Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.11.2019, RV/5100903/2015

Haftung gemäß § 14 BAO für Umsatzsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache BF, vertreten durch Stb, über die Beschwerde vom gegen den Haftungbescheid der belangten Behörde FA vom , Steuernummer 52-StNr2, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird hinsichtlich der Haftung für Abgabenschuldigkeiten der Firma V GmbH in Zusammenhang mit der Umsatzsteuer 2011 und der Umsatzsteuervorauszahlungen 04/2011 und 06/2011 stattgegeben, hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlung 02/2012 in Höhe von 12.843,97 € wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Ablauf des bisherigen Verwaltungsgeschehens und Parteienvorbringen:
Am schlossen die Beschwerdeführerin, die Firma BF GmbH, als Käuferin und die Firma V GmbH als Verkäuferin einen Unternehmenskaufvertrag ab. Kaufgegenstand waren die im Vertrag beschriebenen und zum Geschäftsbetrieb der Unternehmen gehörenden und erforderlichen Rechte, Wirtschaftsgüter, immaterielle Vermögenswerte, Dienstnehmer und Verbindlichkeiten, welche in den Beilagen zum Kaufvertrag angeführt sind. Laut Punkt 3.1 des Kaufvertrages sollten die Unternehmen der Verkäuferinnen rechtlich und wirtschaftlich am auf die Käuferin übergehen Dem Kaufvertrag ist ein entsprechender Vorvertrag (Vereinbarung) vom vorausgegangen. Aktenkundig ist ferner ein Nachtrag vom zum Unternehmenskaufvertrag vom , in dem festgehalten wurde, dass die Umsatzsteuer seitens der Käuferin spätestens bis auf das genannte Anderkonto des Schriftenverfassers zur Anweisung zu bringen sei bzw. sei bis spätestens der entsprechende Umsatzsteuerbetrag durch die Vertragsparteien zu überrechnen. Weiters wurde geregelt, dass 60.000,-- € des Kaufpreises an das Finanzamt zu überweisen seien und zwar je zur Hälfte zur Tilgung der Verbindlichkeiten der V GmbH und der VK GmbH.

Laut Beschluss des Landesgerichtes LG vom wurde über das Vermögen der Firma V GmbH mangels kostendeckenden Vermögens ein Insolvenzverfahren nicht eröffnet. Der Schuldner ist zahlungsunfähig.

In Beantwortung eines Ergänzungsvorhaltes des Finanzamtes gab der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom bekannt, dass im Zuge der Kaufvertragserrichtung (Vorvertrag vom , Hauptvertrag vom ) von der Beschwerdeführerin unter Beiziehung der steuerlichen Vertretung der Verkäuferin die unternehmensbezogenen Steuerlasten der Verkäuferin über Einsichtnahme in die Bücher der Verkäuferin ermittelt und anhand einer aktuellen Saldenliste, die dem Kaufvertrag beiliegen würde, bestätigt worden seien. Seitens des Geschäftsführers sei mehrmals beteuert worden, alle Schulden lückenlos offengelegt zu haben. Die Verkäuferinnen hätten außerdem im Kaufvertrag ausdrücklich bestätigt, dass die Beiträge stichtagsbezogen der Höhe nach richtig seien und keine weiteren Verbindlichkeiten bestehen würden. Darüber hinaus sei eine Korrespondenz mit dem zuständigen Finanzamt über die offenen Abgabenforderungen erfolgt. Das Finanzamt habe mit Brief vom bekanntgegeben, dass zur Steuernummer StrNr1 41.651,75 € und zur Steuernummer StNr2 54.682,75 € aushaften würden. Den Informationen der Beschwerdeführerin nach seien diese Beträge entrichtet worden. Die Korrespondenz mit dem Finanzamt habe der Kaufvertragserrichter, Dr. RA, geführt, der auch als Treuhänder für die Begleichung der Rückstände verantwortlich gewesen sei. Seine Stellungnahme sei im Brief vom enthalten, der nochmals beigelegt werde. Dr. RA werde in diesem Zusammenhang als Zeuge benannt.
In einem Nachtrag zum Kaufvertrag sei ausdrücklich festgehalten worden, dass die Forderungen des Finanzamtes abzudecken seien. Dies sei zusätzlich auch in einem Nachtrag zum gleichzeitig abgeschlossenen Liegenschaftsverkaufvertrag vereinbart worden, um definitiv alle Finanzamtschulden begleichen zu können.
Aus Sorgfaltsgründen sei auch die aus den Verkäufen geschuldete Umsatzsteuer nicht an die Verkäuferinnen überwiesen worden, sondern am Fälligkeitstag vom Abgabenkonto der Erwerberin auf die Abgabenkonten der Verkäuferinnen überrechnet worden.
Als sich herausgestellt habe, dass die Verkaufserlöse nicht ausreichen würden, um alle Schulden zu tilgen, habe sich die Beschwerdeführerin mit (beiliegender) Vereinbarung vom freiwillig bereit erklärt, 45.000,00 € zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen, damit alle Schulden der Verkäuferinnen getilgt werden könnten.
Die auf der Steuernummer StNr3 offene Umsatzsteuer 04/2012 stamme aus der Rückgabe von Neuwagen der Marke Citroen und der damit verbundenen Rückzahlungspflicht der beim Erwerb von der A GmbH geltend gemachten Vorsteuerbeträgen. Der Erwerb der Fahrzeuge von der A GmbH wäre aus markenrechtlichen Gründen nicht möglich. Dies sei auch im Punkt 1.3 des Kaufvertrages ausdrücklich so geregelt worden. Die entsprechenden Gutschriften seitens Citroen an die VK GmbH sei mit Datum erfolgt, die Inrechnungstellung an die Beschwerdeführerin mit demselben Datum. Die Umsatzsteuerschuld aus den Gutschriften sei gemäß § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG mit Ablauf des Kalendermonats April 2012 und somit nach der Übereignung des Unternehmens erfolgt. Deshalb sei nach Punkt 7.2.1. des Erlasses des AÖF 2006/186, dieser Abgabenbetrag von der Erwerberhaftung gar nicht mehr umfasst.
Diese Tatsachen würden zeigen, dass die Beschwerdeführerin besondere Sorgfalt aufgewendet habe, um alle Abgabenschulden der Verkäuferinnen zu eruieren, und sie deshalb eine Haftung nach § 14 BAO nicht treffen würde.

