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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 01.10.2019, RV/5100936/2016

Außergewöhnliche Belastung: Hotelkosten und Verpflegungsmehraufwand von Begleitpersonen iZm Heilbehandlungen eines schwer behinderten Kindes

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2019/15/0159. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache A., Adresse1, vertreten durch Vertreter1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Z. vom , Vorverfahren RV/5100209/2016 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) zu Recht erkannt: 

  • Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
    Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

    Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses bildet.

     

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. In der Beilage zur Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) 2013  vom erklärte die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf.) außergewöhnliche Belastungen aufgrund von unregelmäßigen Ausgaben für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung bezüglich des Kindes B. iHv. EUR 5.762,40  und Kinderbetreuungskosten. Aus der Beilage geht auch hervor, dass die Bf. für ihr Kind erhöhte Familienbeihilfe von 1-12/2013 bezog und eine monatliche pflegebedingte Geldleistung von EUR 382,90 von 8-12/2013.

2. Im darauf folgenden Vorhalteverfahren stellte sich heraus, dass von der Bf. pauschale Diäten und Selbstbehalte iHv. EUR 5.762,40  angesetzt wurden, da diese höher waren als die belegmäßig nachweisbaren Kosten iHv. EUR 3.366,62.

3. Das Finanzamt anerkannte im Einkommensteuerbescheid 2013 vom die Kinderbetreuungskosten, nicht jedoch die Diäten. Dies wurde wie folgt begründet: Verpflegungskosten zählen gemäß § 20 EStG 1988 zu den  nichtabzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Nur wenn höhere Kosten im Rahmen einer auswärtigen Therapie nachgewiesen würden, könne der Mehraufwand (tatsächliche Kosten abzüglich Ersätze, Haushaltsersparnis und Pflegegeld) als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Eine pauschale Berücksichtigung von Tages- und Nächtigungsgeldern (in Höhe der amtlichen Sätze des § 26 Abs 4 EStG 1988) sei im § 34 EStG 1988 nicht vorgesehen.

4. Dagegen wendete sich die Beschwerde vom . Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass Therapien nach dem sog. „Elternschule-Konzept“, bei dem auch die Eltern geschult würden, erfolgt seien. Die Eltern hätten sich diese Betreuung aufteilen müssen. Aus familientherapeutischen Gründen sei auch die fünfjährige Schwester der behinderten Tochter bei den Aufenthalten dabei gewesen. Bei schwerer Krankheit eines Kindes seien sämtliche iZm der Begleitung anfallenden Kosten eine a.g. Belastung iS des § 34 EStG. Dies treffe auf die nachgewiesenen Kosten, aber auch auf die Kosten der Begleitung für die Verpflegung vor Ort zu, auch wenn diese ohne Nachweis in Höhe der amtlichen Diäten angesetzt würden. Die Mehrkosten müssten zum einen anerkannt werden, da der Gesetzgeber selbst im Rahmen der zu § 35 EStG ergangenen Verordnung bestimmte Pauschalbeträge vorsehe. Zum Zweiten müsse eine Ungleichbehandlung des Steuerpflichtigen der die gesetzlichen Bestimmungen kenne und die Nachweise der Ausgaben aufbewahre, mit dem Steuerpflichtigen, der die gesetzlichen Bestimmungen im Detail nicht kenne und daher die Belege nicht sammle, vermieden werden. Man beantrage daher, sämtliche iZm der Begleitung anfallenden Kosten, sowohl  die nachweisbaren iHv. EUR 3.366,62, als auch die nicht nachweisbaren iHv. EUR  1.374,00 , die in Höhe der Diäten für Bundesbedienstete angesetzt worden seien, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

5. Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.

6. Mit dem Vorlageantrag vom wurden auch Belege über die Selbstbehalte zu den Rehabilitationsaufenthalten vorgelegt. Daraus geht hervor, dass die Mutter die von der Krankenkasse bewilligte Begleitperson war. Für den Vater des Kindes bzw. die Schwester sowie eine weitere Begleitperson wurden zusätzliche Rechnungen für Hotel und Vollpension vorgelegt.

