Keine Hauptwohnsitzbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 idF vor dem 1.April 2012.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat durch die Richterin N.N. in der Beschwerdesache des Beschwerdeführers über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt X vom betreffend Einkommensteuer 2012 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
Im anhängigen Verfahren war zu klären, ob beim Beschwerdeführer (Bf) beim Verkauf seines Hälfteanteils an einer Eigentumswohnung (EW) im Februar 2012 die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung iSd § 30 Abs. 2 EStG 1988 idF vor dem AbgÄG 2012, BGBl I 2012/112 vorlagen.
Das Finanzamt X (FA) verneint die Anwendbarkeit der Befreiungsbestimmung im angefochtenen Bescheid, weil es nach dem Ergebnis einer durchgeführten Außenprüfung (AP) davon ausgeht, dass der seit Herbst 2009 geschiedene Bf ab Sommer 2009 über keinen ununterbrochenen Hauptwohnsitz (HW) in dieser davor als Familienwohnsitz dienenden Wohnung mehr verfügte.
Der Bf verwehrt sich gegen diese Beurteilung mit dem Hinweis auf besondere familiäre Umstände, die eine Aufrechterhaltung seines Hauptwohnsitzes in der vormaligen Ehewohnung auch nach der Scheidung erforderlich gemacht hätten.
Das FA stützt seinen Standpunkt auf die Daten im Zentralen Melderegister/ZMR (HW-Verlegung von Wien in das Elternhaus in der Steiermark per ), den Inhalt des Scheidungsbeschlusses vom (Adresse des Bf ident mit dem ZMR-Status, Feststellung der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft jedenfalls ab März 2009 sowie der erfolgten Räumung der ehelichen Wohnung durch den Bf im Zeitpunkt der Scheidung) und die Ergebnisse der ESt-Veranlagungsverfahren 2009 – 2011 (beantragter Unterhaltsabsetzbetrag für die mj. Tochter ab 2009; Vorlage einer schriftlichen Vereinbarung über die Räumung der Wohnung durch den Bf im Jahr 2009).
Der Bf verweist auf den bloßen Indizcharakter des meldebehördlichen Wohnsitzes, den er - im Vorfeld der (einvernehmlichen) Scheidung von seiner Ehefrau – nur verlegt habe, um die - nach seinem Wissensstand - gesetzlichen Voraussetzungen für eine Scheidung nach § 55a Ehegesetz zu erfüllen.
Tatsächlich sei „nach erfolgter Scheidung“ seine Schwiegermutter schwer erkrankt, woraufhin er zur Unterstützung seiner Familie und insbesondere zur Betreuung der mj. Tochter in der gemeinsamen Wohnung geblieben sei.
Zudem sei im Zeitpunkt der Ummeldung seines behördlichen HW an der neuen Meldeadresse wegen eines Fremdmietverhältnisses keine Wohneinheit für ihn nutzbar gewesen. Die zugehörigen Mieteinkünfte seines Vaters seien für das zu deren Besteuerung zuständige FA von Amtswegen überprüfbar.
Bereits im AP-Verfahren habe er offengelegt, dass er „zeitweise beruflich begründet in einer Frühstückspension nahe seines Hauptauftraggebers und während seiner Freizeit in der gemeinsamen Wohnung“ (…) „gewohnt“ habe (BfG-Anm.: gemeint die verfahrensgegenständliche EW). Letzteres habe seine „im besten Einvernehmen getrennte Gattin“ im abgabenbehördlichen Verfahren auch schriftlich bestätigt. Der berufsbedingte Aufenthalt in einer Frühstückspension stelle keinen Mittelpunkt der Lebensinteressen dar.
Aus Sicht des FA ändern Aufenthalte des Bf in der vormaligen Familienwohnung nach seinem Auszug zur Beaufsichtigung der mj. Tochter an der abgabenbehördlichen Beurteilung nichts. Die Rechtslage zur einvernehmlichen Scheidung zwinge auch nicht zu getrennten Wohnsitzen.
