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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.10.2019, RV/7101833/2010

Kapitalausstattung einer neu gegründeten Mantelgesellschaft durch "Großmutterzuschuss" bei gleichzeitigem Verkauf zu einem Preis in Höhe der Stammeinlage und des Zuschussbetrages an eine Privatstiftung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache BF-neu Beteiligungs GmbH, ADR, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom , ErfNr***, betreffend Gesellschafteuer zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf und Sachverhalt

Mit Errichtungserklärung (zugleich Gesellschaftsvertrag) der Bf. vom errichtete die X-GmbH (kurz X) als Alleingesellschafterin die BF Beteiligungs GmbH (deren Firmenwortlaut zwischenzeitig auf BF-neu Beteiligungs GmbH geändert wurde, die nunmehrige Beschwerdeführerin, kurz Bf.) mit einem Stammkapital von € 35.000,00. Diese Stammeinlage wurde zur Gänze bar einbezahlt.

Der Antrag auf Neueintragung der Gesellschaft wurde am beim Firmenbuch eingereicht und die Gesellschaft am im Firmenbuch eingetragen. Die Selbstberechnung der Gesellschaftsteuer mit € 350,00 erfolgte am unter der ErfNr******.

Durch eine Einsichtnahme in die Jahresabschlüsse der Bf. im Firmenbuch erlangte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien (nunmehr Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, kurz FA) Kenntnis von einer noch im Gründungsjahr gebildeten Kapitalrücklage in der Höhe von € 11.965.000,00.

Weiters erlangte das FA durch die Einsicht ins Firmenbuch Kenntnis, dass auf Grund eines Abtretungsvertrages vom seit die Y Privatstiftung als Alleingesellschafterin der Bf. im Firmenbuch eingetragen ist.

Über entsprechende Anforderung übermittelte Notar NOTAR dem FA mit Telefax vom eine Kopie des Abtretungsvertrages vom . Demnach hat die X am sämtliche Gesellschaftsanteile an der Bf. um einen Kaufpreis von € 12,000.000,00 an die Y Privatstiftung (kurz Stiftung) abgetreten und war der Kaufpreis bei Abschluss des Abtretungsvertrages zur Zahlung fällig. Dem Abtretungsvertrag ist eine am und von den Vertretern der Stiftung unterzeichnete Spezialvollmacht angeschlossen, mit der Herr NN bevollmächtigt wurde im Namen und mit Rechtswirksamkeit für die Stiftung einen notariellen Abtretungsvertrag zum Erwerb der Geschäftsanteile an der Bf. abzuschließen.

Über Aufforderung des Finanzamtes vom teilte die steuerliche Vertretung der Bf. dem FA mit, dass die Bildung der Rücklage in Höhe von € 11.965.000,00 auf einen Großmutterzuschuss der XX Liegenschaftsverwaltungs- und Beteiligungs GmbH zurückzuführen sei. Aus der beigelegten Kopie des Kontoauszugs ist ersichtlich, dass auf dem Bankkonto der Bf. bei der BANK (kurz **) am eine Gutschrift iHv € 11.965.000,00 mit folgendem Buchungstext durchgeführt wurde: "UmbuchungAuftraggeber: XX Liegenschaftsverwalt - Großmutterzuschuss". Durch diese Gutschrift erreichte das Bankkonto insgesamt einen Stand von € 11.999.650,00, der sich zusammensetzt aus € 35.000,00 Stammeinlage abzüglich € 350,00 Gesellschaftsteuer und dem sog. „Großmutterzuschuss“ iHv € 11.965.000,00.

Im Akt befinden sich Kopien der Seiten 1, 89 und 90 eines Berichtes der Österreichischen Nationalbank über im Zeitraum bis bei der BANK gemäß § 70 Abs. 1 BWG vorgenommene Erhebungen. Darin wird unter Punkt "7.5 Verkauf von Mantelgesellschaften" in der Rz 340 ff des Berichtes auszugsweise ausgeführt:

"Im Rahmen der vorgenommenen Kontendatenanalyse aller Beteiligungsgesellschaften der ** wurde seitens der Prüfer festgestellt, dass von Beteiligungsgesellschaften der ** mehrmals Gesellschaften gegründet wurden, diese mit Kapital in Form von einer Kapitalrücklage ausgestattet und anschließend an Gesellschaften bzw. Stiftungen außerhalb des Beteiligungskreises weiterverkauft wurden.

