Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 04.09.2019, RV/6100163/2018

(Ausfall-)Haftung des Geschäftsführers für Lohnabgaben; Vorlage einer Liquiditätsaufstellung mangels Aufschlüsselung der Nachforderungsbeträge auf die einzelnen Monate nicht möglich

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/6100163/2018-RS1
Wird Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag nur in Jahresbeträgen mit Fälligkeit jeweils am 15. Jänner des Folgejahres bekannt gegeben und ergibt sich aus dem Haftungsbescheid nicht, wie sich diese monatlichen Beträge zu den Jahresbeträgen verhalten, wurde der Beschwerdeführer damit nicht in die Lage versetzt, die geforderte Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen vorzulegen und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Vorsitzenden R1, den bei­sitzen­den Richter R2 und die fachkundigen Laienrichter R3 und R4 im Beisein der Schriftführerin in der Beschwerdesache Bf, Adresse1, vertreten durch Pelzmann Gall Größ Rechtsanwälte GmbH, Sterneckstraße 33, 5020 Salzburg, über die Beschwerde vom gegen den Haftungsbescheid der belangten Behörde Finanzamt Salzburg-Land vom nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Anfang des Jahres 2016 wurde bei der Schule (nachstehend "Schule") eine gemeinsame Überprüfung aller lohnabhängigen Abgaben (GPLA) für die Jahre 2011 bis 2014 durchgeführt.  Dabei wurde ua festgestellt, dass für die Wohnräume/Zimmer, welche den Lehrern zur Ausübung ihrer Aufsichts- und Fürsorgepflicht gegenüber den minderjährigen Schülern zur Verfügung gestellt wurden, im Prüfungszeitraum während des Schuljahres kein Sachbezug angesetzt worden war, weil man angenommen hatte, die Unterkünfte würden als Dienstwohnungen keinem Sachbezug unterliegen.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg, GZ, wurde über das Vermögen der Schule das Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet und ein Sanierungsverwalter bestellt.
Gemäß dem bestätigten Sanierungsplan erhielten die Gläubiger eine Quote von 30 %.

Am wurde eine weitere GPLA-Prüfung für den Zeitraum bis durchgeführt.

Mit Schreiben vom wurde Bf (nachstehend mit "Bf" bezeichnet) als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Schule im oa Prüfungszeitraum aufgefordert, zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO Stellung zu nehmen.
In seiner Stellungnahme vom bringt er durch seinen Vertreter ua vor, bei Übernahme seiner Funktion als Geschäftsführer der Schule seien für ihn keine Pflichtverstöße ersichtlich gewesen. Diese hätten sich erst bei der GPLA-Prüfung Anfang 2016 herausgestellt. Die Ansetzung eines Sachbezuges für Unterkünfte der Lehrer stelle allerdings eine komplexe Rechtsfrage dar und wäre dies für den Bf im Rahmen der ordentlichen Geschäftsführung keinesfalls erkennbar gewesen, zumal es auch nie eine Beanstandung seitens der Behörde gegeben habe.
Ihm könne daher von Vornherein keine schuldhafte Pflichtverletzung zur Last gelegt werden. Insbesondere für den Zeitraum vor seiner Bestellung als Geschäftsführer könne keine Haftung bestehen, zumal er sich pflichtgemäß davon überzeugt habe, dass keine offenen Abgabenschulden vorliegen.
Zudem seien die in der Aufstellung des Finanzamtes angeführten uneinbringlichen Abgabenbeträge dem Grunde und der Höhe nach nicht nachvollziehbar.
Die Umsatzsteuer 01/16 sei von der Schule beglichen worden.
Da der Bf den betroffenen Dienstnehmern einen um den Sachbezug verminderten Arbeitslohn bezahlt habe und dadurch die Lohnsteuer von diesem verminderten Lohn einbehalten wurde, komme auch eine Haftung des Bf für die uneinbringliche Lohnsteuer im Zeitraum 2013 bis 2016 nicht in Betracht.
Aus den OP-Listen, die der Stellungnahme angeschlossen sind, seien die Gläubiger der Schule, sowie sämtliche gegenüber den Gläubigern bestehenden Verbindlichkeiten sowie geleistete Zahlungen ersichtlich. Der Bf habe den Abgabengläubiger gegenüber den übrigen Gläubigern keinesfalls benachteiligt, sondern die Abgabenschulden im gleichen Verhältnis zu den übrigen am jeweiligen Stichtag fälligen Schulden beglichen. Eine Haftung des Bf für die uneinbringlichen Dienstgeberbeiträge zum Familienlastenausgleichsfond (DB) bzw Zuschläge (DZ) komme mangels schuldhafter Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten nicht in Betracht.
Zur Darstellung der verfügbaren liquiden Mittel werden diverse Kontoauszüge vorgelegt.
Es werde beantragt, von einer Ausfallshaftung des Bf abzusehen.