7. Die belangte Behörde forderte mit Vorhaltsschreiben vom weitere Unterlagen zur Überprüfung der Kinderbetreuungskosten und zu den Kur-, Reha- und Therapieaufenthalten 2013 (Verschreibung der Kuraufenthalte, ev. Kostenersätze, etc.) an.

8. Mit der Vorhaltsbeantwortung vom legte die Abgabepflichtige folgende Unterlagen vor:

  • eine korrigierte Rechnung zu einer Übernachtung in Deutschland (zwecks Anfertigung von Spio-Orthesen);

  • hinsichtlich der allgemeinen Kinderbetreuungskosten den Kursnachweis für eine Betreuungsperson und ein Empfehlungsschreiben der Diakonie für die zweite Betreuungsperson;

  • eine Abrechnung für die erste Betreuungsperson, das Auszahlungsjournal für die zweite Betreuungsperson;

  • eine Bestätigung der vivo Kinderwelt;

  • Aufenthaltsbestätigungen „kids Chance 2013“ (Reha-Aufenthalte);

  • den Verordnungsschein für die Spio-Orthesen;

  • Rechnungen und Leistungsbestätigungen der OÖ GKK zu den Spio-Orthesen;

  •  eine bereits im Akt vorhandene Aufstellung der Gesamtkosten 2013.

9. Nach der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht am wies dieses die Beschwerde nach weiteren Verfahrensschritten mit Beschluss vom als verspätet zurück.

10. Mit Eingabe vom beantragte die Bf. die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2013 gem. § 299 BAO.
Der Antrag wurde begründet mit der Rechtswidrigkeit des Einkommensteuerbescheides 2013 iZm auswärtigen Therapien, davon durch Belege nachweisbare iHv. EUR 3.662,62 und nicht belegbare Ausgaben für Verpflegung (Diäten) iHv. EUR 1.374,00.

11. Am ergingen der Bescheid betreffend die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2013 gemäß § 299 BAO sowie ein neuer Sachbescheid Einkommensteuer 2013.
In der gesondert ergangenen Begründung vom selben Tag wurde im Wesentlichen ausgeführt:
„Die Abgabepflichtige hatte im Jahr 2013 enorme Kosten für ein behindertes Kind zu tragen (ca. 45.700 Euro). Die nicht von der Versicherung bzw. der Haftpflichtversicherung der X. getragenen Kosten für Begleitpersonen iZm Reha-Aufenthalten und Therapien wurden  von der Abgabepflichtigen in Form von Tages- und Nächtigungsgeldern im Betrag von 5.762,40 Euro beantragt. Die Diäten wurden nicht nur für eine Begleitperson, sondern für die ganze Familie (vier Personen) geltend gemacht. Weiters wurden Kinderbetreuungskosten für beide Kinder der Abgabepflichtigen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht.
Im zu beurteilenden Fall wird für mehrere eintägige, aber auch mehrwöchige Therapien, die Berücksichtigung von pauschalen Tagesdiäten für das kranke Kind und für bis zu drei Begleitpersonen geltend gemacht. Für Reha-Aufenthalte in Y. sowie einen Aufenthalt in Deutschland wird überdies die Anerkennung pauschaler Nächtigungsgelder beantragt. Es wurden zwar nur die nicht durch eine Versicherung gedeckten Verpflegungsmehraufwendungen und Nächtigungskosten, allerdings für mehrere Begleitpersonen, geltend gemacht.
Die Berücksichtigung von Tages- und Nächtigungsgeldern in Höhe der amtlichen Sätze des § 26Abs 4 EStG für die Kosten einer Begleitperson ist im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen nicht vorgesehen. Verpflegungskosten gehören zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung. Lediglich jene Verpflegungsmehraufwendungen, welche im Rahmen einer auswärtigen Therapie nachgewiesen werden, können als außergewöhnliche Belastung in Betracht gezogen werden.
Bei Kindern ist es nach der Verwaltungspraxis möglich, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen und soweit Angemessenheit vorliegt, die Aufwendungen für eine Begleitperson abgezogen werden können (auf Rz 902 LStR zum Spitalsaufenthalt eines Kindes wird hingewiesen).
Im Zuge des vorangegangenen Verfahrensganges wurde festgestellt, dass die Kuraufenthalte in Y. nur für die Tochter B. und für die Abgabepflichtige selbst als Begleitperson bewilligt worden waren. Die Notwendigkeit weiterer Begleitpersonen wurde nicht durch ärztliche Bestätigungen nachgewiesen.
Das Finanzamt stellt keineswegs in Frage, dass bei einem Kind die Kosten für eine Begleitperson bei Therapien und Krankenhausaufenthalten eine außergewöhnliche Belastung darstellen können. Da es sich bei den außergewöhnlichen Belastungen um eine Begünstigung handelt, liegt die Beweispflicht bei der Abgabepflichtigen. Dies gilt im gegenständlichen Fall umso mehr, weil die behauptete Notwendigkeit, dass die gesamte vierköpfige Familie oder beide Elternteile an den Therapien teilnehmen mussten, außerhalb der Norm und der Lebenserfahrung liegt. Es wurden jedoch keinerlei Beweismittel dafür angeboten, welche die medizinische Angemessenheit dieser Maßnahme glaubhaft machen würden.
Von den mit den Beilagen zum Vorlageantrag bzw. der Vorhaltsbeantwortung zum Vorhaltsverfahren zum Vorlageantrag im vorangegangenen Verfahrensgang nachgewiesenen Kosten können nur jene anerkannt werden, die das behinderte Kind und die von der Krankenkasse bewilligte Begleitperson (Mutter) betreffen.
Auf die in einem vergleichbaren Fall ergangene Entscheidung des UFS, GZ RV/0498-G/05 vom , wird hingewiesen.
Unter den dargestellten Voraussetzungen war die im Antrag vom behauptete Unrichtigkeit (Rechtswidrigkeit) des Bescheides nur hinsichtlich folgender Beträge gegeben:“