Zudem sei der Bf Nachweise für behauptete Hindernisse an einer tatsächlichen Wohnsitznahme an der (bis zur RM-Vorlage an das BFG aufrechten) behördlichen Meldeadresse im Elternhaus in der Steiermark, schuldig geblieben. Nach dem Luftbild handle es sich um ein größeres Gebäude, welches überdies im grundbücherlichen Miteigentum des Bf stehe.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
I. Der gegenständlichen Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde, den das BFG in Würdigung des Ermittlungsergebnisses (unbedenkliche abgabenbehördliche Vorlageunterlagen und Datenbankinhalte zum Bf, seiner geschiedenen Gattin (Ex-Gattin) und dessen Vater, ZMR-, Grundbuchs- und EKIS-Daten) als erwiesen erachtet:
Der Bf war im Verfahrenszeitraum im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als Fahrsicherheitstrainer für ein Wiener Fahrtechnikunternehmen tätig und dabei vorwiegend in einem Fahrtechnikzentrum in XY (Niederösterreich) im Einsatz.
Seine (Ex-)Gattin ging ab Februar 2009 einer Teilzeitbeschäftigung als „Supp(l)y Chain Assistant“ mit Arbeitsort im Zentrum von Wien nach.
Mit Kaufvertrag vom hatte er gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau um einen Kaufpreis von 183.000,- € (lt. abgabenbehördlicher Gebührendatenbank) die verfahrensgegenständliche Wohnung im 3.Wiener Gemeindebezirk erworben und anschließend den Familienwohnsitz mit der Ehefrau und der 2001 geborenen Tochter dorthin verlegt (grundbücherliche Intabulierung von Ehegatten-Wohnungseigentum im Jahr 2006).
Mit Kaufvertrag vom wurde die EW um einen Kaufpreis von 260.000,- € wieder veräußert. Die Übergabe war bis spätestens vereinbart. Bis Ende Juni 2012 lebten die Ex-Gattin und die Tochter des Bf in dieser Wohnung.
Die Höhe des auf den Hälfteanteil des Bf entfallenden Veräußerungsgewinns ist zwischen den Verfahresparteien nicht strittig. Auch das BFG sieht keine Veranlassung an der Richtigkeit der abgabenbehördlichen Berechnung zu zweifeln.
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom war die Ehe des Bf und seiner Ehefrau auf Basis des § 55a EheG einvernehmlich geschieden worden.
Der Scheidungsbeschluss hält als Wohnadresse und aktuellen gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erstantragstellers (Bf) dessen Elternhaus in Obersteiermark fest, das lt. Grundbuch seit 1990 im Dritteleigentum des Bf und seiner Eltern steht. Als Wohnort der Ehefrau und der mj. Tochter scheint im Scheidungsbeschluss die verfahrensgegenständliche EW in 1030 Wien auf. Nach dem Inhalt des Gerichtsbeschlusses war die eheliche Lebensgemeinschaft der Antragsteller seit mehr als 6 Monaten, jedenfalls seit März 2009, aufgehoben.
Nach einem, lt. Bf dem Scheidungsbeschluss zugrunde liegenden Vergleich der Eheleute über die sorge- und vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung – der trotz abgabenbehördlicher Anforderung „sämtlicher bezüglich der Scheidung maßgeblicher Unterlagen“ (Prüfer-Mail 8.Jän.2014) lediglich als nicht unterfertigtes, undatiertes, zweiseitiges Fragment vorliegt - wurde hinsichtlich der künftig bei der Mutter wohnhaften Tochter ein gemeinsames Obsorgerecht beider Eltern und zugleich ein regelmäßiges Besuchsrecht des Bf vereinbart. Dessen monatlich zu leistende Unterhaltszahlungen für die Tochter sind mit 350,- € angeführt.
Die zur bisherigen Ehewohnung getroffene Vereinbarung fehlt im Vergleichsfragment. Festgehalten ist lediglich, dass der Bf diese Wohnung im Einverständnis mit der Gattin unter Mitnahme seiner persönlichen Sachen „bereits geräumtund an die Gattin übergeben“ hat.
Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte geht das BFG davon aus, dass das vorgelegte Vergleichsfragment inhaltlich insoweit jenem Vergleich entspricht, der dem gerichtlichen Scheidungsbeschluss tatsächlich zugrunde liegt.
Aus späteren Angaben der Ex-Gattin zu Aufenthalten des Bf in der Wohnung nach vollzogener Scheidung (insbes. Eingabe v. ) leitet das BFG ab, dass der Passus betreffend Räumung und Wohnungsübergabe im vorgelegten Vergleichsfragment auch den tatsächlichen Verhältnissen entsprach.
Nach den meldebehördlichen Daten hatte der Bf am seinen einzigen Wohnsitz von der verfahrensgegenständlichen EW in 1030 Wien an die Adresse seines Elternhauses in der Steiermark verlegt. Diese Adresse scheint im ZMR bis heute unverändert als einziger meldebehördlicher Wohnsitz des Bf auf.
Ex-Gattin und Tochter blieben am ehemaligen Familienwohnsitz gemeldet, bis sie per bis nach Kärnten zum zwischenzeitig zweiten Ehemann der geschiedenen Gattin übersiedelten, wo die Tochter ab Herbst 2012 die Schule besuchte.
Von 2009 bis zu ihrem Umzug nach Kärnten beanspruchte die Ex-Gattin den Alleinerzieherabsetzbetrag (AEAB), der ab 2010 im Rahmen ihrer ANV-Veranlagungen auch berücksichtigt wurde (2010 nach Überprüfung im Rechtsmittelverfahren). Im Gegenzug wurde in den Einkommensteuerbescheiden des Bf ab 2009 erklärungsgemäß jeweils ein Unterhaltsabsetzbetrag (UAB) für ein nicht haushaltszugehöriges Kind berücksichtigt.
Die Mutter der Ex-Gattin verstarb am .
In den abgabenbehördlichen Verfahrensunterlagen befinden sich zwei Äußerungen der Ex-Gattin zum Wohnsitz des Bf nach der Scheidung.
Nach deren Bestätigung vom hat der Bf „bis zum Umzug in seine Wohnung bzw. zu meinem Umzug nach Kärnten, dieser war Ende Juni 2012, in der ehemals gemeinsamen ehelichen Wohnung (Z-Straße, 1030 Wien) seine arbeitsfreie Zeit verbracht“…
Im April 2014 schränkte die Ex-Gattin diese Äußerung im Zuge einer abgabenbehördlichen Überprüfung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des AEAB in den Jahren 2010-2012 insofern ein, als sie die Anwesenheit des Bf auf die Erfüllung der väterlichen Beaufsichtigungspflichten der Tochter im Fall ihrer eigenen Abwesenheit eingrenzte. Der Bf sei dabei weder von ihr verköstigt worden (keine gemeinsamen Abendessen oder „Kühlschrankversorgung“), noch seien „persönlichen Dinge“ des geschiedenen Gatten in Ihrer Wohnung „gereinigt oder irgendwie in Stand gesetzt“ worden.
Der Bf trat den Angaben der Ex-Gattin in einer Stellungnahme nicht entgegen, sondern verwies darauf, dass er seine Dienstleistung als Fahrtechniktrainer an durchschnittlich 180 Tagen im Jahr im Fahrtechnikzentrum seines Hauptauftraggebers in Niederösterreich im Rahmen von „10-Tagesblöcken“ erbracht und in dieser Zeit in einer nahegelegenen Frühstückspension genächtigt habe. Den ihm daraus in den Jahren 2010 – 2012 erwachsenen Mietaufwand habe er im Zuge der AP belegmäßig nachgewiesen.
