aufgabenbereich seien folgende, auszugsweise zitierten Aufgaben nicht relevant gewesen, sondern der Geschäftsführung bzw. dem Management der Firmen der F-Gruppe oblegen:
- Jede Art von Rechnungswesen, Finanz- und Risikomanagement;
- Übersicht und Kenntnis betriebswirtschaftlicher und vertraglicher Daten(banken);
- daraus resultierend das Insolvenz- und Konkursmanagement;
- Beratermanagement und Managementrisiko;
- Einholen von Zustimmungen der GV samt deren Einberufung;
- Information der sonstigen Mitglieder des Managements (Gesellschafter etc.);
- Information über die vertraglichen und gesetzlichen Pflichten;
- Erkennbarkeit und Beurteilung von Firmenkrisen;
- Personalmanagement.
Die vom De-facto-Geschäftsführer, den Gesellschaftern und dem Rechtsanwalt vorgenommene Ressorteinteilung samt Garantie für das Schad- und Klagloshalten des Bf als Pro-forma-Geschäftsführer sei konkludent genehmigt worden, woraus eine haftungshemmende Wirkung resultiere. Wie aus der Beilage ersichtlich sei, habe der De-facto-Geschäftsführer im Sinne der Schad- und Klagloshaltung bis dato einige Ersatzzahlungen für ungerechtfertigte bzw. durch Terminverschleppung verursachte Pfändungen bzw. Haftungszahlungen ersetzt.
Auf das Verhalten der Mitglieder des Managements, welches oft angespannt gewesen sei, habe er keinen Einfluss nehmen können (Beilage Mail des Prokuristen N mit Hinweisen auf die zitierte Situation).
Wie die diversen Firmenteile der F-Gruppe untereinander verquickt gewesen seien, sei für ihn nicht erkennbar gewesen. Die Kompetenzen seien verschwommen gewesen; eine Beurteilung habe seine Kompetenz überstiegen. Auch den Geldfluss untereinander habe er nicht erkennen können. Die Verteilervorgaben habe alleine F getätigt.
Zur „Begründung“ führte der Bf aus, dass er seine Inanspruchnahme wegen nachweisbarer Unzuständigkeit beeinspruche. Zuständig seien vielmehr der De-facto-Geschäftsführer EF und das Firmen-Management gewesen.
Zum Nachweis seiner Unzuständigkeit lege er das am ergangene Erkenntnis des Spruchsenates vor. Daraus gehe eindeutig hervor, dass er lediglich formal Geschäftsführer gewesen sei, ihm als beschäftigten Techniker keine Verfehlungen anzulasten seien und EF als De-facto-Geschäftsführer alleinig abgabenrechtlich verantwortlich sei. Das Verfahren gegen den Bf sei demzufolge eingestellt worden.
Seine seinerzeitigen, beim Finanzamt aktenkundigen Darstellungen, welche immer noch Gültigkeit hätten und zur Untermauerung seines Einspruches herangezogen werden müssten, lege er ebenfalls bei, ergänze jedoch noch die zitierten Darstellungen:
Am sei Herr EF an ihn herangetreten, ihm mangels einer anderen geeigneten Person zur Fortführung seiner Firmen mit einer Pro-forma-Geschäftsführung behilflich zu sein und ihm unter folgenden Bedingungen unter die Arme zu greifen. Diese Konstellation sollte lediglich interimistisch und für kurze Zeit erfolgen, bis der effektive Geschäftsführer eingesetzt werde. Vorgesehen gewesen sei Frau GF.
Der Bf sollte seitens der Gesellschaft schad- und klaglos gehalten und von jedweder - insbesondere finanziellen - Haftung verschont werden. Eventuelle Schädigungen sollten abgegolten bzw. refundiert werden.
Der Bf sollte wie bisher mit dem geringen Salär von 2.000,00 € netto Angestellter bleiben, was keinesfalls einem Geschäftsführergehalt entspreche.
