Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 08.10.2019, RV/7104109/2019

VO 883/2004 selbständige Erwerbstätigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin IBV in der Beschwerdesache Bf, abc, Ungarn, über die Beschwerde vom gegen den Abweisungsbescheid des Finanzamtes vom betreffend Gewährung von Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung für die Kinder A, B und C für die Monate 02/2012 bis 03/2014 zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf) stellte am , beim Finanzamt eingelangt am ,  einen Antrag auf Gewährung einer Ausgleichszahlung für die Töchter AA und BB und den Sohn CC für den Zeitraum 02/2012 bis einschließlich 03/2014.

Mit Bescheid vom wurde der Antrag vom ab 02/2012 abgewiesen, da der Bf in Österreich keine selbständige Tätigkeit aufweisen könne.

Mit Schriftsatz vom brachte der Bf gegen den Abweisungsbescheid Beschwerde ein und begründete diese im Wesentlichen wie folgt:

Bis sei der Bf als Einzelunternehmer in Österreich tätig gewesen. Der Standort seines Gewerbes habe sich in xyz, befunden. Sein Gewerbe sei unter dieser Adresse auffindbar, die Kunden hätten ihn hier persönlich erreichen oder ihn telefonisch kontaktieren können. Seine Geschäftsunterlagen habe er am Geschäftssitz gehalten. Im Laufe seiner Tätigkeit habe er Rechnungen an österreichische Kunden ausgestellt. Die Unterlagen (Gewerbeschein, Rechnungen, Steuererklärungen, Nachweis über Bezahlung der SVA-Beiträge), die das Betreiben des Gewerbes beweisen würden, seien bereits vorgelegt worden. Der Betrieb seines Gewerbes habe sowohl formell als auch objektiv den einschlägigen Rechtsvorschriften entsprochen, somit seien die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe gegeben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom  wies das Finanzamt die Beschwerde mit nachstehender Begründung ab:

In der Beschwerde gebe der Bf an, dass er bis als Einzelunternehmer in Österreich beschäftigt gewesen sei. Die von ihm erzielten Einnahmen würden in keinem Verhältnis zu den Lebenshaltungskosten stehen. Seine Tätigkeit werde nicht als Beschäftigung im Sinne der EU-VO qualifiziert und löse keinen Anspruch auf Differenzzahlung/Familienbeihilfe aus.

Der Bf beantragte daraufhin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte ergänzend ua. Folgendes aus:

Gemäß EU-VO 883/2004 sei Voraussetzung für den Anspruch auf Familienbeihilfe die tatsächliche Ausübung einer rechtmäßigen, erlaubten Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt. Dabei sei gemäß FLAG-Richtlinien auf das nationale, dh hier österreichische Recht abzustellen. Es sei erforderlich, dass eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt werde, wobei Tätigkeiten außer Betracht blieben, die einen so geringen Umfang hätten, dass sie sich gemäß EuGH Entscheidung () „als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen“ würden. Hievon könne gemäß FLAG-Richtlinien ausgegangen werden, wenn eine Beschäftigung nicht regelmäßig, sondern nur sporadisch ausgeübt werde, wie zB bloße Gelegenheits- oder Gefälligkeitsarbeiten.
Als Einzelunternehmer habe der Bf seine Tätigkeit in Österreich im Jahr 2011 begonnen. Als Neustarter sei der Anfang nicht leicht gewesen, er habe aber sehr viel daran gearbeitet, dass er Aufträge von österreichischen Kunden erhalte. Nach kurzer Zeit habe er einige Kunden gehabt, die sehr zufrieden mit seiner Arbeit gewesen seien. Er habe aber mehr gewollt, er habe sein Unternehmen richtig in Gang setzen wollen. Um mehr Einnahmen erzielen zu können, habe er nach einigen Monaten seinen Tätigkeitsbereich um eine weitere Tätigkeit erweitert. Diese Erweiterung sei mit zusätzlichen Kosten verbunden gewesen, habe aber das gewünschte Ergebnis nicht nach sich gezogen, der Bf habe keine wesentlich höheren Einnahmen erreichen können, somit habe er sein Gewerbe im Jahr 2014 eingestellt. Zwischen 2011 und 2014 habe er nur in Österreich gearbeitet, er sei vollversichert gewesen und habe alles Mögliche versucht, damit sein Gewerbe erfolgreich sein könne. Im Laufe des  gegenständlichen Verfahrens habe der Bf seine Tätigkeit mit Rechnungen nachgewiesen, deren Echtheit das Finanzamt kontrolliert habe. Die tatsächliche Ausübung einer regelmäßigen Tätigkeit gegen Arbeitsentgelt sei somit gegeben.
Der Bf sei der Meinung, dass die Tätigkeit eines Neustarters in der Gewerbebrache nicht als eine untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit qualifiziert werden könne. Ein Gewerbestart sei schwierig, erfordere viel Arbeit und Hingabe, ohne dass der Erfolg garantiert sei. Wenn der Logik der Begründung der Beschwerdevorentscheidung gefolgt werde, dann sollte die Familienbeihilfe nur erfolgreichen Gewerbetreibenden zustehen, was sowohl gegen die einschlägigen Bestimmungen als auch gegen die Rechtsprechung und gegen die Absicht des Gesetzgebers spreche.

Mit Vorlagebericht vom erfolgte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Gleichzeitig legte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht mehrere Beweismittel wie schriftliche Auskunftsersuchen des Finanzamtes an verschiedene Personen samt den dazu ergangenen Antworten, vom Bf ausgestellte Rechnungen, Kontoauszüge der SVA  vor.

Mit Schriftsatz vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , brachte der Bf eine Vorlageerinnerung gemäß § 264 Abs. 6 BAO ein.

Das Bundesfinanzgericht wies die Vorlageerinnerung mit Beschluss vom , RV/7104690/2016, zurück und richtete gleichzeitig folgenden Ermittlungsauftrag an das Finanzamt:

1) Der Bf habe laut Abfrage im Zentralen Melderegister in der Zeit von bis einen Nebenwohnsitz in xyz, und in der Zeit von bis seinen Hauptwohnsitz in wxy, gemeldet. Die Ehegattin des Bf und dessen Kinder seien in der Zeit von bis in def,  und in der Zeit von bis in der uvw gemeldet gewesen (Hauptwohnsitz). Im Zeitpunkt der Antragstellung am habe der Bf als Wohnort die Adresse  abc, Ungarn, angegeben.
Laut einer Abfrage im Abgabeninformationssystem des Bundes sei der Bf in den Veranlagungsjahren 2012 und 2013 als unbeschränkt Steuerpflichtiger unter der Str.Nr. 123 mit Einkünften aus Gewerbebetrieb steuerlich in Österreich erfasst gewesen. Einem Aktenvermerk des Finanzamtes  sei zu entnehmen, dass im Jahr 2013 ein Wohnsitzwechsel erfolgt und der Bf mit der Ehegattin und den Kindern nach Österreich gezogen sei.
Da der Frage des Vorliegens eines Wohnsitzes bzw. des Mittelpunktes in Österreich für den Anspruch auf Gewährung von Familienbeihilfe eine wesentliche Bedeutung zukomme und der Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe der Monat sei, sei es unumgänglich, dass das Finanzamt die Fragen des Wohnsitzes, des Mittelpunktes der Lebensinteressen und des Zeitpunktes eines allfälligen Wohnsitzwechsels bzw. der Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Falle des Bf, seiner Ehegattin und der Kinder eindeutig beantworte.
2) Sofern ein Anspruch auf Familienbeihilfe nach rein innerstaatlichen Vorschriften während des gesamten Streitzeitraumes nicht gegeben sein sollte, sei bekannt zu geben, wo bzw. an welchem Ort genau der Bf und seine Ehegattin jeweils einer Beschäftigung oder mehreren Beschäftigungen nachgegangen seien. Zusätzlich sei die Höhe des Familieneinkommens sowie des Beitrages zum Familieneinkommen der beiden Ehegatten zu ermitteln und bekannt zu geben.
In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass eine Abfrage in der elektronischen Familienbeihilfenbezugsdatenbank der Finanzverwaltung zwar das Vorliegen von E-Formularen (E401, E411) erkennen lasse. Diese Formulare seien jedoch von Seiten des Finanzamtes nicht eingescannt worden, sodass deren Inhalt für das Bundesfinanzgericht nicht ersichtlich sei.
3) Sei Familienbeihilfe in Ungarn bezogen worden, wenn ja für welchen Zeitraum?
4) Insgesamt werde um Vorlage des vollständigen Aktes und die Ermittlung des  gesamten für eine Entscheidung erforderlichen Sachverhaltes ersucht.
5) Abschließend möge das Finanzamt auch  eine rechtliche Beurteilung des von ihm  festgestellten Sachverhaltes im Rahmen der Vorhaltsbeantwortung  abgeben.