Mit Haftungsbescheid vom wurde der Bf, der mit Generalversammlungsbeschluss vom 2014 zum alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer der Schule bestellt worden war, vom Finanzamt als Haftungspflichtiger für die aushaftenden Abgabenschuldigkeiten der Schule im Ausmaß von € 31.096,64 in Anspruch genommen.
Laut Bescheid beträgt die Lohnsteuer 2015 (Fälligkeit: ) EUR 12.917,86, der Dienstgeberbeitrag 2014 (Fälligkeit: ) EUR 15.123,85, der Dienstgeberbeitrag 2015 (Fälligkeit: ) EUR 1.488,85, der Zuschlag zum DB 2014 (Fälligkeit: ) EUR 1.427,12 und der Zuschlag zum DB 2015 (Fälligkeit: ) EUR 138,96.
Zusammenfassend führt das Finanzamt aus, die betreffenden Beträge seien bei der Schule als uneinbringlich anzusehen. Die laut Sanierungsplan entrichtete Quote von 30 % sei anteilsmäßig auf die einzelnen Abgaben verrechnet und bei der Haftung entsprechend berücksichtigt worden.
Als verantwortlicher Geschäftsführer könne der Bf das Unterbleiben von schuldhafter Pflichtverletzung bei der Erfüllung der Abgabenpflichten nicht geltend machen. Bei Übernahme der Funktion als Geschäftsführer der Schule habe der Bf Einsicht in die Geschäftsbücher und -konten der Schule genommen und die Einhaltung der abgabenrechtlichen Pflichten überprüft. Dabei seien keine Pflichtverstöße ersichtlich gewesen.
Betreffend Lohnsteuer 2012 und 2013 sei mangels groben Verschuldens von der Haftung Abstand genommen worden, da aus den Geschäftsunterlagen für den Bf nicht ersichtlich gewesen sei, dass für die Unterkünfte der Lehrer kein Sachbezug angesetzt worden war.
Ab Übernahme der Geschäftsführertätigkeit mit 2014 sei der Bf jedoch im vollen Ausmaß für die korrekte Führung der Bücher, Aufzeichnungen sowie der Lohnverrechnung verantwortlich. Der Bf hätte sich mit der rechtlichen Thematik auseinander setzen müssen. Der Ansatz eines Sachbezuges für eine (Dienst-)Wohnung sei weder ungewöhnlich noch kompliziert. Es sei dem Bf nicht gelungen für eine oder mehrere der im Haftungsbescheid enthaltenen Abgabenarten (Lohnsteuer 2015, DB und DZ 2014 und 2015) eine fehlende eigene schuldhafte Pflichtverletzung aufgrund der Nichtentrichtung konkret nachzuweisen.
Die vom Bf vorgelegten OP-Listen Lieferantenkonten zu bestimmten Stichtagen sowie die Kontoauszüge mit dem Kontostand per , und würden die vom Finanzamt geforderte ziffern- und zeitmäßige Aufstellung zum Nachweis der Gläubigergleichbehandlung nicht ersetzen. Das Erfordernis zur Errechnung einer entsprechenden Quote laste jedoch auf dem Bf als Vertreter der Schule.
In Fällen, in denen die dem Arbeitgeber zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichen, sei die Lohnsteuer von dem tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Betrag zu berechnen und einzubehalten. Es stelle eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten dar, die vereinbarten Arbeitslöhne voll zu zahlen, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende Lohnsteuer ausreichen.
Als Geschäftsführer sei man verpflichtet, bereits während seiner aktiven Zeit die Unterlagen derart zu sichern, dass man auch im Fall der Insolvenz in der Lage ist, die entsprechenden gesetzlichen Nachweise - wie etwa bei einem Haftungsverfahren - zu erbringen (Beweisvorsorgepflicht).
Die Heranziehung des Bf zur Haftung gemäß § 9 BAO entspreche dem öffentlichen Interesse an einem gesicherten Abgabenaufkommen und sei im Fall der Uneinbringlichkeit beim Primärschuldner ermessenskonform.

