Haftung des Geschäftsführers für Lohnsteuerschuldigkeiten nach § 9 BAO
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache Bf, Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom , zu St.-Nr. **_***/****, betreffend Haftung nach §§ 9 und 80 BAO,
zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Haftung unter Aufteilung des Jahresbetrages 2011 auf die einzelnen Lohnzahlungszeiträume auf folgende Abgabenschuldigkeiten eingeschränkt wird:
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Art: | fällig: | Betrag: |
Lohnsteuer 10/2011 | € 2.225,22 | |
Lohnsteuer 11/2011 | € 2.303,68 | |
Lohnsteuer 12/2011 | € 2.327,56 | |
Lohnsteuer 02/2012 | € 832,09 | |
Lohnsteuer 03/2012 | € 830,08 | |
Lohnsteuer 04/2012 | € 950,00 | |
Lohnsteuer 05/2012 | € 1.043,72 | |
Lohnsteuer 06/2012 | € 1.024,23 | |
Lohnsteuer 07/2012 | € 777,34 | |
Summe: | € 12.313,92 |
Gegenüberstellung:
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Bisher: | € 32.450,18 |
Neu: | € 12.313,92 |
Gutschrift: | € 20.136,26 |
Entrichtet wurden bisher € 1.678,00. Zu entrichten sind daher noch € 10.635.92.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom , zugestellt am , zog das Finanzamt den Beschwerdeführer gemäß § 9 BAO zur Haftung für folgende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 32.450,18 heran:
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Lohnsteuer | 2011 | € 26.892,72 |
Lohnsteuer | 02/12 | € 832,09 |
Lohnsteuer | 03/12 | € 830,08 |
Lohnsteuer | 04/12 | € 950,00 |
Lohnsteuer | 05/12 | € 1.143,72 |
Lohnsteuer | 06/12 | € 1.024,23 |
Lohnsteuer | 07/12 | € 777,34 |
Begründend führte das Finanzamt aus, dass der Beschwerdeführer dafür Sorge zu tragen gehabt hätte, dass die Abgaben entrichtet werden. Bei der gegebenen Aktenlage müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass diese gesetzliche Verpflichtung schuldhaft verletzt worden sei. Die Abgaben seien bei der Primärschuldnerin uneinbringlich, weil das Konkursverfahren mangels Kostendeckung aufgehoben worden sei.
Gegen den Haftungsbescheid erhob der Beschwerdeführer mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen auf Nichtakzeptanz der bereits nachgewiesenen elektronischen Aufzeichnungen durch die Gebietskrankenkasse, Erstellung der der Haftung zugrunde liegenden Bescheide ohne eigene Prüfung durch das Finanzamt und auf die persönliche Vorsprache beim Finanzamt hingewiesen. Gleichzeitig wurde um "Wiederaufnahme des Verfahrens" zur Korrektur der falschen "Grundlagenbescheide" ersucht und auf Verfahrensmängel bzw. Nichteinvernahme von Zeugen hingewiesen.
Nach Durchführung eines Mängelbehebungsverfahrens wegen fehlender Unterschrift wies das Finanzamt die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom (zugstellt am ) als unbegründet ab.
Mit datierter Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer unter Wiederholung seines Vorbringens die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag).
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Der Beschwerdeführer war ab Geschäftsführer der T-GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. August 2012 ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet wurde. Mit Beschluss des Landesgerichtes vom wurde das Sanierungsverfahren in ein Konkursverfahren geändert und der Konkurs mit Beschluss vom mangels Kostendeckung aufgehoben .
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabenpflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretenen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den Vertretenen obliegen.
Die Inanspruchnahme als Haftender setzt daher die Stellung als Vertreter, das Bestehen einer Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Uneinbringlichkeit, die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten durch den Vertreter, das Verschulden des Vertreters und die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus.
Die Uneinbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin ergibt sich unstrittig aus dem Beschluss über die Aufhebung des Konkurses mangels Kostendeckung.
Der Beschwerdeführer machte im Wesentlichen geltend, dass die der Haftungsinanspruchnahme zugrunde liegenden "Grundlagenbescheide" (Haftungsbescheide nach § 82 EStG 1988) falsch seien. Es seien unter anderem bereits nachgewiesene elektronische Aufzeichnungen vom Prüforgan der Gebietskrankenkasse nicht akzeptiert worden und das Finanzamt habe die "Grundlagenbescheide" ohne eigene Prüfung erstellt.
Dem ist entgegen zu halten, dass in den Fällen, in denen dem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid vorangeht, die Behörde daran gebunden ist und sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an den Abgabenbescheid zu halten hat (vgl. , mwN; ). Einwendungen gegen den Abgabenanspruch können nicht mit Erfolg im Haftungsverfahren vorgebracht werden können, sondern ausschließlich im Beschwerdeverfahren gemäß § 248 BAO betreffend die Bescheide über den Abgabenanspruch , zumal nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die nach § 9 erforderliche Verschuldensprüfung von der objektiven Richtigkeit der Abgabenfestsetzung auszugehen hat ().