In der Vorhaltsbeantwortung vom führte das Finanzamt Folgendes aus:

 Zu 1) Der Bf habe vom bis einen Nebenwohnsitz in Österreich gemeldet. Am hätten alle Familienmitglieder den Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet. Der Bf sei bis in Österreich hauptgemeldet gewesen. Danach habe der Bf keinen Wohnsitz mehr in Österreich gemeldet. Die Kindesmutter und die drei Kinder seien bis in Österreich hauptgemeldet gewesen, wobei am ein Wohnsitzwechsel stattgefunden habe.
Lt. bestätigtem E 401 vom hätten die Familienmitglieder einen Wohnsitz in abc, Ungarn, gehabt.
Laut telefonischer Auskunft der SVA der gewerblichen Wirtschaft vom seien die Familienmitglieder beim Bf nicht mitversichert. Der Bf habe auch nie einen Antrag auf Mitversicherung gestellt.
Laut telefonischer Auskunft des AMS vom sei die Ehegattin des Bf in der Zeit, in der sie sich beim AMS arbeitslos gemeldet habe, nicht über das AMS krankenversichert gewesen. Das AMS habe mitgeteilt, dass eine Krankenversicherung im Zuge der Mindestsicherung erfolgen könne.
Laut telefonischer Auskunft der BH D vom sei diese Familie nicht bekannt, eine Krankenversicherung über die BH D sei daher ausgeschlossen.
Laut SV Auszug sei die Ehegattin des Bf vom bis bei der BGKK selbstversichert nach § 19a ASVG gewesen.
Laut telefonischer Auskunft der BGKK vom habe der Beitrag im Jahr 2014 ca. 59,-- Euro pro Monat betrage; die drei Kinder seien erst vom bis bei der Mutter mitversichert gewesen.
Die Kinder BB und CC hätten laut Kindergartenbestätigung bis den Kindergarten in Ungarn und laut vorgelegter Schulbestätigung im Schuljahr 2013/14 die Schule in Österreich besucht. Das ältere Kind AA habe laut Kindergartenbestätigung bis den Kindergarten in Ungarn und laut Schulbestätigung das Schuljahr 2012/13 in Ungarn besucht. Für das Schuljahr 2013/14 liege eine Schulbesuchsbestätigung in Österreich vor.
Zu 2) Der Bf sei laut SV Abfrage vom bis als selbständig erwerbstätig in Österreich gemeldet gewesen.
Die Kindesmutter sei vom bis in Österreich unselbständig erwerbstätig gewesen.
Laut bestätigtem E 411 vom sei die Kindesmutter von bis in Ungarn erwerbstätig gewesen und sei für diesen Zeitraum auch ungarische Familienbeihilfe bezahlt worden.
Es würden keine Informationen vorliegen, welche Erwerbstätigkeit die Kindesmutter in Ungarn ausgeübt habe und in welchem Ausmaß. Es liege auch keine Information vor, ob und welche Erwerbstätigkeit der Bf in Ungarn ausgeübt habe und in welchem Ausmaß.
Es würden nur Informationen zum Einkommen in Österreich vorliegen. Der Bf habe Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt; 2012 ein Einkommen von 1.397,40 Euro und 2013 von 1.655,78 Euro. Für 2014 seien Einkünfte von 0,-- Euro erklärt worden. Es würden keine Informationen über die Höhe ausländischer Einkünfte vorliegen.
Zu 3) Für den Zeitraum 01/2011 bis 05/2013 bestätige Ungarn die Auszahlung ungarischer Familienbeihilfe.
Zu 4) Die weiteren Aktenteile würden hiermit übermittelt werden.
Zu 5) Nach der Rechtsansicht des Finanzamtes sei Österreich im gegenständlichen Zeitraum weder Wohnland noch Beschäftigungsland. Die Meldungen des Bf im ZMR würden sich mit der Meldung der Gewerbeberechtigung decken. Mit Zurücklegung der Gewerbeberechtigung am scheine der Bf auch nicht mehr im ZMR in Österreich auf, obwohl laut ZMR seine Ehegattin und die drei Kinder noch weitere 4 Jahre in Österreich mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen seien. Die Ehegattin und die Kinder hätten demnach ohne den Bf noch weitere 1,5 Jahre an dieser Meldeadresse gelebt und danach ein Haus weiter in derselben Straße. Das widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens. Der Unterkunftgeber dieser Adresse sei auch jene Person, bei der die Ehegattin von bis als geringfügig beschäftigt gemeldet gewesen sei. Auffallend sei, dass beinahe zeitgleich in 03/2014 der Bf bei den österreichischen Ämtern nicht mehr aufscheine, aber die Gattin ab 03/2014 als erwerbstätig gemeldet worden sei. Dadurch sei ein fortlaufender Österreichbezug im Sinne der Familienbetrachtungsweise erzeugt worden. Die Ehegattin sei aber im gegenständlichen Zeitraum erst ab in Österreich sozialversichert gewesen. Die Kinder seien im gegenständlichen Zeitraum in Österreich überhaupt nicht sozialversichert gewesen, obwohl Schul – und Kindergartenbestätigungen vorlägen. Diese Schul- und Kindergartenbestätigungen würden sich mit den Wohnsitzmeldungen, welche Voraussetzung für einen Schulbesuch im Inland seien, decken.
Wie die Familie den Lebensunterhalt bestritten hätten, sei vom Finanzamt nur insofern erklärlich, als ausländische Einkünfte vorliegen müssten, die gegenüber dem Finanzamt nicht offengelegt worden seien bzw. den in- und ausländischen Ämtern nicht gemeldet worden seien. Das erklärte Einkommen des Bf in Österreich sei jedenfalls nicht ausreichend, um einen spürbaren Beitrag zum Familieneinkommen zu leisten. Die erklärten Einkünfte bzw. das Einkommen des Bf in Österreich mit ca. 1.500,-- Euro per anno sei derart gering und von untergeordneter Bedeutung und löse nicht die Anwendung der EU-VO aus. Das Finanzamt möchte das BFG nochmals darauf aufmerksam machen, dass die vom Bf gelegten Rechnungen an die Kunden einer Überprüfung auch nicht standgehalten hätten. Die Rechnungsempfänger würden den Bf nicht kennen. Der Bf habe dem Finanzamt nicht nachweisen können, überhaupt eine Leistung in Österreich erbracht zu haben. Österreich scheide daher als Beschäftigungsland aus, sodass die EU-VO auch nicht zur Anwendung kommen könne. Im Hinblick auf das innerstaatliche Recht erkenne das Finanzamt einen Anspruch des Bf auf Familienbeihilfe nicht an. In freier Beweiswürdigung erschienen die Angaben unglaubwürdig und die gesamte Situation bewusst konstruiert, um durch einen vermeintlichen Österreichbezug Familienbeihilfe aus Österreich zu beziehen und den Kindern eine Schulausbildung in Österreich zu ermöglichen. Hätte die Familie im gegenständlichen Zeitraum tatsächlich in Österreich gelebt, dann hätten sich auch alle Familienmitglieder in Österreich krankenversichert, um Zugang zum österreichischen Gesundheitssystem zu haben. Darüber hinaus hätte eine in Österreich lebende Familie bei einem tatsächlichen Familieneinkommen von 1.500,-- Euro per anno jedenfalls einen Antrag auf Mindestsicherung bei der Bezirkshauptmannschaft eingebracht, um zumindest die notwendigsten Bedürfnisse des täglichen Lebens decken zu können.
Zu dem Argument, das Finanzamt habe den Bf als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt, sei hinzuzufügen, dass die Einkommensteuererklärungen 2012, 2013 und 2014  am , am und am   elektronisch eingebracht worden seien, zu einem Zeitpunkt, als der Bf keinen österreichischen Wohnsitz gehabt habe. In diesen elektronisch abgegebenen Erklärungen habe der Bf jedoch die österreichische Adresse angegeben, die er gar nicht mehr gehabt habe. Er habe damit bewusst eine falsche Adresse dem Finanzamt übermittelt und sich so einer steuerlichen Überprüfung entzogen. Mit der inländischen Adresse erfolge systembedingt keine Vorbescheidkontrolle und seien die Erklärungen 2012 und 2013 sozusagen „durchgerutscht“. Die Einkommensteuerbescheide seien allein vom System ohne Zutun eines Mitarbeiters erzeugt worden. Hätte der Bf richtigerweise in seinen Erklärungen die ausländische Adresse angegeben, dann wäre er laut Auskunft vom aktenführenden Team jedenfalls auf Vorscheidkontrolle durch einen Mitarbeiter gekommen und wäre zumindest eine E9 Anfrage nach Ungarn ergangen. Lediglich die Erklärung 2014 sei auf Vorbescheidkontrolle gegangen, da der Bf angegeben habe, dass die Einkünfte weggefallen seien. 

