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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.11.2019, RV/7102242/2019

Wochengeld zählt als Ersatz von Arbeitserwerbseinkommen zu den Einkünften des anderen Ehepartners iSd § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102242/2019-RS2
Bereits die formale Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides der Ehefrau und damit die Unwiderrufbarkeit ihres auf EUR 300,00 je Kind lautenden Antrages stehen der geänderten Ausübung des Antragsrechts durch den Bf bezüglich des höheren Kinderfreibetrages von EUR 440,00 je Kind in seinem offenen Einkommensteuerverfahren entgegen.
RV/7102242/2019-RS3
§ 106a Abs 1 erster Teilstrich EStG 1988 erlaubt ausschließlich antragskonformes Behördenhandeln. Die amtswegige Überschreitung des auf einen Kinderfreibetrag von EUR 300,00 lautenden Antrages, indem die Abgabenbehörde bzw das Bundesfinanzgericht eigenmächtig den Kinderfreibetrag mit EUR 440,00 berücksichtigt, wäre rechtswidrig.
Folgerechtssätze
RV/7102242/2019-RS1
wie RV/7105409/2014-RS1
Die Einbeziehung des Wochengeldes in die Einkünftegrenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 erfolgte in Reaktion auf , worin der Verfassungsgerichtshof ausführte, dass die Steuerbefreiung für das Wochengeld - ungeachtet des einkommensteuerrechtlichen Grundsatzes, Einkommensersatz wie Erwerbseinkommen zu besteuern - gerechtfertigt sei, weil es sich nach dem Nettoarbeitsverdienst bemesse, aber kein Grund ersichtlich wäre, bei grundsätzlich gleichen Nettoeinkünften des (Ehe)Partners den sonst nicht zustehenden Alleinverdienerabsetzbetrag nur deshalb zu gewähren, weil diese Einkünfte (Wochengeld) den Ersatz des Arbeitseinkommens während des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes darstellten ().

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache des Beschwerdeführers, unvertreten, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 4/5/10 vom , vertreten durch Mag. Werner Hoffmann, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2018 zu Recht, erkannt: 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (in Folge: Bf) beantragte in der Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2018 die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages  für seine zwei haushaltszugehörigen Kinder und das Pendlerpauschale. In seiner Abgabenerklärung hat der Bf den Kinderfreibetrag iHv EUR 300,00 durch Ankreuzen beantragt. Die Ehefrau hat mit ihrer Abgabenerklärung einen gleichlautenden Antrag abgegeben.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 antragsgemäß fest, sodass mit dem angefochtenen Bescheid der Kinderfreibetrag für zwei Kinder iHv EUR 600,00 und das Pendlerpauschale in Höhe von EUR 372,00 Berücksichtigung fanden.

Mit Schriftsatz vom erhob der Bf Bescheidbeschwerde gegen den Bescheid, mit der die Berücksichtigung eines Mehrkindzuschlages und des Kinderfreibetrages beantragt wurde. Der Betrag des Kinderfreibetrages wurde im Beschwerdeformular (SCAN-BERU) nicht neben der Wort "Kinderfreibetrag" angeführt, doch wurde die Aussetzung von der Einhebung für EUR 300,00 beantragt, obgleich der angefochtene Bescheid eine Gutschrift von EUR 367,00 ergeben hatte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde mit der Begründung ab, dass die Kinderfreibeträge bereits im Erstbescheid berücksichtigt worden seien und zudem ein Anspruch auf  Mehrkindzuschlag erst ab drei Kindern bestehe.

Mit einem im Finanzonline verfassten Schriftsatz vom beantragte der Bf erstmals die Berücksichtigung des Alleinverdienerabsetzbetrages. Seine Gattin habe im Jahr 2018 nur fünf Wochen gearbeitet und er sei daher als Alleinverdiener anzusehen.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde elektronisch vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet, weil die Gattin neben nichtselbständigen Einkünften in Höhe von € 1.869,91 auch ein Wochengeld in Höhe von € 6.574,70 bezogen habe.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Für die Bewertung von Schriftsätzen kommt es nicht auf die Bezeichnung, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes ().