Wirtschaftlich werden mit dieserr Konstruktion Gesellschaften, die neben der Stammeinlage lediglich eine Kapitalrücklage in Höhe von … aufweisen, verkauft. Angabengemäß war der Zweck der Transaktion die Kapitalaustattung der verkaufenden Gesellschaften ohne Belastung mit Gesellschaftstuer.

Entsprechend der oben beschriebenen Vorgangsweis fanden folgende Transaktionen statt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datum
Abgetretene Gesellschaft
Verkäufer
Käufer
Stammeinlage +
Kapitalrücklage
Zwischenfinanzierung durch

BF GmbH
XX
X
Y
Privatstiftung
12 Mio. EUR
Direkt: ****
Indirekt: *********"

Auf Grund dieser Aktenlage setzte das FA gegenüber der Bf. mit Gesellschaftsteuerbescheid vom , ErfNr*** für den Zuschuss vom die Gesellschaftsteuer in der Höhe von € 119.650,00 fest. Diese Vorschreibung begründete das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien wie folgt:

"Laut Antwortschreiben vom sind die Kapitalrücklagen in der Höhe von € 11.965.000,-- auf einen Großmutterzuschuss vom zurückzuführen.
Am wurden sämtliche Gesellschaftsanteile an der "BF Beteiliguns GmbH“ an die "Y Privatstiftung" abgetreten, wobei sich der Kaufpreis aus dem einbezahlten Stammkapital und dem kurz zuvor gewährten Zuschuss zusammensetzte.
In wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist die eigentliche Kapitalausstattung der "BF Beteiliguns GmbH" der "Y Privatstiftung" zuzurechnen, da ein bloßer Mantelkauf vorliegt und der von der "XX X Liegenschafts- und Mobilienvermietungs GmbH" durchgeschleuste Betrag lediglich einen Durchlaufposten beim Vorfinanzierenden darstellt.
Der Zuschuss vom erscheint in diesem Lichte als direkter von der neuen Muttergesellschaft (Y Privatstiftung) stammender Gesellschafterzuschuss und unterliegt daher als freiwillige Leistung gemäß § 2 Z. 4 KVG der Gesellschaftsteuer."

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde auszugsweise vorgebracht:

„Der VwGH fordert in seinen Erkenntnissen (insbesondere im Erk. 2001/16/0448 vom ) für das Vorliegen der Steuerpflicht, dass in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Zuschuss der direkten Gesellschafterin zuzurechnen sein muss. In der damaligen Fallkonstellation war der Zuschussgeber die Großmuttergesellschaft und wurde der Zuschussgeber kurze Zeit danach durch eine Verschmelzung unmittelbarer Gesellschafter des Zuschussempfängers und wurde diese Struktur offenbar auch weiter aufrechterhalten.

Der hier vorliegende Fall unterscheidet sich vom damaligen Sachverhalt in mehreren Punkten:

Es erfolgte ein Erwerb der zuschussempfangenden Gesellschaft durch einen fremden Dritten und nicht durch einen Umgründungsvorgang, bei dem die Großmuttergesellschaft durch ihre Kapital- und Stimmrechtsmehrheit ihren Willen durchsetzen konnte. Es war bis zum Abschluss des Kaufvertrages über die Anteile an der BF Beteiligungs GmbH nicht gesichert, dass die Privatstiftung die Anteile erwerben wird. Es kann daher der Zuschuss nicht solcherart der erwerbenden Privatstiftung zugeordnet werden, dass diese wie eine Gesellschafterin zu behandeln wäre, da diese im Zeitpunkt des Zuschusses keine Möglichkeit der Einflussnahme hatte.

