Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.09.2019, RV/6100284/2016

Handelsvertreterpauschale zuzüglich Vorsteuerpauschale als Betriebsausgaben bei einem von der Umsatzsteuer unecht befreiten Handelsvertreter

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin N.N. in der Beschwerdesache NameBf, AdresseBf, vertreten durch Steuerber, AdresseSteuerber, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt X vom , betreffend Einkommensteuer 2015 zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Darstellung des Verfahrens

Die Einkommensteuererklärung des Beschwerdeführers (in der Folge mit Bf. abgekürzt) für das Jahr 2015 ist am bei der Behörde elektronisch eingelangt.

Neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Er machte die "Handelsvertreter/-innen-Pauschalierung" geltend und erklärte sodann Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von € 35.028,16.

Am übersandte die steuerliche Vertreterin des Bf. eine E-Mail mit folgendem Text:
Hallo Frau Y, Wohnung war noch bis 31012015 vermietet, Übernahmeprotokoll liegt bei.
Bei der Handelsvertreterpauschalierung haben wir das Pauschale mit 12%, jedoch begrenzt mit höchstens 6524,00 genommen. …

Das Finanzamt erließ am den Einkommensteuerbescheid 2015. In diesem Bescheid wurden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 35.727,16 zum Ansatz gebracht mit folgender Begründung:

Die Betriebsausgabenpauschale für Handelsvertreter kann höchstens € 5.825,00 betragen. Ihre Betriebsausgaben wurden daher um einen Betrag von € 699,00 gekürzt, da Sie eine Pauschale von € 6.524,00 zum Abzug gebracht haben.

Am wurde auf elektronischem Weg Beschwerde erhoben mit folgender Begründung:

Herr NameBf nimmt die Handelsvertreterpauschalierung mit dem Höchstbetrag von EUR 5.825,00 in Anspruch. Zusätzlich nimmt er auch die ihm zustehende Vorsteuerpauschalierung in Höhe von EUR 699,00 in Anspruch. Da Herr NameBf jedoch unecht steuerbefreit ist, ist eine Vorsteuer als Aufwand zu werten. Somit beträgt der Gesamtbetrag der geltend gemachten Pauschalbeträge EUR 6.524,00 die sich aus der Handelsvertreterpauschale und der als Aufwand zu wertenden Vorsteuerpauschale zusammen setzt. Daher bitten wir um Bescheiderstellung wie beantragt und verbleiben mit freundlichen Grüßen …

Am  wurde von Name, Steuerberatung, eine E-Mail an das Finanzamt gesendet mit folgendem Text:

Im Anhang die EA-Rechnung des Jahres 2015 von Herrn NameBf. Die Handelsvertreterpauschale haben wir auf dem Konto 7500 erfasst.

Die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung 2015 ("Gegenstand: Versicherungsmakler, Vermietung") wurde als pdf-Anhang übersandt.

Auf den Inhalt der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung wird verwiesen.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. Es wurde darauf hingewiesen, dass die Begründung zusätzlich ergeht.

In der (zusätzlichen) Begründung führte das Finanzamt aus:

Gem. Verordnung des BMF über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung von Betriebsausgaben bei Handelsvertretern (BGBl. II 2000/95) beträgt der Durchschnittssatz 12 % der Umsätze höchstens jedoch 5.825 Euro. Eine zusätzliche Berücksichtigung von Vorsteuern in Höhe der Vorsteuerpauschalierung im Rahmen der Gewinnermittlung, welche nicht einmal beansprucht wurde, lässt sich aus der Verordnung nicht ableiten, zumal die Umsätze umsatzsteuerlich "unecht" befreit sind.
1) Das Betriebsausgabenpauschale ist mit o.a. Betrag begrenzt; ein höherer Betrag kann nicht berücksichtigt werden
2) Grundsätzlich wird das Betriebsausgabenpauschale vom Nettobetrag gerechnet. Da bei einem unecht befreiten Unternehmer das Betriebsausgabenpauschale von den Einnahmen (und nicht vom kleineren Nettobetrag) gerechnet wird, bleibt auch aus diesem Grund - auch unter der Annahme des Fehlens einer betraglichen Begrenzung - kein Raum für den zusätzlichen Ansatz eines Vorsteuerpauschales als Betriebsausgabe.
3) Im Übrigen handelt es sich um "unecht" befreite Umsätze, auch aus diesem Grund kann das (nicht einmal in Anspruch genommene) Vorsteuerpauschale nicht als Betriebsausgabe in Abzug gebracht werden.
Die zusätzlich beantragten Betriebsausgaben in Höhe von 699 (Vorsteuerpauschale) konnte daher nicht gewährt werden.
Die Beschwerde war demnach abzuweisen. …

