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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 10.10.2019, RV/1100201/2018

Kleinunternehmerregelung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin n1 in der Beschwerdesache n2, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt s1 vom betreffend Umsatzsteuer 2017 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid des Finanzamtes s1 vom betreffend Umsatzsteuer 2017 wurde die Umsatzsteuer in Höhe von 816,00 Euro festgesetzt.

Mit Beschwerde vom (beim Finanzamt am eingelangt) beantragte die Beschwerdeführerin (Bf.) die Korrektur des Umsatzsteuerbescheides 2017, weil sie als unbeschränkt Steuerpflichtige versehentlich die Umsatzsteuererklärung ausgefüllt habe.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen, weil die Bf. ihr Unternehmen nicht im Inland betreibe und sie somit nicht mehr durch die Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 Umsatzsteuergesetz 1994 (UStG 1994) unecht steuerbefreit sei. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Vermietung sei nämlich jener Ort, von dem aus die Vermietungstätigkeit verwaltet, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt und aufbewahrt sowie die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung getroffen werden. Infolgedessen liege der Sitz der wirtschaftlichen Leitung der Bf. in l1 an ihrem Hauptwohnsitz.

Mit Vorlageantrag vom beantragte die Bf. die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht. Der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit liege im Inland, weil die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus dem Inland stammen würden.

II. Sachverhalt

Die Bf. ist vor mehreren Jahren ins Ausland verzogen. Ihre Adresse ist adr. Die Bf. schickte von dort alle Eingaben (siehe Umsatzsteuererklärung für 2017 samt Schriftsatz vom , Lohnausweis 2017, Beilage zur Einkommensteuer 2017, Beschwerde vom , Vorlageantrag vom , Mietvertrag vom 3. Feber 2014) an die Abgabenbehörde. Laut Abfrage aus dem Zentralen Melderegister vom hatte die Bf. im Inland ab einen Nebenwohnsitz in adr3, gemeldet.

Die Bf. schloss am 3. Feber 2014 einen Mietvertrag mit zwei Mietern über ihre Wohnung an der Adresse adr4, ab. Auf dem Mietvertrag ist die Adresse der Bf. im l2 als Adresse der Vermieterin ersichtlich.

III. Beweiswürdigung

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt, den die Bf. im laufenden Verfahren nicht bestritt. Der Umzug der Bf. ins Ausland sowie die Meldung des Nebenwohnsitzes sind dem bereits vorhin angegebenen Auszug aus dem Zentralen Melderegister zu entnehmen. Die derzeitige Adresse der Bf. ergibt sich aus dem vorgelegten Mietvertrag hinsichtlich der Wohnung in der adr4, aus den Briefkuverts der Rechtsmittel, etc.

IV. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 sind die Umsätze der Kleinunternehmer - gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG sind das Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt - steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland sein Unternehmen betreibt und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 30.000 Euro nicht übersteigen.

Als unionsrechtliche Grundlage dieser Bestimmung dient die Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL). Nach Art. 272 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL können Mitgliedstaaten Steuerpflichtige, die die Steuerbefreiung für Kleinunternehmen nach den Artikeln 282 bis 292 in Anspruch nehmen, von bestimmten oder allen Pflichten nach den Kapiteln 2 bis 6 befreien.

Art. 281 der MwStSystRL ermöglicht es im Wesentlichen den Mitgliedstaaten, in denen die normale Besteuerung von Kleinunternehmen wegen deren Tätigkeit oder Struktur auf Schwierigkeiten stoßen würde, vereinfachte Modalitäten für die Besteuerung und Steuererhebung anzuwenden.

Gemäß Art. 282 der MwStSystRL gelten die Steuerbefreiungen und -ermäßigungen nach Abschnitt 2 (Steuerbefreiungen und degressive Steuerermäßigungen) für Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen, die von Kleinunternehmen bewirkt werden.

Gemäß Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL gilt Abschnitt 2 nicht für Lieferungen von Gegenständen und Erbringung von Dienstleistungen durch einen Steuerpflichtigen, der nicht in dem Mitgliedstaat ansässig ist, in dem die Mehrwertsteuer geschuldet wird. Der EuGH schloss wegen dieser Bestimmung die Möglichkeit der Mehrwertsteuerbefreiung mit Verlust des Vorsteuerabzugs für in anderen Mitgliedstaaten ansässige Kleinunternehmer aus ( Schmelz, C-97/09, Rn 51). Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei nämlich durch die Notwendigkeit wirksamer Steuerkontrollen und der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen gerechtfertigt ( Schmelz, C-97/09, Rn 52-64, 70).

Aus dem Stoppelkamp, C-421/10, Rn 26 bis 36, ergibt sich, dass ein Steuerpflichtiger dann ein im Ausland ansässiger Steuerpflichtiger sei, wenn er den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung im Ausland habe.

Der Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit ist gemäß Art. 10 Abs. 1 Durchführungsverordnung (EU) 282/2011 (DVO) zur MwStSystRL der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden. Gemäß Abs. 2 leg.cit. werden zu dessen Bestimmung der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort seines satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, herangezogen. Falls anhand dieser Kriterien der Ort nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, wird der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, zum vorrangigen Kriterium.