Zwischen dem De-facto-Geschäftsführer F und dem Bf als Pro-forma-Geschäftsführer sei eine klare Ressortteilung erfolgt.
Alle dem Bf übertragenen Aufgaben und Funktionen seien in der Folge weisungsgebunden und ausschließlich auf Geheiß erledigt worden.
Wesentlicher Zweck dieses Arbeitsverhältnisses sei gewesen, auszunützen zu können, dass der Bf Bankverbindungen eingehen konnte, die den Fortbestand aller Geschäftsbeziehungen ermöglichten und sicherten.
Die Hierarchien der Firmen der F-Gruppe seien wie folgt festgelegt gewesen:
1. Als Pro-forma-Geschäftsführer habe der Bf fungiert. Planungen, Erfüllung behördlicher Auflagen, AUVA, Grundstücke, Bauverhandlungen, Grafikabteilung für Briefpapiere, Visitenkarten und Broschüren, Bankenkontakt, Geldverkehr auf Anordnung etc.
Er habe aber keinerlei finanzrelevanten und organisationstechnisch relevanten Aufgaben übernommen; dies sei der Aufgabenbereich von F gewesen. Diesbezügliche Eingänge beim Bf seien an das Firmenmanagement zur Bearbeitung und Erledigung weiterzuleiten gewesen. Gleichzeitig sei jeweils bestätigt worden, dass dem Bf keinerlei negative Auswirkungen erwachsen würden.
2. Das Firmenmanagement sei dem De-facto-Geschäftsführer EF oblegen. Dieser sei weiters zuständig für Baufahrzeugdisposition und Rechnungswesen aller Art gewesen.
3. Gewerberechtlicher Geschäftsführer sei Prokurist MN gewesen.
4. Gesellschafterin sei GF gewesen.
5. Der weitere Gesellschafter SS sei für den internationalen Fernverkehr und GPS-Überwachung zuständig gewesen.
6. Mag. V sei Steuerberater und Gesellschafter gewesen.
7. RA Dr. IJ sei Firmenanwalt gewesen, und
8. LL sei Buchhalterin gewesen.
Die angeführten Personen 2 bis 7 und der paraphierende Notar seien Zeugen des Zustandekommens dieser Konstellation, insbesondere der Aufgabensplittung zwischen dem Bf und F, gewesen.
Diese Funktions- und Aufgabenbereichsteilung mit den damit verbundenen Pflichten hätten die Gesellschafter bestimmt, gutgeheißen und vertreten.
Der Bf habe für die diversen Firmen der F-Gruppe stets weisungsgebunden oder auf Geheiß die verlangten Tätigkeiten unverzüglich und - wenn gefordert - bei jeweils offenen Fristen getätigt. Er habe stets korrekt, absolut treu und auftragsgemäß gehandelt und somit keinerlei Nachlässigkeiten oder Verfehlungen begangen.
Seien, was äußerst selten der Fall gewesen sei, Schriftstücke – insbesondere Zahlungsaufforderungen des Finanzamtes - an seiner Privatadresse eingegangen, habe er diese stets und prompt an das Firmenmanagement - Herrn F - weitergeleitet. Eine sachliche oder Inhaltliche Prüfung habe er nicht vorgenommen, da ihm der Überblick und die notwendigen Kenntnisse und Unterlagen gefehlt hätten und er zudem nicht dazu befugt oder beauftragt gewesen sei. Er habe sich stets von der Weiterleitung an den Adressaten überzeugt und die Mitteilung verlangt, damit ihm keinerlei – finanzielle - Nachteile erwachsen oder Haftungen gegen ihn geltend gemacht werden könnten. Dies habe ihm Herr F jeweils dezidiert bestätigt.