Der Bf brachte am elektronisch Vorlageantrag ein mit folgender Begründung:

Wie schon in der obig angeführten Beschwerde ausgeführt, ist bei einem unecht befreiten Unternehmer das Vorsteuerpauschale in Höhe von 699,00 zusätzlich als Aufwand zu werten. Dies ist auch in den EStR Rz 4360 angeführt, wo es heißt: Das Betriebsausgabenpauschale ist als Nettogröße anzusehen. Bei der Bruttomethode ist die auf die ertragsteuerlich abpauschalierten Betriebsausgaben entfallende Vorsteuer zusätzlich als Betriebsausgabe absetzbar. Weiters bestehen keine Bedenken, auch im Fall einer unechten Umsatzsteuerbefreiung die auf abpauschalierten Betriebsausgaben entfallenden - einkommensteuerlich abzugsfähige - Umsatzsteuer vereinfachend in Höhe des Vorsteuerpauschales gem. § 2 Abs. 3 der Verordnung zu berücksichtigen.
Es wir somit beantragt 699,00 zusätzlich als gewinnmindernden Aufwand bei der Berechnung der Einkünfte zu berücksichtigen.
Es wird gebeten, auch bei der Beurteilung in diesem Fall die Einkommensteuerrichtlinien heranzuziehen.

Die Beschwerde wurde am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt und ausgeführt:

Sachverhalt:
Der Bf. beantragt zusätzlich zum Betriebsausgabepauschale im höchsten Ausmaß von € 5.825,- auch das Vorsteuerpauschale als Betriebsausgabe. Die Vorsteuerpauschale wurde nicht zusätzlich als Betriebsausgabe berücksichtigt, dagegen wurde Beschwerde eingebracht.

Beweismittel:
Auszug aus EStR 2000, BE des UFS GZ. RV/0541-G/09

Stellungnahme:
Da das Betriebsausgabenpauschale bei umsatzsteuerlich unecht befreiten Unternehmern von den Einnahmen und nicht vom kleineren Nettobetrag berechnet wird, sieht die Behörde keinen Raum für den Ansatz eines Vorsteuerpauschales als zusätzliche Betriebsausgabe. Die Beschwerde wurde daher mit BVE abgewiesen.

In der Folge übersandte die Amtsvertreterin des Finanzamtes - neben dem Gesetzestext und einem Richtlinientext - Ausdrucke der Erkenntnisse des BFG: RV/7100168/2016 und RV/5101624/2018.

II Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Das BFG legt seiner Entscheidung den im Folgenden dargestellten Sachverhalt zugrunde, der sich aus den Akten des Verwaltungsverfahrens ergibt. Dieser Sachverhalt ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten.

Der Bf. übte im streitgegenständlichen Jahr eine Tätigkeit als Handelsvertreter aus. Er war ein von der Umsatzsteuer unecht befreiter Unternehmer.

Aus dieser Tätigkeit erzielte er Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Es bestand für den Bf. keine Buchführungspflicht und wurden auch nicht freiwillig Bücher geführt, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 ermöglicht hätten.

Die Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung des vorangegangenen Wirtschaftsjahres haben nicht mehr als 220 000 Euro betragen.