Die Privatstiftung hatte kein konkretes Interesse an der Gewährung des Zuschusses in die BF Beteiligungs GmbH. Das Interesse der Privatstiftung lag im raschen Erwerb einer Beteiligung an einer sowohl steuerlich als auch im Hinblick auf Bankbeziehungen unbelastete Gesellschaft mit liquiden Mitteln um diese Gesellschaft als weitere Beteiligungsholding im Konzern rasch einsetzen zu können. Es war die Entscheidung der Großmuttergesellschaft, durch einen Zuschuss in die BF Beteiligungs GmbH eine Gesellschaft zu schaffen, die diesen Anforderungen der Privatstiftung gerecht werden konnte. Nicht die Privatstiftung hat einen Zuschuss getätigt, der im Hinblick auf die zukünftig erlangbare Gesellschafterstellung gewährt worden wäre, sondern der Gesellschafter des späteren Verkäufers hat eine Maßnahme gesetzt, um eine verkaufsfähige Gesellschaft zu erzeugen.

Es ist im vorliegenden Fall nicht so, dass die zuschussgebende Gesellschaft kurze Zeit nach Gewährung des Zuschusses unmittelbarer Gesellschafter wurde, viel mehr wird ein fremder Dritter durch Kauf der Gesellschaft unmittelbarer Gesellschafter. Die Einstufung der Kapitalgabe bei der Großmutter – oder auch Muttergesellschaft (der Bescheid ist hier bei der Begründung nicht ganz eindeutig zu interpretieren) als „Durchlaufposten“ wird von uns nicht geteilt, da – ohne den genauen Sachverhalt im **-Konzern zu kennen – jedenfalls durch den Zuschuss bei der Großmuttergesellschaft nur eine Erhöhung des Beteiligungsansatzes an der Muttergesellschaft entsteht und dieser auch nach Verkauf der Enkelgesellschaft unverändert verbleibt. Denn der Kaufpreis für die Enkelgesellschaft geht bei der Muttergesellschaft ein und eben nicht bei der zuschussgebenden Großmuttergesellschaft. Es kommt daher sehr wohl zu einer Vermögensverlagerung, somit ist das Vorliegen eines „Durchlaufpostens“ nicht gegeben.

Aus all diesen Gründen kann aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise kein steuerpflichtiger Tatbestand vorliegen und aus formal-zivilrechtlicher Sicht liegt jedenfalls kein gesellschaftsteuerpflichtiger Tatbestand vor, da der Zuschuss formaljuristisch betrachtet durch die Großmutter erfolgte.

Da weder in formal-zivilrechtlicher Betrachtungsweise noch in wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein gesellschaftsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt, beantragen wir die Festsetzung der Gesellschaftsteuer mit EUR 0,00“.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Berufung vom FA ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Finanzsenat vorgelegt. Im Vorlagebericht (der in Kopie auch der steuerlichen Vertretung der Bf. übersandt wurde) stellte das FA den Antrag die Berufung als unbegründet abzuweisen und führte ua aus, dass im Zeitpunkt der Gründung und der Zuschussgewährung der Erwerb des 100%-Geschäftsanteiles abgesprochen und über den Abtretungspreis die vorfinanzierte Kapitalausstattung erfolgt sei.

Mit Schreiben vom reichte das FA ein Telefax der steuerlichen Vertretung vom nach, wonach die Vollmacht der Bf. keine Zustellvollmacht umfasst.

Da die gegenständliche Berufung am beim Unabhängigen Finanzsenat anhängig war, ist die Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß § 323 Abs. 38 BAO auf das Bundesfinanzgericht übergegangen und ist als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Zuständig für diese Rechtssache war zunächst auf Grund der Geschäftsverteilung die Gerichtsabteilung 1005.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom nahm der Geschäftsverteilungsausschuss (ua) die gegenständliche Rechtssache gemäß § 9 Abs. 9 BFGG der Gerichtsabteilung 1005 ab und wurde diese der Gerichtsabteilung 1080 zur Erledigung zugewiesen.