Die wichtigste Aufgabe sei gewesen, Geld aufzutreiben und weisungsgebunden zu verteilen: (Bankenkontakte und Bewegungen auf diversen Konten, Verfassen von Petitionen, persönliche Vorsprachen, das Zur-Verfügung-Stellen des eigenen Kontorahmens bis zu 20.000,00 €, Geldverleih (Zinsen?) bei ständigen Engpässen, angeordnete Geldlieferungen an diverse Stellen - FA-Inkasso, Gerichts-Inkasso, Mag-Inkasso, GKK, ASFINAG, Leasingfirmen, Servicefirmen, Ämter, usw. Einen ungefähren Überblick über die aufwendige und komplizierte Tätigkeit sei aus dem Anhang zu ersehen, wobei die händischen Eintragungen des Verteilerschlüssels durch Herrn F - persönlich, fast täglich vorgenommen - deutlich erkennbar seien.
Diverse Leihen und Gebühren seien bis dato nicht an ihn refundiert worden. Im Sinne der Schad- und Klagloshaltung sei anzumerken, dass einige der unberechtigt, nämlich durch Terminverschleppungen des Managements entstandene und verschuldete, auf ihn überwälzte Pfändungen und Haftungszahlungen von F refundiert worden seien. Die Rentenpfändung in Höhe von etwa 9.000,00 € sei fast zur Gänze refundiert worden.
Seitens des Firmenmanagements - wenn auch der Erhalt schwer erkämpft werden müsse – werde die Schuldhaftigkeit nicht bestritten.
Seine ureigensten Beschäftigungsbereiche als Baufachmann, Planer, Projektleiter, Spezialist für Bauausführungen, usw. hätten sich als äußerst umfangreich und zeitintensiv dargestellt.
Auf eine Einbindung oder Kontaktaufnahme in irgendeiner Form, Beteiligung an Sitzungen oder Gesprächen mit den diversen Organen bei Konkursen habe er bis auf zweimaligen Kontakt mit Dr. O total verzichtet. Alles sei zwischen dem De-facto-Geschäftsführer und den Masseverwaltern besprochen und abgewickelt worden. Er habe - außer einige Schriftstücke zur Paraphierung - auch keinerlei Informationen bekommen. Er sei in keinerlei Abwicklungen involviert gewesen. Einige Male sei er als Postbote tätig gewesen.
In einem „Resümee“ führte der Bf abschließend aus, dass in der vorliegenden Begründung nachgewiesen werde, dass er Pro-forma-Geschäftsführer gewesen sei. Es sei dokumentiert, dass er wegen mangelnder Zuständigkeit nicht für die ihm im Haftungsbescheid angelasteten Verfehlungen und Abgabenschulden haftbar gemacht werden könne.
Die Beschwerde beziehe sich lediglich auf diesen zu erbringenden Nachweis. Die im Anhang enthaltenen Originaldokumente dienten lediglich der Untermauerung des Modus Vivendi, wie er als Pro-forma-Geschäftsführer beschäftigt gewesen sei und gearbeitet habe.
Er ersuche daher um Einstellung des gegen ihn gerichteten Verfahrens aus den dargestellten Gründen der Unzuständigkeit.
Der Bf legte der Beschwerde ein Konvolut an Unterlagen bei, u.a. einen Lebenslauf, eine Kopie des Erkenntnisses des Spruchsenates vom , welches das gegen ihn als Verantwortlichen der Fa. G GmbH geführte Finanzstrafverfahren einstellte, diverse E-Mails zum Nachweis dafür, dass EF der alleine für das Rechnungswesen Zuständige war, eine Bescheinigung vom zum Beweis eines Präzedenzfalles, wonach der Bf als Pro-forma-Geschäftsführer der ebenfalls im Konkurs befindlichen Fa. H schad- und klaglos gehalten wurde, diverse Refundierungen durch F auf Grund der vertraglich zugesicherten Schad- und Klagloshaltung sowie weiteren umfangreichen Schriftverkehr.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Der Bf habe im Wesentlichen eingewendet, nur als Pro-forma-Geschäftsführer beschäftigt gewesen zu sein, auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss gehabt zu haben und in diese Vorgänge auch nicht involviert gewesen zu sein. Die De-facto-Geschäftsführung hätten Herr EF und das dazugehörige Firmenmanagement ausgeübt. Es habe eine klare Ressortaufteilung zwischen De-facto-Geschäftsführer Herrn F und dem Bf als Pro-forma-Geschäftsführer gegeben. Alle dem Bf übertragenen Aufgaben und Funktionen seien in der Folge weisungsgebunden und auf Geheiß erledigt worden. Wegen mangelnder Zuständigkeit könne der Bf nicht für die im Haftungsbescheid angelasteten Verfehlungen und Abgabenschulden haftbar gemacht werden.
