Entlassung aus der Gesamtschuld
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch V., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt ZA vom , Zahl: 0000, betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld gemäß 3 237 Bundesabgabenordnung (BAO) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Urteil vom , GZ. ****, erkannte das Landesgericht ** als Schöffengericht den Beschwerdeführer (Bf.) der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei und des versuchten gewerbsmäßigen Schmuggels für schuldig. Es wurde über ihn eine Geldstrafe von 600.000,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Monate) und eine Teilwertersatzstrafe von 200.000,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Monate) verhängt.
In teilweiser Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde wurde das angefochtene Urteil des LG **, das im Übrigen unberührt blieb, im Ausspruch über die Geldstrafe und die betreffende Ersatzfreiheitsstrafe mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom , GZ. ***, aufgehoben und der Bf. für die ihm zur Last gelegten Finanzvergehen zu einer Geldstrafe von 400.000,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe vier Monate) verurteilt. Davon wurde ein Teil in der Höhe von 266.670,00 Euro (darauf entfallende Ersatzfreiheitsstrafe 80 Tage) für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Mit Bescheid vom , Zahl: 0001, setzte das Zollamt gemäß § 201 BAO gegenüber dem Bf. für eine aus dem steuerrechtlich freien Verkehr des Mitgliedstaates Großbritannien stammende und anschließend übernommene Menge von 32.400 Stangen Zigaretten, für die gemäß § 27 Abs. 1 Z. 2 Tabaksteuergesetz 1995 (TabStG 1995) die Tabaksteuerschuld entstanden ist, die Tabaksteuer im Ausmaß von 608.472,00 Euro fest. Weiters schrieb das Zollamt dem Bf. einen Säumniszuschlag von 12.169,44 Euro vor.
Es wurde ausgeführt, dass ein Gesamtschuldverhältnis mit XY und mit
der XY-GmbH in voller Höhe vorliege.
Mit Schriftsatz vom beantragte der Bf. gegen Bezahlung eines
Teilbetrages von 10.000,00 Euro die Entlassung aus der Gesamtschuld im Umfang der
restlichen auf dem Abgabenkonto bestehenden Abgabenschuld.
Er verwies in diesem Zusammenhang auf die mit vorgelegten Urkunden
sowie auf seine Schriftsätze vom und , in denen er im Wesentlichen darstellte, weshalb er nicht in der Lage sei, die auf dem Abgabenkonto aushaftende Abgabenschuld in der Höhe von 619.040,51 Euro zu begleichen.
Er verdiene als Kraftfahrer bei einem Busunternehmen 1.800,00 Euro und sei für seine Tochter unterhaltspflichtig. Mit Beschluss vom des Bezirksgerichtes ***** zu GZ. ****** sei ihm nach Beendigung des Abschöpfungsverfahrens die Restschuldbefreiung gewährt worden, weshalb er mit Ausnahme einer noch aushaftenden Kreditschuld in Höhe von 66.381,58 Euro gegenüber einer Bank keine weiteren Verbindlichkeiten habe. Diesen Kredit habe er bei der Bank für den Erwerb des zur Hälfte in seinem Eigentum und zur Hälfte im Eigentum seiner Ehegattin stehenden Liegenschaft aufgenommen. Zu Gunsten der Kreditgeberin sei erstrangig ein Höchstbetragspfandrecht in Höhe von 214.500,00 Euro ob der genannten Liegenschaft eingetragen. Darüber hinaus sei für seinen Anteil sowie für den Anteil seiner Ehegattin ein wechselseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot eingetragen.
Seine Ehegattin sei berufstätig und verdiene monatlich durchschnittlich 1.300,00 Euro. Zur Tilgung der Kreditschuld leiste der Bf. monatliche Zahlungen von 1.000,00 Euro.
Unter Berücksichtigung der laufenden Betriebskosten für das Haus und der sonstigen Lebenshaltungskosten bleibe dem Bf. auch unter Berücksichtigung der Einkünfte seiner Ehegattin monatlich kein weiterer verfügbarer Betrag übrig. Auch sein Bankkonto weise kein nennenswertes Guthaben auf. Aufgrund seiner Einkommens- und Vermögenssituation sei eine weitere Kreditaufnahme kaum möglich. Dessen ungeachtet sei der Bf. bemüht, eine Kreditaufstockung von zumindest 5.000,00 Euro durch eine Laufzeitverlängerung des bestehenden Kredits zu erwirken.