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Dauer
Tage
Mutter
Kind
Summe
21.05.-
14
160,44
246,12
 
Haushaltsersparnis
14
-76,25
-76,25
 
 
 
84,19
169,87
254,06
 
 
 
 
 
21.10.-
15
160,44
246,12
 
Haushaltsersparnis
15
-78,48
-78,48
 
 
 
81,96
167,64
249,60
 
 
 
 
503,66
Aufenthalt für Spio-Orthesen Deutschland Hotel W. lt. Vorhaltsb. vom
252,00
 
 
 
Summe
755,66

(Anmerkung Richter: als Haushaltsersparnis abgezogen wurden -gemäß den  Lohnsteuerrichtlinien Rz 902- 8/10 vom Wert der vollen freien Station gemäß der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl II 2001/416 idF BGBl II 2008/468).

12. Mit Schreiben vom erhob die Bf. Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 vom und stellte den Antrag auf Vorlage beim Bundesfinanzgericht ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, da der Sachverhalt schon geklärt sei und nur noch eine Rechtsfrage strittig sei. Es wurde auf die Ausführungen in der Beschwerde vom verwiesen.

13. Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde am dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. In der Stellungnahme wurde auf die gesondert ergangene Begründung des angefochtenen Bescheides vom verwiesen.


Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

I. Rechtslage

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs.3).

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher  Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.

§ 34 Abs. 6 EStG 1988  lautet:
Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

-.....(TS 1-3)

- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen übersteigen (TS 4).

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Für den Beschwerdezeitraum ist die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430, maßgeblich.
In § 4 dieser Verordnung wird normiert, dass nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind. Dies nach § 1 Abs. 3 der Verordnung ohne Kürzung um pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld) oder den Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988.

Gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

Nach § 5 Abs. 3 der Verordnung sind zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Gemäß § 26 Z 4 lit. b EStG 1988 darf das Tagesgeld für Inlandsdienstreisen bis zu EUR 26,40 pro Tag betragen.

Gemäß § 26 Z 4 lit. d EStG 1988 darf das Tagesgeld für Auslandsdienstreisen bis zum täglichen Höchstsatz der Auslandsreisesätze der Bundesbediensteten betragen.