Das Bundesfinanzgericht hob m it Erkenntnis vom , RV/7100214/2019 den Abweisungsbescheid betreffend Familienbeihilfe vom hinsichtlich der Monate 04/2014 bis 03/2016 wegen Unzuständigkeit ersatzlos auf.

Gleichzeitig richtete das Bundesfinanzgericht einen Vorhalt an den Bf, in welchem die Vorhaltsbeantwortung des Finanzamtes vom samt Beilagen sowie die schriftlichen Auskunftsersuchen vom übermittelt, folgende Feststellungen getroffen und folgende Fragen an den Bf gerichtet wurden:

A Wohnort:

Die Ehegattin sowie die Kinder des Bf seien erst seit in Österreich gemeldet gewesen. Der Bf selbst habe bis lediglich einen Nebenwohnsitz in Österreich gemeldet. Die Kinder CC und BB hätten vom bis den Straßenkindergarten in U besucht. AA habe diesen Kindergarten bis besucht. Die Ehegattin habe von bis eine berufliche Tätigkeit in Ungarn ausgeübt. Diese Sachverhaltselemente würden dafür sprechen, dass sich der Familienwohnsitz bis einschließlich 09/2013 in Ungarn befunden habe. In den Monaten 02/2012 bis 09/2013 habe der Bf, seine Ehegattin und die Kinder  somit den Mittelpunkt der Lebensinteressen bzw. den EU-rechtlichen Wohnort in Ungarn gehabt.

Hingewiesen wurde in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch darauf, dass laut Routenplaner ViaMichelin die Entfernung zwischen Ö und der ungarischen Adresse rund 32 km und die Fahrzeit zwischen diesen Orten rund 30 Minuten betrage. ( https://www.viamichelin.at).

In den Monaten 10/2013 bis 03/2014 seien sämtliche Familienmitglieder in def, gemeldet gewesen. Alle drei Kinder hätten im Schuljahr 2013/14 die Volksschule Ö, besucht. Der Wohnsitz in der abc, Ungarn, habe weiter bestanden.

Zur Klärung der Frage des Wohnorts in den Monaten 10/2013 bis 03/2014 seien folgende Fragen zu beantworten und folgende Unterlagen vorzulegen:

1) Mietvertrag über die Wohnung in def;
2) Nachweis über die Bezahlung der vereinbarten Miete für die Monate 10/2013 bis 03/2014;
3) Nachweis über die Stromabrechnung und die Bezahlung der Stromkosten sowie für eine von Ihnen möglicherweise abgeschlossene Hausratsversicherung für diese Wohnung während der Monate 10/2013 bis 03/2014;
4) ein Plan dieser Wohnung.

B selbständige Tätigkeit:

Wie sich aus der schriftlichen Auskunft des Kunden K und aus INT ergebe, betreibe der Bf als Automechaniker einen mobilen Reifenservice.

Das Charakteristikum eines mobilen Reifenservices besteht nach allgemeiner Lebenserfahrung darin, dass der Kunde nicht eine Autowerkstatt aufsuchen müsse, sondern der Automechaniker mit seiner Ausrüstung in einem dafür geeigneten Kraftfahrzeug direkt zum Kunden komme bzw an einem vom Kunden gewählten Ort die erforderlichen Arbeiten durchführe.

5) Es werde aus diesem Grund für die Jahre 2012 und 2013 eine genaue Aufstellung benötigt, an welchem Ort welche Leistungen im Einzelnen erbracht worden seien.
In diesem Zusammenhang werde darauf hingewiesen, dass dem Bundesfinanzgericht zahlreiche Rechnungen vorlägen, welche zum überwiegenden Teil Kunden mit ungarischen Adressen aufweisen würden.
6) Ein mobiler Reifenservice verursache zwangsläufig Fahrtkosten und Kosten für die Haltung des Fahrzeuges. In den Einkommensteuererklärungen 2012 und 2013 seien keine derartigen Kosten als Betriebsausgaben ersichtlich. Um Aufklärung und Vorlage eines Fahrtenbuchs sowie Nachweise über die mit dem Betrieb des Fahrzeuges angefallenen Kosten werde ersucht.
7) Betriebsausgaben in Zusammenhang mit Mietkosten seien ebenfalls nicht ersichtlich. Um Aufklärung werde ersucht, wobei sämtliche Angaben entsprechend zu belegen seien.
8) Wo befinde sich der Standort des für den mobilen Reifendienst erforderlichen Fahrzeugs, welche Kosten würden in diesem Zusammenhang anfallen und wo werde die Buchhaltung durchgeführt und die Unterlagen aufbewahrt. Auch diese Angaben seien durch geeignete Unterlagen zu belegen.

C Lebenshaltungskosten:

Laut den dem Bundesfinanzgericht zur Verfügung stehenden Unterlagen habe der Bf in Österreich in den Jahren 2012 und 2013 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in der Höhe von 1.457,40 Euro (2012) und  1.715,78 Euro (2013) erzielt. Es falle in diesem Zusammenhang allerdings auf, dass aus den Einkommensteuererklärungen 2012 und 2013 der Ansatz von Fahrkosten und Kosten für die Haltung des für den mobilen Reifenservice erforderlichen Fahrzeuges und Mietkosten nicht erkennbar seien.  In den Monaten 01 bis 03/2014 habe der Bf keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Neben den in den Jahren 2012 und 2013 erwirtschafteten Einkünften aus Gewerbebetrieb habe der Bf laut den von ihm eingereichten Einkommensteuerklärungen 2012 bis 2014 in Österreich keine weiteren Einkünfte erzielt. Über Einkünfte, welche der Bf in Ungarn oder in einem anderen Staat erzielt habe, sei dem Bundesfinanzgericht nichts bekannt.

Die Ehegattin sei laut einer Bescheinigung der ungarischen Behörden von 02/2012 bis 05/2013 einer Beschäftigung in Ungarn nachgegangen. Über die Höhe der von ihr erzielten Einkünfte sei dem Bundesfinanzgericht nichts bekannt. In den Monaten 06/2013 bis 02/2014 sei sie weder selbständig noch unselbständig tätig gewesen und zwar weder in Österreich noch in Ungarn. Ab bis  sei sie bei AG, def, geringfügig beschäftigt gewesen.

Dazu würden folgende Auskünfte und Nachweise vom Bf  benötigt werden:

9) Wie hoch seien die durchschnittlichen monatlichen Lebenshaltungskosten für die fünfköpfige Familie im Zeitraum 02/2012 bis 03/2014 gewesen? Eine gegliederte Aufstellung der durchschnittlichen monatlichen Kosten für Wohnen, Ernährung, Hygiene, Bekleidung, Krankheit, Kindergarten bzw. Schule, Freizeit und Urlaub etc. werde benötigt.
10) Beweise dafür, wie die Lebenshaltungskosten bestritten worden seien.
11) Darstellung, ob und welche selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit der Bf selbst in Ungarn während der Monate 02/2012 bis 03/2014 ausgeübt habe. Bekanntgabe der Höhe der von ihm erzielten Einkünfte. Vorlage von Nachweisen über seine in Ungarn erzielten Einkünfte.
Erwähnt sei an dieser Stelle, dass die Ehegattin und die Kinder bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft in Österreich nicht mitversichert gewesen seien.
12) Bekanntgabe der Art und der Höhe der von der Ehegattin im Streitzeitraum 02/2012 bis 03/2014 erzielten Einkünfte samt entsprechender Nachweise (Dienstvertrag, Gewerbeberechtigung, Steuerbescheid etc.).