An der im Hälfteeigentum der Ehegatten stehenden Liegenschaft bestehe ein wechselseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot, sodass eine pfandmäßige Belastung und eine exekutive Verwertung der Liegenschaft durch andere Gläubiger außer der Hausbank nicht möglich sei. Zudem seien auch die Gehaltsansprüche des Bf. zugunsten der Bank verpfändet.
Der Bf. werde mit hoher Wahrscheinlichkeit bis zu seinem Lebensende nicht in der Lage sein, die ihn treffende Abgabenschuld zu entrichten. Er wäre jedoch ohne diese Abgabenschuld nicht in einer finanziell schlechten Situation, sondern befinde sich vielmehr in einer durchschnittlichen wirtschaftlichen Situation. Sofern die Abgabenbehörde versuche, die Abgabenschuld einbringlich zu machen, sei er im Hinblick auf die Höhe der Forderung in seiner finanziellen/wirtschaftlichen Existenz gefährdet.
Gerade durch eine Nachsicht würde ein Sanierungseffekt erfolgen (VwGH 2003/13/0058).
Das Zollamt wies den Antrag mit Bescheid vom , Zahl: 0000, ab. Zur Begründung führte es an, die dargelegten und durch Unterlagen nachgewiesenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. würden die Einhebung persönlich unbillig erscheinen lassen. Die Entlassung aus der Gesamtschuld liege bei Vorliegen aller Voraussetzungen im Ermessen der Behörde. Bei der Ermessensprüfung sei zu berücksichtigen, dass derzeit aufgrund einer Lohnpfändung vom Arbeitgeber monatlich Lohnabzüge in Höhe von 400,00 Euro zu Gunsten des Zollamtes erfolgen würden. Es sei lediglich ein weiterer Gesamtschuldner vorhanden, der sich in Privatkonkurs befinde. Eine antragsgemäße Entlassung aus der Gesamtschuld nach Zahlung von 5.000,00 Euro hätte daher zur Folge, dass voraussichtlich der Großteil der Abgabenschuld uneinbringlich bliebe. Wie aus dem Urteil des Landesgerichtes ** hervorgehe, habe der Bf. für die Schmuggelfahrt 5.000,00 Euro erhalten. Mit dem gegenständlichen Antrag biete er daher nur an, den für die Schmuggelfahrt erhaltenen „ Lohn" herauszugeben. Echte (zumindest teilweise) Schadenswiedergutmachung im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten biete er nicht an.
Die Tatsache, dass der Abgabenrückstand auf gewerbsmäßige Abgabenhehlerei zurückzuführen sei, dürfe im Interesse der steuerehrlichen Abgabepflichtigen nicht
unberücksichtigt bleiben und es seien beträchtliche Opfer zur Wiedergutmachung des
verursachten Steuerschadens zuzumuten. Das Zollamt räume daher den Zweckmäßigkeitsüberlegungen den Vorrang vor den Billigkeitserwägungen ein.
Dagegen wurde fristgerecht eine Bescheidbeschwerde eingebracht. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass entgegen der Ausführungen der belangten Behörde der Bf. 10.000,00 Euro als Zahlung für die im Gegenzug vorzunehmende Entlassung aus der Gesamtschuld beantragt habe. Das Zollamt gehe sohin bei der rechtlichen Beurteilung insofern von falschen Voraussetzungen aus.
Folglich sei der Einwand der belangten Behörde, der Bf. würde lediglich den aus der Straftat erlangten Vorteil herausgeben, nicht zutreffend und gehe insoweit ins Leere. Insbesondere im Hinblick auf die extrem angespannte finanzielle Situation des Bf. sei der Betrag von 10.000,00 Euro als angemessene und gerade noch schaffbare Schadenswiedergutmachung im Rahmen seiner finanziellen Verhältnisse anzusehen. Dieser Betrag stehe im Hinblick auf die Sorgepflichten, das Einkommen, sowie die sonstigen Vermögensverhältnisse des Bf. ein beträchtliches Opfer dar. Es wäre daher dem Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld gegen die Zahlung eines Teilbetrages von 10.000,00 Euro stattzugeben gewesen.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom , Zahl: 0002, wies das Zollamt die Beschwerde als unbegründet ab.