Nach Zitierung der gesetzlichen Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO führte das Finanzamt weiter aus, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschulden nach dem Konkurs der Firma D GmbH i. L., welcher mit Beschluss des LG Linz vom nach Schlussverteilung aufgehoben worden sei, bei der Primärschuldnerin unstrittig uneinbringlich seien.
Unstrittig sei auch, dass der Bf in der Zeit vom bis formell bestellter Geschäftsführer der Firma D GmbH i. L. gewesen sei.
Im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft sei es Sache des Geschäftsführers, darzulegen, weshalb er nicht Sorge getragen habe, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet habe, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen dürfe. Den Vertreter treffe eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast. Dieser Nachweis sei in der Beschwerde nicht erbracht worden.
Die angebliche interne Aufgabenverteilung zwischen dem Geschäftsführer und einem als faktischen Geschäftsführer agierenden Dritten vermöge den Bf nicht zu exkulpieren.
Das für die Geschäftsführerhaftung gemäß § 9 BAO notwendige Verschulden sei bereits dann gegeben, wenn sich der Geschäftsführer vor der Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erkläre bzw. überhaupt eine Beschränkung in Kauf nehme, die ihm die künftige Erfüllung seiner Verpflichtungen gegenüber den Abgabenbehörden unmöglich mache. Das Einverständnis, nur formell als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, stelle eine derartige Beschränkung der Befugnisse eines Geschäftsführers dar. Ein derartiges Einverständnis befreie nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der mit der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführung verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen. Als bestellter Geschäftsführer habe er alle abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft zu erfüllen oder seine Funktion unverzüglich niederzulegen. Habe er das nicht getan, müsse er die haftungsrechtlichen Konsequenzen tragen (vgl. ).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dürfe die Abgabenhörde diese schuldhafte Pflichtverletzung des formellen Geschäftsführers als Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben ansehen.
Mit Schreiben vom stellte der Bf einen Vorlageantrag. Ein weiteres Sachvorbringen wurde nicht erstattet.
Rechtslage
Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 80 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflicht nicht eingebracht werden können.
Die Haftung trifft daher beispielsweise Geschäftsführer einer GmbH und erstreckt sich vor allem auf Abgaben, deren Fälligkeitszeitpunkt in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt.
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehören (abgesehen von der Abgabenentrichtung) vor allem die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen, die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen und die Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (Ritz, BAO6, § 9 Tz 12).
Voraussetzung für die Inanspruchnahme als Haftender nach diesen Gesetzesstellen ist somit eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, deren Zahlungstermin in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, ein Verschulden des Vertreters an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit. Beim kumulativen Vorliegen dieser Voraussetzungen ist überdies die Geltendmachung der Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt.
Nur schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Da eine bestimmte Schuldform ist nichtgefordert ist, genügt leichte Fahrlässigkeit ().
Ermessensentscheidungen der Abgabenbehörde haben sich gemäß § 20 BAO innerhalb der Grenzen zu halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen.
Wesentliches Ermessenskriterium ist die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe bei der Primärschuldnerin uneinbringlich ist ().
