Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.11.2019, RV/2100216/2018

Keine Vorsteuererstattung für nur aufgrund der Inrechnungstellung und nicht aufgrund der Leistung geschuldete Umsatzsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache BF, über die Beschwerde vom  gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Graz-Stadt vom , betreffend Umsatzsteuer (Vorsteuererstattung 1-12/2016) zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (BF) ist ein Unternehmer aus Deutschland, der mit (gebrauchten) Kraftwagen handelt.

Am kaufte er von einem österreichischen Unternehmer, einer Spenglerei und Dachdeckerei, einen durch einen Unfall beschädigten Mercedes der M-Klasse (Baujahr 2013), also offensichtlich einen SUV, den er am gleichen Tag abholte.
Diesen Wagen bezahlte der BF am bar (12.500 Euro brutto), holte ihn in Österreich ab und brachte ihn nach Deutschland. Von dort verkaufte der BF den Wagen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach Litauen, Rechnung und Selbstabholung vom (Rechnungsbetrag 12.500 Euro steuerfrei, litauische UID in der Rechnung ausgewiesen).

Für die (Erst)Lieferung des Fahrzeuges stellte der österreichische Unternehmer dem BF mit Rechnung vom 20 % Umsatzsteuer in Rechnung (2.083,33 Euro).

Diese Vorsteuer beantragte der BF im Vorsteuererstattungsverfahren für das Jahr 2016, gab als abziehbaren Vorsteuerbetrag aber fälschlicherweise den Bruttobetrag der Rechnung (12.500 Euro) an.
Aufgrund dieses Fehlers wurde der Erstattungsantrag im Ergebnis abgewiesen.

In der Beschwerde räumte der BF den Fehler ein und beantragte nunmehr nicht mehr den Bruttobetrag als Vorsteuer sondern die 20 %ige Umsatzsteuer.

Weiterer Verfahrensverlauf:

Nach einem Vorhalteverfahren wurde die Beschwerde des BF abgewiesen mit dem Hinweis darauf, dass für fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge sowie für innergemeinschaftliche Lieferungen, die steuerfrei sind oder von der Steuer befreit werden können, kein Vorsteuerabzug zustehe. Im Übrigen seien die Vorgänge um den Verkauf des Fahrzeuges als dubios einzustufen.

Mit dem Vorlageantrag wurden der Ankaufsvertrag und die dazugehörige Rechnung vorgelegt. Weiters die Verkaufsrechnung mit der UID-Nummer-Bestätigung des Bundeszentralamtes für Steuern bezüglich des Käufers in Litauen. Für die Annahme, es handle sich um ein dubioses Geschäft, gäbe es keinerlei Anhaltspunkte.
Ferner schulde der österreichische Verkäufer die Umsatzsteuer nicht nur aufgrund der Rechnung, sondern aufgrund der Leistung „Verkauf eines PKW“.
Es könne nicht sein, dass Österreich einseitig das Erstattungsverfahren verweigere, wenn alle erforderlichen Voraussetzungen vorlägen. Dieses sei ja gerade für den Fall eingeführt, dass der Verkäufer mit der Durchführung einer Nettolieferung überfordert sei, bzw. die Prüfung des Sachverhaltes lieber seiner zuständigen Behörde überlassen wolle. 

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Aktenlage, insbesondere aus den vorgelegten Dokumenten zum Fahrzeugankauf und dessen Weiterverkauf.

Rechtslage / Erwägungen

Nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gelten als nicht für das Unternehmen ausgeführt Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80 % dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung die Begriffe Personenkraftwagen und Kombinationskraftwagen näher bestimmen. Die Verordnung kann mit Wirkung ab erlassen werden (vgl. Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die steuerliche Einstufung von Fahrzeugen als Kleinlastkraftwagen und Kleinbusse, BGBl. II Nr. 193/2002).

Zu den Fahrzeugtypen, die vom Bundesministerium für Finanzen als vorsteuerabzugsberechtigte Kleinlastkraftwagen, Kastenwagen, Pritschenwagen und Kleinbusse bzw. Klein-Autobusse gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 273/1996 und der Verordnung BGBl II Nr.193/2002 eingestuft wurden, gehört das beschwerdegegenständliche Fahrzeug Mercedes Benz ML-350 nicht. Es findet sich nicht in der Liste der vorsteuerabzugsberechtigten Fahrzeuge.
Es ist somit davon auszugehen, dass die Lieferung dieses Fahrzeugs als nicht für das Unternehmen des Erstverkäufers angeschafft galt, und war ein Vorsteuerabzug aus diesem Ankauf nicht möglich.

Folglich ist die Veräußerung des Fahrzeuges an den BF – da kein Vorsteuerabzug möglich war – nach Art 136 lit. b MwSt-RL von der Umsatzsteuer zu befreien (so auch die Rsp des VwGH: , ​ 2006/15/0127, der eine Befreiung nach § 6 Abs 1 Z 26 annimmt; vgl. bereits Haunold/Tumpel/Widhalm, ​SWI 1997, 420 unter Verweis auf das „Kommission/Italien“).
Liegen auch die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vor, geht die unechte Steuerbefreiung vor ( „Eurodental“). Die (unecht) steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung führt zu einem innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland, für den der Abnehmer nach den im Bestimmungsland geltenden Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 12 Tz 184).