Zwar treffe es zu, dass der Bf. die Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von
10.000,00 Euro angeboten habe (und nicht wie im angefochtenen Bescheid irrtümlich angeführt 5.000,00 Euro). Dies ändere aber nichts an den grundsätzlichen Ermessenserwägungen und habe kein anderes Endergebnis zur Folge. Der als Zahlung angebotene Teilbetrag entspreche einer Quote von lediglich 1,6 %. Bei einer antragsgemäßen Erledigung des Ansuchens würde die Behörde daher auf einen
Großteil der aushaftenden Forderung verzichten. Dies sei in Hinblick darauf, dass die gegenständliche Abgabenschuld auf ein vorsätzliches Finanzvergehen zurückzuführen sei und sich der Bf. durch die wiederholte Begehung eine fortlaufende Einnahme habe verschaffen wollen, nicht akzeptabel. Eine antragsgemäße Stattgabe würde dem Bf. zu einer überaus billigen Entschuldung verhelfen und der von ihm verursachte Schaden würde zum Großteil auf die Allgemeinheit überwälzt. Dies dürfe im Interesse der steuerehrlichen Abgabepflichtigen nicht unberücksichtigt bleiben. Es seien dem Bf. beträchtliche Opfer zur Wiedergutmachung des Steuerschadens zumutbar.
Mit Schriftsatz vom stellte der Bf. fristgerecht einen Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Im Vorlageantrag heißt es (auszugsweise):
Die Erwägungen des Zollamtes in der Beschwerdevorentscheidung seien aus Sicht des Bf. wenig überzeugend, zumal es gerade im Hinblick darauf, dass der Bf. durch die Einhebung der Abgabenschuld in einer außergewöhnlichen Art und Weise von einer persönlichen Unbilligkeit betroffen wäre, unerheblich erscheine, dass die angebotene Zahlung einer Quote von 1,6 % entspreche, da eine vollständige Entrichtung der Abgabenverbindlichkeit für den Bf. selbst bei allergrößten Anstrengungen unmöglich sei.
Auch sei das Argument der belangten Behörde, wonach im Falle der Antragsstattgabe
die Behörde auf den Gutteil der aushaftenden Forderung verzichten würde, nicht als
wesentlich zu betrachten, weil der Bf. durch die Einhebung der Abgabe in seiner Existenz gefährdet wäre, was die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit darstelle. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. sowie mit Blick auf die aushaftende Abgabenschuld sei gegenständlich eine außergewöhnliche, in ihren wirtschaftlichen Folgen atypische und schwerwiegende Beeinträchtigung durch die weitere Einhebung der Abgabenschuld vorliegend. Dies werde vor allem dadurch ersichtlich, dass die aushaftenden Abgaben wohl eine für den Bf. bis zum Lebensende bestehende und nicht unter gewöhnlich zu erwartenden Verhältnissen zu bewältigende finanzielle Belastung darstellen würden. Folglich sei auch der Einwand der Behörde, wonach die angebotene Zahlung von 10.000,00 Euro eine zu „ billige" Entschuldung darstellen würde, nicht zutreffend, zumal diese Summe angesichts der extrem angespannten finanziellen Situation des Bf. ohnehin ein beträchtliches finanzielles Opfer sei, um Wiedergutmachung zu leisten.
Darüber hinaus habe sich die Behörde in ihrer Entscheidung überhaupt nicht mit den
Billigkeitserwägungen auseinandergesetzt. Die Behörde habe lediglich Erwägungen hinsichtlich der Zweckmäßigkeit betreffend die Einhebung der aushaftenden Abgabenschuld angestellt. Es sei aber nicht ersichtlich, weshalb den Zweckmäßigkeitserwägungen vor den Billigkeitserwägungen der Vorrang einzuräumen gewesen sei.
Dass gemäß § 237 BAO die Abgabenhörde auf ihre Forderung verzichte - ja bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu verzichten habe - liege in der Natur dieser Gesetzesbestimmung. Ob dies nur einen geringen Teil der Forderung betreffe oder aber den Großteil der aushaftenden Forderung, sei im Rahmen der Billigkeit zu berücksichtigen. Wenn aber die Voraussetzungen vorliegen würden, schließe auch ein allfälliger Verzicht der Behörde auf einen Großteil ihrer Forderung den Nachlass bzw. die Entlassung aus der Gesamtschuld nicht aus.