Die Bescheidbeschwerde sowie der als Vorlageantrag zu bewertende Schriftsatz sind form- und fristgerecht, jedoch unbegründet.

Es wurde kein Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Senatsverhandlung gestellt, sodass die Entscheidung in die Einzelrichterkompetenz fällt (Art 135 Abs 1 S 1 1 B-VG).

Zu erledigen ist die Bescheidbescherde in der Fassung des Vorlageantrages, mit dem erstmals der Alleinverdienerabsetzbetrag geltend gemacht wurde.

Rechtsgrundlagen:

 § 162 Abs 1 ASVG lautet auszugsweise:

"Weiblichen Versicherten gebührt für die letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung, für den Tag der Entbindung und für die ersten acht Wochen nach der Entbindung ein tägliches Wochengeld"

§ 3 Abs 1 Z 4 lit a EStG 1988 lautet auszugsweise:

"Von der Einkommensteuer sind befreit:...das Wochengeld ..."

§ 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 lautet auszugsweise:

"... Alleinverdienende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben oder die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. ... Voraussetzung ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3) Einkünfte von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a, weiters nach § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 32 und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen mit einzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen. ..." [Hervorhebung durch BFG]

§ 9 FLAG 1967 lautet auszugsweise:

"Zusätzlich zur Familienbeihilfe haben Personen unter folgenden Voraussetzungen (§§ 9a bis 9d) Anspruch auf einen Mehrkindzuschlag. Der Mehrkindzuschlag steht für jedes ständig im Bundesgebiet lebende dritte und weitere Kind zu, für das Familienbeihilfe gewährt wird. ..." [Hervorhebung durch BFG]

Gemäß § 9a Abs 1 S 1 FLAG 1967 ist der Anspruch auf Mehrkindzuschlag vom Anspruch auf Familienbeihilfe und vom Einkommen des Kalenderjahres abhängig, das vor dem Kalenderjahr liegt, für das der Antrag auf Gewährung des Mehrkindzuschlages gestellt wird.

§ 106a EStG 1988 bestimmt auszugsweise:

"(1) Für ein Kind im Sinne des § 106 Abs. 1 steht auf Antrag ein Kinderfreibetrag zu. Dieser beträgt

– 440 Euro jährlich, wenn er von einem Steuerpflichtigen geltend gemacht wird;

– 300 Euro jährlich pro Steuerpflichtigem, wenn er für dasselbe Kind von zwei (Ehe-) Partnern, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einem gemeinsamen Haushalt leben, geltend gemacht wird, …"

Sachverhalt:

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Der Bf ist Vater zweier Kinder. Das zweite Kind wurde am xx.xx.2018 geboren. Die Gattin des Bf bezog im Streitjahr nichtselbständige Einkünfte in Höhe von € 1.868,91 und Wochengeld in Höhe von insgesamt € 6.574,70 von der zuständigen Gebietskrankenkasse. Der Bf hat den Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind iHv EUR 300,00 beantragt, der antragskonform mit EUR 600,00 im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 berücksichtigt wurde.

Beweismittel:

elektronisch vorgelegter Verwaltungsakt, Akteneinsicht vom in den elektronischen Steuerakt der Gattin des Bf, Lohnzettel einer näher bezeichneten Firma über Einkünfte von € 1.868,91, Lohnzettel der Wiener Gebietskrankenkasse vom betreffend Wochengeld, Beilagen L1k der Gattin, Einkommensteuerbescheid der Gattin

Beweiswürdigung:

Obiger Sachverhalt ergab sich schlüssig aus den angeführten Beweismitteln.