Mit Bescheid vom machte das Finanzamt die Haftung gemäß § 14 BAO gegenüber der Beschwerdeführerin, der Firma BF GmbH, als Betriebserwerberin für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der Firma V GmbH iHv 23.457,85 € geltend. Die Abgaben wurden wie folgt aufgeschlüsselt:


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Abgabenart
Zeitraum
Höhe in Euro
Umsatzsteuer
2/2012
12.843,97
Umsatzsteuer
4/2012
2.769,57
Umsatzsteuer
2011
4.415,73
Umsatzsteuer
6/2012
3.428,58
Summe
 
23.457,85

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin von der Primärschuldnerin ein lebensfähiges Unternehmen erworben habe (Kaufvertrag vom ). Bei der Primärschuldnerin habe das Finanzamt ohne ausreichenden Erfolg Einbringungsmaßnahmen für die oben angeführten Abgabenschuldigkeiten durchgeführt. Nach Wiedergabe des Gesetzestextes des § 14 BAO und des Vorbringens im Schreiben vom sowie nach dem Zitat des Punktes 7.2.1. § 14 Abs. 1 lit. a BAO des Erlasses des BMF-010103/0050-VI/2006, gültig ab , wies das Finanzamt darauf hin, dass aus der Vorhaltsbeantwortung ersichtlich sei, dass zwar der Abgabenanspruch für die Umsatzsteuer 4/12 und die Umsatzsteuer 6/12 nach dem Verkauf des Unternehmens entstanden sei, der diese Umsatzsteuern auslösende Sachverhalt jedoch vor der Übereignung des Unternehmens liege. Zum Punkt "Kennen-Müssen" durch den Erwerber werde festgehalten, dass mit dem Veräußerer die zu erwartende Abgabenschuld besprochen worden und daher bekannt gewesen sei. Dies werde auch dadurch dokumentiert, dass für derartige Verbindlichkeiten dadurch Vorsorge getragen worden sei, dass ein Betrag von 45.000,00 € zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis an den Veräußerer gezahlt worden sei.
In Zusammenhang mit dem Ermessen wies das Finanzamt darauf hin, dass § 14 BAO dem Zweck diene, die im Unternehmen als solchem liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich gründende Abgabenschuld durch Übergang des Unternehmend nicht verloren gehen zu lassen. Das Ermessen werde im Sinne des Gesetzes geübt, wenn die Abgabenbehörde eine Haftung in Anspruch nehme, weil sie die Abgabenschuld nicht ohne Gefährdung oder nicht ohne Schwierigkeit rasch einbringen könne. Über die Primärschuldnerin sei mit Beschluss des Landesgerichtes LG vom ein Insolvenzverfahren mangels Kostendeckung nicht eröffnet worden. Die Abgabenschuldigkeiten seien daher dort uneinbringlich.

