Auch bei mitgliedstaatübergreifendem Sachverhalt vorrangiger Familienbeihilfenanspruch des haushaltsführenden (Groß)Elternteils
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch S, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum August bis Dezember 2014, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist slowakische Staatsangehörige und lebt in Wien.
Sie bezog im Streitzeitraum August bis Dezember 2014 für ihre in der Slowakei lebende Tochter aus erster Ehe, A (geboren im August 1999), Familienbeihilfe (Differenzzahlung). Im Zuge einer Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen stellte das Finanzamt fest, dass die Bf. ab August 2014 in Österreich nicht mehr erwerbstätig war.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Bf. die von ihr für ihre Tochter im Zeitraum August bis Dezember 2014 bezogene Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 1.140,00 € gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 iVm § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück. In der Begründung ist Folgendes ausgeführt:
„Gemäß § 3 Absatz 1 und 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in Verbindung mit Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in der ab gültigen Fassung besteht für EU/EWR Staatsangehörige Anspruch auf Familienleistungen, wenn sie sich nach § 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhalten und den Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich haben.
EU/EWR-Bürger, die nach Österreich eingereist sind und sich länger als drei Monate hier aufhalten, halten sich dann nach § 9 NAG rechtmäßig in Österreich auf, wenn sie über ausreichende Existenzmittel (ev. durch Ausübung einer un/selbständigen Beschäftigung) und über eine Krankenversicherung für sich und ihre Familienangehörigen verfügen.“
Die Bf. erhob gegen den Rückforderungsbescheid Beschwerde, in welcher sie Folgendes ausführte:
Sie lebe seit rechtmäßig in Österreich. Ab diesem Tag bis zum (inklusive Zeitraum des Wochengeldbezugs) habe sie aufgrund einer Gewerbeberechtigung das Gewerbe der Personenbetreuerin ausgeübt, sei also selbständig erwerbstätig gewesen. Im März 2012 sei ihr Sohn O zur Welt gekommen. In der Folge habe sie Kinderbetreuungsgeld der SVA bis zum erhalten. Danach sei sie bis beim AMS als arbeitssuchend gemeldet gewesen. Die Betreuung habe am aufgrund ihrer ständigen Schmerzen in der Wirbelsäule wegen Nervenschwellung nach einer Operation und der vom AMS erkannten (hoffentlich vorübergehenden) Arbeitsunfähigkeit geendet. Sie besitze eine Anmeldebescheinigung der MA35.
Aufgrund des sohin mehr als fünf Jahre langen rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich sei sie daueraufenthaltsberechtigt (gemäß Art. 16 Abs. 1 UnionsbürgerRL 2004/38/EG).
Ihr Gatte, Herr E.F., sei bei der Fa. xxxxxxx, 1010 Wien, beschäftigt. Er erhalte einen Monatslohn von (zuletzt im April 2015) 1.085,45 € netto. Die MA 40 gewähre ihnen im Rahmen der Mindestsicherung eine Aufzahlung von derzeit 363,97 € pro Monat. Im gemeinsamen Haushalt in Wien wohne noch ihr Sohn O.
Die Tochter aus geschiedener Ehe, A, lebe bei ihren Eltern in der Slowakei. Für ihren Unterhalt komme ausschließlich die Bf. auf. Der Kindesvater trage zum Unterhalt trotz bestehender Verpflichtung nichts bei. Er erlaube der Bf. allerdings auch nicht, die Tochter zu sich nach Österreich zu nehmen, solange sie noch die Pflichtschule in der Slowakei besucht.
Aus dem Gesagten folge: Als in Österreich daueraufenthaltsberechtigte Unionsbürgerin halte sie sich rechtmäßig in Österreich auf. Sie habe hier auch ihren Lebensmittelpunkt. Ihr nunmehriger Gatte und sie trügen den Unterhalt für die Tochter A. Dieser Gatte (Stiefvater der Tochter A) sei in Österreich erwerbstätig Die Tochter A lebe nicht in Österreich. Ihr Aufenthalt in der Slowakei könne jedoch nicht bezugsschädlich sein, weil nach Art. 67 der VO Nr. 883/2004 auch Anspruch auf Familienleistungen für Angehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, bestehe.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung ist insbesondere Folgendes ausgeführt:
Laut den durchgeführten Erhebungen und vorliegenden Unterlagen lebe die Tochter A nicht im gemeinsamen Haushalt mit der Bf. in Österreich, sondern bei ihrem Großvater in der Slowakei. Die Tochter besuche in der Slowakei die Schule und sei in der Slowakei sozialversichert. Da die Bf. im Zeitraum August bis Dezember 2014 nicht in Österreich erwerbstätig gewesen sei, sei die VO (EG) 883/2004 nicht anwendbar. Der Sachverhalt sei daher ausschließlich nach nationalem Recht (dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967) zu beurteilen. Gemäß § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sich das Kind im Ausland aufhält. Der Nachweis der überwiegenden Tragung der Unterhaltskosten für die Tochter sei ebenfalls nicht erbracht worden.