In der vom Bf. dem Finanzamt auf elektronischem Weg übermittelten  Einkommensteuererklärung für 2015 erklärte er u.a. Einkünfte aus Gewerbebetrieb und machte die Handelsvertreter/-innen-Pauschalierung geltend. Dabei zog er € 6.524,00 als Pauschbetrag von den Einnahmen ab (Betriebsausgabenpauschale in Höhe von € 5.825,00 plus Vorsteuerpauschale in Höhe von € 699,00).

III Rechtslage und Erwägungen

§ 17 EStG 1988 (Einkommensteuergesetz in der maßgebenden Fassung) besagt:

(1) Bei den Einkünften aus einer Tätigkeit im Sinne des § 22 oder des § 23 können die Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 mit einem Durchschnittssatz ermittelt werden. Der Durchschnittssatz beträgt        
– bei freiberuflichen oder gewerblichen Einkünften aus einer kaufmännischen oder technischen Beratung, einer Tätigkeit im Sinne des § 22 Z 2 sowie aus einer schriftstellerischen, vortragenden, wissenschaftlichen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit 6%, höchstens jedoch 13 200 €,
– sonst 12%, höchstens jedoch 26 400 €,
der Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung. Daneben dürfen nur folgende Ausgaben als Betriebsausgaben abgesetzt werden: Ausgaben für den Eingang an Waren, Rohstoffen, Halberzeugnissen, Hilfsstoffen und Zutaten, die nach ihrer Art und ihrem betrieblichen Zweck in ein Wareneingangsbuch (§ 128 BAO) einzutragen sind oder einzutragen wären, sowie Ausgaben für Löhne (einschließlich Lohnnebenkosten) und für Fremdlöhne, soweit diese unmittelbar in Leistungen eingehen, die den Betriebsgegenstand des Unternehmens bilden, weiters Beiträge im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 1.
§ 4 Abs. 3 vorletzter Satz ist anzuwenden.

 (2) Die Anwendung des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 setzt voraus, daß         

1. keine Buchführungspflicht besteht und auch nicht freiwillig Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 ermöglichen,
2. die Umsätze im Sinne des § 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht mehr als 220 000 Euro betragen,
3. aus der Steuererklärung hervorgeht, dass der Steuerpflichtige von der Pauschalierung Gebrauch macht.

 (3) Geht der Steuerpflichtige von der Ermittlung der Betriebsausgaben mittels des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 oder im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 auf die Geltendmachung der Betriebsausgaben nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften über, so ist eine erneute Ermittlung der Betriebsausgaben mittels des Durchschnittssatzes gemäß Abs. 1 frühestens nach Ablauf von fünf Wirtschaftsjahren zulässig.

(4) Für die Ermittlung des Gewinnes können weiters mit Verordnung des Bundesministers für Finanzen Durchschnittssätze für Gruppen von Steuerpflichtigen aufgestellt werden. Die Durchschnittssätze sind auf Grund von Erfahrungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der jeweiligen Gruppe von Steuerpflichtigen festzusetzen. Solche Durchschnittssätze sind nur für Fälle aufzustellen, in denen weder eine Buchführungspflicht besteht noch ordnungsmäßige Bücher geführt werden, die eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ermöglichen.

95. Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für die Ermittlung von Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträgen bei Handelsvertretern, BGBl II Nr. 95/2000 (in der Folge abgekürzt mit HandelsvertreterVO)

Präambel/Promulgationsklausel

Auf Grund des § 17 Abs. 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes 1988, des § 14 Abs. 1 Z 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 sowie des § 184 der Bundesabgabenordnung wird verordnet:

§ 1. Bei einer Tätigkeit als Handelsvertreter im Sinne des Handelsvertretergesetzes 1993, BGBl. Nr. 88/1993, können im Rahmen

1. der Gewinnermittlung bestimmte Betriebsausgaben

2. der Entrichtung der Umsatzsteuer bestimmte abziehbare Vorsteuersteuerbeträge

jeweils mit Durchschnittssätzen angesetzt werden.

§ 2. Bei der Anwendung von Durchschnittssätzen gilt folgendes:

(1) Durchschnittssätze können nur für die in Abs. 2 und 3 angeführten Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträge angesetzt werden. Neben dem jeweiligen Durchschnittssatz dürfen Betriebsausgaben oder Vorsteuerbeträge nur dann berücksichtigt werden, wenn sie in vollem Umfang nach den tatsächlichen Verhältnissen angesetzt werden.