Mit Schriftsatz vom brachte der ausgewiesene steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom ein und führte im Wesentlichen aus, dass folgende Maßnahmen getroffen worden seien, um die Erwerberhaftung des § 14 BAO auszuschließen:
Im Zuge der Kaufvertragserrichtung (Vorvertrag vom , Hauptvertrag vom ) seien von der Erwerberin (Beschwerdeführerin) unter Beiziehung der steuerlichen Vertretung der Verkäuferin die unternehmensbezogenen Steuerlasten der Verkäuferin über Einsichtnahme in die Bücher der Verkäuferin ermittelt und anhand einer aktuellen Saldenliste bestätigt worden. Der Geschäftsführer der Verkäuferin sei mehrfach zu den Schulden der Verkäuferin befragt worden. Er habe jedes Mal bestätigt, dass alle Schulden lückenlos offengelegt worden seien. Außerdem habe die Verkäuferin im Kaufvertrag ausdrücklich bestätigt, dass die Beträge stichtagsbezogen der Höhe nach richtig seien und keine weiteren Verbindlichkeiten bestehen würden.
Darüber hinaus sei eine Korrespondenz mit dem Finanzamt bezüglich der offenen Abgabenverbindlichkeiten erfolgt. Das Finanzamt habe mit Brief vom bekanntgegeben, dass zur Steuernummer StNr2 54.682,75 € aushaften würden. Diese Beträge seien auch entrichtet worden. Diese Korrespondenz mit dem Finanzamt habe der Kaufvertragserrichter, Herr Dr. RA, geführt, der in diesem Zusammenhang zum Zeugen ernannt werde.
In einem Nachtrag zum Unternehmenskaufvertrag sei ausdrücklich festgehalten worden, dass die Forderungen des Finanzamtes abzudecken seien. Dies sei zusätzlich auch in einem Nachtrag zum gleichzeitig abgeschlossenen Liegenschaftskaufvertrag ausdrücklich vereinbart worden, um definitiv alle Finanzamtsschulden begleichen zu können. Aus Sorgfaltsgründen sei auch die aus dem Verkauf geschuldete Umsatzsteuer nicht an die Verkäuferin überwiesen worden, sondern am Fälligkeitstag vom Abgabenkonto der Beschwerdeführerin auf das Abgabenkonto der Verkäuferin überrechnet worden. Als sich herausgestellt habe, dass die Verkaufserlöse nicht ausreichen würden, um alle Schulden zu tilgen, habe sich die Beschwerdeführerin mit Vereinbarung vom freiwillig bereit erklärt, 45.000,00 € zusätzlich zum vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen, damit alle Schulden der Verkäuferin beglichen werden könnten. Die Umsatzsteuerschulden 4/2012 und 6/2012 seien gemäß § 19 Abs. 2 Z 1 lit. a UStG mit Ablauf des Kalendermonates April bzw. Juni 2012 und somit nach der Übereignung des Unternehmens entstanden. Deshalb sei nach Punkt 7.2.1. des Erlasses des AÖF 2006/186, dieser Abgabenbetrag von der Erwerberhaftung nicht mehr erfasst. Die o.a. Tatsachen würden zeigen, dass die Erwerberin besondere Sorgfalt aufgewendet hat, um alle Abgabenschulden der Verkäuferin zu eruieren, weshalb sie eine Haftung nach § 14 BAO nicht treffen würde. Der beiliegende Umsatzsteuerbescheid 2012 vom der VK GmbH zeige außerdem, dass für 2012 keine Abgabennachforderung sondern eine Abgabengutschrift entstehe.
Es werde daher höflich ersucht, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Außerdem werde die Entscheidung durch den Senat und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Haftungsschuld um 10 % auf den Betrag von 21.110,00 € eingeschränkt, im Übrigen die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde ausgeführt, dass wie bereits im Haftungsbescheid ausgeführt worden sei, durch die angeführten Maßnahmen dokumentiert werde, dass sehr wohl über die Abgabenrückstände bei der Primärschuldnerin Erkundigungen eingezogen und sogar im Nachhinein Beträge überwiesen worden seien, die diese abdecken sollten (Vereinbarung vom ). Wieso diese Beträge nicht dafür verwendet worden seien, sei für die Beurteilung nach § 14 BAO nicht relevant, sondern durch die Vertragsparteien zu regeln. Unregelmäßigkeiten betreffend Vereinbarungen in den Verträgen und Zusatzverträgen zwischen Veräußerer und Erwerber seien in zivilrechtlichen Verfahren abzuklären. Der § 14 BAO spreche lediglich darüber ab, dass die geltend gemachten Abgabenrückstände dem Erwerber bekannt sein müssten.
In Zusammenhang mit den weiteren Beschwerdeausführungen wies das Finanzamt darauf hin, dass die Haftung gemäß § 14 Abs. 1 lit. a BAO nur für Abgabenansprüche bestehe, die dadurch entstehen könnten, dass der Inhaber durch seine betriebliche Tätigkeit den materiellrechtlichen, die Abgabenpflicht auslösenden Tatbestand verwirkliche (). Sie umfasse bei der Umsatzsteuer auch die auf die Geschäftsveräußerung im Sinn des § 4 Abs. 7 UStG 1994 entfallende Steuer (. 89/15/0141; ) sowie die durch die Veräußerung ausgelöste Vorsteuerberichtigung (; ). Zeitlich beschränkt sei die Haftung für die unter § 14 Abs. 1 lit. a BAO fallenden Abgaben auf solche, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Diesbezüglich sei auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches (§ 4 BAO) abzustellen (). Die zweite zeitliche Schranke stelle der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung dar. Es bestehe keine Haftung des Erwerbers für Abgabenansprüche, hinsichtlich derer der Tatbestand nach der Übereignung verwirklicht wurde.
Das Umsatzsteuergesetz fasse die der Umsatzsteuer unterliegenden Vorgänge allein aus praktischen und rechtstechnischen Erwägungen zusammen und verknüpfe das Entstehen der Steuerschuld mit dem Ende eines bestimmten Zeitraumes. Auf den solcherart Zufälligkeiten des Einzelfalles unterworfenen Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld abzustellen, würde dem der Haftungsbestimmung zugrundeliegenden Sicherungsgedanken widersprechen und zu einem dem Sinn der Haftung nicht entsprechenden Haftungsvakuum führen.
Unrichtige Abgabenfestsetzungen hätten entweder im Abgabenfestsetzungsverfahren berichtigt oder im Rechtsmittelverfahren bekämpft werden müssen oder im Haftungsverfahren (vgl. Rechtsmittelbelehrung im Haftungsbescheid).
Nach Zitat des Gesetzestextes des § 21 UStG wies das Finanzamt schließlich darauf hin, dass durch die Zusammenfassung der monatlichen Voranmeldungen, Um-/ und Nachbuchungen am Jahresende der Jahresbescheid zu einem abweichenden Ergebnis der vorangemeldeten Beträge führen könne. Unstimmigkeiten betreffend der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung im Umsatzsteuerbescheid 2012 hätten innerhalb der gesetzlichen Rechtsmittelfrist mittels Beschwerde geltend gemacht werden können oder auch im Haftungsverfahren mittels Beschwerde nach § 245 BAO.
Insgesamt gesehen würden somit die tatbestandsgemäßen Voraussetzungen für die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung gemäß § 14 Abs. 1 lit. a BAO vorliegen.
In Zusammenhang mit dem Ermessen werde ergänzt, dass im Zuge des Insolvenzverfahrens gegen die Primärschuldnerin ein Haftungsverfahren gemäß § 9 BAO gegen den Geschäftsführer geführt werde. Es werde beabsichtigt, ein Schuldenregulierungsverfahren (zu erwartende Quote 10 %) durchzuführen. Daher werde der im Haftungsbescheid vom geltend gemachte Betrag um 10 % vermindert.