In der dagegen erhobenen Bescheidbeschwerde vom bringt der Bf zusammenfassend vor, des liege insoweit einen Sonderfall vor, als die Lehrkräfte der Schule den zur Verfügung gestellten Wohnraum ausschließlich während des Schuljahres und lediglich zur Gewährleistung der Aufsichts- und Fürsorgepflichten gegenüber den minderjährigen Schülern genutzt hätten. Das Nichterkennen des fehlenden Sachbezuges als schuldhafte Pflichtverletzung des Bf zu werten, würde aufgrund der Komplexität der Thematik eine Überspannung der gesetzlichen Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers darstellen.
Als dem Bf zur Kenntnis gebracht wurde, dass für die Dienstwohnungen ein Sachbezug anzusetzen sei, habe er unmittelbar und pflichtgemäß reagiert und eine Selbstanzeige erstattet, weshalb keine schuldhafte Pflichtverletzung ersichtlich sei.
Die Nachforderungen zur Lohnsteuer würden sich aus dem nicht berücksichtigten Sachbezug ergeben. Diese seien allerdings nicht entstanden, weil die Mittel zur Auszahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht mehr ausgereicht hätten, sondern weil der Bf in unverschuldeter Unkenntnis des anzusetzenden Sachbezuges gewesen sei. Eine Haftung für die uneinbringliche Lohnsteuer für das Jahr 2015 komme daher von Vornherein nicht in Betracht.
Hinsichtlich DB und DZ sei der Bf seiner Gleichbehandlungspflicht vollumfänglich nachgekommen, weshalb er nicht zur Haftung herangezogen werden könne. Er habe die Abgabenbehörde im Vergleich zu den übrigen Gläubigern nicht nur im gleichen Ausmaß befriedigt, sondern sogar besser gestellt. Zum Stichtag habe die Quote für die Abgabenbehörde basierend auf den vorliegenden OP-Listen, den Gehaltsauszahlungen sowie der Kommunalsteuer zB bei 79 % gelegen, am bei 82 %, jene der übrigen Gläubiger jedoch nur bei 55 % bzw bei 34 %.
Es werde daher beantragt, den angefochtenen Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben und der Haftungsbetrag mit € 18.235,20 festgestellt. 
Laut Begründung habe der Bf kein schlüssiges und nachvollziehbares Argument aufgezeigt, warum es ein Sonderfall wäre, die den Lehrkräften zur Verfügung gestellten Dienstwohnungen als Sachbezug der Steuerpflicht zu unterwerfen. Vielmehr sei die Regelung eindeutig und leicht zu erforschen.
Soweit er auf die Betrauung betriebsfremder Spezialisten mit der steuerlichen Erfassung und Abwicklung verweist und damit mangelndes Verschulden geltend macht, habe er es verabsäumt im Detail darzulegen, welcher konkrete Sachverhalt diesen mitgeteilt wurde und auf welcher Grundlage diese den Sachbezug unversteuert belassen haben.
Als neu bestellter Geschäftsführer der Schule wäre es die Pflicht des Bf gewesen, sich mit der Gehaltsstruktur bzw den Dienstverträgen zu beschäftigen und erhebliche Sachbezüge der Lehrkräfte umgehend (auch) auf abgabenrechtliche Relevanz zu überprüfen.
Des Weiteren erläutert die belangte Behörde ihre Berechnung des DB und DZ 2014 und 2015 , die sich an dem vom VwGH geforderten Stichtagsprinzip orientiere. Die nicht dem Gleichheitsgrundsatz unterliegenden Lohnsteuern seien dabei vollständig außer Ansatz geblieben. Man sei von einem strengen Stichtagsprinzip ausgegangen. Die Ermittlung der quotalen Befriedigung der sonstigen Verbindlichkeiten wäre nach den Entrichtungen im gleichen Monat (Jänner 2015 und 2016) errechnet worden. Spätere Entrichtungen seien gegebenenfalls in Folgemonaten berücksichtigt worden. Die Berechnung habe ergeben, dass 42,58 % der am fälligen Abgaben bzw 86,43 % der am fälligen Abgaben entrichtet wurden. Im Ergebnis bedeute dies, dass für den DB und den DZ 12/2014 eine Resthaftung von 22,57 % zu veranschlagen sei.
Die verbleibende Haftung betrage daher insgesamt € 18.235,20 (Lohnsteuer 2015 unverändert € 12.917,86; DB 2014: € 4.858,85; DZ 2014: € 458,49).

Mit Schreiben vom hat der Bf durch seinen Vertreter beantragt, seine Beschwerde vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Dieses möge durch den gesamten Senat entscheiden und eine mündliche Verhandlung durchführen.
In der Begründung wird ergänzend im Wesentlichen vorgebracht, die tatsächlich geleisteten Lohnsteuerzahlungen wären - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - bei der Berechnung der Tilgungsquote als tatsächlich entrichtete Abgaben zu Gunsten des Bf zu berücksichtigen.
Überdies sei das strenge Stichtagsprinzip überholt. Der unabhängige Finanzsenat habe in einer Reihe von zitierten Entscheidungen eine Zeitraumbetrachtung zugelassen, bei der sich eine allgemeine Tilgungsquote von 88 % (Finanzamt 94 %, unter Berücksichtigung der geleisteten Lohnsteuerzahlungen sogar 97 %) ergeben würde. Der Bf könne demnach nicht zur Haftung für ausständige DB/DZ 2014 herangezogen werden.