(2) Der Durchschnittssatz für Betriebsausgaben umfaßt
- Mehraufwendungen für die Verpflegung (Tagesgelder im Sinne des § 4 Abs. 5 in Verbindung mit § 26 Z 4 des Einkommensteuergesetzes 1988),
- Ausgaben für im Wohnungsverband gelegene Räume (insbesondere Lagerräumlichkeiten und Kanzleiräumlichkeiten),
- Ausgaben anläßlich der Bewirtung von Geschäftsfreunden,
- üblicherweise nicht belegbare Betriebsausgaben wie Trinkgelder und Ausgaben für auswärtige Telefongespräche.

Der Durchschnittssatz beträgt 12% der Umsätze (§ 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung), höchstens jedoch 5 825 Euro jährlich.

(3) Der Durchschnittssatz für Vorsteuerbeträge gilt die bei Betriebsausgaben im Sinne des Abs. 2 anfallenden Vorsteuern ab. Der Durchschnittssatz beträgt 12% des sich aus Abs. 2 ergebenden Durchschnittssatzes. Als Vorsteuer darf höchstens ein Betrag von 699 Euro jährlich angesetzt werden. Soweit die abziehbare Vorsteuer nach einem Durchschnittssatz berechnet wird, ist das Unternehmen von der Aufzeichnungspflicht gemäß § 18 Abs. 2 Z 5 und 6 des Umsatzsteuergesetzes 1994 befreit.

4. (1) Die Verordnung ist erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2000 anzuwenden.

(2) § 2 Abs. 2 und 3, jeweils in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 416/2001, sind erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2002 anzuwenden.

(3) § 3 in der Fassung vor BGBl. II Nr. 635/2003 ist letztmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2002 anzuwenden.

Gemäß § 4 Abs. 3 EStG 1988 (Einkommensteuergesetz 1988 in der maßgebenden Fassung) darf der Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben dann als Gewinn angesetzt werden, wenn keine gesetzliche Verpflichtung zur Buchführung besteht und Bücher auch nicht freiwillig geführt werden. Durchlaufende Posten, das sind Beträge, die im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt werden, scheiden dabei aus. Der Steuerpflichtige darf selbst entscheiden, ob er die für Lieferungen und sonstige Leistungen geschuldeten Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten behandelt. …

Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988  sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind.

Für den Beschwerdefall bedeutet dies Folgendes:

Der Bf. erzielte im streitgegenständlichen Jahr aus seiner Tätigkeit als Handelsvertreter Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Die Voraussetzungen für die Pauschalierung nach den zitierten Bestimmungen lagen vor - dies steht auch nicht in Streit.

Strittig ist lediglich, ob der Bf. neben den Betriebsausgabenpauschale in Höhe von € 5.825,00 zusätzlich das Vorsteuerpauschale in Höhe von € 699,00 als Betriebsausgaben zum Abzug bringen konnte.

Vorweg zur Frage der Beantragung der Pauschalierung:

Ab der Veranlagung für das Jahr 2003 ist das Erfordernis der Vorlage einer eigenen "Beilage" infolge Änderung der genannten V (mit Ausnahme der ab dieser Veranlagung nicht mehr anzuwendenden V betr Individualpauschalierung) auf Grund der nunmehr vorgesehenen generellen elektronischen Erklärungsabgabe (s § 42) entfallen. … (Wanke, EStG, 7. Erg.-Lfg. - Stand

In  der elektronisch eingebrachten Einkommensteuererklärung 2015 hatte der Bf. unter Handelsvertreter/-innen-Pauschalierung "ja" eingetragen, ebenso unter USt-Bruttosystem "ja" eingetragen und insgesamt den Betrag von € 6.524,00 als pauschalierte Ausgaben von den Einnahmen zum Abzug gebracht.

Die Beantragung ist somit ordnungsgemäß erfolgt.

