Kein Verlustabzug beim Erben mangels Betriebsfortführung zu Buchwerten
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf., Adr1, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Baden Mödling vom betreffend Einkommensteuer 2013 und 2014 sowie über die Beschwerde vom gegen den Bescheid vom betreffend Einkommensteuer 2015 Recht erkannt:
Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe:
Frau Mutter führte vormals einen Gärtnereibetrieb in B, Niederösterreich. Dieser Betrieb wurde im Jahr 1998 eingestellt. Bei Betriebsschließung waren hohe Verlustvorträge vorhanden, welche Frau Mutter, welche in den folgenden Jahren nur noch Pensionseinkünfte bezog, nur noch teilweise als Sonderausgaben verwerten konnte.
Einen Teil der zur Gärtnerei gehörenden Liegenschaften veräußerte Frau Mutter mit Kaufvertrag vom zur Abdeckung offener Schulden an die C-Bank.
Mit Schenkungsvertrag vom schenkte Frau Mutter sodann - unter Vorbehaltung des lebenslänglichen und unentgeltlichen Fruchtgenussrechtes am Vertragsobjekt für sich und ihren Gatten Vater - die verbleibenden beiden Grundstücke EZxxx, GrSt1und2 (Grundstücksadressen Adr2) je zur Hälfte ihren beiden Söhnen Bf. (idF.: Bf.) und Bruder.
Frau Mutter verstarb am tt.mm.2013. Mit Einantwortungsbeschluss vom wurde die Verlassenschaft dem Witwer Vater (diesem wurde auch die Verfügungsberechtigung über die Bank- und Wertpapierkonten der Erblasserin eingeräumt) und den Söhnen Bruder und Bf. zu jeweils einem Drittel eingeantwortet. Dass zum vormaligen Gärtnereibetrieb gehörende Wirtschaftsgüter dem Bf. vererbt wurden, ist aus diesem Einantwortungsbeschluss nicht ersichtlich.
Der Bf. bezog Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Bei den Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung 2013 bis 2015 machte er ein Drittel der nach Ableben seiner Mutter verbliebenen Verlustabzüge, das sind € 235.699,92, wie folgt als Sonderausgaben geltend:
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Verlustabzug | |
2013 | 62.284,70 |
2014 | 112.330,30 |
2015 | 61.084,92 |
Das Finanzamt verwehrte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2013 bis 2015 die Berücksichtigung dieser Verlustabzüge als Sonderausgaben mit nachstehender Begründung:
Noch nicht verbrauchte Verlustvorträge, die auf Verluste zurückzuführen sind, die vom Erblasser erzielt wurden, seien ab 2013 nur mehr insoweit bei den Erben zu berücksichtigen, als auch der verlustverursachende Betrieb durch den Steuerpflichtigen von Todes wegen unentgeltlich übernommen wurde. Dabei sei unerheblich, ob der Betrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Erbschaft) oder der Einzelrechtsnachfolge (Legat oder Schenkung auf den Todesfall) von Todes wegen übergegangen ist. Da der Betrieb der Mutter des Bf. bereits 1998 aufgegeben worden sei, stehe dem Bf. kein Verlustabzug zu ().
In seinen Beschwerden gegen die oa. Bescheide beantragte der Bf. die Anerkennung der geltend gemachten Verlustabzüge und führte aus:
Der Verlustabzug sei vom Finanzamt aufgrund eines zu einem Einzelfall ergangenen VwGH-Erkenntnisses (gemeint: das oa. Erkenntnis des ) und vermutlich auch im Zusammenhang mit den - zu diesem Zeitpunkt neuen - Rz 4537a ff EStR 2000 versagt worden. Es sei verwunderlich, dass das Finanzamt in seiner Begründung nicht auf eine gesetzliche Bestimmung verweise, sondern Zuflucht in einer VwGH-Entscheidung nehmen müsse. In diesem Zusammenhang könne man nur auf § 19 Abs. 1 BAO verweisen, dessen Text derartig eindeutig sei, dass weder auf Materialien des Gesetzes noch auf höchstgerichtliche Entscheidungen zurückgegriffen werden müsse. Dass der Verlustabzug gemäß § 18 Abs. 6 EStG ein Recht ist, das sich aus den Abgabenvorschriften ergibt, sei unbestritten. Dem Bf. sei es daher unverständlich, dass der VwGH eine klare gesetzliche Regelung, die auch für jeden gesetzesunkundigen Bürger eindeutig verständlich sei, in einer Weise auslege, die dem Wortlaut des Gesetzes nicht entspreche. Diese Auslegung treffe nur auf den (vom Verwaltungsgerichtshof) entschiedenen Einzelfall zu; eine über diesen Einzelfall hinausgehende Auslegung des Gesetzes gelte nicht.