Dieser Vorhalt blieb von Seiten des Bf unbeantwortet. 

DAZU WIRD ERWOGEN:

1 gesetzliche Grundlagen

1.1 nationales Recht

1.1.1 FLAG 1967

Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, haben nach § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder.

Nach § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 3 sind im Sinne dieses Abschnittes Kinder einer Person

a) deren Nachkommen,
b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen,
c) deren Stiefkinder,
d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186 a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

Personen haben nach § 2 Abs. 8 FLAG 1967 nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

§ 3 FLAG 1967 legt zusätzliche Voraussetzungen für Personen und Kinder fest, die nicht österreichische Staatsbürger sind.

Nach § 4 Abs. 1 FLAG 1967 haben Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Österreichische Staatsbürger, die gemäß Abs. 1 oder gemäß § 5 Abs. 5 vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten gemäß § 4 Abs. 2 FLAG 1967 eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person (§ 5 Abs. 5) Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre.

Die Ausgleichszahlung ist gemäß § 4 Abs. 4 FLAG 1967 jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, wenn aber der Anspruch auf die gleichartige ausländische Beihilfe früher erlischt, nach Erlöschen dieses Anspruches über Antrag zu gewähren.

Die Ausgleichszahlung gilt gemäß § 4 Abs. 6 FLAG 1967 als Familienbeihilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes; die Bestimmungen über die Höhe der Familienbeihilfe finden jedoch auf die Ausgleichszahlung keine Anwendung.

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht nach § 5 Abs. 4 FLAG 1967 für Kinder, für die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe besteht. Die Gewährung einer Ausgleichzahlung (§ 4 Abs. 2) wird dadurch nicht ausgeschlossen.

Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, nach § 53 Abs. 1 FLAG 1967 in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraumes nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

1.1.2 BAO

Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten nach § 2 lit. a Z. 1 BAO, soweit sie hierauf nicht unmittelbar anwendbar sind und nicht anderes bestimmt ist, sinngemäß in Angelegenheiten der von den Abgabenbehörden zuzuerkennenden oder rückzufordernden bundesrechtlich geregelten Beihilfen aller Art.

Nach § 2a Satz eins BAO gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sinngemäß im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren der belangten Abgabenbehörde gelten. 

Die Abgabenbehörden haben gemäß § 115 Abs. 1 BAO die abgabepflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Diese Verpflichtung wird durch die erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen, wie beispielsweise bei Auslandssachverhalten, eingeschränkt.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

1.2 EU-Recht

1.2.1 VO 883/2004

„selbständige Erwerbstätigkeit“ ist nach Art. 1 lit. b VO 883/2004 jede Tätigkeit oder gleichgestellte Situation, die für die Zwecke der Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit des Mitgliedstaats, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird oder die gleichgestellte Situation vorliegt, als solche gilt;

„Familienangehöriger“ ist nach Art. 1 lit. i VO 883/2004 jede Peron, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Familienangehöriger bestimmt oder anerkannt oder als Haushaltsangehöriger bezeichnet wird.

„Wohnort“ ist nach Art. 1 lit. j VO 883/2004 der Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes einer Person.

Diese Verordnung gilt nach Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, sowie für ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Nach Art. 3 Abs. 1 lit. j VO 883/2004 umfasst der sachliche Geltungsbereich dieser Verordnung auch Familienleistungen.

Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, haben nach Art. 4 VO 883/2004 Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

Personen, für die diese Verordnung gilt, unterliegen nach Art. 11 Abs. 1 VO 883/2004 den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

Vorbehaltlich der Artikel 12 bis 16 gilt nach Art. 11 Abs. 3 VO 883/2004 Folgendes:

a) Eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
b) ein Beamter unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, dem die ihn beschäftigende Verwaltungseinheit angehört;
c) eine Person, die nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Artikel 65 erhält, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
d) eine zum Wehr- oder Zivildienst eines Mitgliedstaats einberufene oder wiedereinberufene Person unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats;
e)jede andere Person, die nicht unter die Buchstaben a bis d fällt, unterliegt unbeschadet anders lautender Bestimmungen dieser Verordnung, nach denen ihr Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates.

Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, unterliegt nach Art. 13 Abs. 2 VO 883/2004

a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaates, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt
b) den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, in dem sich der Mittelpunkt ihrer Tätigkeiten befindet, wenn sie nicht in einem der Mitgliedstaaten wohnt, in denen sie einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt.

Eine Person hat nach Art. 67 erster Satz VO 883/2004 auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden.

Sind für denselben Zeitraum und für denselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten nach Art. 68 Abs. 1 VO 883/2004 folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.
b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;
ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;
iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen gemäß Art. 68 Abs. 2 VO 883/2004 nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Abs. 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedsstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Anspruch auf Familienleistungen gestellt, so gilt gemäß Art. 68 Abs. 3 VO 883/2004 Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Abs. 2 genannten Unterschiedsbetrag;
b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger der vorrangig zuständig ist.

1.2.2 DVO 987/2009 

Besteht eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Trägern von zwei oder mehreren Mitgliedstaaten über die Feststellung des Wohnortes einer Person, für die die Grundverordnung gilt, so ermitteln diese Träger nach Art. 11 Abs. 1 DVO 987/2009 im gegenseitigen Einvernehmen den Mittelpunkt der Interessen dieser Person und stützen sich dabei auf eine Gesamtbewertung aller vorliegenden Angaben zu den einschlägigen Fakten, wozu gegebenenfalls die Folgenden gehören:

a) Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats;
b) die Situation der Person, einschließlich

i) der Art und der spezifischen Merkmale jeglicher ausgeübter Tätigkeit, insbesondere des Ortes, an dem eine solche Tätigkeit in der Regel ausgeübt wird, die Dauerhaftigkeit der Tätigkeit und der Dauer jedes Arbeitsvertrags,
ii) ihre familiären Verhältnisse und familiären Bindungen,
iii) der Ausübung einer nicht bezahlten Tätigkeit,
iv) im Falle von Studierenden ihrer Einkommensquelle,
v) ihrer Wohnsituation, insbesondere deren dauerhafter Charakter,
vi) des Mitgliedstaats, der als steuerlicher Wohnsitz der Person gilt.

Bei der Anwendung von Artikel 13 Absatz 2 der Grundverordnung beziehen sich nach Art. 14 Abs. 6 DVO 987/2009 die Worte „eine Person die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt“ insbesondere auf eine Person, die gleichzeitig oder abwechselnd eine oder mehrere gesonderte selbständige Tätigkeiten in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt, und zwar unabhängig von der Eigenart der Tätigkeiten.

Bei der Anwendung von Artikel 13 Absätze 1 und 2 der Grundverordnung bedeutet nach Art. 14 Abs. 8 DVO 987/2009 die Ausübung „eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit“ in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss.

Um festzustellen, ob ein wesentlicher Teil der Tätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, werden folgende Orientierungskriterien herangezogen:

a) im Falle einer Beschäftigung die Arbeitszeit und/oder das Arbeitsentgelt und
b) im Falle einer selbständigen Erwerbstätigkeit der Umsatz, die Arbeitszeit, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen und/oder das Einkommen.

Wird im Rahmen einer Gesamtbewertung bei den genannten Kriterien ein Anteil von weniger als 25% erreicht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass ein wesentlicher Teil der Tätigkeit nicht in dem entsprechenden Mitgliedstaat ausgeübt wird.

Bei der Anwendung von Artikel 13 Abs. 2 Buchstabe b der Grundverordnung wird nach Art. 14 Abs. 9 DVO 987/2009 bei Selbständigen der „Mittelpunkt ihrer Tätigkeit“ anhand sämtlicher Merkmale bestimmt, die ihre berufliche Tätigkeit kennzeichnen; hierzu gehören namentlich der Ort, an dem sich die feste und ständige Niederlassung befindet, von dem aus die betreffende Person ihre Tätigkeit ausübt, die gewöhnliche Art oder die Dauer der ausgeübten Tätigkeiten, die Anzahl der erbrachten Dienstleistungen sowie der sich aus sämtlichen Umständen ergebende Wille der betreffenden Person.