Bei Dienstreisen nach Deutschland beträgt der höchste Auslandsreisesatz (Gebührenstufe 3) für Bundesbedienstete nach der Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV) iVm § 1 der zu § 25c RGV ergangenen Verordnung BGBl II Nr. 434/2001 EUR 35,30.

II. Entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Die Tochter der Bf. leidet aufgrund eines medizinischen Kunstfehlers seit der Geburt  am 2011 an einer infantilen Cerebralparese (Bewegungsstörung) und bedarf einer Vollzeitpflege. Laut vom Sozialministerium in Auftrag gegebenem Gutachten besteht eine 100%-ige Erwerbsfähigkeitsminderung.
Die Bf. bezog für ihr Kind im Jahr 2013 die erhöhte Familienbeihilfe und eine monatliche pflegebedingte Geldleistung von EUR 382,90 von 8-12/2013.
Von der Gebietskrankenkasse wurden im Jahr zwei je 15-tägige Reha-Aufenthalte für das Kind sowie eine Begleitperson bewilligt.
Die Kosten wurden mit Ausnahme eines Selbstbehaltes von der Gebietskrankenkasse  bzw. dem Betreiber der Geburtsklink getragen.
Für die Unterkunft und die Verpflegung des Ehemannes, der zweiten Tochter der Bf. und einer bei der Familie angestellten Betreuerin fielen weitere belegmäßig nachweisbare Kosten der Unterkunft und Verpflegung an.
Am wurde eine Erstuntersuchung in Y. durchgeführt, anhand der entschieden wurde, dass das Kind dort als Reha-Patient betreut werden könne. Für diesen eintägigen Aufenthalt machte die Bf. pauschale Diäten als außergewöhnliche Belastung geltend.

Für zwei weitere eintägige Aufenthalte am und am machte die Bf. pauschale Diäten als außergewöhnliche Belastung geltend.

Für einen Aufenthalt in Deutschland mit zwei Übernachtungen, zwecks Anfertigung von nur dort erhältlichen Spio-Orthesen, fielen Kosten für das Hotel von EUR 252,- und für das Abendessen von EUR 47,20 an.

Für einen 3-tägigen Aufenthalt der von der Familie angestellten Betreuerin am Therapieort fielen Hotelkosten von EUR 150,20 an.

Im Vorlagebericht finden sich folgende Aufwandsbelege:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datum
Ort
Bemerkung
Beleg
Betrag
Y.
Selbstbehalt
2
246,12
Y.
Selbstbehalt
1
160,44
Y.
14x40€ Gästehaus Vater
3
560,00
Deutschland
Hotel W.
8
252,00
Deutschland
1xAbendessen
9
47,20
Y.
Selbstbehalt Reha
6
246,12
Y.
Selbstbehalt Reha
5
160,44
Y.
Hotel Vater und Tochter
7
954,50
Y.
Verpflegung Vater und Tochter
4
586,50
Y.
Hotel Betreuerin
10
150,20
 
 
Summe
 
3.363,52

III. Rechtliche Erwägungen

Durch Krankheit verursachte Aufwendungen sind außergewöhnlich ( 349/56), sie erwachsen aus tatsächlichen bzw. bei Unterhaltsverpflichtung aus rechtlichen Gründen zwangsläufig (§ 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988).
Liegt eine Krankheit vor, so sind jene Kosten abzugsfähig, die der Heilung, Besserung oder dem Erträglichmachen einer Krankheit dienen (Doralt, EStG, 20. Lieferung, § 34, Rz 78 „Krankheitskosten“).
Unstrittig ist, dass die beiden Kinder-Therapien in Y. eine Heilbehandlung darstellten und die Fahrt nach Deutschland mit einer Hilfsmittelanschaffung (Spio-Orthesen) verbunden war.

Strittig ist im gegenständlichen Fall,
1. ob die Kosten für mehr als eine Begleitperson außergewöhnliche Belastungen sind und
2. ob Verpflegungsaufwendungen von Begleitpersonen –sei es auf Basis der tatsächlichen Kosten oder auf Basis des Taggeldes gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 bzw der Verordnung zur Reisegebührenvorschrift 1955 (RGV)-  außergewöhnliche Belastungen sind.