Rechtliche Beurteilung:

Da das Bundesfinanzgericht über die Bescheidbeschwerde in oben beschriebener Fassung abzusprechen hat, ist über den Mehrkindzuschlag, den Kinderfreibetrag und den Alleinverdienerabsetzbetrag materiell-rechtlich zu entscheiden.

ad Mehrkindzuschlag

Da gemäß § 9a FLAG 1967 auf die Vorjahresverhältnisse, in konkreten Fall also auf den Beihilfenbezug für das Jahr 2017, abzustellen ist, ist zu sagen, dass nur ein Kind vorliegt. Es ist daher ausreichend, auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung zu verweisen, wonach dieser erst ab dem dritten Kind zusteht.

ad Kinderfreibetrag

Der objektive Erklärungswert der Bescheidbeschwerde ist in Verbindung mit der Abgabenerklärung dahin zu verstehen, dass damit eine antragskonforme Abgabenfestsetzung begehrt wurde. Das bedeutet, dass mit der Beschwerde für zwei Kinder insgesamt Kinderfreibeträge iHv EUR 600,00 begehrt wurden. Bezüglich des Kinderfreibetrages ist zunächst auf den angefochtenen Bescheid zu verweisen, der antragskonform den Kinderfreibetrag iHv EUR 600,00 für zwei Kinder ausweist. Offenbar beruht dieser Beschwerdepunkt auf einem Versehen.

Fraglich könnte sein, ob ein amtswegiges Vorgehen nach § 115 Abs 3 BAO indiziert ist, weil sich der Kinderfreibetrag der Ehefrau in ihrem Verfahren nicht steuerlich auswirkt. Dem Amtswegigkeitsgrundsatz und dem Grundsatz der generellen "Absage  an einseitig fiskalistische Vorgangsweisen" (Ritz, BAO, 6. Auflage 2017, § 115, Tz 23) unterliegt auch das Bundesfinanzgericht.

§ 106a EStG 1988 sieht für die Geltendmachung des Kinderfreibetrages ausdrücklich einen Antrag vor. Für den höheren Kinderfreibetrag von EUR 440,00 fordert § 106 Abs 1 erster Teilstrich EStG 1988 weiters, dass der Kinderfreibetrag nur von einem Steuerpflichtigen geltend gemacht wird.

Eingeschränkt ist die Amtswegigkeit, wenn ein Bescheid zwar an sich von Amts wegen zu erlassen ist, bestimmte Umstände jedoch nur auf Antrag zu berücksichtigen sind. Anträge zur Geltendmachung von Rechten sind bis zur Rechtskraft der diesbezüglichen Entscheidung von der Partei zurücknehmbar bzw einschränkbar, außer es ergibt sich Gegenteiliges aus spezialgesetzlichen Regelungen (Ritz, BAO, aaO, § 115 Tz 2, 3 mwN). Die Zurücknehmbarkeit und Einschränkbarkeit von Anträgen besteht demnach nur grundsätzlich. Anträge sind in diesem zeitlichen Rahmen darüber hinaus auch soweit abänderbar, als nicht die Sache verlassen oder gar ausgetauscht wird.

Es handelt es sich im konkreten Fall nicht um einen Anwendungsfall des § 115 Abs 3 BAO, wonach Abgabenbehörden Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen haben. Die einzig in diesem Zusammenhang relevante Sachverhaltsfeststellung ist, die Ehefrau ihrerseits einen gleichlautenden Antrag auf Kinderfreibetrag iHv EUR 300,00 gestellt hat. Vielmehr ist eine Rechtsfrage zu beantworten, nämlich jene nach der Bindung einer Abgabenbehörde an einen Antrag, der seinerseits mit dem Antrag der Ehefrau rechtlich verknüpft ist. Die Anträge beider Eheleute sind, so wie sie sind, rechtlich richtig.