Zum Todeszeitpunkt der Mutter des Bf. am tt.mm.2013 habe noch der Wortlaut der Rz 4535 der EStR 2000 gegolten. In Übereinstimmung mit den eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen des § 19 Abs. 1 BAO und auch des § 547 ABGB habe das BMF zu diesem Zeitpunkt in den EStR 2000 die Ansicht vertreten, dass der Verlustabzug den Erben auch ohne Fortführung des verlustbringenden Betriebes des Erblassers zustehe. Es stelle sich daher die Frage, warum die Finanzverwaltung ihre erst im Dezember 2013 neu gefasste Meinung auf einen Sachverhalt anwende, der sich schon am tt.mm.2013 ereignet habe.
Ein weiteres Argument für die Anerkennung des Verlustabzuges ergebe sich aus den Richtlinien zum Grundsatz von Treu und Glauben ( 010103/0023-VI/2006, 6.2.4. Vertrauen auf Erlässe § 3 Z 2 lit. b), wonach die Rechtsauslegungen des BMF schutzwürdig seien, wenn deren Veröffentlichung im AÖF erfolgt sei. Die Änderung der Ansichten des BMF im Dezember 2013 könne keinen Einfluss auf einen Fall haben, der sich zwölf Monate davor ereignet hat.
In diesem Zusammenhang sei auch auf ein Schreiben des deutschen zu verweisen, in dem es in Bezug auf einen Beschluss des deutschen BFH ausspreche, dass aus Vertrauensschutzgründen die bisherige Rechtsansicht noch auf Erbfälle anzuwenden sei, die bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung des Beschlusses eingetreten sind.
Der Tod der Mutter des Bf. sei am tt.mm.2013 eingetreten und die neue Rechtsmeinung des BMF sei erst am publiziert worden. Daher sei die bis dahin geltende Rechtsmeinung des österreichischen BMF auf den streitgegenständlichen Fall anzuwenden und der Verlustabzug zu gewähren.
Das Finanzamt wies die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 und 2014 mit Beschwerdevorentscheidungen vom als unbegründet ab und führte aus:
Der VwGH habe im Erkenntnis vom , 2010/15/0131 die Geltendmachung des Verlustabzuges durch einen bloßen Erben, auf den der verlusterzeugende Betrieb nicht übergegangen ist, verneint. Nach Ansicht des BMF sei diese geänderte Rechtsprechung ab der Veranlagung 2013 anzuwenden.
Das BMF leite aus der Judikatur weiters ab, dass noch nicht aufgebrauchte Verlustvorträge nur dann auf den Erben übergehen könnten, wenn er den verlustverursachenden Betrieb zu Buchwerten übernimmt, unabhängig davon, ob dieser durch Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge übergeht.
Im Beschwerdefall liege auch kein Anwendungsfall für den Grundsatz von Treu und Glauben vor, da nicht ein Sachverhalt auf Basis einer bestimmten Rechtslage gestaltet worden sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 ebenfalls als unbegründet ab, wobei es auf die Begründung der oa. Beschwerdevorentscheidungen betreffend die Jahre 2013 und 2014 sowie auf die Erkenntnisse des , und des , verwies. Mit letzterem Erkenntnis hatte das BFG bereits die Beschwerde des Vaters des Bf., welcher mit identer Begründung wie der Bf. ebenfalls ein Drittel der Verlustvorträge aus dem Gärtnereibetrieb als Sonderausgabe geltend gemacht hatte, als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom stellte der Bf. den Antrag auf Entscheidung über seine Beschwerden hinsichtlich Einkommensteuer 2013 und 2014 durch das Bundesfinanzgericht, wobei er die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.
Der Bf. betonte wiederum, dass er nicht mehr und nicht weniger verlange als das ihm gemäß § 19 BAO zustehende Recht auf Verlustabzug, auch wenn dieses ein höchstpersönliches Recht sei. Dass sich dieses Recht aus einer Abgabenvorschrift, nämlich § 18 EStG, ergebe, sei unbestritten.