Zwar finden sich die erwähnten Belege in den abgabenbehördlichen Unterlagen nicht, doch hatte der Bf bereits im Zuge dieses AP-Verfahrens entsprechende Erklärungen abgegeben und dabei zugleich betont, dass er im Prüfungszeitraum nicht in Wien und insbesondere auch nicht mit seiner geschiedenen Gattin zusammengewohnt hatte (lt. Prüfer-AV v. zu einem Telefonat mit dem Bf).
Da die als betrieblicher Aufwand der Fahrsicherheitstätigkeit des Bf geltend gemachten Unterkunftskosten im AP-Verfahren nicht beanstandet wurden, sieht das BFG die regelmäßige Einquartierung des Bf in den Jahren 2010 – 2012 während der Dienstverrichtungen im Fahrtechnikzentrum in NÖ in einer nahegelegenen Frühstückspension als erwiesen an.
Die im Zuge der AP ausgewerteten Tankbelege zum Pkw des Bf zeigen regelmäßig und nahezu ausschließlich im Umfeld der Wochenenden (bzw. in den Jahren 2010 und 2011 auch während der Weihnachtsfeiertage) Betankungen an Tankstellen in der Steiermark (in der Umgebung des steirischen Wohnsitzes des Bf bzw. auf der Fahrtstrecke von/nach Niederösterreich).
2012 spiegelt sich in den Tankbelegen der Umzug der Tochter nach Kärnten wider, wobei die Lage der Tankstellen auch hier für Fahrten zwischen der „Meldeadresse“ des Bf in der Steiermark und dem neuen Wohnort der Tochter in Kärnten sprechen.
In Hinblick darauf geht das BFG davon aus, dass der Bf sich jedenfalls ab 2010 in einer Regelmäßigkeit während seiner arbeitsfreien Zeit an der Adresse seines Elternhauses aufhielt, die über eine bloße Besuchstätigkeit der Eltern deutlich hinausging.
Tankvorgänge in Wien sind dagegen in allen drei Jahren die Ausnahme und fielen zudem durchwegs an Wochentagen an (2010 1x Wien; 2011: 6x an Wochentagen, davon 4x Dienstags; 2012 3x Wien, davon 2x kurz vor dem Todestag der Ex-Schwiegermutter).
In den Abgabenerklärungen des Bf scheint bis 2008 als Betriebsadresse für die Fahrtechniktätigkeit die verfahrensgegenständliche Wohnung in 1030 Wien auf. Seit 2009 weist der Bf seinen steirischen Wohnsitz als Betriebsadresse aus (inwieweit aufgrund der bei der AP geprüften Tankkosten Fahrten von dort zum 165 km entfernten Haupteinsatzort in Niederösterreich als Betriebsausgaben berücksichtigt wurden, ist den abgabenbehördlichen Unterlagen nicht zu entnehmen).
Im polizeil. Kfz-Auskunftssystem EKIS sind Kfz-Anmeldungen zum Bf ausschließlich unter dessen steirischer Meldeadresse erfasst, wobei festzuhalten ist, dass vor dem gar kein auf den Bf zugelassenes Kfz aufscheint.
Auf der im Dritteleigentum des Bf und seiner Eltern stehenden Liegenschaft in der Steiermark (EZ 99 KG 99999), die den Eltern des Bf nach wie vor als (einziger) Wohnsitz dient, befindet sich ein Wohngebäude, dem zwei Hausnummern zugeordnet sind. Die vom Vater des Bf in den Jahren 1997-2014 erklärten Vermietungseinkünfte aus dieser Liegenschaft wurden jeweils ohne abgabenbehördliche Überprüfung erklärungsgemäß veranlagt.
Der Bf blieb die Vorlage von Unterlagen zum Nachweis jenes Mietverhältnisses, das seiner tatsächlichen Wohnsitznahme im Elternhaus ab entgegengestanden sein soll, trotz abgabenbehördlicher Aufforderung schuldig (FA-Vorhalt ). Insbesondere legte er weder den explizit angeforderten schriftlichen Mietvertrag vor, noch äußerte er sich zum Inhalt einer allenfalls mündlich getroffenen Nutzungsvereinbarung.