Zur strittigen Frage der Abzugsfähigkeit der Vorsteuerpauschales als (zusätzliche) Betriebsausgabe:

Der StPfl darf gem. § 4 Abs 3 S 3 selbst entscheiden, ob er die Umsatzsteuer als durchlaufenden Posten behandelt oder nicht; bei EAR stehen daher die Bruttoverrechnung und die Nettoverrechnung als Möglichkeiten der Umsatzsteuer-Verrechnung zur Verfügung (EStR 744). Das Wahlrecht besteht jedoch nur dann, wenn der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt ist … (Jakom/Marschner EStG, 2015, § 4 Rz 249).

IRd Nettosystems behandelt der StPfl die USt gem § 4 Abs 3 S 3 als durchlaufenden Posten. Alle Einnahmen und Ausgaben werden netto (ohne USt) angesetzt. Das Nettosystem ist nur dann zulässig, wenn die USt grds. Durchlaufcharakter haben kann. Daher können Unternehmer, die unecht befreite Umsätze tätigen oder eine Vorsteuerpauschalierung in Anspruch nehmen, nur das Bruttosystem anwenden ( auf die Einkommensneutralität hinweisend; …)
(aus Jakom/Marschner EStG, 2015, § 4 Rz 250).

Was die vom Finanzamt zitierten Entscheidungen anbelangt:

 RV/ 0541-G/09;  ; :

Diese drei Entscheidungen sind hinsichtlich Gesellschafter-Geschäftsführern ergangen: Die dort zugrunde liegenden Sachverhalte weichen von dem dieses Beschwerdefalles ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis , u.a. (Z. 28) ausgeführt:
"Wer als Arbeitnehmer in einem einkommensteuerlichen Dienstverhältnis steht, kann zwar in der Regel mit dieser Tätigkeit nicht zugleich Unternehmer sein (vgl. , mwN). Daraus folgt aber nicht, dass eine natürliche Person, deren Einkünfte einkommensteuerlich als betrieblich zu beurteilen sind, umsatzsteuerlich jedenfalls als Unternehmer zu behandeln wäre. Insbesondere zu einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH (auch in jenem Fall mit einer Beteiligung von 50% an der GmbH; Einkünfte nach § 22 Z 2 EStG 1988) hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf verwiesen, dass die Beurteilung, ob de Abgabepflichtige als Geschäftsführer einer GmbH unternehmerisch tätig gewesen sei, nach den Kriterien des C- 355/06, van der Steen, zu erfolgen hat (vgl. das Erkenntnis vom , 2011/15/0173).

In den zitierten Entscheidungen war die HandelsvertreterVO im Übrigen nicht anwendbar.

Im Beschwerdefall steht unbestritten fest, dass der Bf. im streitgegenständlichen Jahr eine Tätigkeit als Handelsvertreter als ein von der Umsatzsteuer befreiter Unternehmer ausgeübt hat. Eine umsatzsteuerliche Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuergesetzes war gegeben, allerdings unecht steuerbefreit.

Unecht befreiter Unternehmer heißt, dass der Bf. für die von ihm erbrachten steuerfreien Leistungen einerseits keine Umsatzsteuer in Rechnung stellen durfte und somit auch keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen hatte, andererseits aber auch kein Recht auf Vorsteuerabzug hatte.

Aus den bisher getroffenen Ausführungen geht klar hervor, dass die vom Bf. im streitgegenständlichen Jahr erklärten Einnahmen nichts anderes als einen Nettobetrag darstellen können.

Anders auf der Ausgabenseite:

Da der Bf. als unecht befreiter Unternehmer kein Recht zum Vorsteuerabzug hatte, stellte für ihn die Umsatzsteuer, die ihm im Rahmen seines Unternehmens von anderen Unternehmern in Rechnung gestellt worden war, einen Kostenfaktor dar.

Wenn die Umsatzsteuer einen Kostenfaktor darstellt, ist sie bei der Einkommensteuer grundsätzlich als Betriebsausgabe abzugsfähig.