Von der Leiterin der GA 1080 wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den vom Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vorgelegten Bemessungsakt ErfNr. ***** sowie durch Firmenbuchabfragen zur Firmenbuchnummer FN *****. Weiters wurde der Bf. mit Vorhalt vom  mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, die Entscheidung gemäß § 271 BAO bis zur Beendigung des beim Verwaltungsgerichtshof zu den GZ Ra 2016/16/0105 und Ra 2016/16/0107 anhängigen Verfahrens auszusetzen, da der Ausgang dieser Verfahren hinsichtlich der Frage, ob bei einem von einer Großmutter kurz vor dem Verkauf geleisteten Zuschuss im Hinblick auf die unmittelbar folgende Gesellschafterstellung in wirtschaftlicher Betrachtung von einer Leistung der Käuferin an die Gesellschaft ausgegangen werde kann, von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde ist.

Am langten die Beschlüsse und beim BFG ein, in den die Zurückweisung der Revisionen auszugsweise wie folgt begründet wird:

„Nach der Rechtsprechung des EuGH und der dieser folgenden ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft des Zuschusses abstellenden Betrachtungsweise zu beurteilen, wem die Zahlung von - der Gesellschaftsteuer unterliegenden - Zuschüssen tatsächlich zuzurechnen ist (vgl. die in den Rechtssachen C-339/99 - Energie Steiermark Holding AG, Rn 37 und 38, sowie C-71/00 - Develop, Rn 25, sowie die hg. Erkenntnisse vom , 2001/16/0448,vom , 2002/16/0239, vom , 2005/16/0004, vom , 2012/16/0104, sowie vom , 2013/16/0025).

Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise im Sinn des § 21 Abs. 1 BAO ist auch im Bereich des Verkehrsteuerrechtes immer dann anzustellen, wenn sich der Abgabenbehörde ein Sachverhalt darbietet, bei dem eine rein formal-rechtliche Beurteilung zu Ergebnissen führen würde, die dem Sinn und Zweck des betreffenden Abgabengesetzes klar zuwider laufen würden (vgl. das zitierte Erkenntnis vom zur Frage der Leistung von Zuschüssen durch einen Treuhänder eines Gesellschafters). Im Rahmen dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist u.a. auf einen unmittelbaren zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang zwischen der Leistung des Zuschusses und der Erlangung einer Gesellschafterstellung abzustellen (vgl. das zitierte Erkenntnis vom ).

Den - von der Revision nicht in Zweifel gezogenen - Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zufolge leistete die Großmuttergesellschaft, eine Tochtergesellschaft der C Privatbank AG, in der Hoffnung auf eine Ausweitung der Geschäftsbeziehung der Privatbank zur D Privatstiftung, den in Rede stehenden "Großmutterzuschuss" an die A GmbH (die Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin), die bis dahin als reine Mantelgesellschaft lediglich ein Stammkapital von EUR 35.000,-- aufwies. Noch am Tag des Zuschusses verkaufte die Zwischengesellschaft, die Alleingesellschafterin der A GmbH, ihre gesamten Geschäftsanteile um einen Kaufpreis von EUR 55.035.000,--.

Unter Würdigung des zeitlichen und kausalen Zusammenhanges - aus der Sicht der D Privatstiftung war die Vermeidung eines zwischensteuerpflichtigen Gewinns nach § 13 Abs. 3 KStG sowie einer Bindung liquider Mittel in voller Höhe des Stammkapitals einer Gesellschaft durch Übertragung stiller Reserven nach § 13 Abs. 4 KStG durch den Erwerb der Geschäftsanteile an der Rechtsvorgängerin der Revisionswerberin beabsichtigt - war die ohnehin in Erwartung eines um das Nominale des Zuschusses erhöhten Kaufpreises für den Geschäftsanteil erfolgte Kapitalausstattung der (zukünftigen) Gesellschafterin, der D Privatstiftung, als Zuschussleistende zuzurechnen (vgl. das eingangs zitierte Erkenntnis vom betreffend einen der Verschmelzung der Enkelgesellschaft mit der Tochtergesellschaft vorangehenden "Großmutterzuschuss" sowie das zitierte Erkenntnis vom zur Leistung von Zuschüssen durch einen Treuhänder).

Damit können die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen des Vorliegens eines Missbrauches im Sinn des § 22 BAO als für die Lösung der Revision hypothetisch dahingestellt bleiben.