Des Weiteren verstehe er nicht, warum das BMF seine jahrelange Praxis aufgrund eines zu einem Einzelfall ergangenen Erkenntnisses des VwGH aufgebe, vor allem, weil sich das BMF bis zu diesem Erkenntnis immer an das Gesetz gehalten habe. Der Gesetzestext des § 19 BAO kenne keine solche Einschränkung, wie sie der VwGH in seinem Erkenntnis vorgenommen habe. Deshalb sehe der Bf. nicht ein, warum das BMF von seiner bisher geltenden Rechtsauffassung abgegangen sei.
Betreffend Einkommensteuer 2015 stellte der Bf. mit Schreiben vom den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht, wobei er ebenfalls die Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte. Zur Begründung verwies er auf den Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2013 und 2014.
Zusätzlich führte er aus, der VwGH erwähne im Erkenntnis vom , Ra 2015/15/0003, dass Verluste des Rechtsvorgängers die Leistungsfähigkeit des Rechtsnachfolgers „im Allgemeinen“ nicht beeinträchtigen. Im Fall des Bf. liege sehr wohl eine solche Beeinträchtigung vor, weil eine Weiterführung des Betriebes ohne erhebliche Investitionen nicht möglich sei.
Zum Zeitpunkt der Schließung des Betriebes durch die Mutter des Bf. und ihres Pensionsantrittes seien neben Verlustvorträgen auch erhebliche Schulden vorhanden gewesen. Zur Tilgung der Schulden habe rund die Hälfte der Liegenschaften an die Gläubiger verkauft werden müssen. Die verbliebene, vererbte Fläche sei in diesem Zustand völlig wertlos, da aufgrund der vorhandenen Glashausfundamente eine gärtnerische Nutzung erst wieder möglich werde, wenn die Fundamente entsorgt und die verwilderte Fläche gerodet werden würde. Des Weiteren müssten die baufälligen, noch auf der Liegenschaft vorhandenen Hallen abgerissen werden. Somit betrachte der Bf. den Betrieb als noch nicht stillgelegt, da die Maßnahmen erst durchgeführt werden müssten und einen erheblichen Geldaufwand erforderten. Aufgrund der Schuldenlast und der fehlenden Finanzmittel aufgrund der Verluste zum Zeitpunkt der Schließung, seien die erwähnten Maßnahmen nicht möglich gewesen. Erst nach Durchführung dieser Maßnahmen, die der Bf. zu finanzieren habe, sei eine Weiterführung einer land-wirtschaftlichen/gärtnerischen Nutzung möglich. Genau aus diesen Gründen sei der Bf. nicht Teil der vom VwGH erwähnten „Allgemeinheit“, sondern ein durch die Verluste der Mutter finanziell schwer geschädigter Rechtsnachfolger, der durch den Verlustabzug und die damit zusammenhängende Steuerminderung einen Teil der zu erwartenden Kosten ersetzt bekommen könnte.
Nach telefonischer Erörterung der Sach- und Rechtslage durch die Richterin mit dem steuerlichen Vertreter des Bf., erklärte der Bf. mit Schreiben vom gegenüber dem Bundesfinanzgericht die Zurücknahme seiner Anträge auf Entscheidung durch den Senat und auf die Durchführung mündlicher Verhandlungen.
Über die Beschwerden wurde erwogen:
Strittig ist, ob der Bf. als Erbe und Gesamtrechtsnachfolger anteilig Verluste, welche aus dem Betrieb einer Gärtnerei seiner im Jänner 2013 verstorbenen Mutter resultieren, bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2013 bis 2015 als Sonderausgabe absetzen kann.
Unstrittig ist, dass der Betrieb mit Ende des Jahres 1998 aufgrund laufend hoher Verluste und (Bank-)Verbindlichkeiten von der Erblasserin eingestellt worden war und keine Betriebsfortführung durch den Bf. als Erben gegeben ist.
Gemäß § 18 EStG Abs. 6 EStG 1988 in der für die Beschwerdezeiträume geltenden Fassung sind als Sonderausgaben auch Verluste abzuziehen, die in einem vorangegangenen Jahr entstanden sind (Verlustabzug). Dies gilt nur,
- wenn die Verluste durch ordnungsgemäße Buchführung ermittelt worden sind und
- soweit die Verluste nicht bereits bei der Veranlagung für die vorangegangenen Kalenderjahre berücksichtigt wurden.