§ 106a Abs 1 erster Teilstrich EStG 1988 erlaubt ausschließlich antragskonformes Behördenhandeln. Die amtswegige Überschreitung des auf einen Kinderfreibetrag von EUR 300,00 lautenden Antrages, indem die Abgabenbehörde bzw das Bundesfinanzgericht eigenmächtig den Kinderfreibetrag mit EUR 440,00 berücksichtigt, wäre aus zweierlei Gründen rechtswidrig: Zunächst, weil der Antrag des Bf - und damit seine Willenserklärung - nicht beachtet würden, und zweitens, weil die formale Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides der Ehefrau, der auf ihren Antrag aufbaut, einem amtswegigen Eingreifen entgegenstehen. Die Abgabenbehörde würde sich über zwei Antrage hinwegsetzen.

Aus obig angeführten Gründen konnte der Kinderfreibetrag mit EUR 440,00 je Kind nicht von Amtswegen berücksichtigt werden. Die in diesem Sinn geübte Verwaltungspraxis ist daher rechtswidrig.

obiter dictum

Zur Frage, ob der Bf im Beschwerdeverfahren berechtigt wäre, anstelle des Kinderfreibetrages von EUR 300,00 je Kind jenen von EUR 440,00 zu beantragen, weil er erkannt hat, dass sich der Kinderfreibetrag von EUR 300,00 bei seiner Ehefrau steuerlich gar nicht auswirkt, wird darüber hinaus bemerkt, dass im konkreten Fall die formale Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides der Ehefrau und damit die Unwiderrufbarkeit ihres auf EUR 300,00 je Kind lautenden Antrages der geänderten Ausübung des Antragsrechts durch den Bf bezüglich des höheren Kinderfreibetrages von EUR 440,00 je Kind in seinem offenen Einkommensteuerverfahren entgegenstehen. Bei gegebener Rechtslage müsste eine Verfahrenslage gegeben sein, die die Zurücknahme des vom anderen (Ehe-)Partner gestellten Antrages auf Kinderfreibetrag zulässt.

ad Alleinverdienerabsetzbetrag

Der Bf führt diesbezüglich ins Treffen, dass seine Gattin im Jahr 2018 nur fünf Wochen gearbeitet habe, weshalb er als Alleinverdiener anzusehen sei. Demgegenüber wendet die belangte Behörde ein, die Gattin des Bf habe den Grenzbetrag des § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 überschritten, wobei die Grenzüberschreitung bereits mit dem Wochengeld allein erfolgte, das im Streitjahr EUR 6.574,70 betragen habe.

Die belangte Behörde ist im Recht.

Grundsätzlich stehen Alleinverdienenden gemäß § 33 Abs 4 Z 1 EStG bei zwei Kindern ein Alleinverdienerabsetzbetrag in Höhe von € 669,00 zu. Voraussetzung für den Alleinverdienerabsetzbetrag ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3 EStG 1988) Einkünfte von höchstens € 6.000,00 pro Jahr erzielt.

§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 sieht u.a. für das Wochengeld eine Steuerbefreiung vor. Wochengeld ist gemäß § 3 Abs 1 Z 4 lit a EStG 1988 steuerfrei, aber kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung für die Einkünftegrenze des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 zu berücksichtigen (). Die Einbeziehung des Wochengeldes in die Einkünftegrenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 erfolgte in Reaktion auf , worin der Verfassungsgerichtshof ausführte, dass die Steuerbefreiung für das Wochengeld - ungeachtet des einkommensteuerrechtlichen Grundsatzes, Einkommensersatz wie Erwerbseinkommen zu besteuern - gerechtfertigt sei, weil es sich nach dem Nettoarbeitsverdienst bemesse, aber kein Grund ersichtlich wäre, bei grundsätzlich gleichen Nettoeinkünften des (Ehe)Partners den sonst nicht zustehenden Alleinverdienerabsetzbetrag nur deshalb zu gewähren, weil diese Einkünfte (Wochengeld) den Ersatz des Arbeitseinkommens während des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes darstellten (nochmals VwGH  2005/14/0108; ).