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darf die Haftung keineswegs nur bis zur Höhe der aktuellen Einkünfte bzw. des aktuellen Vermögens des Haftungspflichtigen geltend gemacht werden. Die Geltendmachung der Haftung kann auch dann zweckmäßig sein, wenn die Haftungsschuld im Zeitpunkt der Geltendmachung uneinbringlich ist, da dies nicht ausschließt, dass künftig neu hervorgekommenes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit führen können. Die wirtschaftliche Lage des Haftungspflichtigen, dessen Vermögenslosigkeit oder das Fehlen von Einkünften stehen für sich allein noch in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung.
Die Haftung nach § 9 BAO ist subsidiär und akzessorisch. Eine Person darf demnach nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Hauptschuldner seiner Verbindlichkeit nicht nachkommt. Sie darf erst zur Leistung herangezogen werden, wenn die Abgaben beim Hauptschuldner uneinbringlich sind (Subsidiarität).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes () ist die Quotenzahlung von den haftungsgegenständlichen Abgaben aliquot in Abzug zu bringen und eine Verrechnung der Quote auf den ältesten Rückstand gemäß § 214 Abs. 1 BAO verfehlt.
Der Zeitpunkt, für den zu beurteilen ist, ob der Vertretene die für die Abgabenentrichtung erforderlichen Mittel hatte, bestimmt sich danach, wann die Abgaben bei Beachtung der abgabenrechtlichen Vorschriften zu entrichten gewesen wären (). Bei Selbstbemessungsabgaben ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend, wann die Abgaben bei ordnungsgemäßer Selbstberechnung abzuführen gewesen wären; maßgebend ist daher ausschließlich der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit, unabhängig davon, ob bzw. wann die Abgaben bescheidmäßig festgesetzt werden (Ritz, BAO6, § 9 Tz 10, und die dort zitierte VwGH-Judikatur)
Die Haftung erstreckt sich daher auf all jene Abgaben, deren Fälligkeitszeitpunkt in die Zeit der Vertretertätigkeit fällt.
Verfügt die vertretene Gesellschaft über (wenn auch nicht ausreichende) Mittel, so darf der Vertreter bei der Entrichtung von Schulden Abgabenschulden nicht schlechter behandeln als die übrigen Schulden (Gleichbehandlungsgrundsatz).
Ausnahmen vom Gleichbehandlungsgrundsatz gelten für Abfuhrabgaben, insbesondere für Lohnsteuer.
§ 9 BAO stellt nicht auf die faktische Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten ab. Ein De-facto-Geschäftsführer ist kein Vertreter im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO und des § 18 Abs. 1 GmbHG; seine Heranziehung zur Haftung ist daher unzulässig. Nicht zum Geschäftsführer bestellte oder dazu bevollmächtigte "faktische Geschäftsführer" werden durch das bloße Ausüben von Geschäftsführungstätigkeiten allein noch nicht zu Vertretern im Sinne des § 80 BAO und entheben den bestellten Geschäftsführer nicht von seinen Pflichten (, mit Verweis auf ).
Maßgebend für die Vertreterhaftung ist daher nicht die tatsächliche Führung der Geschäfte, sondern die gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der GmbH. Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffende Person tatsächlich als Geschäftsführer tätig ist oder z.B. nur ein „Pro-forma-Geschäftsführer“ oder „nur auf dem Papier“. Auf den Grund der Übernahme der Geschäftsführerfunktion sowie allfällige Einflüsse Dritter auf die Geschäftsführung kommt es nicht an (; ; Ritz, BAO6, § 9 Tz 1).
Das Einverständnis, nur formell bzw. nur auf dem Papier als Geschäftsführer zu fungieren, somit auf die tatsächliche Geschäftsführung keinen Einfluss zu nehmen, befreit den untätigen Geschäftsführer nicht von der Verantwortung hinsichtlich der Erfüllung der mit der Übernahme der handelsrechtlichen Geschäftsführung verbundenen gesetzlichen Verpflichtungen ().