Ändern sich zwischen den Mitgliedstaaten während eines Kalendermonats die Rechtsvorschriften und/oder die Zuständigkeiten für die Gewährung der die Familienleistungen, so setzt gemäß Art. 59 DVO 987/2009 der Träger, der die Familienleistungen  nach den Rechtsvorschriften gezahlt hat, nach denen die Leistungen zu Beginn dieses Monats gewährt wurden, unabhängig von den in den Rechtsvorschriften dieser Mitgliedstaaten für die Gewährung von Familienleistungen vorgesehenen Zahlungsfristen die Zahlungen bis zum Ende des laufenden Monats fort.

2 Sachverhalt:

Der Bf ist ungarischer Staatsangehöriger und mit der ungarischen Staatsangehörigen E verheiratet. Der Geburtsort der Ehegatten ist U. Sie sind die Eltern von C, geboren am 05, B, geboren am 07, und A, geboren am 07. Die Kinder waren somit während des Streitzeitraumes minderjährig.

Der Bf hatte laut Abfrage im Zentralen Melderegister in der Zeit von bis einen Nebenwohnsitz in xyz, gemeldet. In der Zeit von bis hatte  der Bf  seinen Hauptwohnsitz in wxy, gemeldet. Die Ehegattin des Bf und dessen Kinder waren in der Zeit von bis in def,  und in der Zeit von bis in der uvw gemeldet (Hauptwohnsitz). In Ö 66 und 68 war Unterkunftgeber AG.

Laut einer Bescheinigung der ungarischen Behörde vom aufgrund einer Anfrage E 401 hatte die gesamte Familie in der abc, Ungarn, einen Wohnsitz.

In der Bescheinigung  E 411 vom geben die ungarischen Behörden bekannt, dass die Ehegattin des Bf von bis eine berufliche Tätigkeit in Ungarn ausübte und seit keiner beruflichen Tätigkeit mehr nachging. Bis wurde ihr ein Anspruch auf Familienbeihilfe in Ungarn zugestanden. Ab  habe aus der Sicht der ungarischen Behörden kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden, weil „ab nur Österreich der zuständige Staat ist“.

Laut einer Bescheinigung der ungarischen Behörden vom aufgrund einer  Anfrage E 411 für die Zeit ab 10/2013 habe der Bf seit 10/2013 keine berufliche Tätigkeit in Ungarn ausgeübt. Der Bf habe seit 10/2013 aus der Sicht der ungarischen Behörden keinen Anspruch auf Familienbeihilfe in Ungarn gehabt, weil „Österreich der zuständige Staat war“.  

In Bescheinigungen vom wird bestätigt, dass CC und BB vom bis   sowie AA vom bis den Straßenkindergarten in U besuchten. Aus einer Schulbesuchsbestätigung vom ist ersichtlich, dass AA im Schuljahr 2012/2013 in U zur Schule ging.

Bestätigungen vom  ist zu entnehmen, dass die Kinder BB, AA und CC  im Schuljahr 2013/14 die Volksschule Ö besuchten.

Im Zeitpunkt der Antragstellung am gab der Bf als Wohnort die Adresse abc, Ungarn, an. Laut Routenplaner ViaMichelin beträgt die Entfernung zwischen Ö und der ungarischen Adresse rund 32 km und die Fahrzeit zwischen diesen Orten rund 30 Minuten (https://www.viamichelin.at)

In den am , am , am und am elektronisch eingereichten Einkommensteuererklärungen 2011, 2012, 2013 und 2014 führte der Bf als Wohnanschrift ebenfalls jeweils abc, an. Als Betriebsanschrift gab er ghk,  für 2012 und def, für 2013 und 2014 bekannt.

Laut einem Gewerberegisterauszug vom hat die Bezirkshauptmannschaft D dem Bf die Gewerbeberechtigung hinsichtlich eines freien Gewerbes ausgestellt, Gewerbewortlaut: Kraftfahrzeugservicestation (Außenwäsche des Kraftfahrzeuges; Pflege des Lackes durch Polieren und Konservieren; Chromreinigung; Reinigung von Autofenster und Außenspiegel; Scheibenwischerblättertausch; Behebungen von Störungen der Scheiben- und Scheinwerferanlage; Säubern der Sitzbezüge mittels geeigneter Chemikalien; Innenreinigung mittels Staubsauger; Ersetzen von Sicherheitsgurten; Motorwäsche; Unterseitenwäsche; Sprühen des Fahrgestells und der Federn; Aufbringen eines Unterbodenschutzes, Hohlraumkonservierung; Schmieren der Radlager; Fetten von Seilen und Gestängen; Behebung von Geräuschen an Federn; Ersatz fehlender oder verklemmter Schmiernippel; Kontrolle und Erneuerung des Motor-, Getriebe-, Differential-, Automatik- und Kupplungsöles auf der Hebebühne; Kontrolle und Ergänzung der Bremsflüssigkeit; Überprüfung der Schmierung des Lenkgetriebes; Erneuerung des Ölfilters; Kontrolle, Reinigung und Erneuerung der Zündkerzen, Reinigung des Verteilers und des Unterbrechers; Ersetzen des Verteilerkopfes; Erneuerung des Keilriemens und Einstellung der Keilriemenspannung; Luftfilter reinigen und –einsatz wechseln; Kraftstofffilter erneuern; Behebung von Undichtheiten der Wasser- und Heizschläuche; Kühlerreinigung; Kühlwasser überprüfen und erneuern; Einfüllen von Frostschutzmitteln; Sicherungen; Batteriepflege; Prüfung der Spannung, Nachfüllen von Säure, Schnelladen, Reinigung und Fetten der Klemmen und Pole; Starthilfe; Kontrolle des Luftdruckes und des Profils von Reifen; Montage und Wuchten von Reifen, Durchführung von kleineren Reparaturen und Kaltvulkanisierung; Schneekettenmontage). Der Standort befand sich laut Gewerberegisterauszug in ghk. Die Gewerbeberechtigung entstand am . In der Verständigung zum Gewerberegister vom wurde der als Tag der Endigung der Gewerbeberechtigung bekannt gegeben.

Laut Verständigung der Bezirkshauptmannschaft D zum Gewerberegister vom verfügte der Bf  auch über ein freies Gewerbe mit Gewerbewortlaut Handelsgewerbe und Handelsagenten seit , wobei die Gewerbeberechtigung ebenfalls am endete.

Einem Versicherungsdatenauszug vom  ist zu entnehmen, dass der Bf in der Zeit von bis als gewerblich Selbständiger bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gemeldet war. Laut Kontoauszügen der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft erfolgten Beitragszahlungen durch den Bf . Seine Familienangehörigen waren nicht mitversichert.

Der Bf war in den Veranlagungsjahren 2011, 2012, 2013 und 2014 als unbeschränkt Steuerpflichtiger mit Einkünften aus Gewerbebetrieb steuerlich erfasst. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb betrugen laut den Einkommensteuerbescheiden 2011, 2012, 2013 und 2014 1.562,07 Euro,  1.457,40 Euro, 1.715,78 Euro und 0,00 Euro. Die Verarbeitung der vom Bf abgegebenen Einkommensteuererklärungen erfolgte automatisch, dh ohne Zutun eines Finanzbeamten bzw. ohne Prüfung durch einen Finanzbeamten. Zugleich nahm der Bf - wie aus den vorgelegten Rechnungen ersichtlich ist - die Umsatzsteuerbefreiung für Kleinunternehmer nach § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 in Anspruch.

Die Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen der Jahre 2012 und 2013 zeigen folgendes Bild:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
 
2012
2013
Betriebseinnahmen:
6.129,20
5.161,72
Betriebsausgaben:
 
 
SV-Beiträge
1.820,76
1.888,08
Ware/Material
2.363,77
895,46
Werbung
 
14,52
WKO
269,50
 
Sonstige
 
391,50
Gewinn
1.402,17
1.972,16

In der Einkommensteuererklärung 2014 gab der Bf als Ende des Wirtschaftsjahres den bekannt und erklärte Betriebseinnahmen in Höhe von 0,00 Euro.

Für die Jahre 2012 und 2013 gab der Bf eine Kundenliste bekannt:

[...]

Im Zuge von schriftlichen Auskunftsersuchen (ob Leistungen des Bf in ghk iVm dem Fahrzeughandel des Bf in Anspruch genommen und an welchen Ort die Arbeiten durchgeführt worden seien) reagierten die vom Finanzamt angeschriebenen Kunden wie folgt:

[...]