Die Höhe des Verlustes ist nach den §§ 4 bis 14 zu ermitteln.
Gemäß § 19 BAO gehen b ei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich, dass im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge (Erbfolge) der Verlustabzug nach § 18 Abs. 6 und 7 EStG jedenfalls dann, wenn der Erbe nicht auch der Betriebsnachfolger ist, nicht auf diesen übergeht:
Der Verwaltungsgerichtshof ging (bereits) in älterer Rechtsprechung von der Höchstpersönlichkeit des Verlustabzuges aus und verwehrte dementsprechend den Übergang des Verlustabzuges auf den Erben (, , ).
Im Erkenntnis vom , 90/14/0095 verwehrte der Verwaltungsgerichtshof den Übergang des Verlustabzuges auf den Erben unter Hinweis auf den im Einkommensteuergesetz geltenden Grundsatz der Individualbesteuerung.
Laut Erkenntnis vom , 2010/15/0131 ist es ausgeschlossen, dass ein Steuerpflichtiger, auf den der verlusterzeugende Betrieb nicht übergegangen ist, bloß aufgrund seiner Stellung als Erbe Verluste des Erblassers bei der Ermittlung seines Einkommens als Verlustvorträge im Sinne des § 18 Abs. 6 und 7 EStG 1988 geltend machen kann. Der Verwaltungsgerichthof verwies diesbezüglich auf seine oa. Erkenntnisse sowie auf die zur vergleichbaren Rechtslage ergangene Entscheidung des Großen Senates des Bundesfinanzhofes vom , GrS 2/04.
Der Verwaltungsgerichtshof hielt im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 248/87, auch ausdrücklich fest, dass der Fall einer unentgeltlichen Betriebsübernahme durch den Erben zu Buchwerten im Sinne des § 6 Z 9 lit. a EStG 1988 im gegenständlichen Fall nicht vorlag.
Mit Erkenntnis vom , Ra 2015/15/0003, traf der VwGH zur Frage der Vererblichkeit von Verlustvorträgen nachstehende Aussagen:
10 Nach § 19 Abs. 1 BAO gehen bei Gesamtrechtsnachfolge die sich aus Abgabenvorschriften ergebenden Rechte und Pflichten des Rechtsvorgängers auf den Rechtsnachfolger über. Für den Umfang der Inanspruchnahme des Rechtsnachfolgers gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes.
11 Der Inbegriff der Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen, insofern sie nicht in bloß persönlichen Verhältnissen gegründet sind, heißt gemäß § 531 ABGB desselben Verlassenschaft oder Nachlass (vgl. auch § 531 ABGB in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2015: Die Rechte und Verbindlichkeiten eines Verstorbenen bilden, soweit sie nicht höchstpersönlicher Art sind, dessen Verlassenschaft). Rechte und Verbindlichkeiten, welche auf die Person eingeschränkt sind, oder die bloß persönliche Handlungen des Verstorbenen betreffen, erlöschen hingegen gemäß § 1448 ABGB durch den Tod. Rechte, die der Person ankleben, folglich mit ihr erlöschen, können nach § 1393 ABGB nicht abgetreten werden.
12 Aus zivilrechtlicher Sicht ist Vererblichkeit (nur) dann gegeben, wenn es sich um vermögensrechtliche Rechte und Verbindlichkeiten handelt (vgl. Eccher in Schwimann/Kodek, ABGB4, § 531 Rn 4). Die Frage, ob eine steuerrechtliche Position einen Vermögenswert verkörpert, bestimmt sich danach, ob diese Position nach Bestimmungen des Steuerrechts übertragbar ist. Diese Frage ist materienspezifisch steuerrechtlich zu lösen (vgl. Hohenwarter-Mayr, Rechtsnachfolge im Steuerrecht, in Holoubek/Lang, Die allgemeinen Bestimmungen der BAO, 355 ff, 372).
13 Das Einkommensteuergesetz ist vom Grundsatz der Individualbesteuerung geprägt (vgl. - zum EStG 1972 - ). Bei der Einkommensteuer geht es um die Besteuerung der im Einkommen zu Tage tretenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. ). Die persönliche Steuerpflicht erstreckt sich auf die Lebenszeit der Person, sie endet mit ihrem Tod (Doralt, EStG9, § 1 Tz 31; vgl. auch - zum jedenfalls insoweit vergleichbaren deutschen Steuerrecht - Ruppe, Einkommensteuerrechtliche Positionen bei Rechtsnachfolge, in: Schulze-Osterloh, Rechtsnachfolge im Steuerrecht, 10. Tagungsband der DStJG, 45 ff (56)).