Bei der im Streitjahr 2018 erfolgten Zahlungen der WGKK an die Gattin des Bf in Höhe von € 6.574,70 handelt es sich um Wochengeld, welches in die Berechnung der Einkünftegrenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG einzubeziehen ist. Im Hinblick darauf, dass die Gattin im Streitjahr für die Betragsgrenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 maßgeblichen Einkünfte in Höhe von € 8.443,61 (nichtselbständige Einkünfte iHv € 1.868,91 plus Wochengeld WGKK € 6.574,70) bezog und somit die Einkünftesgrenze von € 6.000 überschritten hat, steht dem Bf der Alleinverdienerabsetzbetrag im Streitjahr nicht zu.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im gegenständlichen Fall zu klärende Rechtsfrage, ob dem Bf der Mehrkindzuschlag und ein Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht, wurde im Sinne der herrschenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes  (; ) entschieden. Die Lösung ergibt sich ferner unmittelbar aus dem Gesetz (§ 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 und § 9 FLAG 1967). Die Entscheidung im vorliegenden Fall ist somit nicht von einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt festgestellt:

Der Bf ist Vater zweier Kinder. Das zweite Kind wurde am xx.xx.2018 geboren. Die Gattin des Bf bezog im Streitjahr nichtselbständige Einkünfte in Höhe von € 1.868,91 und Wochengeld in Höhe von insgesamt € 6.574,70 von der zuständigen Gebietskrankenkasse. Der Bf hat den Kinderfreibetrag für ein haushaltszugehöriges Kind iHv EUR 300,00 beantragt, der antragskonform mit EUR 600,00 im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 berücksichtigt wurde.

Beweismittel:

elektronisch vorgelegter Verwaltungsakt, Akteneinsicht vom in den elektronischen Steuerakt der Gattin des Bf, Lohnzettel einer näher bezeichneten Firma über Einkünfte von € 1.868,91, Lohnzettel der Wiener Gebietskrankenkasse vom betreffend Wochengeld, Beilagen L1k der Gattin, Einkommensteuerbescheid der Gattin

Beweiswürdigung:

Obiger Sachverhalt ergab sich schlüssig aus den angeführten Beweismitteln.

Rechtliche Beurteilung:

Da das Bundesfinanzgericht über die Bescheidbeschwerde in oben beschriebener Fassung abzusprechen hat, ist über den Mehrkindzuschlag, den Kinderfreibetrag und den Alleinverdienerabsetzbetrag materiell-rechtlich zu entscheiden.

ad Mehrkindzuschlag

Da gemäß § 9a FLAG 1967 auf die Vorjahresverhältnisse, in konkreten Fall also auf den Beihilfenbezug für das Jahr 2017, abzustellen ist, ist zu sagen, dass nur ein Kind vorliegt. Es ist daher ausreichend, auf die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung zu verweisen, wonach dieser erst ab dem dritten Kind zusteht.

ad Kinderfreibetrag

Der objektive Erklärungswert der Bescheidbeschwerde ist in Verbindung mit der Abgabenerklärung dahin zu verstehen, dass damit eine antragskonforme Abgabenfestsetzung begehrt wurde. Das bedeutet, dass mit der Beschwerde für zwei Kinder insgesamt Kinderfreibeträge iHv EUR 600,00 begehrt wurden. Bezüglich des Kinderfreibetrages ist zunächst auf den angefochtenen Bescheid zu verweisen, der antragskonform den Kinderfreibetrag iHv EUR 600,00 für zwei Kinder ausweist. Offenbar beruht dieser Beschwerdepunkt auf einem Versehen.

