Keine außergewöhnliche Belastung bei Zahlungen eines GmbH-Gesellschaftergeschäftsführers aufgrund einer Haftung für Schulden der GmbH
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/7100103/2014-RS1 | Zahlungen eines GmbH-Gesellschaftergeschäftsführers aus Anlass einer eingegangenen Bürgschaft für die Schulden der GmbH können mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastungen abgesetzt werden. Es besteht keine moralische Verpflichtung, für Gesellschaftsschulden einzustehen (; , 93/14/0018). Eine Haftungsübernahme des Geschäftsführers für die Gesellschaft stellt ein typisches Unternehmerwagnis dar (), weshalb keine Zwangsläufigkeit gegeben ist. Es entspricht nicht der Systematik und dem Zweck der außergewöhnlichen Belastung, wirtschaftliche Misserfolge durch Ermäßigung der Einkommensteuer auf die Allgemeinheit abzuwälzen (; , 2008/13/0196). |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch den Richter MMag. Gerald Erwin Ehgartner in der Beschwerdesache BF , über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Baden Mödling vom , betreffend Einkommensteuer 2011, zu Recht:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Mittels am elektronisch eingereichter Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 beantragte der Beschwerdeführer unter der Kennzahl 735 den Betrag von EUR 29.977,70 als außergewöhnliche Belastung (mit Selbstbehalt) zu berücksichtigen. Dabei handelte es sich um eine Zahlung aufgrund einer Bürgschaftsverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber der I-GmbH (in der Folge „GmbH“).
Im Rahmen einer Vorhaltsbeantwortung vom führte der Beschwerdeführer aus, dass es sich bei diesem Betrag um eine Kreditrückzahlung handle, zu der er als Bürge in Anspruch genommen worden sei. Aus seinem damaligen Einkommen aus der nichtselbständigen Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH habe er für ebendiese eine Bürgschaft übernehmen und – nachdem die GmbH in Konkurs ging – als Bürge diese Schulden an die Bank zurückzahlen müssen. Es handle sich somit zumindest um eine außergewöhnliche Belastung, wenn nicht sogar um nachträgliche Werbungskosten aus der nichtselbständigen Tätigkeit.
Mit Bescheid vom erfolgte die Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2011, in dem die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Anerkennung der besagten Zahlungen als außergewöhnliche Belastungen versagte. Sofern eine Belastung aus der Erfüllung einer Rechtspflicht erwachse, müsse bereits die Übernahme der Rechtspflicht das Merkmal der (rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen) Zwangsläufigkeit aufweisen. Die Übernahme einer Bürgschaft hingegen, die ein Gesellschafter (Geschäftsführer) einer GmbH zu Gunsten der GmbH eingeht, stelle bei dessen Inanspruchnahme als Bürge keine außergewöhnliche Belastung dar, weil dieser im Fall der Bürgschaftsübernahme ein Wagnis übernehme, das dem eines Unternehmers gleiche, und eine Zwangsläufigkeit ausschließe. Da somit das Merkmal der Zwangsläufigkeit nicht gegeben sei, wurden die Zahlungen iHv EUR 29.977,70 steuerlich nicht berücksichtigt.
Mit Berufung vom (nunmehr Beschwerde) trat der Beschwerdeführer dieser Beurteilung entgegen und führte im Wesentlichen aus, dass er bloß Minderheitsgesellschafter gewesen sei, weshalb die Bürgschaftsübernahme vom Gesellschafterstatus losgelöst zu betrachten sei. Er hätte seinen Lebensunterhalt aus den Bezügen erzielt, den er als angestellter Gesellschafter der GmbH erhielt. Darlehen, die einer GmbH gewährt werden, seien nach den allgemein üblichen geschäftlichen Bedingungen der Banken immer vom jeweils amtierenden Geschäftsführer, unabhängig von einem eventuellen Gesellschafterstatus, durch eine Haftungsübernahme abzusichern, anderenfalls ein Darlehen nicht gewährt werden würde. Die Übernahme der Bürgschaft stelle eine tatsächliche Zwangsläufigkeit dar, da aus damaligen Geschäftsunterlagen ein positiver Fortbestand durch dieses Darlehen absehbar erschien, und dies die einzige Möglichkeit des Beschwerdeführers gewesen sei, seinen Lebensunterhalt aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grund sei im gegenständlichen Fall der Tatbestand der Zwangsläufigkeit erfüllt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer ging ohne jeden Zwang eine Bürgschaft für die I-GmbH ein, an er zum Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaft zu 20% beteiligt war. Er bezog als Geschäftsführer der Gesellschaft Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Mit Schreiben vom wurde dem Beschwerdeführer von der Bank mitgeteilt, dass er, aufgrund seiner übernommenen Haftung als Bürge für die GmbH, im Rahmen einer Kreditrückzahlung in Anspruch genommen wird.