14 Das Einkommensteuerrecht enthält in verschiedenen Zusammenhängen Regelungen, die eine Rechtsnachfolge berücksichtigen (vgl. etwa Hohenwarter-Mayr, aaO, 382 ff). Zum Verlustabzug enthält das Einkommensteuerrecht aber keine Nachfolgeregelung.
15 Jedenfalls im hier vorliegenden Fall, in welchem die Revisionswerberin keinen Betrieb übernommen und die Buchwerte des bisherigen Betriebsinhabers zu übernehmen hatte, ist eine Nachfolgeregelung betreffend den Verlustabzug auch nicht zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung erforderlich.
16 Der Einkommensteuer ist jenes Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat (§ 2 Abs. 1 EStG 1988). Der Besteuerung wird also nicht das Lebenseinkommen zugrunde gelegt, sondern das Einkommen eines Kalenderjahres (Prinzip der Abschnittsbesteuerung, vgl. Doralt/Toifl, EStG14, § 2 Tz 1/1).
17 Der Verlustabzug ist ein Hilfsmittel, die engen Schranken dieser Kalenderjahresbesteuerung zu überspringen (vgl. Taucher, Erbschaften und Ertragsteuern, 139; vgl. auch Doralt, RdW 1986, 125: Ausgleich für die periodisierte Gewinnermittlung). Er dient dazu, zu verhindern, dass der Steuerpflichtige Einkommen zu versteuern hat, obwohl er in der Vergangenheit einen Verlustüberhang erlitten hat (vgl. , VfSlg. 19185; vgl. zu einer periodenübergreifenden "Totalbetrachtung" bei Spekulationsgeschäften auch das bereits erwähnte Erkenntnis 98/14/0065).
18 Der Verlustabzug dient aber insoweit nur dazu, eine Verrechnung von Einkünften des Steuerpflichtigen mit von ihm in der Vergangenheit erlittenen Verlusten herbeizuführen, um seine Leistungsfähigkeit periodenübergreifend zu berücksichtigen. Eine steuersubjektübergreifende Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit ist aber nicht geboten, da Verluste, die der Rechtsvorgänger erlitten hat, im Allgemeinen nicht die Leistungsfähigkeit des Rechtsnachfolgers beeinträchtigen.
Nach der bisherigen Verwaltungspraxis ging ein Verlustvortrag vom Erblasser auf den Erben unabhängig davon über, ob Letzterer den verlustverursachenden Betrieb erhielt (Rz 4535 EStR 2000).
Die Verwaltungspraxis stützte sich dabei im Wesentlichen auf die ältere Rechtsprechung des BFH, welche dieser mit dem oa. Beschluss des Großen Senates vom , GrS 2/04, BStBl. 2008 II 608, aufgegeben hat. Der BFH ließ in diesem Beschluss den Verlustvortrag nicht mehr auf Erben übergehen und begründete dies mit dem Bemühen um die Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Person (Zorn, RdW 2013/365). Der BFH sprach jedoch aus, dass die bisherige gegenteilige Rechtsprechung des BFH aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin in allen Erbfällen anzuwenden ist, die bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung dieses Beschlusses eingetreten sind (Absatz 92 des Beschlusses).
Die Verwaltungspraxis änderte aufgrund des Erkenntnisses des die EStR 2000 mit Wirksamkeit ab der Veranlagung zur Einkommensteuer 2013 in Rz 4537a ff. dahingehend, dass die bloße Stellung des Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers ohne Übernahme des verlusterzeugenden Betriebes nicht dazu führt, dass noch offene Verlustvorträge des Erblassers auf den Erben übergehen. Aus dem Erkenntnis lasse sich ableiten, dass noch nicht aufgebrauchte Verlustvorträge des Erblassers allenfalls nur dann auf den Erben übergehen können, wenn dieser den verlustverursachenden Betrieb zu Buchwerten übernimmt (Rz 4537b).
Wurde der Betrieb nicht von Todes wegen übernommen, würden offene Verlustvorträge nicht auf den Erwerber des Betriebes übergehen. Dementsprechend komme es ua. in folgenden Fällen zu keinem Übergang des Verlustvortrages auf den Erwerber des Betriebes:
- Betriebsübertragung durch Schenkung unter Lebenden; auch wenn der Geschenknehmer eines Betriebes nach späterem Ableben des Geschenkgebers zum Erben eingesetzt wird, geht der Verlustvortrag des Erblassers nicht (nachträglich) auf den Geschenknehmer über.