Die Einnahmen des Jahres 2013 wurden durch die Vorlage von 40 Rechnungen belegt, wobei in zumindest 32 Rechnungen der Empfängern der Leistung eine ungarische Adresse angab. Für das Jahr 2012 wurden ebenfalls 42 Rechnungen vorgelegt. In den Rechnungen scheint vielfach die Montage und das Wuchten von Reifen als Leistungsgegenstand auf. 

Der Bf betrieb als Automechaniker einen mobilen Reifenservice. ( INT )

Laut einem Versicherungsdatenauszug vom , der die Zeiten ab 1972 umfasst, war die Ehegattin erstmals ab in Österreich gemeldet. Von bis war sie geringfügig beschäftigt bei AG, def, und gleichzeitig selbstversichert nach § 19a ASVG. In den Jahren 2012, 2013 und 2014 reichte die Ehegattin keine Steuererklärungen in Österreich ein.

Ungarn ist seit Mitglied der Europäischen Union.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den jeweils angeführten unbedenklichen Quellen, welche insbesondere dem vorgelegten elektronischen Akt und den Beilagen zur Vorhaltsbeantwortung des Finanzamtes vom zu entnehmen sind. Soweit  Internetrecherchen durchgeführt wurden, sind diese dem Bf ebenso wie die Vorhaltsbeantwortung des Finanzamtes vom samt den dort beigelegten Unterlagen und die schriftlichen Auskunftsersuchen vom dem Bf mit Vorhalt vom zur Kenntnis gebracht worden und blieben von diesem unbestritten.  

3 Rechtliche Würdigung samt Beweiswürdigung

Einleitend wird festgehalten, dass die Abgabenbehörde und in der Folge das Bundesfinanzgericht zwar die Feststellungslast für alle entscheidungswesentlichen Tatsachen trägt, doch befreit dies die Partei nicht von ihrer Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht. Beide Pflichten bestehen grundsätzlich nebeneinander und schließen einander nicht aus. Die amtswegige Ermittlungspflicht besteht zwar auch dann, wenn die Partei ihre Verpflichtungen (Offenlegungs- und Mitwirkungspflicht) verletzt (zB bei Nichtbeantwortung eines Vorhaltes), doch wird ihr Umfang durch solche Pflichtverletzungen beeinflusst. In dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hierzu nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, tritt die Verpflichtung der Behörde bzw. des Gerichts, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen, zurück. (Vgl. Ritz, BAO6, § 115 Rz 8 f, , )

Darüber hinaus tritt der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung generell bei Begünstigungsbestimmungen in den Hintergrund. Insbesondere tritt die amtswegige Ermittlungspflicht gegenüber der Behauptungs- und Mitwirkungspflicht der Partei auch in den Hintergrund, wenn die Behörde (nur) auf Antrag tätig wird. Das bedeutet keineswegs, dass die Behörde von der sie treffenden amtswegigen Ermittlungspflicht völlig entbunden wäre. Das Schwergewicht der Behauptungs- und Beweislast liegt jedoch beim Antragsteller. Dieser hat einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die sein Antrag gestützt werden kann. Diese Grundsätze gelten auch bei Anträgen auf Gewährung von Beihilfen. (Vgl. Ritz, BAO6, § 115 Rz 8 f und 12, , , , ).

Die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen haben wiederum schlüssig zu sein, also den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut bzw. den Erfahrungen des täglichen Lebens zu entsprechen. (Vgl. Ritz, BAO6, § 167, Rz 10, ).

Zu der für die Monate 02/2012 bis 03/2014 beantragten Gewährung der Familienbeihilfe/Ausgleichszahlung bzw. Differenzzahlung ist nun konkret Folgendes auszuführen:

Ab Mai 2010 ist die Verordnung 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit mit der Durchführungsverordnung 987/2009 auf alle Sachverhalte mit Bezug auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union anzuwenden. (vgl. Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Rz 19 und 20 zu § 53).

Aufgrund der ungarischen Staatsangehörigkeit des Bf, seiner Ehegattin und seiner Kinder, der – neben dem in Ungarn gemeldeten Wohnsitz – in Österreich gemeldeten Wohnsitzen des Bf und der Tatsache, dass der Bf im Streitzeitraum über Gewerbeberechtigungen in Österreich verfügte, bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gemeldet war und Sozialversicherungsbeiträge entrichtete, liegt ein Sachverhalt vor, der sowohl Ungarn als auch Österreich berührt. Es ist somit neben dem jeweiligen innerstaatlichen Recht auch die VO 883/2004 samt der DurchführungsVO 987/2009 zu beachten. Dazu wird konkret Folgendes ausgeführt:

3.1 persönlicher Anwendungsbereich:

Unter Rechtsvorschriften im Sinne des den persönlichen Geltungsbereich regelnden  Art. 2 VO 883/2004 fällt das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz (GSVG).

Nach § 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, die Mitglieder der Kammern der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichert.

Nach § 2 Abs. 1 Wirtschaftskammergesetz 1998 sind alle physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger, die Unternehmungen des Gewerbes, des Handwerks, der Industrie, des Bergbaues, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs, des Nachrichtenverkehrs, des Rundfunks, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft sowie sonstiger Dienstleistungen rechtmäßig selbständig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind, Mitglieder der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen.

§ 2 Abs. 1 Z. 1 GSVG stellt somit bei der Pflichtversicherung ua. auf die Mitgliedschaft zur Wirtschaftskammer ab. § 2 Wirtschaftskammergesetz 1998 wiederum sieht eine Kammermitgliedschaft einerseits bei rechtmäßigem Ausüben einer bestimmten Tätigkeit oder bei der Berechtigung zur Ausübung dieser Tätigkeit vor, wobei die tatsächliche Ausübung dieser Tätigkeit diesfalls nicht gefordert wird. (Vgl. auch )

Wie unter Punkt 2 dargestellt, war der Bf im Streitzeitraum im Gewerberegister der Bezirkshauptmannschaft D erfasst; der Bf war daher zur Ausübung der dort erfassten Gewerbe berechtigt, damit gleichzeitig Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft und dementsprechend auch nach § 2 GSVG pflichtversichert. Der Bf fällt somit als nach § 2 GSVG Pflichtversicherter gemäß Art. 2 Abs. 1 VO 883/2004 unter den Anwendungsbereich dieser Verordnung.

Für die Definition des Begriffs „Familienangehörige“ im Sinne des Unionsrechtes ist gemäß Art. 1 lit i 1. i) VO 883/2004 § 2 Abs. 2 und 3 FLAG 1967 heranzuziehen (Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 53, Rz 92 und 102).

Die Ehegattin als Kindesmutter und die gemeinsamen Kinder fallen daher im Sinne des Art. 1 lit. i VO 883/2004 unter den persönlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung.

3.2 sachlicher Anwendungsbereich

Die vom Bf beantragte Familienbeihilfe (Differenzleistung) ist unter die Familienleistungen im Sinne des Art. 3 Abs. 1 lit. j VO 883/2004 zu subsumieren, daher ist diese Verordnung im gegenständlichen Fall auch sachlich anwendbar.

3.3 Prinzip der Zuständigkeit nur eines Mitgliedstaates:

Die VO 883/2004 ist vom Grundsatz getragen, dass Personen, für die sie gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates unterliegen (Art. 11 Abs. 1). (Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Rz 60 zu § 53)

Da eine Person im Anwendungsbereich der VO 883/2004 immer nur den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates unterliegt, ist festzustellen, welche Rechtsvorschriften im konkreten Fall anzuwenden sind. Die entsprechenden Regelungen finden sich in den Artikeln 11 bis 16. (Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Rz 45 zu § 53).

Bei den Familienleistungen ist im Regelfall für zwei Personen, für beide Elternteile, festzustellen, welchen Rechtsvorschriften jede Person unterliegt. (Csaszar in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Rz 46 zu § 53).

Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Frage, welcher Mitgliedstaat zuständig ist, ist der Beschäftigungsstaat. Subsidiär wird an den Wohnmitgliedstaat angeknüpft. (Pletzenauer in DrdA 2010, 443).