Die weiteren in der Revision als von grundsätzlicher Bedeutung erachteten Rechtsfragen finden im Übrigen in der wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH sowie des Verwaltungsgerichtshofes ihre Beantwortung, womit sich eine Befassung des EuGH erübrigt (vgl. etwa das Urteil vom in der Rechtssache C- 283/81 - CILFIT); gerade die nach der Rechtsprechung des EuGH für die Frage der Zurechenbarkeit von Zuschüssen gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise stellt die Harmonisierung des Kapitalverkehrsteuergesetzes mit der in Rede stehenden "Kapitalansammlungs-richtlinie" sicher, sodass sich die Frage einer "Sperrwirkung" dieser Richtlinie für das nationale Recht im vorliegenden Zusammenhang nicht stellt (zur Frage des Umfangs der "Sperrwirkung" dieser Richtlinie vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2004/16/0243 = Slg. 8073/F, und vom , 2005/16/0008).“

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom nahm der Geschäftsverteilungsausschuss (ua) die gegenständliche Rechtssache gemäß § 9 Abs. 9 BFGG der Gerichtsabteilung 1080 ab und wurde diese der Gerichtsabteilung 1062 zur Erledigung zugewiesen.

Die nunmehr zuständige Richterin erhob ebenfalls Beweis durch Einsicht in den Bemessungsakt des Finanzamtes ErfNr*** und durch Abfrage im Firmenbuch. Daraus ergibt sich der oben dargestellt Verfahrensablauf und gelangte sie zu folgenden

Sachverhaltsfeststellungen

Die Stiftung wollte eine mit liquiden Mitteln iHv € 12.000.000,00 ausgestattete Beteiligung erwerben, um diese Gesellschaft rasch als weitere Beteiligungsholding im Konzern einsetzen zu können.

Bereits am Tag der Ersteintragung der Bf. im Firmenbuch am erfolgte die Zuschussleistung durch die Muttergesellschaft (der Gründungsgesellschafterin iHv € 11.965.000,00 und verfügte die Bf. damit insgesamt über ein Kapital iHv € 12.000.000.00 (€ 35.000,00 + € 11.965.000,00 in der Kapitalrücklage) und wurde dadurch eine den Bedürfnissen der Privatstiftung entsprechende verkaufsfähige Gesellschaft erzeugt.

Bereits am und am unterzeichneten die Vertreter der Stiftung Spezialvollmachten und erfolge sodann nur wenige Tage später am der Verkauf der Geschäftsanteile an der Bf. durch die X an die Stiftung zu einem Kaufpreis von € 12.000.000,00.

Die Bf. hat bis zum Verkauf der Geschäftsanteile an die Y Privatstifuntg noch keine Geschäftstätigkeit entfaltet.

Die gewählte Vorgehensweise entspricht jenem Konzept der BANK, wonach Mantelgesellschaften als „Cash-Boxen“ fungieren, in dem sie durch Beteiligungsgesellschaften der BANK mit entsprechendem Kapital ausgestattet werden, wobei die jeweils zuschussleistende Gesellschaft die Mittel nach dem Verkauf aus dem Verkaufspreis wieder zurückerhält und die Zwischenfinanzierung durch weitere Gesellschaften des ** Konzerns erfolgt.

Zum Zeitpunkt der Errichtung der Bf. und der Zuschussleistung stand bereits fest, dass die Geschäftsanteile an der Bf. an die Stiftung verkauft werden und der Zuschussbetrag durch den Abtretungspreis zurückgeführt wird.

Dadurch erfolgte im Ergebnis die Kapitalausstattung der Bf. sowohl im Interesse als auch durch Mittel der Privatstiftung.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Bemessungsakt befindlichen Unterlagen sowie aus den Erklärungen der Beschwerdeführerin in der Beschwerde.

Dass die Gründung der Beschwerdeführerin und deren Kapitalausstattung durch zum Konzern der Bank gehörige Gesellschaften sowie die Abtretung der Geschäftsanteile an der Bf. an die Stiftung von vorne herein geplant war und dass letztendlich die Kapitalausstattung mit Mitteln der Stiftung erfolgten sollte, wurde aus der gleichartigen Vorgehensweise in den im Bericht der Nationalbank genannten Fällen in der Zusammenschau mit dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Vorgängen bei der Bf. abgeleitet.