Fraglich könnte sein, ob ein amtswegiges Vorgehen nach § 115 Abs 3 BAO indiziert ist, weil sich der Kinderfreibetrag der Ehefrau in ihrem Verfahren nicht steuerlich auswirkt. Dem Amtswegigkeitsgrundsatz und dem Grundsatz der generellen "Absage  an einseitig fiskalistische Vorgangsweisen" (Ritz, BAO, 6. Auflage 2017, § 115, Tz 23) unterliegt auch das Bundesfinanzgericht.

§ 106a EStG 1988 sieht für die Geltendmachung des Kinderfreibetrages ausdrücklich einen Antrag vor. Für den höheren Kinderfreibetrag von EUR 440,00 fordert § 106 Abs 1 erster Teilstrich EStG 1988 weiters, dass der Kinderfreibetrag nur von einem Steuerpflichtigen geltend gemacht wird.

Eingeschränkt ist die Amtswegigkeit, wenn ein Bescheid zwar an sich von Amts wegen zu erlassen ist, bestimmte Umstände jedoch nur auf Antrag zu berücksichtigen sind. Anträge zur Geltendmachung von Rechten sind bis zur Rechtskraft der diesbezüglichen Entscheidung von der Partei zurücknehmbar bzw einschränkbar, außer es ergibt sich Gegenteiliges aus spezialgesetzlichen Regelungen (Ritz, BAO, aaO, § 115 Tz 2, 3 mwN). Die Zurücknehmbarkeit und Einschränkbarkeit von Anträgen besteht demnach nur grundsätzlich. Anträge sind in diesem zeitlichen Rahmen darüber hinaus auch soweit abänderbar, als nicht die Sache verlassen oder gar ausgetauscht wird.

Es handelt es sich im konkreten Fall nicht um einen Anwendungsfall des § 115 Abs 3 BAO, wonach Abgabenbehörden Angaben der Abgabepflichtigen und amtsbekannte Umstände auch zugunsten der Abgabepflichtigen zu prüfen und zu würdigen haben. Die einzig in diesem Zusammenhang relevante Sachverhaltsfeststellung ist, die Ehefrau ihrerseits einen gleichlautenden Antrag auf Kinderfreibetrag iHv EUR 300,00 gestellt hat. Vielmehr ist eine Rechtsfrage zu beantworten, nämlich jene nach der Bindung einer Abgabenbehörde an einen Antrag, der seinerseits mit dem Antrag der Ehefrau rechtlich verknüpft ist. Die Anträge beider Eheleute sind, so wie sie sind, rechtlich richtig.

§ 106a Abs 1 erster Teilstrich EStG 1988 erlaubt ausschließlich antragskonformes Behördenhandeln. Die amtswegige Überschreitung des auf einen Kinderfreibetrag von EUR 300,00 lautenden Antrages, indem die Abgabenbehörde bzw das Bundesfinanzgericht eigenmächtig den Kinderfreibetrag mit EUR 440,00 berücksichtigt, wäre aus zweierlei Gründen rechtswidrig: Zunächst, weil der Antrag des Bf - und damit seine Willenserklärung - nicht beachtet würden, und zweitens, weil die formale Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides der Ehefrau, der auf ihren Antrag aufbaut, einem amtswegigen Eingreifen entgegenstehen. Die Abgabenbehörde würde sich über zwei Antrage hinwegsetzen.

Aus obig angeführten Gründen konnte der Kinderfreibetrag mit EUR 440,00 je Kind nicht von Amtswegen berücksichtigt werden. Die in diesem Sinn geübte Verwaltungspraxis ist daher rechtswidrig.