Gegen die Beschwerdevorentscheidung stellte die Bf. einen Vorlageantrag, in welchem sie Folgendes ausführte:
Aus zuletzt , „Trapkowski“, Rz 25, gehe die Anwendbarkeit der VO (EG) 883/2004 bei nur „periodischer“ Erwerbstätigkeit und Wohnsitz im leistungspflichtigen Mitgliedstaat hervor. Aus derselben EuGH-Entscheidung, Rz 36, gehe auch hervor, dass „die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen ist, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen.“
Im Verfahren sei nachgewiesen worden, dass der Großvater des Kindes von der Bf. monatlich 300 € erhält.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Liegt ein Sachverhalt vor, der zwei oder mehr Mitgliedstaaten der Europäischen Union berührt, ist die Verordnung (EG) Nr 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rats vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl EU Nr L 166 vom in der durch ABl EU Nr L 200 vom berichtigten Fassung (im Folgenden: VO 883/2004) anzuwenden.
Art 2 VO 883/2004 („Persönlicher Geltungsbereich“) lautet:
„(1) Diese Verordnung gilt für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.
(2) (…)“
Gemäß Art 3 Abs 1 lit j VO 883/2004 umfasst der sachliche Geltungsbereich der VO u.a. alle Rechtsvorschriften, die den Zweig der sozialen Sicherheit „Familienleistungen“ betreffen. Der Begriff Familienleistungen wird in Art 1 lit z VO 883/2004 definiert als „alle Sach- oder Geldleistungen zum Ausgleich von Familienlasten, mit Ausnahme von Unterhaltsvorschüssen und besonderen Geburts- und Adoptionsbeihilfen nach Anhang I.“
Zu den im österreichischen Recht vorgesehenen Familienleistungen in diesem Sinn gehören unter anderem die im FLAG 1967 geregelte Familienbeihilfe, der im EStG 1988 geregelte Kinderabsetzbetrag sowie das Kinderbetreuungsgeld iSd KBGG (Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 53 Rz 71).
Da die Bf. slowakische Staatsbürgerin und damit Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union ist, im Streitzeitraum einen Wohnort in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hatte, und die Familienbeihilfe eine Familienleistung iSd Art 3 Abs 1 lit j VO 883/2004 ist, gilt die VO 883/2004 für sie und ihre Tochter.
Da aber weiters auch der Vater der Bf. - wie unten noch näher ausgeführt wird - als Familienangehöriger iSd obigen Bestimmungen anzusehen ist, gilt die VO 883/2004 auch für ihn.
Art. 60 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 bestimmt:
„Die Familienleistungen werden bei dem zuständigen Träger beantragt. Bei der Anwendung von Artikel 67 und 68 der Grundverordnung ist, insbesondere was das Recht einer Person zur Erhebung eines Leistungsanspruchs anbelangt, die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen. Nimmt eine Person, die berechtigt ist, Anspruch auf die Leistungen zu erheben, dieses Recht nicht wahr, berücksichtigt der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften anzuwenden sind, einen Antrag auf Familienleistungen, der von dem anderen Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt, gestellt wird.“
Im , Tomislaw Trapkowski, hat der Gerichtshof unter Hinweis auf die Familienbetrachtungsweise (Rn 36) mehrfach betont, dass die Frage, wem der Anspruch auf Differenzzahlungen zusteht, ausschließlich nach den innerstaatlichen (hier also österreichischen) Rechtsvorschriften zu prüfen ist (siehe insbesondere die Rn 38 ff dieser Entscheidung), was sich im Übrigen schon unmissverständlich aus dem klaren und unzweideutigen Wortlaut des Art. 60 Abs. 1 zweiter Satz der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 ergibt. Der EuGH stellte daher fest, dass der Anspruch auf Familienleistung auch einer Person zustehen kann, die nicht in dem Mitgliedsstaat wohnt, der für die Gewährung der Leistungen zuständig ist, sofern alle anderen durch das nationale Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Gewährung erfüllt sind (Rn 41).