Rechtslage und Erwägungen

Gemäß § 2 Z. 4 lit. a KVG unterliegen Zuschüsse als freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft der Gesellschaftsteuer, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.

Neben den Bestimmungen des Kapitalverkehrsteuergesetzes sind seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union am auch die Bestimmungen der Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital 69/335/EWG (im Folgenden kurz RL 69/335/EWG), neugefasst durch die Richtlinie des Rates vom betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital 2008/7/EG (kurz RL 2008/7/EG) unmittelbar anzuwenden. Hier ist diese Kapitalansammlungsrichtlinie noch in der für Vorgänge bis zum anzuwendenden, im Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld gültigen Fassung (69/335/EWG) maßgeblich.

Nach Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der RL 69/335/EWG kann die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen, soweit sie am der Steuer zum Satz von 1 v.H. unterlagen, weiterhin der Gesellschaftsteuer unterworfen werden.

Steuerschuldner ist nach § 9 Abs. 1 KVG die Kapitalgesellschaft.

Sowohl im Sinne der Kapitalansammlungsrichtlinie als auch im Sinne des KVG ist Gesellschafter der unmittelbar an der Kapitalgesellschaft Beteiligte und begründet eine mittelbare Beteiligung keine Gesellschafterstellung.

Die Gesellschaftsteuerpflicht setzt allerdings nicht voraus, dass im Zeitpunkt der tatsächlichen Erbringung der Leistung ein Gesellschaftsverhältnis vorliegt. Sowohl Leistungen, die im Hinblick auf eine künftige Gesellschafterstellung erbracht werden (vgl. ), als auch Leistungen des ehemaligen Gesellschafters (vgl. dazu ), sind gesellschaftsteuerpflichtig.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. die Urteile vom in den Rechtssachen C-339/99 – ESTAG, C-71/00 – Develop sowie C-138/00 – Solida) sowie des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ; , 2007/16/0027; , 2012/16/0104 und , 2014/16/0029) ist anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft des Zuschusses abstellenden Betrachtungsweise zu beurteilen, wem die Zahlung von – der Gesellschaftsteuer unterliegenden – Zuschüssen tatsächlich zuzurechnen ist.

Bereits vor den Entscheidungen des EuGH wurde im Bereich der Gesellschaftsteuer die wirtschaftliche Betrachtungsweise herangezogen. Es war bereits ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. 607-633/74; , 531,532/74 und , 2001/16/0273), dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Sinne des § 21 Abs. 1 BAO zwar im Bereich des Kapitalverkehrsteuergesetzes in den Hintergrund tritt, weil das Gesetz an bestimmte Rechtsvorgänge anknüpft. Stets wurde dem aber angefügt, dass die wirtschaftliche Betrachtungsweise auch im Bereich der Verkehrsteuern immer dann gilt, wenn sich der Abgabenbehörde ein Sachverhalt darbietet, bei dem eine rein formalrechtliche Beurteilung zu Ergebnissen führen würde, die dem Sinn und Zweck des betreffenden Abgabengesetzes klar zuwiderlaufen würde.

Die wirtschaftliche Betrachtungsweise tritt zwar im Bereich des Kapitalverkehrsteuergesetzes in den Hintergrund, weil das Gesetz an bestimmte Rechtsvorgänge anknüpft. Eine solche Betrachtungsweise gilt aber im Bereich des Verkehrsteuerrechts immer dann, wenn sich der Abgabenbehörde ein Sachverhalt darbietet, bei dem eine rein formalrechtliche Beurteilung zu Ergebnissen führen würde, die dem Sinn und Zweck des betreffenden Abgabengesetzes klar zuwiderlaufen würden (vgl. ).

In der Entscheidung des , Ing. Auer, wurde ausgesprochen, dass durch die Auslegung des Gemeinschaftsrechtes nicht Verhaltensweisen begünstigt werden dürfen, die durch die Errichtung künstlicher Konstruktionen mit dem alleinigen Ziel der Erlangung eines Steuervorteils gekennzeichnet sind. Damit wurde vom EuGH erstmals klargestellt, dass missbräuchliche Konstruktionen zur Umgehung einer Kapitalverkehrsteuerpflicht nicht beachtlich sind, sondern der dahinter stehende wahre Sachverhalt zu besteuern ist.