Im Vorlageantrag vom wurde kein weiteres Vorbringen erstattet.

Mit Bericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor.

Am wurde seitens des Bundesfinanzgerichtes folgendes Schreiben an die Beschwerdeführerin gerichtet:
"M it Haftungsbescheid vom wurde die Beschwerdeführerin für Abgabenschuldigkeiten der Firma V GmbH im Ausmaß von 23.457,85 € zur Haftung herangezogen. Die Haftungsschuld setzt sich wie folgt zusammen:


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Abgabenart
Betrag in €
davon dzt im Rückstand
USt 2/2012
12.843,97
12.449,73
USt 4/2012
2.769,57
2.769,57
USt 6/2012
3.428,58
3.428,58
USt 2011
4.415,73
4.415,73

Zum zeitlichen Umfang der Haftung ist darauf hinzuweisen, dass von der Haftung des § 14 Abs. 1 BAO nur solche Abgaben umfasst sind, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Diesbezüglich ist nach herrschender Ansicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches im Sinne des § 4 BAO abzustellen.
Die Übereignung fand gegenständlich am statt. Von der Haftung können demnach nur Abgaben betroffen sei, die auf den Zeitraum zwischen und entfallen. Für die Umsatzsteuer 2011 und für die Umsatzsteuer 2/2012 dürfte dies unstrittig der Fall sein.
Es mögen bis die Geschäftsfälle aufgelistet werden, die in der Voranmeldung 4/2012 und 6/2012 erfasst worden sind. Dieser Aufstellung mögen die vertraglichen Grundlagen der einzelnen Geschäftsfälle angeschlossen werden
."

Mit Schreiben vom wurde seitens des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin bekannt gegeben, dass sich für die UVA 6/2012 der V GmbH unter Berücksichtigung des im Umsatzsteuerbescheid 2012 ausgewiesenen Guthabens von 116,42 € der Betrag von 3.428,58 € ergeben würde.

Im Rahmen eines Erörterungsgespräches am wurde dem steuerlichen Vertreter  vorgehalten, dass laut Firmenbuchauszug der Kaufvertrag vom sei. Dazu gab der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom bekannt, dass diese Firmenbucheintragung falsch sei. Der für die Eintragung verantwortliche Rechtsanwalt sei unter Hinweis auf die abgelaufene Aufbewahrungsfrist nicht bereit, den Fehler zu korrigieren. Tatsächlich sei der Kaufvertrag über den Unternehmenserwerb vom , Übertragungsstichtag . Dies sei auch in der Realität so umgesetzt worden. Die am im Firmenbuch eingetragene Beschwerdeführerin habe sei 3/2012 Umsätze nach der Unternehmensübernahme erzielt und führe Umsatzsteuer ab. Die aus der Rechnung über den Unternehmenskauf geschuldete Umsatzsteuer sei am vom Abgabenkonto der Beschwerdeführerin auf das Abgabenkonto der Verkäuferin überrechnet worden. Am seien die von der Verkäuferin übernommenen Dienstnehmer mit diesem Datum als Dienstnehmer der Beschwerdeführerin bei der OÖ GKK angemeldet und abgerechnet worden. Am sei ein Vorführwagen von der V GmbH an die Beschwerdeführerin verkauft worden.
Ebenfalls unter Bezugnahme auf das Erörterungsgespräch vom wurde vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin dargelegt, dass der Betrag von 64.024,00 € netto auf dem Konto "Umsätze 20%" der V GmbH () auf einem Verrechnungsumsatz mit der VK GmbH basieren würde ("Weiterverrechnung Kosten Automobile", Empfänger "Automobile GmbH). Im Rechnungswesen der Beschwerdeführerin würde kein Wareneinkauf von der V GmbH in dieser Höhe aufscheinen.