Das BFG sieht die Unmöglichkeit einer Wohnsitznahme an der Adresse des Elternhauses aufgrund des Verfahrensergebnisses als nicht erwiesen an. Erfordert ein solcher doch keinen eigenständigen Haushalt. Auch als Mitbewohner im elterlichen Haushalt konnte der Bf einen Wohnsitz begründen. Tatsächlich entspricht es durchaus einer gängigen Vorgangsweise, bei Beendigung einer ehelichen Gemeinschaft zunächst für eine - je im Einzelfall als angemessen erachtete - Übergangszeit in den elterlichen Haushalt zurückzukehren, bevor man sich wieder in einer eigenen Wohnung niederlässt. Da die Eltern des Bf unzweifelhaft trotz vorgebrachter Vermietung an der Adresse des Elternhauses wohnhaft waren, ist vom Vorliegen von zumindest zwei Wohneinheiten auszugehen. Die beiden Adressen im Grundbuch zur EZ 99, KG 99999 unterstreichen diese Schlussfolgerung.
II. § 115 Abs. 1 BAO verpflichtet die Abgabenbehörde, wie auch das BFG (§ 2a BAO), zur amtswegigen Erforschung der für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse.
Die Abgabenbehörde trägt die Feststellungslast für die alle Tatsachen, die zur Geltendmachung eines Abgabenanspruchs vorliegen müssen.
Der abgabenbehördlichen Ermittlungspflicht steht die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht der Abgabepflichtigen gegenüber.
In verschiedenen Konstellationen tritt die amtswegige Ermittlungspflicht der Abgabenbehörde hinter die Mitwirkungs- und Offenlegungspflicht der Abgabepflichtigen zurück bzw. wird durch eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Abgabepflichtigen eingeschränkt. Dies betrifft etwa generell den Bereich der Begünstigungsbestimmungen, zu welchen u.a. Befreiungsbestimmungen gehören. Auch das Vorliegen (oder Vorbringen) ungewöhnlicher, von den Erfahrungen des täglichen Lebens abweichender Verhältnisse bzw. solcher, die nur der Abgabepflichtige aufklären kann, begründet dessen erhöhte Mitwirkungspflicht. Letzteres betrifft insbesondere auch Sachverhalte, welche sich auf die Privatsphäre beziehen (vgl. ; , 2004/17/0105; , 2004/16/0061; , 2003/13/0117, je mwV).
Ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht, hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen (§ 167 Abs. 2 BAO).
Nach § 29 Z 2 EStG 1988 in der bis geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 111/2010 zählen zu den sonstigen Einkünften des § 2 Abs. 3 Z 7 leg. cit. Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 30 EStG 1988.
§ 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 definiert als Spekulationsgeschäfte im Zusammenhang mit Grundstücken Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung – soweit verfahrensrelevant - nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
Von der Besteuerung ausgenommen sind nach § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 in der hier anzuwendenden Fassung „die Einkünfte aus der Veräußerung von Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer seit der Anschaffung (…..) und mindestens seit zwei Jahren durchgehend als Hauptwohnsitz gedient haben.“
Im Unterschied zu der ab geltenden Rechtslage erforderte die Befreiungsbestimmung des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 bis somit, dass die Wohnung "seit der Anschaffungundmindestens seit zwei Jahren durchgehend" als Hauptwohnsitz gedient hat.
Dieses Erfordernis setzt voraus, dass die Wohnung dem Abgabepflichtigen zwischen Anschaffung und Verkauf durchgehend und - mit Blick auf den Verkaufsvorgang - nach der VwGH-Judikatur bis unmittelbar vor der Veräußerung oder jedenfalls vor der unmittelbaren Vorbereitung der Veräußerung noch immer als Hauptwohnsitz gedient hat. „Sonst hätte die Wohnung nicht "seit mindestens zwei Jahren", sondern "mindestens für zwei Jahre" oder "in einem Zeitraum von mindestens zwei Jahren" als Hauptwohnsitz gedient (vgl. ; , 2002/13/0129).