Erklärt sich ein Vertreter bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden (oder nimmt er eine solche Beschränkung in Kauf), die ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen, insbesondere auch den Abgabenbehörden gegenüber, unmöglich machen, so liegt darin ein haftungsrelevantes Verschulden (Ritz, BAO6, § 9 Tz 15, mit Verweis auf die dort angeführte Judikatur).
Rechtfertigt sich der Vertreter (der Geschäftsführer einer GmbH) damit, durch Gesellschafter oder Dritte an der Erfüllung seiner Verpflichtungen gehindert worden zu sein, schließt dies ein Verschulden an der Verletzung seiner Pflichten nicht aus; der Geschäftsführer wäre verhalten gewesen, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden ().
Auch die Behauptung der völligen Unkenntnis in buchhalterischen und steuerrechtlichen Belangen kann den Geschäftsführer einer GmbH schon deswegen nicht exkulpieren, weil ein Mindestmaß an Überwachung der mit der Wahrnehmung dieser Belange betrauten Person für den allein verantwortlichen Geschäftsführer als gesetzlichem Vertretungsorgan der Gesellschaft verlangt werden muss. Wer weiß, dazu nicht in der Lage zu sein und dessen ungeachtet die Funktion eines Geschäftsführers übernimmt, der handelt schon deswegen schuldhaft, weil ihm bewusst sein muss, dass er der gesetzlichen Sorgfaltspflicht des § 25 Abs. 1 GmbHG nicht entsprechen kann (Ritz, aaO, Tz 20). Wer trotz Rechtsunkenntnis Erkundigungen unterlässt, handelt zumindest fahrlässig ().
Verschulden liegt vor, wenn sich ein Vertreter schon bei der Übernahme seiner Funktion mit der Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw. eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung abgabenrechtlicher Verpflichtungen unmöglich macht ().
Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war ().
Durch das AbgÄG wurde § 9a in die BAO neu eingefügt und dadurch der Personenkreis, der zur Haftung herangezogen werden kann, auf Personen erweitert, die entweder faktische Geschäftsführer sind (und damit de facto an Stelle des Vertreters die abgabenrechtlichen Pflichten des Vertretenen erfüllen bzw. verletzen) oder die den Vertreter dahingehend beeinflussen, dass abgabenrechtliche Pflichten durch diesen verletzt werden. § 9a BAO trat mit in Kraft. § 9a Abs. 1 BAO normiert eine abgabenrechtliche Pflicht jener Personen, die tatsächlich Einfluss auf die Erfüllung der Pflichten des Abgabepflichtigen und der Vertreter im Sinne des §§ 80 ff BAO nehmen. Diese Pflicht besteht ab Inkrafttreten dieser Bestimmung und kann daher auch erst ab diesem Zeitpunkt verletzt werden. Die Haftungsinanspruchnahme nach § 9a Abs. 2 kommt somit erstmals für ab erfolgte Pflichtverletzungen in Betracht.
Nach § 248 erster Satz BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.
Im Beschwerdeverfahren gegen den Haftungsbescheid können – solange Bescheide über den Abgabenanspruch dem Rechtsbestand angehören – Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgabenfestsetzung (deren Höhe) nicht mit Erfolg erhoben werden. Solche Einwendungen sind in dem die Abgabenfestsetzung betreffenden Verfahren gemäß § 248 BAO und nicht im Haftungsverfahren geltend zu machen.
Bringt der Haftungspflichtige sowohl gegen den Haftungsbescheid als auch gegen den maßgeblichen Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerden ein, so ist zunächst über die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid zu entscheiden, weil von dieser Erledigung die Rechtsmittelbefugnis gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch abhängt.
Erwägungen
Eingangs war festzuhalten, dass die gegenständliche Beschwerde mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesfinanzgerichtes vom wegen lange andauernder Erkrankung der zuständigen Richterin neu zugeteilt wurde.