Schließlich wurde beim Erörterungsgespräch von der Richterin darauf hingewiesen, dass die Einschränkung des Haftungsbetrages um 10 % im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung nicht nachvollziehbar sei, zumal die Haftungssumme im Wesentlichen noch zur Gänze aushaften würde (Tilgung der Umsatzsteuer 02/2012 im Ausmaß von 394,24 €).

Bei einer persönlichen Vorsprache vor dem Bundesfinanzgericht am gab V als Zeuge bekannt, dass am das erste Vorgespräch hinsichtlich des Unternehmensverkaufes stattgefunden hätte. Er wollte seine Firma verkaufen, weil er keinen Nachfolger gehabt habe und in Pension gehen wollte. Hauptthema der Verhandlung war die Übernahme der Dienstnehmer. Am habe ihn Herr Bf sen. angerufen und mitgeteilt, dass er den Vertrag sofort unterzeichnen wolle. Vertragserrichter sei Dr. RA gewesen. Er selbst habe die unternehmerische Tätigkeit sofort mit Vertragsunterzeichnung großteils beendet. Mit habe der Zeuge die Firma endgültig verlassen.
Es seien keine Dienstverträge gekündigt worden. Es sei Vertragsbestandteil gewesen, dass alle Arbeitnehmer übernommen worden seien. Über die erworbenen Räumlichkeiten hätte die Beschwerdeführerin ab frei verfügen können.
Nach Vertragsabschluss habe der Zeuge noch Abrechnungen gemacht und die Steuererklärungen erledigt. Er habe nach weder etwas gekauft noch verkauft. Im Februar 2012 habe er noch zwei Vorführautos verkauft.
Grundsätzlich sei es so, dass die Spedition die neuen Fahrzeuge geliefert hätte. Dabei sei der Zeuge nicht Eigentümer geworden, weil er die Ware nicht bezahlt und die Typenscheine nicht erhalten hätte. Bei Verkauf eines Fahrzeuges müsse der Händler den Typenschein bei Citroen anfordern, der dann im Gegenzug zur Zahlung übermittelt werde. Die Fahrzeuge, für die am die Gutschriften ausgestellt worden seien, hätten also nicht dem Zeugen gehört. Er habe bei Lieferung die Vorsteuer geltend gemacht, die Rechnungen seien jedoch noch nicht bezahlt gewesen. Wer die Ausstellung von Gutschriften für diese Fahrzeuge veranlasst habe, wisse er bis heute nicht. Er habe viele Nachforschungen angestellt, die Sache aber nie aufklären können. Die Fahrzeuge seien am Firmengelände gestanden, der Zeuge hätte sie aber nicht der Beschwerdeführerin verkauft, weil er ja nicht Eigentümer gewesen sei.

Im Rahmen eines weiteren Erörterungsgespräches am wurde festgehalten, dass der Inhalt der Zeugenaussage des V beiden Parteien zur Kenntnis gebracht worden ist. Vorname Bf, ein Gesellschafter der Beschwerdeführerin, legte dar, dass die ersten Besprechungen mit Herrn V Ende Jänner 2012 stattgefunden hätten. Die Spenglerei der Primärschuldnerin hätte die Beschwerdeführerin gleich benutzen können, die Dienstnehmer seien ab von der Beschwerdeführerin angemeldet worden. Ab diesem Zeitpunkt hätte die Firma praktisch ihr gehört.
Festgehalten wurde weiters, dass die Umsatzsteuer 02/2012 derzeit mit einem Betrag von 12.449,73 € aushaften würde, die Differenz von 394,24 € sei durch Ratenzahlungen des V getilgt worden.
Die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat sowie auf Einvernahme des Zeugen Dr. RA wurden zurückgezogen.

Rechtliche Grundlagen:
§ 14 BAO lautet:
(1) Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber
a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;
b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.
Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen mußte und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt.
(2) Die Bestimmungen des Abs. 1 gelten nicht bei einem Erwerb im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens, bei einem Erwerb aus einer Insolvenzmasse im Sinne des § 2 Abs 2 der Insolvenzordnung (IO) oder bei einem Erwerb während der Überwachung durch eine im Sanierungsplan bezeichnete Person als Treuhänder der Gläubiger (§§ 157 bis 157f IO).

§ 19 Abs. 2 UStG 1994 lautet:
Die Steuerschuld entsteht
1. für Lieferungen und sonstige Leistungen
a) mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstigen Leistungen ausgeführt worden sind (Sollbesteuerung); dieser Zeitpunkt verschiebt sich – ausgenommen in den Fällen des § 19 Abs. 1 zweiter Satz – um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist.
Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgeltes vereinnahmt, bevor die Leistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuerschuld mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist;
b) in den Fällen der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (§ 17) mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Entgelte vereinnahmt worden sind (Istbesteuerung). Wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet (Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 1a, Abs. 1b, Abs. 1c, Abs. 1d und Abs. 1e), entsteht abweichend davon die Steuerschuld für vereinbarte, im Zeitpunkt der Leistungserbringung noch nicht vereinnahmte Entgelte, mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Dieser Zeitpunkt verschiebt sich – ausgenommen in den Fällen des § 19 Abs. 1 zweiter Satz – um einen Kalendermonat, wenn die Rechnungsausstellung erst nach Ablauf des Kalendermonates erfolgt, in dem die Lieferung oder sonstige Leistung erbracht worden ist;
c) aufgehoben durch BGBl I 2011/76
2. für die Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 2, § 3 Abs. 2 und § 3a Abs. 1a mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Aufwendungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 2 getätigt worden sind, in dem die Gegenstände für die im § 3 Abs. 2 bezeichneten Zwecke entnommen oder die Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 1a ausgeführt worden sind.