Auf Betreiben des Bundesfinanzgerichtes wurden vom Bf mit Schreiben vom ergänzende Unterlagen betreffend die Unterbringung der Lehrkräfte vorgelegt und diverse Fragen beantwortet.

Die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Senat wurde am durchgeführt. Den Vorsitz im Senat führt R1, nachdem sich R5 als Senatsvorsitzende der GA 123 für befangen erklärt hat.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachbezug für Unterkünfte

Einnahmen liegen gemäß § 15 Abs 1 erster Satz Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) idmF vor, wenn dem Steuerpflichtigen Geld oder geldwerte Vorteile im Rahmen der Einkunftsarten des § 2 Abs 3 Z 4 bis 7 (also etwa Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 25) zufließen.
Geldwerte Vorteile (Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Kleidung, Kost, Waren, Überlassung von Kraftfahrzeugen zur Privatnutzung und sonstige Sachbezüge) sind nach § 15 Abs 2 EStG 1988 mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsortes anzusetzen.

Aus den vom Bf vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass für die so genannten "House Parents" in jedem der vier Häuser, in denen die Schülerinnen und Schüler untergebracht waren, eine Wohnung in der Größe von 70 bis 197 m2 eingerichtet war, damit diese ihren Aufsichtspflichten nachkommen können, also insbesondere für die Einhaltung der Hausordnung, die persönliche Sicherheit sowie die ungestörte Nachtruhe sorgen. Ebenso gab es dort für die vier "House Tutors" Wohnungen in der Größe von 35 bis 84 m2, damit diese alle Belange in der Ausbildung sowie der Erziehung der Schülerinnen und Schüler außerhalb des Unterrichts begleiten können.
Die Zurverfügungstellung der Unterkünfte wäre ausschließlich zur Erfüllung der Arbeitspflicht erfolgt und sei an die Dauer der Zugehörigkeit zur Schule gebunden gewesen.

Laut ständiger Rechtsprechung stellt eine freie Dienstwohnung nur dann keinen geldwerten Vorteil dar, wenn der Arbeitnehmer sie ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers in Anspruch nimmt (zB ; , 95/13/0078). Weder das Bestehen des Arbeitgebers auf der Benutzung der Dienstwohnung noch das Vorliegen eines erheblichen betrieblichen Interesses des Arbeitgebers an der Benutzung der Dienstwohnung steht der Qualifizierung einer Dienstwohnung als geldwerter Vorteil aus dem Dienstverhältnis für sich allein schon entgegen. Die Beurteilung der Überlassung einer Dienstwohnung als nicht steuerbar setzt nämlich die Ausschließlichkeit des Interesses des Arbeitgebers an der Benutzung der Dienstwohnung durch den Arbeitnehmer voraus, dass nach Lage des konkreten Einzelfalles ein dem Arbeitnehmer aus der Überlassung der Dienstwohnung an ihn resultierender Vorteil schlechthin nicht besteht ( mwN). Nach dem letztgenannten Erkenntnis spricht die Größe der Dienstwohnung im Verhältnis zur Privatwohnung, die Möglichkeit der Benutzung der Dienstwohnung durch die Familie des Arbeitnehmers und die Erbringung von Dienstleistungen ohne zusätzliches Entgelt als Gegenleistung für die unentgeltliche Überlassung der Dienstwohnung für einen geldwerten Vorteil. Der aus der Zurverfügungstellung einer Dienstwohnung entstehende Vorteil besteht auch darin, dass dem Arbeitnehmer, der seine bisherige Wohnung beibehält, der Aufwand für die zweite Wohnung erspart oder gemindert werden soll () oder sich der Arbeitnehmer größere Fahrtstrecken erspart ().
Somit verbleiben in der Praxis nur wenige Fälle, in denen eine freie Dienstwohnung keinen geldwerten Vorteil darstellt (zB die Dienstwohnung eines Werkportiers am Werkgelände, wenn gleichzeitig die eigene Wohnung beibehalten wird und die Zurverfügungstellung auf die Tage der Dienstausübung beschränkt ist).