Das Zollamt habe über einen nicht (mehr) verfahrensgegenständlichen Antrag entschieden. Mit Schriftsatz vom sei ausdrücklich dargelegt worden, dass die Entlassung aus der Gesamtschuld gegen Zahlung eines Betrags von 10.000,00 Euro beantragt werde. Mit dem bloß zusätzlichen Hinweis in der nunmehrigen Begründung der Beschwerdevorentscheidung auf den Abschlagsbetrag von 10.000,00 Euro werde das Zollamt seiner Entscheidungspflicht und Begründungspflicht nicht gerecht. In diesem Antrag vom habe der Einschreiter auch ausdrücklich auf die Ausführungen in den vorangegangenen Schriftsätzen vom , und verwiesen. Auf diese, insbesondere in der Äußerung vom enthaltenen Umstände sei das Zollamt überhaupt nicht eingegangen. Damit seien die im konkreten Fall personenbezogenen Umstände völlig außer Betracht geblieben, vielmehr sei rein lapidar die angebotene Zahlung im Verhältnis zur aushaftenden Abgabenschuld betrachtet worden.
Unberücksichtigt geblieben sei sohin einerseits, dass der Bf. bereits im Rahmen des anhängig gewesenen Abschöpfungsverfahrens während der Dauer von sieben Jahren (nach alter Rechtslage) nur vom Existenzminimum habe leben müssen. Weiters sei unberücksichtigt geblieben, dass dem Bf. die (noch) größere Aufstockung seiner Kreditverbindlichkeiten um mehr als 10.000,00 Euro nicht möglich und auch nicht zumutbar sei. Aber alleine bereits eine Aufstockung der Kreditverbindlichkeiten in Höhe der angebotenenen Zahlung von 10.000,00 Euro stelle für den Bf. auf weitere, unabsehbar lange Zeit eine Belastung dar, die faktisch zu einem verfügbaren Einkommen von weniger als das Existenzminimum führe.
In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung legte der Bf. seine aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnisse dar. Zwischen den Verfahrensparteien bestand Übereinstimmung darüber, dass die Abgabenschuld aufgrund der Einkommens- und Vermögenssituation des Bf. derzeit uneinbringlich ist.
Der Bf. brachte in der Verhandlung im Wesentlichen ergänzend vor, dass er zu einer Wertersatzstrafe von 200.000,00 Euro verurteilt worden sei, die er auch nicht zahlen habe können. Er habe die dafür verhängte Ersatzfreiheitsstrafe in Form von gemeinnütziger Arbeit abgebüßt. Dieser Teil sei von ihm geleistet worden. Der Einwand der belangten Behörde, er würde mit der angebotenen Teilzahlung lediglich den aus der Straftat erlangten Vorteil herausgeben, sei daher nicht zutreffend. Zudem sei auch im Schuldenregulierungsverfahren eine Quotenausschüttung von 0,258 % erfolgt, die hier auch einzubeziehen sei.
Die Behördenvertreter wiesen darauf hin, dass das Zollamt einer Entlassung aus der Gesamtschuld zugestimmt hätte, falls der Bf. zu einer Zahlung von 42.000,00 Euro (in monatlichen Raten von 500,00 Euro für eine Dauer von sieben Jahren) bereit gewesen wäre.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Entscheidung bei Nachsichtsersuchen die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (vgl. Ritz, BAO6, § 236 Tz 10, mit Hinweis auf die hg. Judikatur). Das Verwaltungsgericht hat von der Sachlage im Zeitpunkt seiner Entscheidung auszugehen. Daher sind Veränderungen des Sachverhaltes zu berücksichtigen (vgl. Ritz, BAO6, § 279 Tz 31).
Der Bf. verdient als Taxifahrer ca. 760,00 Euro netto und ist für eine Tochter unterhaltspflichtig. Mit Beschluss des Bezirksgerichts ***** vom zu GZ. ****** ist ihm nach Beendigung des Abschöpfungsverfahrens die Restschuldbefreiung gewährt worden, weshalb er mit Ausnahme einer noch offenen Kreditschuld in Höhe von ca. 53.900,00 Euro gegenüber einer Bank keine weiteren Verbindlichkeiten hat. Den Bankkredit hat er für den Erwerb einer zur Hälfte in seinem Eigentum und zur Hälfte im Eigentum seiner Ehegattin stehenden Liegenschaft aufgenommen. Die Liegenschaft ist mit einem Höchstbetragspfandrecht in Höhe von 214.500,00 Euro zu Gunsten der kreditgebenden Bank belastet. Darüber hinaus ist seit 2007 für seinen Anteil sowie für den Anteil seiner Ehegattin ein wechselseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot eingetragen.
Seine Ehegattin ist berufstätig und verdient monatlich durchschnittlich ca. 1.700,00 Euro. Zur Tilgung der Kreditschuld werden monatliche Zahlungen von 500,00 Euro geleistet.