Durch Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechtes kann gemäß § 22 Abs. 2 BAO die Abgabenpflicht nicht umgangen oder gemindert werden. Liegt ein Missbrauch vor, so sind nach dieser Bestimmung die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird als Missbrauch im Sinn des § 22 BAO eine rechtliche Gestaltung angesehen, die im Hinblick auf die wirtschaftliche Zielsetzung ungewöhnlich und unangemessen ist und nur aufgrund der damit verbundenen Steuerersparnis verständlich wird. Dabei bildet im Allgemeinen nicht ein einziger Rechtsschritt, sondern eine Kette von Rechtshandlungen den Sachverhalt, mit dem die Folge des § 22 Abs. 2 BAO verbunden ist. Ein Missbrauch kann also in der dem tatsächlichen Geschehen nicht angemessenen Hintereinanderschaltung mehrerer rechtlicher Schritte bestehen ().

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass die fragliche Kapitalzufuhr ohne gesellschaftsvertraglichem oder gesetzlichem Zwang erfolgte und es sich somit an eine freiwillige Leistung an eine inländische Kapitalgesellschaft handelt. Ebenso unstrittig ist, dass der an die Bf. geleistete Zuschuss in Höhe von € 11,965.000,00 geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte an ihr zu erhöhen.

Auch wenn das Entgelt für einen Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich nicht als Leistung an die Kapitalgesellschaft angesehen werden kann, so ist auf Grund der hier gegebenen Besonderheit in wirtschaftlicher Betrachtung im Sinne der o.a. Judikatur doch von Leistungen der Stiftung an die Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre unmittelbar folgende Gesellschafterstellung auszugehen.

Der Zuschuss wurde zwar formal von der Großmuttergesellschaft, also einer Nichtgesellschafterin, geleistet. Im Zeitpunkt der Leistung stand allerdings bereits fest, dass die Geschäftsanteile an der Bf. um einen Kaufpreis in Höhe des Stammkapitals samt Großmutterzuschuss an die Stiftung verkauft werden.

Es macht wirtschaftlich keinen Sinn, einer im Übrigen leeren, neu gegründeten Gesellschaft, bevor diese überhaupt eine Geschäftstätigkeit entfaltet hat, Mittel zuzuführen, um exakt diese Mittel anschließend faktisch durch den Verkauf der Anteile wieder zu vereinnahmen. Dies insbesondere dann nicht, wenn die Mittel, wie im gegebenen Fall, dem „Konzept“ entsprechend wieder an die Zuschussgeberin zurückfließen.

Die Kapitalausstattung der Bf. lag vor allem im Interesse der Privatstiftung und wird daher in wirtschaftlicher Betrachtung von einer Leistung der Privatstiftung an die Bf. im Hinblick auf die sich aus dem Erwerb der Geschäftsanteile ergebende Gesellschafterstellung ausgegangen.

Die Vorgangsweise ist im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen und nur durch die (vermeintliche) Ersparnis an Gesellschaftsteuer zu erklären.

Der Beurteilung der gegenständlichen Vorgangsweise als ungewöhnlich und unangemessen steht nicht entgegen, dass diese Vorgangsweise in der Literatur als „Optimierung im Rahmen der Gesellschaftsteuer“ angepriesen wird (vgl. dazu Marschner, Optimierung der Familienstiftung).

Unter Würdigung des zeitlichen und kausalen Zusammenhanges unterliegt der gegenständliche Zuschuss daher der Gesellschaftsteuer (vgl. dazu auch die zum identen Konzept ergangen Entscheidungen und , betätigt durch und sowie , sowie ).

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet wird.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes, dass anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft des Zuschusses abstellenden Betrachtungsweise zu beurteilen ist, wem die Zahlung von – der Gesellschaftsteuer unterliegenden – Zuschüssen tatsächlich zuzurechnen ist (vgl. sowie und mit weiteren Judikaturhinweisen).

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Z 4 lit. a KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7101833.2010

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at