3.4 Wohnmitgliedstaat

Die VO 883/2004 definiert den Wohnmitgliedstaat nicht unmittelbar. Wohnmitgliedstaat ist jener Staat, in dem sich der Wohnort einer Person befindet. (, , ).

Nach Art. 1 lit. j VO 883/2004 bedeutet der Ausdruck „Wohnort“ den „gewöhnlichen Aufenthalt“ einer Person. Er hat damit eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung. Der Begriff bezeichnet den Ort, an welchem eine Person gewöhnlich wohnt und wo eine Person den gewöhnlichen Mittelpunkt ihrer Lebensführung bzw. ihrer Lebensinteressen hat. (, ).

Das dazu in Art. 11 Abs. 1 DVO 987/2009 genannte Kriterium "Mittelpunkt der Interessen einer Person" und die angeführten "Fakten" entsprechen im Wesentlichen dem "Mittelpunkt der Lebensinteresse" im Sinne des § 2 Abs. 8 FLAG 1967. (Vgl. ). 

§ 2 Abs. 8 FLAG 1967 sieht den Mittelpunkt der Lebensinteressen als in dem Staat gelegen an, zu dem die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen ().

Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben.  (, , ).

Eine Person kann zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben. (Vgl. ).

Hinsichtlich des Begriffes "Wohnsitz" findet sich in § 26 BAO eine Legaldefinition. Einen Wohnsitz hat gemäß § 26 Abs. 1 BAO jemand dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.

Aufgrund der Tatsache (vgl. Pkt. 2), dass der Bf ebenso wie die Ehegattin in U geboren ist und dass der Bf bei Einreichung der Einkommensteuererklärungen 2011 bis 2014 stets als Wohnadresse die abc, Ungarn, bekanntgab, und aufgrund der Bescheinigung der ungarischen Behörde in E 401 vom wird in freier Beweiswürdigung davon ausgegangen, dass der Bf im gesamten Streitzeitraum jedenfalls über einen Wohnsitz unter der Adresse abc, Ungarn, verfügte.

In Österreich hatte d er Bf von bis , also während der ua. zu beurteilenden Monate 02/2012 bis 09/2013, lediglich einen Nebenwohnsitz gemeldet. Die Ehegattin des Bf sowie seine Kinder waren bis in Österreich überhaupt nicht gemeldet. Die Tochter AA besuchte von bis und die Kinder CC und BB vom bis den Straßenkindergarten in U, die Tochter AA besuchte weiters im Schuljahr 2012/13 die Schule in U,die Ehegattin übte von bis  eine berufliche Tätigkeit in Ungarn aus. Diese Tatsachen (vgl. Pkt. 2) sprechen zweifellos dafür, dass sich der Familienwohnsitz von 02/2012 bis einschließlich 09/2013 in abc, Ungarn, befand. In den Monaten 02/2012 bis 09/2013 hatten der Bf, seine Ehegattin und die gemeinsamen Kinder somit ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen bzw. den EU-rechtlichen Wohnort in Ungarn. Dieser mit Vorhalt vom dem Bf bekannt gegebenen Sachverhaltsannahme trat der Bf auch nicht entgegen. 

Erst in den ebenfalls zu beurteilenden Monaten 10/2013 bis 03/2014 waren der Bf und seine Ehegattin sowie die gemeinsamen Kinder mit einem Hauptwohnsitz in wxy, gemeldet; alle drei Kinder des Bf besuchten im Schuljahr 2013/14 die Volksschule Ö (vgl. Pkt. 2). Für die Monate 10/2013 bis 03/2014 ist somit unter Beachtung des § 26 Abs. 1 BAO zu prüfen, ob neben dem Wohnsitz in abc, Ungarn, auch ein Wohnsitz in Österreich gegeben war und falls ein Wohnsitz in Österreich bestand, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bf befand.  

Dazu ist festzuhalten, dass die polizeiliche Meldung für die Frage des Wohnsitzes nicht entscheidend ist. Zu prüfen ist vielmehr das "Innehaben" einer Wohnung. Unter dem "Innehaben" einer Wohnung ist die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit, über diese Wohnung zu verfügen, insbesondere sie für den Wohnbedarf jederzeit benützen zu können. (Vgl. VwGH 03.07.20013, 99/15/0104).

Im Hinblick darauf, dass in den  Monaten 10/2013 bis 03/2014  nicht nur der Bf, sondern auch seine Ehegattin und die gemeinsamen Kinder in def, gemeldet waren, forderte das Bundesfinanzgericht den Bf mit Vorhalt vom auf, den Mietvertrag über die Wohnung in def, einen Nachweis über die Bezahlung der vereinbarten Miete für die Monate 10/2013 bis 03/2014, einen Nachweis über die Stromabrechnung und die Bezahlung der Stromkosten sowie für eine vom Bf möglicherweise abgeschlossene Hausratsversicherung und einen Plan dieser Wohnung vorzulegen. Da der Bf keine der geforderten Unterlagen vorlegte, damit keinen Beweis über eine rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Nutzung einer Wohnung unter der Adresse def, erbrachte, muss das Bundesfinanzgericht davon ausgehen, dass der Bf und seine Ehegattin und die Kinder unter dieser Adresse über keinen Wohnsitz im Sinne des § 26 Abs. 1 BAO verfügte. 

Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, dass die Kinder des Bf im Schuljahr 2013/14 die Volksschule Ö besuchten, da die Fahrzeit zwischen dem Wohnort in abc, Ungarn, und dieser Schule lediglich rund 30 Minuten betrug. (vgl. Pkt. 2).

Der alleinige Wohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen  bzw. der EU-rechtliche Wohnort des Bf, seiner Ehegattin und der gemeinsamen Kinder befand sich somit - nicht nur in den Monaten 02/2012 bis 09/2013, sondern auch von 10/2013 bis 03/2014 - in abc, Ungarn.

Ungarn ist somit als Wohnmitgliedstaat des Bf, seiner Ehegattin und der gemeinsamen Kinder zu beurteilen.

3.5  Beschäftigungslandprinzip

Wie bereits festgehalten sind in der Regel gemäß Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004 die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates anzuwenden, also jenes Staates, in welchem eine selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, und zwar auch dann, wenn die Person im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt. Ergänzend werden in Art. 13 VO 883/2004 Regelungen für den Fall getroffen, dass eine Person in zwei oder mehreren Mitgliedstaaten eine Tätigkeit ausübt. Für die Bestimmung der anwendbaren Rechtsvorschriften ist danach auf den Ort der Ausübung der abhängigen Beschäftigung des Betreffenden bzw. seiner Tätigkeit als Selbständiger abzustellen.

Der „Ort der Ausübung“ einer Erwerbstätigkeit im Sinne der VO 883/2004 bestimmt sich nach dem Recht der Union. Bei der Auslegung des Begriffs „Ort der Ausübung“ der Tätigkeit als Begriff des Unionsrechtes ist zu beachten, dass Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, nach ständiger Rechtsprechung entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu bestimmen sind. Entsprechend ist mit dem Begriff „Ort der Ausübung“ einer Tätigkeit entsprechend seiner Grundbedeutung der Ort gemeint, wo der Betreffende die mit dieser Tätigkeit verbundenen Handlungen (überwiegend) konkret ausführt. (Vgl. , Partena).

Geht eine Person gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach, so kommt es nach Art. 13 Abs. 2 lit. a VO 883/2004 darauf an, welcher Staat der Wohnmitgliedstaat ist und ob dort ein wesentlicher Teil der Tätigkeit ausgeübt wird.

Nicht entscheidungswesentlich ist, ob die Person  nach österreichischem Steuerrecht über eine Betriebsstätte in Österreich verfügt. (Vgl. , ).

Im gegenständlichen Fall springt sogleich ins Auge, dass der Bf unwidersprochen als Automechaniker einen mobilen Reifenservice betrieb, wofür auch der in den Rechnungen vielfach angegebene Leistungsgegenstand "Montage und Wuchten von Reifen" spricht. (Vgl. Pkt. 2 Sachverhaltsdarstellung).

Das Charakteristikum eines mobilen Reifenservices besteht nach allgemeiner Lebenserfahrung darin, dass der Kunde nicht eine Autowerkstatt aufsuchen muss, sondern der Automechaniker mit seiner Ausrüstung in einem dafür geeigneten Kraftfahrzeug direkt zum Kunden kommt bzw an einem vom Kunden gewählten Ort die erforderlichen Arbeiten durchführt.