Gemäß Art. 11 Abs. 1 und 2 DVO gilt als feste Niederlassung jede Niederlassung mit Ausnahme des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit nach Art. 10 DVO, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen, die für den eigenen Bedarf dieser Niederlassung erbracht werden, zu empfangen und dort zu verwenden.

Strittig ist im hier vorliegenden Beschwerdefall, ob die Bf. als Vermieterin ihr Unternehmen im Inland betrieb und somit unter die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 fiel. Im Gegensatz zur Rechtslage bis zum war die Ansässigkeit im Inland nicht mehr relevant.

Da die Neufassung des § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 laut den Mat (1352 BlgNR 25. GP) der Anpassung an die unionsrechtlichen Vorgaben dient und auf die EuGH-Urteile in den Rs Schmelz und Stoppelkamp verweisen (vgl.: Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 (2017), § 6 UStG, Rz 446), richtet sich die Voraussetzung des Betreibens eines Unternehmens im Inland nach den unionsrechtlichen Begriffen des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit oder des Ortes einer festen Niederlassung, von dem aus Umsätze bewirkt werden (vgl.: Luketina, Umsatzsteuerliche Ansässigkeit von Kleinunternehmern bei Immobilienvermietung, ÖStZ 2019/234, 175). Die umsatzsteuerliche Ansässigkeit wird auch an diesem Ort begründet (vgl.: Gaedke/Huber-Wurzinger, Nochmals zum Kleinunternehmer - Wo wird ein Unternehmen betrieben?, SWK 25/2017, 1093).

Die Bf. betrieb die Vermietung ihrer Eigentumswohnung als natürliche Person. Um den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit ihrer Vermietung festzustellen, sind zunächst die vom EuGH gewonnen Kriterien auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Entscheidend ist demnach, von welchem Ort aus die Vermietungstätigkeit verwaltet wird, wo die Verwaltungsunterlagen erstellt, die Bücher geführt und aufbewahrt, die Bankgeschäfte wahrgenommen und die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung getroffen werden. Da die Bf. alle Eingaben an die Abgabenbehörde von ihrem Wohnsitz im l2 versandte, im Mietvertrag ebenfalls der ausländische Wohnsitz angegeben war und sich die Bf. bezüglich der Angaben in der Beschwerdevorentscheidung vom , welche Vorhaltecharakter entfalteten, nicht näher äußerte, stellte aufgrund vorstehender Ausführungen die private Wohnstätte der Bf. in l1 den Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit dar.

In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Bf. über eine feste Niederlassung im Inland verfügte. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH verlangt der Niederlassungsbegriff einen ausreichenden Mindestbestand an Personal- und Sachmitteln, dessen ständiges Zusammenwirken für die Erbringung der Dienstleistungen erforderlich ist. Eine feste Niederlassung setzt somit einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur voraus, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht (vgl.: Gaedke/Huber-Wurzinger, Nochmals zum Kleinunternehmer - Wo wird ein Unternehmen betrieben?, SWK 25/2017, 1095 mit Hinweis auf , Planzer Luxembourg Sàrl; , ARO Lease; , Lease Plan Luxembourg SA; , DFDS; , Berkholz). Die Bf. hatte laut Akteninhalt nach diesen Kriterien keine feste Niederlassung im Inland, und wurde dies auch nicht von ihr behauptet. Die Bf. hat nämlich trotz Vorhaltes in der Beschwerdevorentscheidung nicht angegeben, sie habe von ihrem Nebenwohnsitz aus die Vermietungstätigkeit verwaltet, dort Verwaltungsunterlagen erstellt und Bücher geführt und aufbewahrt sowie wesentliche Entscheidungen von dort aus getroffen.

Da die Bf. weder über einen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit noch über eine feste Niederlassung in obigen Sinne im Inland verfügte, betrieb sie ihr Unternehmen nicht im Inland. Die Angaben der Bf., der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit würde aufgrund der Vermietung und Verpachtung in Österreich im Inland liegen, genügt laut vorstehenden Ausführungen keineswegs, kann doch ein Unternehmer, der zum Beispiel mehrere Wohnungen an verschiedenen Orten vermietet, nicht an allen Orten ansässig sein. Die Rechtsmeinung des Finanzamtes - es liege kein Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit in Österreich vor - wird daher auch vom Bundesfinanzgericht vertreten.

Die Bf. war somit mangels Vorliegens dieser Voraussetzung nicht von der Kleinunternehmerregelung gemäß § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 erfasst. Diese Auffassung entspricht auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser interpretierte die Regelung richtlinienkonform und kam zum Ergebnis, dass ein Mitgliedstaat nach Art. 283 Abs. 1 Buchst. c der MwStSystRL die Kleinunternehmerregelung bei Dauerdienstleistungen nur für jene Abrechnungsperioden zur Anwendung bringen dürfe, in denen der Steuerpflichtige im Inland ansässig sei ().

V. Zulässigkeit einer (ordentlichen) Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das Bundesfinanzgericht folgte bei der Beurteilung, ob die Bf. die Vermietung ihrer Eigentumswohnung im Inland betrieb, den gesetzlichen Bestimmungen sowie der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Da keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorlag, ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Kleinunternehmerregelung
Verweise
, Berkholz
, Lease Plan Luxembourg

, Planzer Luxembourg Sàrl
, DFDS
, ARO Lease BV
Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.1100201.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at