Zu 1. Begleitpersonen:
Zur Frage der Zwangsläufigkeit der Kosten der Begleitung des Vaters und der zweiten Tochter der Bf.  bringt die belangte Behörde vor, dass nur eine Begleitperson von der Krankenkasse bewilligt worden sei und keine Beweismittel für eine medizinische Notwendigkeit angeboten worden seien. Daher würden bei den Kosten der weiteren Begleitpersonen keine außergewöhnlichen Belastungen vorliegen.

Dem ist Folgendes zu entgegenzuhalten:
Es kommt auf die wesentliche Ursache für das Entstehen von  Aufwendungen an. Die Zwangsläufigkeit resultiert aus der Behinderung des eigenen Kindes und der damit erforderlichen Heilbehandlung. Auch Aufwendungen, die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden, sind als zwangsläufig erwachsen zu berücksichtigen, wenn sie aus triftigen Gründen medizinisch geboten sind (vgl zB ).

Zu Fahrtkosten anlässlich von Wochenendabholungen von einem Heilpädagogischen Zentrum haben die Höchstgerichte bereits festgestellt, dass diese der Erzielung eines positiven therapeutischen Effektes dienen und daher in gesetzeskonformer Interpretation zu den Kosten für die Heilbehandlung gemäß § 4 der VO über außergewöhnliche Belastungen zählen (vgl. VfSlg 16.839/2003 und ).

Zur Beurteilung der Frage, ob die Begleitung der Eltern medizinisch geboten ist, findet sich im von der belangten Behörde vorgelegten Akt eine Information aus dem Internet (www.kindaktuell.at/gesundheit/kinder-therapie-in-Y..html vom ) über die „Kinder-Therapie in Y.“, folgenden Inhalts:
„Konzept des Zentrums in der Steiermark ist es die Eltern verstärkt in die Förderungen und Therapien einzubinden. So können diese während des Aufenthaltes in den Tagesablauf des Kindes vor Ort integriert und Anregungen für die Förderung zu Hause mitgenommen werden. Die Kombination unterschiedlicher Therapiemethoden und medizinischer Betreuung durch ein multidisziplinäres Team aus ÄrztInnen, TherapeutInnen und Pflegepersonen soll den Kindern auf ihrem Weg in einen selbständig zu bewältigenden Alltag unterstützend zur Seite stehen.“

Damit liegt für das erkennende Gericht ein Hinweis vor, dass die Begleitung beider Elternteile bei den beiden 2-wöchigen Reha-Aufenthalten der Erzielung eines positiven therapeutischen Effekts dienen und daher medizinisch geboten ist. Auch der 3-tägige Aufenthalt der von der Familie angestellten Betreuerin diente dem Erlernen des Übungsprogramms der Reha und somit der Heilbehandlung. 

Das Beschwerdevorbringen vom   überzeugt mit dem Argument, dass „aufgrund der Schwere der Behinderung die Betreuung so aufwendig ist, dass sich beide Elternteile diese Betreuung aufteilen müssen (aber auch dabei an ihre Grenzen stoßen); die Teilnahme an den Schulungen ist daher für beide Elternteile unabdingbar. Bei den Reha-Aufenthalten war idR auch die zweite, gesunde Tochter dabei, die 2013 erst 5 Jahre alt war. Zum einen aus familientherapeutischen Gründen, zum zweiten, weil es ihr aufgrund ihres Alters nicht zugemutet werden kann, vier Wochen pro Jahr von ihren Eltern getrennt zu werden.“

Der 3-tägige Aufenthalt in Deutschland diente der Anpassung der Orthesen, die nur in Deutschland erhältlich waren. Aufgrund der schwierigen Betreuung des Kindes auf der langen Autofahrt, mussten beide Elternteile dabei sein.