Aufgrund der unechten Befreiung von der Umsatzsteuer war beim Bf. keine Umsatzsteuerveranlagung durchzuführen, die Frage der pauschalen Anerkennung von abziehbaren Vorsteuerbeträgen im Rahmen einer Umsatzsteuerveranlagung war daher im Beschwerdefall kein Thema.

Zu beurteilen war lediglich die Frage des Abzugs von pauschalierten Betriebsausgaben.

Unstrittig steht fest, dass das Betriebsausgabenpauschale in Höhe von € 5.825,00 (Höchstbetrag) zum Abzug gebracht werden konnte.

In Streit steht, ob der Bf. die auf die abpauschalierten Betriebsausgaben entfallenden, für ihn nicht abzugsfähigen das Vorsteuerbeträge, durch Ansatz des Vorsteuerpauschales als (zusätzliche) Betriebsausgaben zum Ansatz bringen kann.

Dazu Folgendes:

Gemäß § 2 Abs. 1 der HandelsvertreterVO, deren grundsätzliche Anwendbarkeit im Beschwerdefall von den Parteien nicht in Frage gestellt wird, können Durchschnittssätze (nur) für die in Abs. 2 und 3 der Verordnung angeführten Betriebsausgaben und Vorsteuerbeträge zum Ansatz gebracht werden.

Im Absatz 2 wird genau festgelegt, welche Betriebsausgaben vom Durchschnittssatz umfasst werden (Mehraufwendungen für die Verpflegung …).

Mit dem Pauschale können also nur bestimmte, gesetzlich determinierte Betriebsausgaben abgegolten werden.

Für diese - im Absatz 2 festgelegten, vom Durchschnittssatz umfassten - Betriebsausgaben beträgt der Durchschnittssatz 12% der Umsätze (§ 125 Abs. 1 der Bundesabgabenordnung), höchstens jedoch 5 825 Euro jährlich.

Hinsichtlich der als Betriebsausgaben abzugsfähigen Vorsteuerbeträge verweist § 2 Abs. 1 der HandelsvertreterVO auf den Absatz 3 dieser Bestimmung.

Gemäß § 2 Abs. 3 der HandelsvertreterVO gilt der Durchschnittssatz für Vorsteuerbeträge die bei Betriebsausgaben im Sinne des Abs. 2 anfallenden Vorsteuern ab. Der Durchschnittssatz beträgt 12% des sich aus Abs. 2 ergebenden Durchschnittssatzes, höchstens jedoch ATS 9.600,00 bzw. € 699,00.

Den gesetzlichen Bestimmungen der HandelsvertreterVO  kann somit entnommen werden, dass es sich sich bei dem Betriebsausgabenpauschale nach § 2 Abs. 2 der genannten Verordnung um eine Nettogröße handelt.

In der Entscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/0102-G/04 ist dazu ausgeführt:

Die HandelsvertreterVO geht ganz offensichtlich vom "Normalfall" des umsatzsteuerpflichtigen bzw. vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer aus. Denn aus deren Wortlaut im § 2 Abs. 3 geht hervor, dass das dort normierte Vorsteuerpauschale die auf die gem. § 2 Abs. 2 leg. cit. "abpauschalierten" Betriebsausgaben entfallende Vorsteuer abgilt. Die auf diese (genau bezeichneten) Betriebsausgaben entfallende Vorsteuer ist daher im Betriebsausgabenpauschale des § 2 Abs. 2 HandelsvertreterVO nicht enthalten, anderenfalls das Vorsteuerpauschale beim vorsteuerabzugsberechtigten Abgabepflichtigen zu einer Doppelberücksichtigung dieser Vorsteuerbeträge führen würde: Einerseits als ertragsteuerliche Betriebsausgaben - was aber ganz entgegen dem "Nettosystem" wäre - , sowie andererseits eben als abzugsfähige Vorsteuern im Bereich der Umsatzsteuer. 

Der Bw. tätigt unecht befreite Umsätze und ist daher gemäß § 12 Abs. 3 UStG 1994 nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dies hat ertragsteuerlich zur Folge, dass die verausgabten Vorsteuerbeträge - soweit sie auf steuerlich relevante Aufwendungen entfallen - für ihn zum Kostenfaktor und sohin zur Betriebsausgabe werden (s. zB Doralt, EStG 7. Auflage, § 4 Tz 330). 