obiter dictum

Zur Frage, ob der Bf im Beschwerdeverfahren berechtigt wäre, anstelle des Kinderfreibetrages von EUR 300,00 je Kind jenen von EUR 440,00 zu beantragen, weil er erkannt hat, dass sich der Kinderfreibetrag von EUR 300,00 bei seiner Ehefrau steuerlich gar nicht auswirkt, wird darüber hinaus bemerkt, dass im konkreten Fall die formale Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides der Ehefrau und damit die Unwiderrufbarkeit ihres auf EUR 300,00 je Kind lautenden Antrages der geänderten Ausübung des Antragsrechts durch den Bf bezüglich des höheren Kinderfreibetrages von EUR 440,00 je Kind in seinem offenen Einkommensteuerverfahren entgegenstehen. Bei gegebener Rechtslage müsste eine Verfahrenslage gegeben sein, die die Zurücknahme des vom anderen (Ehe-)Partner gestellten Antrages auf Kinderfreibetrag zulässt.

ad Alleinverdienerabsetzbetrag

Der Bf führt diesbezüglich ins Treffen, dass seine Gattin im Jahr 2018 nur fünf Wochen gearbeitet habe, weshalb er als Alleinverdiener anzusehen sei. Demgegenüber wendet die belangte Behörde ein, die Gattin des Bf habe den Grenzbetrag des § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 überschritten, wobei die Grenzüberschreitung bereits mit dem Wochengeld allein erfolgte, das im Streitjahr EUR 6.574,70 betragen habe.

Die belangte Behörde ist im Recht.

Grundsätzlich stehen Alleinverdienenden gemäß § 33 Abs 4 Z 1 EStG bei zwei Kindern ein Alleinverdienerabsetzbetrag in Höhe von € 669,00 zu. Voraussetzung für den Alleinverdienerabsetzbetrag ist, dass der (Ehe-)Partner (§ 106 Abs. 3 EStG 1988) Einkünfte von höchstens € 6.000,00 pro Jahr erzielt.

§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 sieht u.a. für das Wochengeld eine Steuerbefreiung vor. Wochengeld ist gemäß § 3 Abs 1 Z 4 lit a EStG 1988 steuerfrei, aber kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung für die Einkünftegrenze des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 zu berücksichtigen (). Die Einbeziehung des Wochengeldes in die Einkünftegrenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 erfolgte in Reaktion auf , worin der Verfassungsgerichtshof ausführte, dass die Steuerbefreiung für das Wochengeld - ungeachtet des einkommensteuerrechtlichen Grundsatzes, Einkommensersatz wie Erwerbseinkommen zu besteuern - gerechtfertigt sei, weil es sich nach dem Nettoarbeitsverdienst bemesse, aber kein Grund ersichtlich wäre, bei grundsätzlich gleichen Nettoeinkünften des (Ehe)Partners den sonst nicht zustehenden Alleinverdienerabsetzbetrag nur deshalb zu gewähren, weil diese Einkünfte (Wochengeld) den Ersatz des Arbeitseinkommens während des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbotes darstellten (nochmals VwGH  2005/14/0108; ).

Bei der im Streitjahr 2018 erfolgten Zahlungen der WGKK an die Gattin des Bf in Höhe von € 6.574,70 handelt es sich um Wochengeld, welches in die Berechnung der Einkünftegrenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG einzubeziehen ist. Im Hinblick darauf, dass die Gattin im Streitjahr für die Betragsgrenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 maßgeblichen Einkünfte in Höhe von € 8.443,61 (nichtselbständige Einkünfte iHv € 1.868,91 plus Wochengeld WGKK € 6.574,70) bezog und somit die Einkünftesgrenze von € 6.000 überschritten hat, steht dem Bf der Alleinverdienerabsetzbetrag im Streitjahr nicht zu.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im gegenständlichen Fall zu klärende Rechtsfrage, ob dem Bf der Mehrkindzuschlag und ein Alleinverdienerabsetzbetrag zusteht, wurde im Sinne der herrschenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes  (; ) entschieden. Die Lösung ergibt sich ferner unmittelbar aus dem Gesetz (§ 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 und § 9 FLAG 1967). Die Entscheidung im vorliegenden Fall ist somit nicht von einer Rechtsfrage abhängig, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, weshalb die ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

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