- Veräußerung oder Aufgabe des verlusterzeugenden Betriebes noch zu Lebzeiten des Erblassers (Rz 4537e).
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Mutter des Bf. vormals einen Gärtnereibetrieb führte und dieser Betrieb im Jahr 1998 eingestellt wurde. Weiters ist unstrittig, dass der Bf. und dessen Bruder zwei aus dem Gärtnereibetrieb stammende Liegenschaften zu gleichen Teilen bereits unter Lebenden mit Schenkungsvertrag vom von ihrer Mutter unentgeltlich erwarben. Dass dem Bf. weitere vormals zum Gärtnereibetrieb gehörende Wirtschaftsgüter im Erbweg übertragen wurden, ist aus dem Einantwortungsbeschluss vom nicht ersichtlich.
Eine Betriebsübernahme zu Buchwerten durch den Bf. als Erben ist somit nicht gegeben.
Bei dieser eindeutigen Sachlage stehen dem Bf. nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die als Sonderausgabe geltend gemachten Verlustabzüge nicht zu.
Der Bf. stützt seine Argumentation auch auf die gegenteilige Erlassmeinung in der älteren Fassung der EStR 2000 und wendet gegen die seiner Ansicht rückwirkende Änderung dieser Richtlinien den Grundsatz von Treu und Glauben ein.
Dazu ist zunächst darauf zu verweisen, dass Erlässe der Finanzverwaltung keine subjektiven Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen begründen, sondern lediglich die Rechtsauffassung des Bundesministers für Finanzen darstellen (vgl. und vom , 2010/13/0138). Die EStR 2000 weisen in ihrer Einleitung selbst darauf hin, dass aus ihnen über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten nicht abgeleitet werden können. D as Bundesfinanzgericht ist somit an die EStR 2000, welche eine bloße Erlassmeinung der Verwaltungspraxis darstellen, rechtlich nicht gebunden.
Betreffend den Grundsatz von Treu und Glauben ist darauf zu verweisen, dass der BFH in seinem Beschluss GrS 2/04 vom explizit festhielt, dass er seine bisherige Judikatur ändert, sodass „die bisherige gegenteilige Rechtsprechung des BFH aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin in allen Erbfällen anzuwenden (ist), die bis zum Ablauf des Tages der Veröffentlichung dieses Beschlusses eingetreten sind“ (siehe Absätze 69, 82, 92 des Beschlusses).
Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2010/15/0131 stellt hingegen eine Fortführung seiner bisherigen Judikatur dar. Eine Änderung der Rechtsprechung liegt somit in Österreich nicht vor. Gegen die Anwendung dieser Judikatur bzw. (durch das Finanzamt) der geänderten EStR 2000 auf den konkreten Fall, obwohl die Erblasserin bereits im Jänner 2013, also vor Kundmachung der Änderung der EStR 2000, verstarb, spricht somit auch nicht der Grundsatz von Treu und Glauben.
Den Ausführungen den Bf. im Vorlageantrag betreffend Einkommensteuer 2015, seine persönliche Leistungsfähigkeit sei (gemeint: anders als in Rz 18 des Erkenntnisses Ra 2015/15/0003 dargestellt) durch die Aberkennung des Verlustabzuges sehr wohl beeinträchtigt, ist entgegenzuhalten:
Das Leistungsfähigkeitsprinzip ist aus dem Gleichheitssatz ableitbar (). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes widerspricht es dem Gleichheitssatz nicht, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht. Auch wenn sich dabei Härtefälle ergeben können, macht dies das Gesetz noch nicht bedenklich in Bezug auf das Gleichheitsgebot (). Der Bf. stellt aber eine auf seinen Einzelfall bezogene Auslegung an, weshalb seine Argumentation ein Abweichen von diesem Grundsatz nicht rechtfertigen kann.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision nicht zulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da die Rechtsfrage der Gewährung des Verlustabzuges als Sonderausgabe beim Erben als Gesamtrechtsnachfolger des Betriebsinhabers in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einheitlich beantwortet wird (Erkenntnisse vom , 2010/15/0131 und vom , Ra 2015/15/0003).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 18 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 19 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7103894.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at