Das Finanzamt wertet nach seinen Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung die Beschwerde vom bzw. den darin gestellten Antrag auf Wiederaufnahme als eine Beschwerde nach § 248 BAO.
Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehört auch die Führung von gesetzmäßigen Aufzeichnungen (vgl. ).
Die Haftungsbescheide nach § 82 EStG 1988 sind nach deren Begründung deshalb ergangen , weil betreffend der Tag- und Kilometergelder keine entsprechenden Aufzeichnungen geführt worden sind. Die Richtigkeit des vom Arbeitgeber vorgenommenen Lohnsteuerabzuges muss aber jederzeit aus den nach § 76 EStG 1988 vorgeschriebenen Aufzeichnungen , aus den Lohnkonten, Geschäftsbüchern und sonstigen Unterlagen (§ 87 EStG 1988) ersichtlich sein (vgl. ).
Die Aufbewahrungspflicht beträgt sieben Jahre (§ 132 BAO). Bei EDV-Buchführung oder EDV-Aufzeichnungen sind die Daten in entsprechender elektronischer Form auf Datenträgern aufzubewahren und im Fall einer Prüfung zur Verfügung zu stellen (§§ 131,132 BAO).
Wie der Beschwerdeführer im Rahmen einer Erörterung beim Bundesfinanzgericht einräumte , sind die entsprechenden Aufzeichnungen nicht mehr vorhanden, da die verwendete EDV-Anwendung die Daten nicht so lange speichere.
Im Beschwerdefall ist daher von einer schuldhaften Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten auszugehen, weil die Führung der entsprechenden Aufzeichnungen und die Richtigkeit des vorgenommenen Lohnsteuerabzuges mangels Erfüllens der Aufbewahrungspflichten nicht mehr nachgewiesen werden kann. Der Beschwerdeführer hätte wissen müssen, dass die Daten nur eine begrenzte Zeit vorhanden sind und hätte sich deshalb veranlasst sehen müssen, für eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Aufbewahrung der Aufzeichnungen vorzusorgen.
Dieses Verschulden war auch kausal für den Abgabenausfall, weil der Beschwerdeführer wissen hätte müssen, dass er mit dem verwendeten EDV-Programm die gesetzlichen Aufzeichnungs- bzw. Aufbewahrungspflichten nicht einhalten können wird und somit die ausbezahlten Tag- und Kilometergelder nicht ohne Weiters steuerfrei behandeln hätte dürfen. Er hätte die darauf entfallende Lohnsteuer einbehalten und bis zum 15. des nachfolgenden Monats an das Finanzamt abführen müssen. Im Falle fehlender ausreichender Mittel wären die Lohnzahlungen entsprechend zu kürzen gewesen (§ 78 Abs. 3 EStG 1988).
Allerdings waren die im Haftungsbescheid für das Jahr 2011 nur als Jahresbetrag ausgewiesenen Lohnsteuern in Höhe von € 26.892,72 auf die Lohnzahlungszeiträume (Kalendermonat) aufzuteilen und die Haftung, im Hinblick darauf, dass die Geschäftsführung durch den Beschwerdeführer erst am übernommen worden ist, auf die Zeiträume Oktober bis Dezember 2011 einzuschränken.
Hinsichtlich der in die Haftung einbezogenen Lohnsteuern 02 bis 07/2012 ergibt sich keine Änderung.
Die Haftungschuld beträgt damit insgesamt € 12.313,92, wovon ein Betrag von € 1.678,00 durch die Überrechnung der sich aus der Veranlagung zur Einkommensteuer 2015 und 2016 ergebenden Guthaben bereits entrichtet worden ist. Zur Entrichtung verbleiben somit noch € 10.635,92.
Die Geltendmachung der Haftung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, das sich innerhalb der vom Gesetz aufgezeigten Grenzen zu halten hat (§ 20 BAO). Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Die Geltendmachung der Haftung stellt die letzte Möglichkeit zur Durchsetzung des Abgabenanspruches dar, wobei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalles ein wesentliches Ermessenskriterium darstellt. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftungsnorm folgt, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform ist, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich ist. Die Ankündigung einen Antrag auf Privatkonkurs stellen zu müssen, wenn diese Haftungsschuld zu den von der Sozialversicherung vorgeschriebenen Beiträgen hinzukommt, reicht nicht aus, um von einer Haftungsinanspruchnahme aus Billigkeitsgründen Abstand zu nehmen, zumal eine Herabsetzung der Haftungsschuld oder gänzliche Abstandnahme der Haftungsinanspruchnahme im Ergebnis eine Benachteiligung des Abgabengläubigers gegenüber anderen Gläubigern bedeuten würde.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Bundesfinanzgericht ist von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Die ordentliche Revision war daher als unzulässig zu erklären.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100941.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at