In der Folge leistete der Beschwerdeführer Zahlungen iHv EUR 29.977,70 in Einlösung seiner für die GmbH übernommenen Bürgschaft.
2. Beweiswürdigung
Betreffend die Feststellung, dass der Beschwerdeführer ohne jeden Zwang die Bürgschaft einging, gibt es von Seiten des Beschwerdeführers das Vorbringen, dass Banken nach den allgemein üblichen geschäftlichen Bedingungen vom jeweiligen Geschäftsführer, unabhängig von einem eventuellen Gesellschafterstatus, stets eine Haftungsübernahme verlangen würden; anderenfalls würde ein Darlehen nicht gewährt werden. Von Seiten des Bundesfinanzgerichtes kann diesbezüglich dennoch keine moralischen Pflicht erkannt werden, für GmbH-Gesellschaftsschulden einzustehen - würde dies doch dem Wesen der Haftungsfreiheit in Bezug auf Schulden der GmbH direkt entgegenstehen.
Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus dem Auszug aus dem Firmenbuch sowie aus den dem Bundesfinanzgericht vorliegenden Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Zu Spruchpunkt I. (Beschwerdeabweisung)
Gemäß § 34 Abs 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.
Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben darstellen.
Die Belastung ist gemäß § 34 Abs 2 EStG außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Nach § 34 Abs 3 EStG erwächst dem Steuerpflichtigen die Belastung zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Gemäß § 34 Abs 4 EStG beeinträchtigt die Belastung die wirtschaftliche Leistung wesentlich, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs 2 iVm Abs 5 EStG) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Im gegenständlichen Fall war der Beschwerdeführer als Gesellschafter im Ausmaß von 20 % an der GmbH beteiligt, deren Geschäftsführer er auch war. Er bringt vor, tatsächliche Gründe hätten ihn zur Übernahme der Bürgschaft verpflichtet, weshalb das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit nach § 34 Abs 3 EStG vorliege.
Von Seiten des Bundesfinanzgerichtes wird diesbezüglich in Erwägung gezogen, dass es sich bei tatsächlichen Gründen um solche handelt, die in der Person des Steuerpflichtigen gelegen sind und ihn unmittelbar selbst, dh nicht auch einen Dritten, betreffen bzw treffen.
Handelt es sich, wie im vorliegenden Fall, um Zahlungen aus Anlass einer eingegangenen Bürgschaft, so muss nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die Zwangsläufigkeit schon für den Zeitpunkt des Eingehens der Bürgschaftsverpflichtung gegeben gewesen sein (; , 2001/15/0173).
An der geforderten Zwangsläufigkeit fehlt es jedoch bei Ausgaben, welche sich als Folge eines vom Steuerpflichtigen übernommenen Unternehmerwagnisses darstellen. Es können daher Aufwendungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH aufgrund der Inanspruchnahme aus einer übernommenen Bürgschaft für einen der Gesellschaft gewährten Bankkredit keine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung finden, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer in einem solchen Fall ein Wagnis übernimmt, das dem eines Unternehmers gleicht ().
Die grundsätzliche Haftungsfreiheit in Bezug auf Schulden der GmbH ist für diese Gesellschaftsform derart charakteristisch, dass nach den sittlichen Wertvorstellungen rechtlich denkender Menschen neben den gesetzlichen Ausnahmen auch in Notfällen weder den Gesellschafter noch den Geschäftsführer eine moralische Verpflichtung treffen wird, für Gesellschaftsschulden einzustehen (; , 93/14/0018). Betreffend den Einwand des Beschwerdeführers, dass – nach den allgemeinen üblichen geschäftlichen Bedingungen der Banken – Darlehen , die einer GmbH gewährt werden, immer vom jeweils amtierenden Geschäftsführer abzusichern seien, ist dem zu erwidern, dass dies das zivilrechtliche Verhältnis der Vertragspartei und der Bank betrifft. Eine ohne gesetzliche Verpflichtung erfolgte Haftungsübernahme des Geschäftsführers für die Gesellschaft stellt ein typisches Unternehmerwagnis dar (), weshalb die Zwangsläufigkeit für das beschwerdegegenständliche Verfahren nicht bejaht werden kann.
Das Eingehen von Bürgschaften auf Grund der Gesellschafterstellung ist somit ein typischer Bestandteil des Unternehmerwagnisses. Belastungen der Gesellschaftsorgane aus der Verwirklichung dieser Risiken erfüllen nicht den Tatbestand des § 34 EStG, weil der Steuerpflichtige diese Organfunktion aus freien Stücken übernommen hat und es nicht der Systematik und dem Zweck der außergewöhnlichen Belastung entspricht, wirtschaftliche Misserfolge durch Ermäßigung der Einkommensteuer auf die Allgemeinheit abzuwälzen (vgl ua ; , 2008/13/0196).