Der Bf wandte im Wesentlichen ein, dass er nicht als Haftender in Anspruch genommen werden könne, weil er nur pro-forma-Geschäftsführer und daher unzuständig gewesen sei, während tatsächlich EF die Geschäfte geführt und die Entscheidungen getroffen habe.
Mit dieser Behauptung, die das Finanzamt nicht in Frage stellte und der Masseverwalter in seinem Bericht vom bestätigte, zeigte der Bf aber im Hinblick auf obige rechtliche Ausführungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Dass über Zahlungen alleine der faktische Geschäftsführer entschieden habe, wies lediglich darauf hin, dass der Bf die Funktion eines Geschäftsführers übernommen hatte, ohne zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten tatsächlich in der Lage zu sein.
Der Bf, der im Firmenbuch unstrittig als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin eingetragen war, konnte sich im Hinblick auf die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft nicht mit dem Einwand von seiner Verantwortung befreien, er sei lediglich Pro-forma-Geschäftsführer gewesen und habe auf die operative Tätigkeit der Gesellschaft keinen Einfluss gehabt.
Übernahm der Bf die Funktion eines Geschäftsführers, ohne zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten tatsächlich in der Lage zu sein, traf ihn an der Nichtentrichtung jener Abgaben, die während der Zeit anfielen, in der er als Geschäftsführer bestellt war, ein haftungsbegründendes Verschulden im Sinne des § 9 Abs. 1 BAO.
Die Vorlage umfangreicher Unterlagen zur Dokumentation seiner Unzuständigkeit konnte der Beschwerde daher nicht zum Erfolg verhelfen.
Der Bf hätte, wenn er sich an der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder den faktischen Geschäftsführer behindert sah, entweder die ungehinderte Ausübung seiner Funktion sofort im Rechtsweg erzwingen oder seine Funktion niederlegen und als Geschäftsführer ausscheiden müssen. Dass er etwas unternommen hätte, brachte der Bf selbst nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung, welche diesbezügliche Ausführungen enthielt und welcher nach der Judikatur die Wirkung eines Vorhaltes zukam, nicht vor.
Infolge dieser schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bf durfte die Abgabenbehörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung auch Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.
Das Finanzamt stellte im Vorlagebericht, der auch dem Bf zugestellt wurde, zutreffend fest, dass der Bf keine anderen Gründe zu seiner Entlastung – wie etwa das Fehlen ausreichender Mittel oder die Nichtverletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes - vorgebracht habe.
Mangels entsprechender Behauptungen oder Beweisanbote war das Finanzamt nicht verpflichtet zu ermitteln, ob andere haftungsausschließende Gründe vorliegen ().
Entgegen der Ansicht des Bf war auch nicht entscheidend, ob ein Strafverfahren gegen ihn unterblieben oder eingestellt worden war, weil die Tatbestände der Abgabenhinterziehung und der Finanzordnungswidrigkeit ein vorsätzliches Handeln erfordern, wogegen die Haftung des Geschäftsführers eine bestimmte Schuldform nicht voraussetzt.
Das vorgelegte einstellende Erkenntnis des Spruchsenates vom erging gegen den Bf als formalem Geschäftsführer der Fa. G GmbH, wobei auch in diesem Fall tatsächlich F die Geschäfte geführt hatte.
Wie o.a., hatte ein einstellendes Straferkenntnis, das überdies gegen den Bf als Pro-forma-Geschäftsführer einer weiteren GmbH erging, keine Auswirkungen auf das gegenständliche Haftungsverfahren.
Dem weiteren Vorbringen des Bf, der De-facto Geschäftsführer, die Gesellschafter und der Rechtsanwalt hätten ihm garantiert, ihn schad- und klaglos zu halten, war zu entgegnen, dass eine derartige Vereinbarung sich auf das Innenverhältnis der Vertragsparteien bezieht und die Haftung des Geschäftsführers durch privatrechtliche Vereinbarungen nicht ausgeschlossen werden kann.