Der Begriff des "Hauptwohnsitzes" wird im EStG 1988 nicht näher bestimmt.
Gemäß § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung inne hat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
Nach der VwGH-Judikatur bedeutet "Innehaben" die tatsächliche und rechtliche Verfügungsmöglichkeit über eine Wohnung, somit die Möglichkeit, diese jederzeit für den eigenen Wohnbedarf nützen zu können. Als Rechtsgründe für die Innehabung kommen neben Wohnungseigentum und Miete beispielsweise auch familienrechtliche Ansprüche in Betracht (vgl. ; , 2004/16/0001; , 99/15/0008 und Ritz, BAO6, § 26 Tz 6).
Hat ein Abgabepflichtiger mehrere Wohnsitze im Sinne der BAO, ist Hauptwohnsitz im Sinne des § 30 Abs. 2 EStG 1988 jener dieser Wohnsitze, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Dabei ist auf das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abzustellen, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum jeweiligen Wohnsitz den Ausschlag gibt. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Der Hauptwohnsitz-Meldung kommt in diesem Zusammenhang keine materiell-rechtliche Bedeutung zu. In Zweifelsfällen kann die polizeiliche An- und Abmeldung aber als Indiz dienen.
Eine tatsächliche ununterbrochene Benützung der Wohnung ist für die Beurteilung, ob eine Wohnung als Hauptwohnsitz im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 diente, nicht erforderlich. Entscheidend ist, ob beim Veräußerer weiterhin die Voraussetzungen für einen Wohnsitz im Sinne des § 26 BAO erfüllt waren und er zugleich weiterhin die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu dieser Wohnung hatte (vgl. ; , Ra 2016/15/0008; , Ra 2016/15/0057; , 2011/15/0193, je mwV).
III. Auf Basis der festgestellten Sach- und der dargestellten Rechtslage war dem Rechtsmittel des Bf der Erfolg zu versagen.
Wie vom FA zutreffend hervorgehoben, erfordert die Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung nach der anzuwendenden Rechtslage, einen durchgehenden Hauptwohnsitz in der betreffenden Wohnung zwischen Erwerb und Veräußerung.
Wenn auch nach der VwGH-Judikatur eine tatsächliche ununterbrochene Benützung der Wohnung für die Annahme eines Wohnsitzes im Sinne des § 26 BAO nicht erforderlich war, so musste die Nutzung doch der Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Bf dienen und zudem so gestaltet sein, dass er die Wohnung für diesen Zweck auch tatsächlich weiterhin jederzeit benutzen konnte und dies auch glaubhaft beabsichtigte.
Als Begünstigungsbestimmung, die zudem eine Beweisführung im Privatbereich des Begünstigten erfordert, oblag es als Ausfluss einer erhöhten Mitwirkungspflicht in erster Linie dem Bf, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung des § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 nachzuweisen, zumal mit dem Aufrechterhalten eines Hauptwohnsitzes in der ehemaligen Familienwohnung auch nach der Scheidung ungewöhnliche, von den allgemeinen Lebenserfahrungen abweichende Verhältnisse behauptet wurden.
Diese Nachweisführung ist vor dem Hintergrund der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen nicht gelungen.
Aus Sicht des BFG bietet das Verfahrensergebnis keine Grundlage für die Annahme eines durchgehenden Hauptwohnsitzes des Bf in der verfahrensgegenständlichen Wohnung vom Erwerb bis zum Abschluss des Kaufvertrages vom bzw. zumindest bis zu einem im zeitlichen Nahebereich des Vertragsabschlusses gelegenen Zeitpunkt.
Nach dem als zutreffend erachteten Inhalt der vom Bf vorgelegten Scheidungsunterlagen wurde die verfahrensgegenständliche Wohnung von ihm tatsächlich bereits vor Sept. 2009 geräumt und an die damalige Gattin übergeben. Damit logisch verbunden war der Verzicht auf eine weitere Inanspruchnahme des aus dem Hälfteeigentum an der Wohnung resultierenden Nutzungsrechts.