Es ist dem Gesetz nicht zu entnehmen, dass nur die Kosten einer einzigen Begleitperson bei einer Heilbehandlung als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig wären und auch die Judikatur schließt die Kosten weiterer Begleitpersonen nicht aus (siehe dazu , zu den Kosten der Teilnahme beider Elternteile als Begleitpersonen zur Behindertensportwoche ihres Kindes).

Die Zwangsläufigkeit der Kosten von weiteren Begleitpersonen ist anhand des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. Im gegenständlichen Fall liegt nach Beurteilung der vorgelegten Unterlagen in Zusammenschau mit dem Vorbringen der Bf. eine Zwangsläufigkeit der Kosten der weiteren Begleitpersonen dem Grunde nach vor.

Die Kosten  der Begleitung von beiden Elternteilen, des zweiten Kindes und der angestellten Betreuerin sind somit als zur Heilbehandlung notwendig anzusehen, auch wenn sie nicht von Gebietskrankenkasse getragen werden.
Eine Gegenrechnung der Kosten mit pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld) oder dem Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 hat daher nicht zu erfolgen.

Zu 2. Verpflegungsaufwand:
Fest steht, dass der Bf. und den  Begleitern im Zusammenhang mit den krankheitsbedingten Aufenthalten Verpflegungsaufwendungen erwachsen sind. Inwieweit daraus ein Verpflegungsmehraufwand entstanden ist, der sämtliche von der Bestimmung des § 34 Abs. 1 EStG 1988 erforderlichen Kriterien für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung erfüllt hat, war jedoch zu hinterfragen.

Aufwendungen für die eigene Verpflegung stellen an sich Kosten der Lebensführung dar, deren steuerliche Berücksichtigung durch § 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988 ausgeschlossen ist. Dies gilt für gesunde und für kranke Menschen in gleicher Weise. Da ein bedeutender Teil der Steuer­pflichtigen darauf angewiesen ist, Mahlzeiten außerhalb des Haushaltes einzunehmen, betrifft das Abzugsverbot nach der Judikatur des VwGH grundsätzlich auch Aufwendungen für Gasthausverpflegung (vgl. für viele ).
Im Einzelfall sind allerdings Verpflegungsmehrkosten steuerlich anzuerkennen. Den Grund dafür hat der VwGH im Zusammenhang mit auswärtigen Dienstverrichtungen erläutert. Demnach ist eine steuerliche Berücksichtigung von Verpflegungsmehrkosten auf „Dienstreisen“ begründet, weil anzunehmen ist, dass aus der anfänglichen Unkenntnis über die lokale Gastronomie ein höherer Verpflegungsaufwand resultiert. Für Tagesreisen geht der VwGH allerdings davon aus, dass dieser Mehraufwand durch die entsprechende zeitliche Lagerung von Mahlzeiten bzw. die Mitnahme von Lebensmitteln abgefangen werden kann (z.B. ).
Der Verwaltungsgerichtshof hat den Zeitraum, innerhalb welchen dem Steuerpflichtigen die Ergründung der günstigsten Verpflegungsmöglichkeiten am neuen Aufenthaltsort zuzumuten ist, mit einer Woche bemessen, wobei er in seinem Erkenntnis , die Bemessung dieser Woche mit fünf Tagen im Sinne einer Arbeitswoche bestätigt hat.
Die dargestellten Überlegungen zum Verpflegungsmehraufwand bei auswärtigen Dienstverrichtungen sind grundsätzlich auf den Bereich der außergewöhnlichen Belastungen übertragbar, doch ist hier zusätzlich Aspekt der Zwangsläufigkeit zu beachten (RV/5100737/2017 und RV/2100409/2009).

Daher stehen jedenfalls keine steuerlich abzugsfähigen Verpflegungsmehraufwendungen für die eintägigen Aufenthalte am , am und am zu.

Wie oben dargelegt, waren die Aufenthalte in Y. und in Deutschland aus Krankheitsgründen zwangsläufig.
Daher sind Verpflegungsmehraufwendungen in den ersten fünf Tagen entstanden.