Rechtliche Erwägungen:
Die Haftungsregelung des § 14 BAO dient dem Zweck, die im Unternehmen (Betrieb) als solchem liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens (Betriebs) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen (vgl. Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 14, Anm. 1). Die Haftung knüpft dabei an die Übereignung eines Unternehmens im Ganzen an, also an den Übergang eines lebenden (lebensfähigen) Unternehmens. Dabei müssen nicht alle zum Unternehmen gehörigen Wirtschaftsgüter übereignet werden, sondern nur jene, welche die wesentliche Grundlage des Unternehmens bilden und den Erwerber in die Lage versetzen, das Unternehmen fortzuführen. (vgl. zB )

Unbestritten ist gegenständlich, dass die Beschwerdeführerin mit Unternehmenskaufvertrag vom  die im Vertrag beschriebenen und zum Geschäftsbetrieb der Unternehmen gehörenden und erforderlichen Rechte, Wirtschaftsgüter, immaterielle Vermögenswerte, Dienstnehmer und Verbindlichkeiten, welche in den Beilagen zum Kaufvertrag angeführt sind, erworben hat. Dem Kaufvertrag ist ein entsprechender Vorvertrag (Vereinbarung) vom vorausgegangen. Aktenkundig ist ferner ein Nachtrag vom zum Unternehmenskaufvertrag vom .

Unter "Übereignung" im Sinne des § 14 Abs. 1 BAO ist die Verschaffung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht anzusehen. Es kommt nicht auf eine besondere zivilrechtliche Gestaltung an. Maßgebend ist somit der - wenn auch nicht unmittelbare - Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht vom Vorgänger auf den Erwerber.

Vorname Bf legte im Rahmen des Erörterungsgespräches am dar, dass die tatsächliche Übergabe dem Vertrag entsprechend am stattfand. Ab diesem Zeitpunkt habe die Firma sozusagen der Beschwerdeführerin gehört. Diese Ausführungen decken sich mit der überzeugenden Aussage des Zeugen V. Es wurde glaubhaft dargelegt, dass die Übereignung entsprechend der vertraglichen Vereinbarung tatsächlich am stattgefunden hat. Die Beschwerdeführerin konnte ab diesem Zeitpunkt über die erworbenen Räumlichkeiten frei verfügen, Arbeiter und Angestellte wurden im Wesentlichen mit diesem Termin bei der OÖ Gebietskrankenkasse angemeldet.

Durch den Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über das Geschäftslokal, das Warenlager und das Personal  wurden von der Beschwerdeführerin die tragenden Unternehmensgrundlagen für einen Kraftfahrzeughandel erworben. Somit ist von einem Unternehmenserwerb im Sinne des § 14 BAO am  auszugehen.

Unbestritten übersteigt der Wert der übernommenen Aktiva die gegenständliche Haftungsschuld.

Die Haftung besteht nach § 14 Abs. 1 lit a BAO nur für Abgaben, die auf den Betrieb des Unternehmens ursächlich zurückzuführen sind, somit Abgaben, bei denen materiellrechtlich die Führung eines Unternehmens Tatbestandsmerkmal ist. Ein Kausalzusammenhang zwischen Betrieb (Führung des Unternehmens) und Abgabe genügt nicht (vgl. Ritz, BAO6, § 14, Anm. 9).

Die haftungsgegenständlich Umsatzsteuer 2011 entstand durch die laufenden Umsätze im Jahr 2011. Die Nachzahlung entstand dadurch, dass im Rahmen der Voranmeldungen zu niedrige Umsatzsteuerbeträge bzw. zu hohe Vorsteuerbeträge gemeldet worden waren.
Die Umsatzsteuervorauszahlung 02/2012 entstand durch die laufenden Umsätze der Firma V GmbH, die Umsatzsteuervorauszahlungen aus den Monaten 04/2012 und 06/2012 entstanden durch Umsätze, die nach der Betriebsübergabe am getätigt wurden. Seitens der Primärschuldnerin wurden im April 2012 noch einige wenige Vorführ- und Gebrauchtwagen an verschiedene Personen verkauft. Ein Fahrzeug wurde am  an die Beschwerdeführerin veräußert. Im Juni 2012 wurden Verrechnungsumsätze zwischen der Firma VK GmbH und der V GmbH verbucht.