Das Finanzamt wies in seinem Vorlagebericht darauf hin, dass es – entgegen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung - die Quote zur Gänze auf die Umsatzsteuer 2007 und nicht aliquot auf alle Konkursforderungen verrechnet habe.
Da dem Gericht verwehrt war, die Haftungsschuld betraglich über die im Spruch des Erstbescheides enthaltenen Abgaben auszudehnen (), durfte die Umsatzsteuer 2007, die mit dem um die gesamte Quotenzahlung reduzierten Betrag im Spruch des Haftungsbescheides enthalten war, im Erkenntnis nicht mit einem höheren Betrag ausgewiesen sein.
Die restlichen Haftungsschulden waren dagegen jeweils um die Verteilungsquote von 2,759839 % zu reduzieren (daher: Umsatzsteuer 2007: 33.995,48 €; Umsatzsteuer 09/2008: 29.338,07 €; Umsatzsteuer 10/2008: 21.925,42 €; Umsatzsteuer 11/2008: 25.400,35 €; Umsatzsteuer 12/2008: 13.421,76 €; Umsatzsteuer 01/2009: 8.489,86 €; Lohnsteuer 10/2008: 6.361,90 €; Lohnsteuer 2008: 4.962,63 € und Kraftfahrzeugsteuer 10-12/2008: 4.551,89 €).
Der Bf war im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden alleiniger Geschäftsführer der Primärschuldnerin und somit der einzig in Betracht kommende Haftungspflichtige. Aus dem Umstand, dass er nur formeller Geschäftsführer war, ergab sich kein Unbilligkeitsgrund ().
Allerdings war der lange Zeitabstand zwischen der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin einerseits und der bescheidmäßigen Inanspruchnahme zur Haftung andererseits ein Umstand, der bei der Heranziehung zur Haftung im Rahmen des Ermessens nicht außer Betracht gelassen werden durfte ().
Im vorliegenden Fall wurde der Konkurs über das Vermögen der Primärschuldnerin am aufgehoben, womit das Ausmaß der Uneinbringlichkeit bei dieser feststand.
Der Vorhalt betreffend die beabsichtigte Haftungsinanspruchnahme des Bf erging am , der Haftungsbescheid am . Aus den dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Aktenteilen waren keine besonderen Umstände für die Geltendmachung der Haftung erst nach mehr als vier Jahren erkennbar.
Nach der Judikatur ist es geboten, die Haftung in einem angemessenen Zeitraum nach Konkursaufhebung geltend zu machen, weshalb angesichts des dargestellten zeitlichen Ablaufes im Rahmen des Ermessens eine Reduzierung der Haftungssumme um die Hälfte gerechtfertigt erschien.
Der Unabhängige Finanzsenat vertrat in einem vergleichbaren Fall ( RV/0766-G/11) die Ansicht, dass in Abwägung der Billigkeits- und Zweckmäßigkeitsgründe sowohl das Finanzamt (auf Grund des langen Zuwartens mit der Erlassung des Haftungsbescheides) als auch der dortige Bf (auf Grund seines Verschuldens an der Uneinbringlichkeit der Abgaben) jeweils die Hälfte des uneinbringlichen Haftungsbetrages zu tragen hätten. Die Behandlung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , 2012/16/0140, ab.
Im Ergebnis waren daher die o.a., um die anteilige Quote verminderten Haftungsbeträge auf 50 % einzuschränken und spruchgemäß zu entscheiden.
Weitere Gründe für eine Kürzung der Haftungsbeträge lagen nicht vor, sodass der Beschwerde teilweise stattzugeben war.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an den zitierten gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu angeführten Judikatur, weshalb die Zulässigkeit einer Revision zu verneinen war.
Linz, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | RV/0766-G/11 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5100788.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at