Das Betriebsausgabenpauschale des § 2 Abs. 2 der HandelsvertreterVO ist aber - wie oben dargelegt - (bereits auf Grund des bloßen Verordnungstextes) als Nettogröße anzusehen, und zwar unabhängig davon, ob der Abgabepflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder nicht. D. h. die damit "abpauschalierten" Betriebsausgaben sind jeweils nur mit ihren Nettoentgelten (ohne Umsatzsteuer) erfasst. Die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge sind somit auch vom Höchstbetrag gemäߧ 2 Abs. 2 letzter Satz in keinem Falle mitumfasst und können daher neben dem Betriebsausgabenpauschale - im vorliegenden Fall eben in (maximal möglicher) Höhe des Vorsteuerpauschales nach § 2 Abs. 3 der Verordnung - gesondert in Abzug gebracht werden. 

Jede andere Interpretation stünde auch mit dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung in Widerspruch, hätte dies doch entgegen der allgemeinen Grundsätze die gänzliche steuerliche Nichtberücksichtigung der verausgabten Umsatzsteuerbeträge - nämlich weder als abziehbare Vorsteuern im Bereich der Umsatzsteuer, noch als gewinnmindernde Aufwendungen im Bereich der Ertragsteuer - zur Konsequenz.  

Auf Grund dieser Rechtslage kann daher bei Ermittlung der gewerblichen Einkünfte … das Vorsteuerpauschale gesondert angesetzt werden.

Auch in der Literatur wird - mit Hinweisen auf Entscheidungen des UFS - diese Meinung vertreten.

Fellner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, 52. Lfg (Juli 2012):

Tz. 50: 6. Handelsvertreter:

"Das Betriebsausgabenpauschale ist eine Nettogröße. Die auf die davon umfassten Betriebsausgaben entfallende Vorsteuer ist zusätzlich als Betriebsausgabe absetzbar (EStR 2000, Rz 4360)."

Jakom/Baldauf, EStG, 2015, § 17 Rz 113)

USt. Das BA-Pauschale ist als Nettogröße anzusehen (s -F/10, anhängig unter 2011/15/0186). Bei Anwendung der Bruttomethode (EStR 745) ist die auf die ertragstl pauschalierten BA entfallende VorSt zusätzl als BA absetzbar ( taxlex 05, 465; s EStR 4131 zur Basispauschalierung). Nach EStR 4360 bestehen auch keine Bedenken, auch im Fall einer unechten USt-Befreiung die auf pauschalierte BA entfallende - estl abzugsfähige - USt vereinfachen iHd VSt-Pauschales gem § 2 Abs 3 der VO zu berücksichtigen (s ).

Der Unabhängige Finanzsenat hatte in der Entscheidung vom , RV/0244-F/10   u.a. hinsichtlich des Betriebsausgabenpauschales nach der HandelsvertreterVO festgestellt: "... Das Betriebsausgabenpauschale ist nach seinem klaren Wortlaut eine Nettogröße. Deshalb sind die darauf entfallenden Vorsteuern nach allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen zusätzlich als Betriebsausgaben abziehbar."

Die gegen die Entscheidung des -F/10, erhobene Amtsbeschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis  als unbegründet abgewiesen.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass diese Rechtsmeinung im Übrigen auch vom BMF in der Rz 4360 der Einkommensteuerrichtlinien, die allerdings keine für das Bundesfinanzgericht maßgebende Rechtsquelle bilden, vertreten wird.

Der Beschwerde war somit stattzugeben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Aufgrund des klaren Wortlautes der maßgebenden Bestimmungen und der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt keine zu lösende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor. Die Revision wird daher nicht zugelassen.

Salzburg-Aigen, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 17 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Durchschnittssätze für die Gewinnermittlung - Handelsvertreter, BGBl. II Nr. 95/2000
§ 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.6100284.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at