Die Wohnungen, die den Lehrkräften im vorliegenden Fall während des Schuljahres zur Verfügung gestellt worden sind, stellten aus den genannten Gründen einen geldwerten Vorteil dar. Die "House Parents" und "House Tutors" haben während des Schuljahres zusätzlich zur Dienstwohnung keine Privatwohnung unterhalten. Auch wenn entsprechende Aufsichts- und Betreuungspflichten bestanden, kann von einem ausschließlichen Interesse des Schule an der Benutzung der Dienstwohnungen keine Rede sein. Eine Befreiung oder Verminderung des Sachbezugs kommt auch im Hinblick auf die Größe und Ausstattung (vollwertiger Wohnraum) der Wohnungen nicht in Betracht.

2. (Ausfall)Haftung des Geschäftsführers

§ 9 Abs. 1 BAO lautet:

"Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können."

Nach § 80 Abs. 1 leg cit haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Unbestritten ist, dass dem Bf als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Schule laut Eintragung im Firmenbuch ab 2014 bis zur Konkurseröffnung (2016) die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens erhielten die Gläubiger gemäß dem bestätigten Sanierungsplan eine Quote von 30 %.
Im Hinblick auf das bereits abgeschlossene Insolvenzverfahren und die erfolgte Verteilung der Konkursquote steht die Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Schule fest.

Nach der Rechtsprechung des VwGH und auch des Bundesfinanzgerichtes ist die Konkursquote aliquot zu verrechnen (zB mit Hinweis auf ; , 2009/15/0013).

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des VwGH (zB , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Laut Aktenlage wurde dem Bf Lohnsteuer für das Jahr 2015 und DB für die Jahre 2014 und 2015 sowie DZ für die Jahre 2014 und 2015 ausschließlich in Jahresbeträgen bekannt gegeben, wobei als Fälligkeitstermin jeweils der 15. Jänner des Folgejahres angegeben ist. Auch die dem Haftungsbescheid angeschlossenen Beilagen (Haftungsbescheid und Abgabenbescheide an die Schule, Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung vom und , Niederschrift über die Schlussbesprechung vom und ) enthalten keine nähere Aufgliederung der Abgabenbeträge.
Überdies wurde als Zeitraum im Jahr 2015 jeweils das gesamte Jahr (1-12) angegeben, obwohl das Personal der Schule in den Ferien von ca. Ende Juni bis Ende August dienstfrei gestellt war.

Wie ausgeführt, ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat. Es ist seine Aufgabe, im Verwaltungsverfahren allfällig vorliegende Gründe aufzuzeigen, die ihn daran gehindert haben, die Abgabenschulden am oder nach dem Fälligkeitstag zu begleichen. Der Geschäftsführer hat darzustellen, dass ab dem Zeitpunkt, an welchem die von der Haftungsinanspruchnahme erfassten Abgaben fällig geworden sind, keine Geldmittel der Gesellschaft mehr vorhanden waren. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Reichen die liquiden Mittel zur Begleichung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht aus, so hat der Vertreter nachzuweisen, dass die vorhandenen Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden, andernfalls haftet der Geschäftsführer für die nicht entrichteten Abgaben der Gesellschaft. Auf diesem, nicht aber auf der Behörde, lastet auch die Verpflichtung zur Errechnung einer entsprechenden Quote (vgl , mwN; , 2003/15/0125; , 2007/13/0093).

Im Hinblick auf die fehlende Aufschlüsselung der Lohnabgaben 2014 und 2015 und weil sich aus dem angefochtenen Bescheid nicht ergibt, wie sich diese monatlichen Beträge zu den Jahresbeträgen verhalten, wurde der Bf allerdings nicht in die Lage versetzt, die laut Rechtsprechung des VwGH von einem Vertreter zu erstellende Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen als Nachweis der Gläubigergleichbehandlung vorzulegen und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote zu berechnen (vgl ; , 2013/16/0199; , 2011/16/0188; , 2013/16/0208).

Da eine Aufschlüsselung der Nachforderungsbeträge an Lohnsteuer 2015, DB 2014 und 2015 sowie DZ 2014 und 2015 auf die einzelnen Monate nicht vorliegt und als Fälligkeitstermin jeweils nur der 15. Jänner des Folgejahres angegeben ist, konnte der Bf die geforderte Liquiditätsaufstellung zu den jeweiligen Fälligkeitstagen nicht vorlegen und die auf die Abgabengläubigerin entfallende monatliche Quote nicht berechnen. Es war ihm somit nicht möglich, den ihm auferlegten Entlastungsbeweis zu erbringen.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall - insbesondere im Hinblick auf die in der Begründung zitierte VwGH-Judikatur - nicht erfüllt.

Salzburg-Aigen, am

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