Die Umsatzsteuer aus der Rechnung an die BF ist somit nicht aufgrund der Leistung (unecht befreite Lieferung eines ohne Vorsteuerabzug angeschafften, gebrauchten Fahrzeuges) sondern aufgrund der Rechnung geschuldet.

In richtlinienkonformer Interpretation ist aber davon auszugehen, dass sich der Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer erstreckt, die deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist ( und unter Hinweis auf , "Genius Holding"; , Rn 25: dies gilt auch für die Fälle der Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer).
Dies deshalb, weil die Steuerschuld auf Grund der Rechnung nach § 11 Abs. 12 UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug führt (, vgl. und die dort zitierte Judikatur sowie ).

Zum selben Ergebnis (keine Vorsteuererstattungsmöglichkeit aus der beschwerdegegenständlichen Rechnung) käme man beim Vorliegen einer echt steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung (igL).

Nach Art. 6 Abs. 1 UStG 1988 sind steuerfrei die innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7).
Art. 7 UStG 1988 Innergemeinschaftliche Lieferungen
Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, ... ...
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar (Art. 7 Abs. 1 UStG 1994).

Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach dem UStG für den Umsatz nicht schuldet, gesondert ausgewiesen, so schuldet er diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt (§ 11 Abs. 12 UStG 1994).

Gemäß § 12 Abs. 1 UStG 1994 kann der Unternehmer Vorsteuerbeträge abziehen, die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

Die (EU-Vorsteuererstattungs-)Richtlinie gilt nicht für:
a) nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates der Erstattung fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge;
b) in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen von Gegenständen, die gemäß Artikel 138 oder Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer befreit sind oder befreit werden können (Artikel 4 der RL des Rates vom , RL 2008/9/EG; vgl. dazu auch , Rn 20).

Es ist den Ausführungen des Finanzamtes im Ergebnis und in richtlinienkonformer Interpretation zuzustimmen, dass die Vorsteuererstattungsverordnung VO Nr. 279/1995 idgF nicht anwendbar ist auf Lieferungen von Gegenständen, die von der Steuer befreit sind oder nach Art. 6 iVm Art. 7 UStG 1994 befreit werden können, wenn die gelieferten Gegenstände vom Erwerber im Zuge einer igL abgeholt werden (Art. 171 Abs. 3 MwSt-RL 2006/112/EG iVm der 8. und der 13.RL bzw. Art. 4 RL 2008/9/EG mit Wirksamkeit ab ).

Für fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge sowie für in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für innergemeinschaftliche Lieferungen (igL), die steuerfrei sind oder von der Steuer befreit werden können, kommt das Erstattungsverfahren grundsätzlich nicht zur Anwendung.

Das bedeutet, dass bei igL, bei denen der Abnehmer die Waren abholt und in einen anderen Mitgliedstaat bringt (wie im beschwerdegegenständlichen Fall), eine Erstattung von diesbezüglich in Rechnung gestellter Umsatzsteuer nicht vorgenommen werden kann, wenn die Lieferung tatsächlich steuerfrei ist oder steuerfrei sein könnte.

Hier ist demnach zu prüfen, ob trotz der Inrechnungstellung der Umsatzsteuer die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nach Art. 7 UStG 1994 vorliegen oder nachträglich erbracht werden können.

Insofern ist auch ein strenger Maßstab im Vorsteuererstattungsverfahren anzulegen, da eine allfällige Berichtigung der vorgelegten Rechnung bedeuten würde, dass die Umsatzsteuer doppelt erstattet wird.

Zudem hat es der Unternehmer zum Zeitpunkt des Einkaufs in der Hand, durch Auftreten unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer offenzulegen, dass er den Gegenstand für Zwecke seines Unternehmens erwirbt. Durch Aufnahme der igL in die Zusammenfassende Meldung seitens des Lieferers wird der Vorgang auch entsprechend im MIAS (Mehrwertsteuerinformationsaustauschsystem) erfasst und der entsprechende innergemeinschaftliche Erwerb im Unternehmensstaat sichergestellt. Bei solcherart gelagerten Fällen muss sich daher der Leistungsempfänger zunächst um eine Rechnungsberichtigung beim Rechnungsaussteller bemühen (vgl. Melhardt, ÖStZ 2009, 331), da ansonsten die Gefahr besteht, dass sowohl die Rechnung nachträglich berichtigt und die Vorsteuer (ein weiteres Mal) im Vorsteuererstattungsverfahren vergütet wird (vgl. auch Endfellner, AFS 2019, 102).

Grundsätzlich kann daher lediglich eine Korrektur der Rechnung zur Entlastung des BF führen.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise







Art. 4 RL 2008/9/EG, ABl. Nr. L 44 vom S. 23
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.2100216.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at