Es wäre am Bf gelegen, Gegenteiliges etwa durch Vorlage des vollständigen und rechtsverbindlich vereinbarten Textes zum Scheidungsvergleich nachzuweisen. Veranlassung bestand dazu sowohl aufgrund der behördlichen Aufforderung als auch aufgrund der Stellungnahme seiner Ex-Gattin vom April 2014.
Ohne eine derartige Nachweisführung ergibt sich aus dem Verfahrensergebnis weder, dass der Bf die ehemalige Familienwohnung dennoch weiterhin und durchgehend bis zum Verkauf im Februar 2012 als Hauptwohnsitz nutzen konnte, noch dass er sie tatsächlich als solchen nutzte.
Es mag zutreffen, dass der Bf sich auch nach der Scheidung von seiner Ehefrau zum Zwecke der Beaufsichtigung der mj. Tochter wiederholt in dieser Wohnung aufhielt. Dass er dies zur Befriedigung seines Wohnbedarfes tat, ist unter den im Verfahren festgestellten Umständen allerdings nicht anzunehmen.
Die Geltendmachung des AEAB bzw. UAB ab 2009 unterstreicht, dass aus Sicht beider ehemaligen Ehepartner der gemeinsame Haushalt im Verlauf dieses Jahres dauerhaft aufgegeben wurde. Die Erklärung der Ex-Gattin vom bestätigt dies im Rückblick mit Nachdruck (keine „Mitversorgung“ des Bf im Zuge seiner Aufenthalte als Zeichen einer aufgelösten Wirtschaftsgemeinschaft).
Der Erklärung der Ex-Gattin vom ist zudem unzweifelhaft zu erschließen, dass der Aufenthalt des Bf ausschließlich der Beaufsichtigung der mj. Tochter diente und nicht der Befriedigung der Wohnbedürfnisse ihres geschiedenen Gatten.
Die Aufenthalte waren auch nicht Ausdruck dessen fortgesetzten jederzeitigen Nutzungsrechts an der ehemaligen Ehewohnung, sondern abhängig vom Betreuungsbedarf der Tochter und der Abwesenheit der Ex-Gattin.
Im Übrigen blieb die Häufigkeit und Dauer dieser Aufenthalte im Verfahren im Dunkeln. Anhaltspunkte für derartige Besuche bereits 2009, im Anschluss an die Räumung der Wohnung durch den Bf, fehlen gänzlich. Gesundheitliche Beeinträchtigungen der Ex-Schwiegermutter, die bereits ab 2009 eine Beaufsichtigung der Tochter durch den Bf erforderten, wurden im Verfahren nicht dargetan.
Die Auswertung der Tankbelege lässt auf regelmäßige Besuche des Bf frühestens ab 2011 schließen, wobei auch in diesem Jahr die Häufigkeit und zeitliche Lagerung der Tankvorgänge in Wien (durchwegs an Wochentagen, vorwiegend an Dienstagen) nicht über die im Scheidungsvergleich getroffene Regelung der „Minimalbesuchszeiten“ des Bf hinausgeht (die etwa einmal pro Woche eine Abholung der Tochter vom Nachmittagsschulunterricht vorsieht). Eine fortgesetzte Nutzung der früheren Familienwohnung für Wohnzwecke des Bf wird dadurch nicht erhärtet.
Dem stehen - durch die Tankbelege erwiesen - in allen drei überprüften Jahren deutlich häufigere Wochenendfahrten des Bf zum neuen meldebehördlichen Wohnsitz in die Steiermark gegenüber, die belegen, dass der Bf seine „arbeitsfreie Zeit“ insbesondere an den Wochenenden regelmäßig nicht am ehemaligen Familienwohnsitz verbrachte. Da er zugleich während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit in der Nähe des rd. 30 km von der ehemaligen Familienwohnung entfernten Fahrsicherheitszentrums untergebracht war, erscheint sein Wohnbedarf auch in dieser Zeit (einschließlich der in den 10 Tages-Arbeitsblöcken anfallenden Wochenenden) gedeckt. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass ein berufsbedingter Aufenthalt des Bf in Niederösterreich nur an durchschnittlich 180 Tagen im Jahr erforderlich war.