Nach den Angaben des Bf. weist sein Bankkonto ein Guthabenvon ca. 90,00 Euro auf.
An der im Hälfteeigentum der Ehegatten stehenden Liegenschaft besteht ein wechselseitiges Belastungs- und Veräußerungsverbot, sodass eine pfandmäßige Belastung und eine exekutive Verwertung der Liegenschaft durch andere Gläubiger außer der Bank nicht möglich ist. Laut Kreditvertrag sind auch die Gehaltsansprüche des Bf. zugunsten der Bank verpfändet.
Die am Abgabenkonto offene Abgabenschuld des Bf. beträgt 616.880,42 Euro.
Dieser Sachverhalt ergibt sich im Wesentlichen aus den - auch von der Behörde nicht bestrittenen - Angaben und Vorbringen des Bf. in der mündlichen Verhandlung sowie aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten.
Gemäß § 237 Abs. 1 BAO kann ein Gesamtschuldner auf Antrag aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre. Durch diese Verfügung wird der Abgabenanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht berührt.
Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Dem Gesetzesbegriff „Billigkeit" ist dabei die Bedeutung „berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff „Zweckmäßigkeit" die Bedeutung „öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. , mit Hinweis auf die Rechtsprechung).
Bei der Ermessensübung ist vor allem das bisherige steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen; insbesondere bei Hinterziehung wird eine Nachsicht im Allgemeinen nicht in Betracht kommen (vgl. Ritz, BAO6, § 236 Tz 16, mit Hinweis auf die hg. Judikatur: ; ).
Die Voraussetzungen für die Entlassung eines einzelnen Gesamtschuldners aus dem Gesamtschuldverhältnis sind grundsätzlich die gleichen wie die für die Nachsicht, nämlich die Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe, für welche ein Gesamtschuldner einzustehen hat. Während für die Nachsicht (§ 236 BAO) das Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen bei allen Mitschuldnern gefordert wird, genügt es für eine Maßnahme nach § 237 BAO, wenn die Billigkeitsgründe lediglich in der Person des antragstellenden Gesamtschuldners gelegen sind (vgl. , mit Verweis auf ).
Nach diesen Gesetzesbestimmungen hat die Abgabenbehörde im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zuerst zu prüfen, ob ein Sachverhalt vorliegt, wonach die „ Einhebung nach der Lage des Falles unbillig" wäre. Bejaht die Abgabenbehörde das Vorliegen einer Unbilligkeit im Sinne des Gesetzes, so hat sie im Bereich des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu entscheiden.
Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO (BGBl II Nr. 435/2005 idgF) kann die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO persönlicher oder sachlicher Natur sein.
Eine persönliche Unbilligkeit liegt nach § 2 leg. cit. insbesondere vor, wenn die Einhebung
1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;
2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuld trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.
Gemäß § 3 der genannten Verordnung liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches
1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;
2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die
a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder
b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.
Das Vorliegen einer sachlichen Unbilligkeit wird vom Bf. nicht behauptet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine persönliche Unbilligkeit liegt dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgabe die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form einer persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung (; ). Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus „ persönlichen" Gründen) nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme (; ).
Die Parteien des Beschwerdeverfahrens stimmten in der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung darüber überein, dass die Abgabenschuld aufgrund der Einkommens- und Vermögenssituation des Bf. derzeit uneinbringlich ist.
Ist aber die Abgabenschuld derzeit tatsächlich nicht einbringlich, liegt im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine persönliche Unbilligkeit vor (vgl. etwa , unter Verweis auf , und ).
Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 237 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung (vgl. ). Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund konnte dahingestellt bleiben, ob die bisher vom Bf. vorgetragenen Argumente - unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Abgabenschuld auf ein widerrechtliches, vorsätzliches Verhalten zurückzuführen ist - geeignet gewesen wären, im Beschwerdefall eine Ermessensübung zu seinen Gunsten zu stützen.
Abschließend wird darauf hingewiesen, dass einem neuerlichen Nachsichtsansuchen im Fall einer entscheidungswesentlichen Sachverhaltsänderung, etwa einer Änderung der Einkommens- und Vermögenssituation des Bf., das Prozesshindernis der entschiedenen Sache nicht entgegenstünde.
Aus den dargelegten Gründen war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist eine ordentliche Revision nicht zulässig, weil sie aufgrund der ständigen Rechtsprechung des VwGH zur Annahme einer Unbilligkeit nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlich Bedeutung zukommt.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 237 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.5200028.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at