Zum zeitlichen Umfang der Haftung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass von der Haftung des § 14 Abs. 1 BAO nur solche Abgaben umfasst sind, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Diesbezüglich ist nach herrschender Ansicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (§ 4 BAO) abzustellen. Die zweite zeitliche Schranke stellt der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung dar. Es besteht keine Haftung des Erwerbers für Abgabenansprüche, hinsichtlich derer der Abgabentatbestand nach der Übereignung verwirklicht wurde. Erfolgt eine Lieferung oder sonstige Leistung vor Übereignung, so besteht die Erwerberhaftung auch dann, wenn der Abgabenanspruch nach Übereignung entsteht (Ritz6,§ 14 Tz 12 mwN).

Es kommt daher nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der haftungsgegenständlichen Umsatzsteuern an, sondern auf den Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung.

Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer mit Ablauf des Kalendermonates, in dem die Lieferungen oder sonstige Leistungen ausgeführt wurden. Entscheidungsrelevant ist somit, wann die V GmbH jene Lieferung ausgeführt hat, die zu den haftungsgegenständlichen Umsatzsteuern geführt haben.

Jene Umsätze, aus denen die Umsatzsteuer 2011 resultiert, wurden unbestritten im Laufe des Jahres 2011 getätigt, also seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres und sind somit jedenfalls hinsichtlich des zeitlichen Umfanges vom Tatbestand des § 14 BAO erfasst.

Die Umsatzsteuer 02/2012 basiert auf laufende Umsätze, welche im Februar 2012 getätigt wurden. Er liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich dabei um Umsätze handeln würde, die nicht auf den Betrieb des Unternehmens zurückzuführen wären.

Die Umsatzsteuer 04/2012 resultieren aus Verkaufserlösen, welche die V GmbH nach Übereignung des Unternehmens getätigt hat. Ein Fahrzeug wurde zwar an die Beschwerdeführerin veräußert, ein Zusammenhang mit dem Unternehmenserwerb wurde jedoch nicht nachgewiesen. Die V GmbH hat sich offensichtlich einige wenige Fahrzeuge zurückbehalten, die in der Folge unabhängig vom Unternehmensverkauf noch veräußert worden sind.

Daraus ergibt sich, dass nunmehr haftungsrelevant die Umsatzsteuer 2011 und die Umsatzsteuer 02/2012 sind.

Hinsichtlich der Frage des Kennen oder Kennenmüssens der Schulden ist die Judikatur und Literatur zu § 1409 ABGB heranziehbar. Danach steht die Unkenntnis der Abgabenschuldigkeiten einer Haftungsinanspruchnahme insbesondere dann nicht entgegen, wenn der Erwerber bei gehöriger, allgemein üblicher Sorgfaltsanwendung von der Schuld hätte erfahren müssen. Hierbei ist jene Sorgfalt zugrunde zu legen, die bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann, und darüber hinaus jene besondere Sorgfalt, die gerade ein Unternehmensübergang erfordert. Die so verstandene Sorgfalt erfordert die Einsichtnahme in die Geschäftsbücher, die Befragung des Veräußerers über die Passiven und die genaue Prüfung der dabei hervorgekommenen oder sonst bekannten Schulden. Die Auskunft des Veräußerers allein befreit des Erwerber nicht von der Pflicht, in die Geschäftsbücher Einsicht zu nehmen, andernfalls handelt er auf eigene Gefahr. Gleiches gilt für die von einem (steuerlichen) Vertreter des Veräußerers erteilte Auskunft.

Die Beweislast für die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Übernehmers vom Bestehen der relevanten Abgabenschuld trifft den Gläubiger (Abgabengläubiger), der die Haftung in Anspruch nimmt. Die Abgabenbehörde hat also zu beweisen, dass die gebotene Sorgfalt nicht aufgewendet wurde.

Für nachträglich aufgedeckte und geltend gemachte Abgabenschulden, die ungeachtet späterer Fälligkeiten ihrem Entstehungsgrund  (§ 4 BAO) nach auf den Haftungszeitraum entfallen, für deren spätere Geltendmachung weder die Abgabenbehörde noch der befragte Veräußerer Hinweise zu vergeben mögen und für deren Nachforderung den Umständen nach trotz ernsthafter und sachgerechter Bemühungen keine Anhaltspunkte festzustellen sind, darf der Erwerber nicht zur Haftung herangezogen werden. Sind dem Erwerber daher Schulden trotz Ausschöpfen aller ihm zugänglichen Erkenntnisquellen und trotz ernsthaften Bemühens unbekannt geblieben, haftet er nicht (Stoll, BAO -Kommentar 169 f).

Die Umsatzsteuer 2011 wurde mit Bescheid vom veranlagt und ergab eine Nachzahlung von 4.415,73 €. Dieser Betrag macht etwa 5 % der insgesamt für das Jahr 2011 anfallenden Umsatzsteuer (86.674,53 €) aus. Selbst bei sorgfältiger Einsicht in die Geschäftsunterlagen und Befragung des Veräußerers hätte die Beschwerdeführerin diese Ungenauigkeit bei der Berechnung der Umsatzsteuer 2011 nicht feststellen können, zumal die geforderten Nachforschungen nicht bedeuten, dass sämtliche noch nicht rechtskräftig veranlagten Abgaben zu berechnen sind. Auch seitens der Abgabenbehörde wurde in diesem Zusammenhang kein Argument vorgebracht, das für eine fahrlässig herbeigeführte Unkenntnis der Beschwerdeführerin sprechen würde. Von einer Geltendmachung der Haftung für die Umsatzsteuer 2011 iHv 4.415,73 € war daher Abstand zu nehmen. Daher erübrigt es sich, auf das Vorbringen des steuerlichen Vertreters, wonach der Umsatzsteuerbescheid 2011 keine Nachzahlung aufweise, einzugehen.