Zwar ist in Übereinstimmung mit dem Bf davon auszugehen, dass er in einer aus beruflichen Gründen genutzten Frühstückspension keinen Wohnsitz begründete, doch belegt dies nicht den Fortbestand des früheren Familienwohnsitzes als seinen Hautwohnsitz bis zum Verkauf der Wohnung im Februar 2012.
Vielmehr sprechen erst die Entfernung seines neuen Wohnsitzes in der Steiermark (165 Km) bei gleichzeitigem Fehlen eines Wohnsitzes im Einzugsbereich seines beruflichen Einsatzortes für die Notwendigkeit zur Anmietung einer derartigen Unterkunft. Bei einer fortgesetzten jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit der rd. 30 km entfernt gelegenen ehemaligen Familienwohnung erschiene eine solche Vorgangsweise wegen der damit verbundenen Komforteinbuße (Einzelzimmer statt Wohnung) und der dadurch verursachte Kosten unverständlich, zumal der Bf unter diesen Umständen mangels beruflicher Bedingtheit auch nicht von einer steuerlichen Berücksichtigung seiner Unterkunftskosten als Betriebsausgaben ausgehen konnte.
Tatsächlich spricht die durch die ausgewerteten Tankvorgänge belegte Häufigkeit von Wochenendfahrten in die Steiermark zumindest ab 2010 deutlich mehr für eine Wohnsitznahme im Elternhaus als für die Beibehaltung eines Wohnsitzes in der ehemaligen Familienwohnung in Wien bis zum Verkauf im Februar 2012. Die EKIS-Daten ergänzen dieses Bild.
Wegen der Notwendigkeit eines durchgehenden Hauptwohnsitzes in der Wiener Wohnung bis zu deren Verkauf, ist nicht entscheidend, ob diese Verhältnisse bereits ab 2009 vorlagen. Eine Überprüfung für 2009 war daher entbehrlich.
Unter Einbeziehung der Angaben des Bf zu seiner Wohnsituation im Zuge der AP (Prüfer-AV v. ), zur Betriebsadresse in den Abgabenerklärungen und der damit konform gehenden ZMR-Datenlage sowie der Geltendmachung des UAB für ein nicht haushaltszugehöriges Kind gelangt das BFG aufgrund der festgestellten Umstände zur Überzeugung, dass der Bf nach der Scheidung von seiner Ehefrau in der verfahrensgegenständlichen Wohnung über keinen Wohnsitz mehr verfügte.
Unter diesen Umständen bedurfte es keiner Klärung des Mittelpunktes seiner Lebensinteressen. Es konnte daher auch dahingestellt bleiben, auf welche Wohnung des Bf sich die Äußerung der Ex-Gattin in ihrer Erklärung vom bezog.
Mangels Vorliegens eines durchgehenden Hauptwohnsitzes in der verfahrensgegenständlichen Wohnung in 1030 Wien bis zu deren Verkauf im Februar 2012, kommt die Hauptwohnsitzbefreiung des § 30 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl I Nr. 111/2010 für den Bf nicht zur Anwendung.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Eine gesicherte Rechtsprechung besteht bereits bei Vorliegen eines begründeten Erkenntnisses (vgl. ).
Im vorliegenden Rechtsmittelverfahren wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, auf welche die angeführten Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision zutreffen, da es sich im Wesentlichen um die Beantwortung von Tatfragen im Wege der Beweiswürdigung handelte und die zugrundeliegenden Rechtsfragen durch die zitierte Rechtsprechung des VwGH ausreichend beantwortet sind.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 115 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 30 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 30 Abs. 2 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100443.2015 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at