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass die Bürgschaftsübernahme – aufgrund seiner nicht wesentlichen Beteiligung an der Gesellschaft (im Ausmaß von 20 %) – von seinem Gesellschafterstatus losgelöst zu betrachten sei, ist auf das Erkenntnis des , zu verweisen, in dem näher auf die Thematik der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Bürgschaftszahlungen bei einem an einer Kapitalgesellschaft nicht wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer eingegangen wird. Daraus geht hervor, dass bei der Beurteilung der Frage der Abzugsfähigkeit von aus dem Titel einer übernommenen Bürgschaftsverpflichtung resultierenden Zahlungen, das Beteiligungsausmaß des Gesellschafter-Geschäftsführers an seiner Kapitalgesellschaft nicht entscheidungswesentlich ist.
Die im gegenständlichen Fall übernommene Bürgschaft des Beschwerdeführers als Gesellschafter-Geschäftsführer der GmbH stellt ein Wagnis dar, das dem eines Unternehmers gleicht. Aus diesem Grund ist die Zwangsläufigkeit der mit der Kreditrückzahlung verbundenen Belastung zu verneinen, weshalb die Zahlung als außergewöhnliche Belastung steuerlich nicht berücksichtigt werden kann, da die Anwendung des § 34 EStG das Vorliegen sämtlicher in der Bestimmung angeführten Voraussetzungen vorsieht.
Im Übrigen scheitert auch ein Abzug der gegenständlichen Kreditrückzahlung als nachträgliche Werbungskosten aus der nichtselbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sind Bürgschaftszahlungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers grundsätzlich durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und entziehen sich derart einem Abzug als Betriebsausgaben bzw Werbungskosten bei den Geschäftsführereinkünften (vgl ua ; , 2009/13/0071).
Einkommensteuerrechtlich macht es keinen Unterschied, ob der Gesellschafter seine Gesellschaft von vornherein mit entsprechend hohem Eigenkapital ausstattet, das in der Folge durch Verluste der Gesellschaft verloren geht, oder ob er später Einlagen tätigt oder als Bürge Schulden der Gesellschaft bezahlt bzw deren Schulden übernimmt, ohne bei der Gesellschaft Rückgriff nehmen zu können. Folglich hängt die Übernahme einer Bürgschaft primär mit der Gesellschafterstellung zusammen, weshalb es der VwGH ablehnt, Vermögensverluste, die dem Gesellschafter aus der Übernahme einer Bürgschaft entstehen, bei seinen Geschäftsführerbezügen einkünftemindernd zu berücksichtigen (vgl ua , 2009/13/0071).
Die Bürgschaftsverpflichtung kann daher nur der Gesellschaftereigenschaft des Beschwerdeführers und nicht seiner gleichzeitigen Arbeitnehmereigenschaft zugerechnet werden. Ist die Übernahme einer Verpflichtung durch ein Gesellschaftsverhältnis veranlasst, liegt eine Einlage gemäß § 8 Abs 1 KStG in die Gesellschaft vor. Die im gegenständlichen Fall getätigte Zahlung kann somit nicht mit dem vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argument in Werbungskosten des Gesellschafters iZm seiner Eigenschaft als Geschäftsführer umgedeutet werden, als dass damit seine Einkünfte als Geschäftsführer gesichert werden würden. Primär dienen nämlich Einlagen des Gesellschafters einer in ihrer Existenz gefährdeten Kapitalgesellschaft dem Fortbestand der Gesellschaft. Die Sicherung allfälliger Geschäftsführerbezüge ist erst eine weitere Folge des Fortbestands der Gesellschaft und tritt gegenüber dem primären Zweck der Einlage als Kapitalausstattungsinstrument in den Hintergrund ().
Die im beschwerdegegenständlichen Fall übernommene Verpflichtung und die daraus resultierenden Zahlungen sind daher dem Gesellschaftsverhältnis zur GmbH zuzurechnen, da die Zahlungen des Beschwerdeführers wirtschaftlich in erster Linie dem Fortbestand der Gesellschaft und nur in weiterer Folge indirekt der Erhaltung seiner Einkünfte dienen. Die Zahlungen aus der für die GmbH übernommenen Bürgschaft können somit nicht als Werbungskosten steuerlich berücksichtigt werden.
Die Beschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen, da die Zahlungen des Beschwerdeführers aufgrund der Bürgschaftsverpflichtung gegenüber der GmbH weder als Werbungskosten noch als außergewöhnliche Belastung steuerliche Berücksichtigung finden können.
3.2 Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit vorliegendem Erkenntnis ist das Bundesfinanzgericht nicht von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen (vgl ; , 93/14/0018; , 2001/15/0173; , 2008/15/0335; , 2009/13/0071). Die Revision war daher vom Bundesfinanzgericht nicht zuzulassen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
Zitiert/besprochen in | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.7100103.2014 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at