Was schließlich die Umsatzsteuer 02/2012 anlangt, muss der Beschwerdeführerin klar gewesen sein, dass die V GmbH im Februar 2012 noch Umsätze getätigt hat. Nach Abschluss des Kaufvertrages wurde zwischen den Vertragsparteien vereinbart, dass die Beschwerdeführerin einen zum Kaufpreis zusätzlichen Betrag von 45.000,00 € bezahlen würde, damit alle Verbindlichkeiten der Primärschuldnerin getilgt werden könnten. Allein dieser Umstand ist eindeutig ein Indiz dafür, dass die Beschwerdeführerin die Abgabenschulden Primärschuldnerin kannte.

Wenn der steuerliche Vertreter vorbringt, die Umsatzsteuerveranlagung 2012 hätte keine Nachforderung sondern eine Gutschrift ergeben, ist dem entgegenzuhalten, dass im Umsatzsteuerjahresbescheid die (im Bescheid) festgesetzte Umsatzsteuer der bisher vorgeschriebenen (vorangemeldeten/festgesetzten) Umsatzsteuer gegenübergestellt wird. Über die Bezahlung der einzelnen Monatsbeträge gibt der Jahresbescheid keine Auskunft.

Zu dem Einwand, die Beschwerdeführerin hätte sich beim Finanzamt hinsichtlich der  bestehenden Abgabenverbindlichkeiten erkundigt (Korrespondenz mit dem Finanzamt vom ) ist Folgendes auszuführen: Die Abgabenbehörden können nur den aktuellen (eher formalen) Schuldenstand bekannt geben. Über allfällige Nachforderungen oder später entstehende Abgabenschulden können zuverlässige Mitteilungen nicht erwartet werden. Solche Daten sind der Abgabenbehörde zunächst selbst nicht bekannt. Ähnliches gilt für die Ermittlung der Schulden im Zuge der Kaufvertragserrichtung. Auch zu diesem Zeitpunkt konnten diese Verbindlichkeiten in den Büchern noch nicht aufscheinen. Dennoch muss einem sorgfältigen Kaufmann bewusst sein, dass im Zuge der Unternehmensveräußerung und der Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter Umsatzsteuer anfallen würde.

Die Geltendmachung einer Haftung ist in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt. Eine ermessenswidrige Inanspruchnahme des Haftenden läge etwa dann vor, wenn aushaftende Abgabenschulden vom Primärschuldner ohne Schwierigkeiten hätten rasch eingebracht werden können (vgl. etwa ). Die für die Ermessensübung relevante Zielrichtung des § 14 BAO liegt darin, die im Unternehmen (Betrieb als solchem) liegende Sicherung für die auf den Betrieb sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens (Betriebes) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen. Bei der Ermessensübung ist insbesondere der Grundsatz der Subsidiarität der Haftung zu beachten, d.h. wenn die Abgabenschuld vom Hauptschuldner (Veräußerer des Unternehmens oder Betriebes) nicht ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten eingebracht werden könnte ().

Mit Beschluss des LG LG vom wurde ausgesprochen, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der V GmbH mangels Kostendeckung nicht eröffnet werde. Der Schuldner sei zahlungsunfähig. Insofern ist die im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung seitens des Finanzamtes durchgeführten Einschränkung des Haftungsbetrages nicht nachvollziehbar, zumal die haftungsgegenständlichen Umsatzsteuern am Abgabenkonto der V GmbH grundsätzlich in voller Höhe aushaften. Lediglich die Umsatzsteuer 02/2012 haftet nur noch mit 12.449,73 € (laut Erstbescheid: 12.843,97 €) aus. Die Differenz im Verhältnis zum angefochtenen Bescheid in Höhe von 394,24 € resultiert aus Ratenzahlungen des V. Die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer 02/2012 war und ist daher bei der Primärschuldnerin zur Gänze uneinbringlich.

Daher ist es zweckmäßig, die Beschwerdeführerin zur Haftung für diese uneinbringlichen Abgabenschulden heranzuziehen. Es ist dem Interesse des Abgabengläubigers, den erlittenen Abgabenausfall einbringlich zu machen, der Vorzug zu geben vor dem Interesse der Beschwerdeführerin, nicht zur Haftung herangezogen zu werden. Gegebenenfalls ist zu berücksichtigen, ob die Einhebung der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Beschwerdeführerin unbillig wäre. Dies wurde jedoch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet und liegen dafür laut Aktenlage auch keine Anhaltspunkte vor.

Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung deckt sich mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Rechtsfrage von grundlegender Bedeutung liegt fallbezogen daher nicht vor. Eine ordentliche Revision ist somit nicht zulässig.

Aus den dargelegten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 14 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 19 Abs. 2 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100903.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at