Es ist somit im gegenständlichen Fall für die Bestimmung der auf den Bf anwendbaren Rechtsvorschriften der Ort der Ausübung seiner Tätigkeit im Rahmen des mobilen Reifenservice zu prüfen.

Aus diesem Grund forderte das Bundesfinanzgericht den Bf im Vorhalt vom  auf, für die Jahre 2012 und 2013 eine genaue Aufstellung, an welchem Ort welche Leistungen im Einzelnen erbracht wurden, vorzulegen. Dieser Aufforderung ist der Bf nicht nachgekommen.

Dem Bundesfinanzgericht stehen allerdings die vom Bf für die Jahre 2012 und 2013 erstellten Kundenlisten sowie Ablichtungen der im Jahr 2012 und 2013 vom Bf ausgestellten Rechnungen zur Klärung der Frage, wo die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt wurde, zur Verfügung. Betrachtete man die vom Bf für die Jahre 2012 vorgelegten Kundenliste, so fällt auf, dass im Jahr 2012 auf der vom Bf erstellten Kundenliste 20 Kunden mit ungarischer Adresse (11 Personen mit dem Zusatz Kft (= GmbH), sowie O, P, Q und R, S, T, V, W und Z) und 10 Personen mit österreichischer Adresse stehen, dh dass ein weitaus überwiegender Teil der Kunden eine ungarische Adresse aufweisen. Auch auf der  für das Jahr 2013 vorgelegten Kundenliste finden sich lediglich 5 österreichische Kunden, bei einem Großteil der ebenfalls vorliegenden Rechnungen wird beim Kunden eine ungarische Adresse angeführt.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass Kunden mit ungarischer Anschrift die Leistungen des Bf als Automechaniker im Rahmen seines mobilen Reifenservice in Ungarn in Anspruch genommen haben.

Zu den österreichischen Kunden ist festzuhalten, dass 9 zu der vom Bf bezogenen Leistung und dem Ort der Leistung befragt wurden. 4 Personen verneinten den Bezug von Leistungen, eine Person bestätigte den Bezug von Leistungen, 4 gaben keine Antwort (vgl. Pkt. 2). Auch wenn 4 Personen den Bezug von Leistungen verneinten, kann im Hinblick darauf, dass eine Person die Erbringung von Leistungen bestätigte und die anderen sich verschwiegen, nicht zur Gänze ausgeschlossen werden, dass der Bf auch in Österreich Leistungen erbrachte bzw. Tätigkeiten ausübte.

Der Bf übte jedenfalls seine gewerbliche Tätigkeit als Automechaniker im Rahmen seines mobilen Reifenservice nicht nur in Österreich, sondern vor allem in Ungarn aus. Zur Klärung der Frage, welche Rechtsvorschriften im Falle des Bf anzuwenden sind, ist somit Art. 13 Abs. 2 VO 882/2004 zu beachten. 

Im Hinblick darauf, dass Ungarn der Wohnmitgliedstaat des Bf ist (vgl. Pkt 3.4), bleibt nach Art. 13 Abs. 2 lit. a VO 883/2004 zu prüfen, ob der wesentliche Teil der Tätigkeit in Ungarn ausgeübt wird.

Nach Art. 14 Abs. 8 DVO 987/2009 bedeutet die Ausübung "eines wesentlichen Teils der Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit" in einem Mitgliedstaat, dass der Arbeitnehmer oder Selbständige dort einen quantitativ erheblichen Teil seiner Tätigkeit ausübt, was aber nicht notwendigerweise der größte Teil seiner Tätigkeit sein muss. Um festzustellen, ob ein wesentlicher Teil der selbständigen Erwerbstätigkeit in einem Mitgliedstaat ausgeübt wird, werden folgende Orientierungskriterien herangezogen: der Umsatz, die  Anzahl der erbrachten Dienstleistungen und/oder das Einkommen. Wird im Rahmen einer Gesamtbewertung bei den genannten Kriterien ein Anteil von weniger als 25% erreicht, so ist dies ein Anzeichen dafür, dass ein wesentlicher Teil der Tätigkeit nicht in dem entsprechenden Mitgliedstaat ausgeübt wird. 

Wie bereits ausgeführt, hatten im gegenständlichen Fall die überwiegende Anzahl von Kunden des Bf - wie dem Bf auch vorgehalten wurde - eine ungarische Anschrift und ist daher davon auszugehen, dass die konkreten Leistungen des Bf im Rahmen seines mobilen Reifenservices tatsächlich überwiegend in Ungarn erbracht und dementsprechend auch die in Österreich erklärten Betriebseinnahmen bzw. die Umsätze überwiegend in Ungarn erwirtschaftet wurden. Die vom Bf vorgelegten Kundenlisten und Rechnungen sprechen eindeutig dafür, dass der Bf seine selbständige Erwerbstätigkeit in Form eines mobilen Reifendienstes - soweit er diese als Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Österreich erklärt hat - zumindest - wie nach Art. 14 Abs. 8 DVO 987/2004 gefordert - im Ausmaß von 25% tatsächlich in Ungarn ausübte.

Der Bf übte somit in den Jahren 2012 und 2013 einen wesentlichen Teil der selbständigen Erwerbstätigkeit, die Gegenstand der in Österreich für die Jahre 2013 und 2013 erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb war, in Ungarn aus. Im Jahr 2014 erzielte er laut der eingereichten Einkommensteuererklärung 2014 keine Einnahmen. Hinweise darauf, dass der Bf im Streitzeitraum einer zusätzlichen selbständigen Erwerbstätigkeit oder einer Beschäftigung in Österreich nachging, bestehen nicht. Da Ungarn in den Monaten 02/2012 bis 03/2014 nicht nur der Wohnmitgliedstaat des Bf war, sondern die in Österreich deklarierte selbständige Tätigkeit zu einem wesentlichen Teil im Sinne des Art. 13 VO 883/2004 und Art. 14 Abs. 8 DVO 987/2009 in Ungarn ausübte und keine zusätzlichen Tätigkeiten in Österreich feststellbar sind, unterlag der Bf in diesem Streitzeitraum den Rechtsvorschriften Ungarns. Ungarn ist somit der Beschäftigungsstaat.

Österreich war in den Monaten 02/2012 bis 03/2014 weder Wohnmitgliedstaat des Bf noch nach Art. 13 VO 883/2004 und Art. 14 Abs. 8 DVO 987/2009 Beschäftigungsstaat des Bf, der Bf unterlag während dieser Zeit nicht den österreichischen Rechtsvorschriften. Somit hatte der Bf in den Monaten 02/2012 bis 03/2014 auch keinen Anspruch auf Gewährung Familienbeihilfe bzw. der Differenz- oder Ausgleichzahlung in Österreich.

Angemerkt wird, dass Wohnmitgliedstaat der Ehegattin des Bf ebenfalls Ungarn war. Die Ehegattin ging erstmals seit in Österreich einer Beschäftigung nach. Hinweise auf eine selbständige Erwerbstätigkeit der Ehegattin in Österreich während des Zeitraumes 02/2012 bis 03/2014 bestehen nicht, insbesondere wurde von ihr keine diesbezügliche Steuererklärung in Österreich für die Jahre 2012 bis 2014 abgegeben. In den zu beurteilenden Monaten 02/2012 bis 05/2013 war die Ehegattin in Ungarn beschäftigt. (Vgl. Pkt. 2)

In den Monaten 02/2012 bis 05/2013 waren somit auf die Ehegattin des Bf wegen ihrer Beschäftigung in Ungarn nach Art. 11 Abs. 3 lit. a VO 883/2004 und in den Monaten 06/2013 bis 03/2014 wegen ihres Wohnorts in Ungarn nach Art. 11 Abs. 3 lit. e VO 883/2004 ebenfalls die ungarischen Vorschriften anzuwenden; hinsichtlich des Monats 03/2014 wird auf Art. 59 DVO 987/2009 hingewiesen .

Die Prioritätsregeln des Art. 68 VO 883/2004 waren demnach nicht anwendbar, da es zu keiner Kollision von kam. Es fehlt an einer Sekundärzuständigkeit Österreichs.

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

4 Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, das nicht über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abzusprechen war und Feststellungen auf der Sachverhaltsebene grundsätzlich keiner Revision zugänglich sind.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Art. 11 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Art. 13 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.7104109.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at