Das Unionsrecht selbst vermittelt somit keinen originären Anspruch auf nationale Familienleistungen. Es ist nach wie vor Sache der Mitgliedstaaten, wem sie unter welchen Voraussetzungen wie lange Familienleistungen zuerkennen. Das Unionsrecht verlangt allerdings im Allgemeinen, dass diese Zuerkennung diskriminierungsfrei erfolgen muss, und im Besonderen, dass die Familienangehörigen einer Person, die in den Anwendungsbereich der VO 883/2004 fällt, so zu behandeln sind, als hätten alle Familienangehörigen ihren Lebensmittelpunkt in dem Mitgliedstaat, der Familienleistungen gewähren soll (vgl. z.B. ; ; ; ; ).
Die nach Art. 67 VO 883/2004 iVm Art. 60 Abs. 1 Satz 2 VO 987/2009 vorzunehmende Fiktion bewirkt, dass die Wohnsituation auf Grundlage der im Streitzeitraum im anderen EU-Mitgliedstaat gegebenen Verhältnisse (fiktiv) ins Inland übertragen wird. Diese Fiktion besagt aber nur, dass zu unterstellen ist, dass alle Familienangehörigen im zuständigen Mitgliedstaat wohnen. Ob etwa ein gemeinsamer Haushalt besteht, ist dagegen sachverhaltsbezogen festzustellen (vgl. z.B. ; ; ; ; ).
Wer von den unionsrechtlich grundsätzlich als anspruchsberechtigte Personen anzusehenden Familienangehörigen tatsächlich primär oder sekundär oder gar keinen Anspruch auf österreichische Familienleistungen hat, ist daher nach nationalem Recht zu beurteilen (vgl. z.B. ; ; ; ; ).
Nach Art. I Buchstabe i Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 bezeichnet der Ausdruck „Familienangehöriger“ „jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltszugehöriger bezeichnet wird.“
Gemäß § 2 Abs. 3 FLAG 1967 „sind Kinder einer Person
a) deren Nachkommen,
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c) deren Stiefkinder,
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches.“
Aus dem bereits oben zitierten , Tomislaw Trapkowski, geht hervor, dass auch die Frage, welche Personen als Familienangehörige iSd Art. I Buchstabe i Nummer 1 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 anzusehen sind, nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist. Dies ergibt sich aus den Rz 29-31 dieses Urteils:
„29 Wie jedoch das vorlegende Gericht darlegt, steht der Anspruch auf Familienleistungen für ein Kind nach deutschem Recht den mit dem Kind im ersten Grad verwandten Eltern zu, gleich ob sie verheiratet sind oder nicht.
30 Auf dieser Grundlage meint das vorlegende Gericht, das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kind und seine Mutter seien, was den Anspruch auf Familienleistungen betreffe, als Familienangehörige von Herrn Trapkowski im Sinne des deutschen Rechts anzusehen.
31 Es ist indessen nicht Sache des Gerichtshofs, eine solche Feststellung, die auf das nationale Recht in der Auslegung durch das nationale Gericht gestützt ist, in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil Slanina, C-363/08, EU:C:2009:732, Rn. 27).“
Da der Kindesbegriff des § 2 Abs. 3 FLAG 1967 auch die Großeltern umfasst (lit. a: „deren Nachkommen“), ist im Beschwerdefall der Großvater als Familienangehöriger zu betrachten.
Gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen unter den in dieser Bestimmung näher angeführten Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder.
Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein (im Abs. 1 genanntes) Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.
Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind zum Haushalt einer Person dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt.
Gemäß § 7 FLAG 1967 wird Familienbeihilfe für ein Kind nur einer Person gewährt.
§ 2 Abs. 2 erster Satz FLAG 1967 stellt hinsichtlich des Familienbeihilfenanspruchs primär auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 zweiter Satz FLAG 1967) darauf, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Dabei geht das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann. Einerseits wird gemäß § 7 FLAG 1967 für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt, andererseits gibt es unter dem Gesichtspunkt „Haushaltszugehörigkeit“ keine Regelungen über eine Reihung von potenziell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit. Lediglich dann, wenn ein Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile angehört, kennt das FLAG einen „Konkurrenzfall“, der in § 2a geregelt ist ( ; ; ).
Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG 1967 näher umschrieben. Demnach kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an (vgl. ; ).
Die Bf., ihr nunmehriger Ehegatte und der gemeinsame Sohn leben in Österreich. Die Tochter aus erster Ehe ging jedoch im Streitzeitraum August bis Dezember 2014 in der Slowakei zur Schule. Sie wohnte während der Schulmonate – und somit die weitaus überwiegende Zeit im Jahr – bei ihrem Großvater in der Slowakei und nur während der Schulferien und an Wochenenden bei ihrer Mutter in Wien.
Die Tochter lebte demnach im Streitzeitraum in Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Großvater und gehörte somit dessen Haushalt an.
Der vorrangige Anspruch auf Familienleistungen steht somit bei dem gegebenen Sachverhalt dem Vater der Bf. zu, soweit die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach in der Person der Bf. erfüllt sind. Der im Verwaltungsverfahren erörterten Frage der überwiegenden Kostentragung durch die Bf. kommt keine Entscheidungsrelevanz zu.
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt ) ist durch die dargestellte Rechtsprechung des EuGH überholt. Die Ansicht des VwGH, dass eine überwiegende Kostentragung eines in Österreich erwerbstätigen Unionsbürgers, die bei bestehender Haushaltszugehörigkeit der Kinder zum anderen Elternteil (bzw. zu einer anderen Person, gegenüber der Kindeseigenschaft gegeben ist) nach dem anzuwendenden innerstaatlichem Recht keine Entscheidungsrelevanz hat, hier doch Voraussetzung für einen Differenzzahlungsanspruch sein soll, findet weder im Unionsrecht noch im innerstaatlichen Recht Deckung. Diese Rechtsansicht führte im Ergebnis regelmäßig zu einer Diskriminierung von Unionsbürgern gegenüber inländischen Staatsbürgern.
In diesem Zusammenhang sei nochmals auf das , Tomislaw Trapkowski, verwiesen, in dessen Randziffer 38 der Gerichtshof ausführt:
„Aus Art. 67 der Verordnung Nr. 883/2004 in Verbindung mit Art. 60 Abs. 1 der Verordnung Nr. 987/2009 ergibt sich zum einen, dass eine Person Anspruch auf Familienleistungen auch für Familienangehörige erheben kann, die in einem anderen als dem für ihre Gewährung zuständigen Mitgliedstaat wohnen, und zum anderen, dass die Möglichkeit, Familienleistungen zu beantragen, nicht nur den Personen zuerkannt ist, die in dem zu ihrer Gewährung verpflichteten Mitgliedstaat wohnen, sondern auch allen „beteiligten Personen“, die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, zu denen die Eltern des Kindes gehören, für das die Leistungen beantragt werden.“
Familienleistungen können daher auch von allen „beteiligten Personen“, die berechtigt sind, Anspruch auf diese Leistungen zu erheben, beantragt werden, wozu nach innerstaatlichem Recht auch der Großvater, bei dem das Kind wohnt, gehört, und der nach innerstaatlichem Recht primären Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
Im gegenständlichen Fall ist dabei weiters zu beachten, dass gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 3 VO 987/2009 das österreichische Finanzamt den von der Kindesmutter gestellten Antrag auf Ausgleichszahlung/Differenzzahlung bzw. Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag), wenn und soweit diesem ein Anspruch des haushaltsführenden Großvaters vorgeht, zugunsten des Anspruchs des Großvaters auf österreichische Familienleistungen zu berücksichtigen hat (vgl. BFH , III R 68/13 und ; ; ). Dies gilt in gleicher Weise auch dann, wenn ursprünglich der Kindesmutter Familienleistungen gewährt wurden, die aber in weiterer Folge wieder rückgefordert wurden (vgl. ; ).
Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen, da Partei dieses Verfahrens iSd § 78 BAO nur die Bf. ist und sich daher die Wirkung dieses Erkenntnisses nur auf sie erstreckt.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da das Erkenntnis von der – wenn auch durch die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes überholten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig (vgl. ).
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | Art. 2 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 3 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 Art. 60 VO 987/2009, ABl. Nr. L 284 vom S. 1 Art. I VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1 § 2 Abs. 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 5 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102442.2016 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at