Kann der Steuerpflichtige das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für das Vorliegen von außergewöhnlichen Belastungen dem Grunde, nicht aber der Höhe nach beweisen, so ist die Höhe gemäß § 184 BAO zu schätzen (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer III C, Tz 27 zu § 34 Abs. 1; ; Doralt, EStG 20, § 34, Tz 8).

Der Bf beantragte die Schätzung anhand der für Dienstreisen heranzuziehenden Sätze gemäß § 26 Z 4 EStG 1988.  Für den Aufenthalt in Deutschland, wurde von der laut Verordnung BGBl II 434/2001 zur Reisegebührenvorschrift 1955 zustehende Höchstsatz von EUR 35,30 (Gebührenstufe 3) geltend gemacht.
Eine mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit ist hinzunehmen (Ritz, BAO6, § 184 Tz 3).

Der Pauschalsatz von EUR 26,40 gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 stellt einen Durchschnittswert dar, mit dem in typisierender Betrachtungsweise der vermutete Mehraufwand abgegolten werden soll.
In der Literatur zu den außergewöhnlichen Belastungen wird eine Schätzung an Hand der dortigen Sätze für möglich gehalten (siehe zB Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG Anm. 4 zu § 34 [Stand ]).

Es bestehen nach Ansicht des erkennenden Richters keine Bedenken gegen diese Schätzung, da dieser Betrag der Abgeltung der typischen Verpflegungsmehrkosten dient.

Bezüglich der Kinder der Bf. wird der Betrag allerdings im Schätzungsweg mit dem halben Wert angesetzt, da bei diesen die Verpflegungskosten wegen des im Allgemeinen geringeren Nahrungsbedarfs niedriger sind.


Ergebnis:

1. abzugsfähige, belegmäßig nachgewiesene Kosten:
Die Verpflegungsaufwendungen in Beleg 4 und 9 sind nicht abzugsfähig.

Der von der Bf. getragene Selbstbehalt für sich und ihr Kind wird als außergewöhnliche Belastung anerkannt und -wie bereits von der belangten Behörde- um die Haushaltsersparnis (8/10 vom Wert der vollen freien Station gemäß der Verordnung über die bundeseinheitliche Bewertung bestimmter Sachbezüge, BGBl II 2001/416 idF BGBl II 2008/468) gekürzt.


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Datum
Ort
Bemerkung
Beleg
Betrag
Y.
Selbstbehalt
2
167,64
Y.
Selbstbehalt
1
81,96
Y.
14x40€ Gästehaus Vater
3
560,00
Deutschland
Hotel Waldesruh
8
252,00
Y.
Hotel Vater und Tochter
7
954,50
Y.
Selbstbehalt Reha
6
167,64
Y.
Selbstbehalt Reha
5
81,96
Y.
Hotel Betreuerin
10
150,20
 
 
Summe
 
2.415,90

2. abzugsfähiger Verpflegungsmehraufwand:
Für eintägige Aufenthalte steht kein Verpflegungsmehraufwand zu. Im Übrigen steht Verpflegungsmehraufwand nur für die ersten 5 Tage zu und wird in folgender Höhe geschätzt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Datum
Ort
Bemerkung
Taggeld
Betrag
21.05.-04.06.
Y.
5 Tage, 1 Erwachsener und 1 Kind
26,40
198,00
07.08.-09.08.
Deutschland
3 Tage, 2 Erwachsene und 2 Kinder
35,30
317,70
22.10.-05.11.
Y.
5 Tage, 1 Erwachsener und 1 Kind
26,40
198,00
27.10.-30.10.
Y.
2 Tage, 1 Erwachsene (Betreuerin)
26,40
52,80
 
 
Summe
 
766,50

IV. Nichtzulassung der Revision

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Ob Verpflegungsmehraufwendungen und sonstige Kosten von Begleitpersonen in Zusammenhang mit einer Heilbehandlung vorliegen und in welcher Höhe diese gegebenenfalls zu schätzen sind, ist jeweils bezogen auf den konkreten Sachverhalt zu beurteilen. Es handelt sich daher um einen Akt der Beweiswürdigung im Einzelfall.
Im vorliegenden Fall war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



Zitiert/besprochen in
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100936.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at