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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.09.2019, RV/5100819/2019

Bei auffallender Sorglosigkeit keine Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R in der Beschwerdesache BF, vertreten durch Stb, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt FA vom , Steuernummer StNr, mit dem der Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO abgewiesen wurde, zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Parteienvorbringen und Sachverhalt

  • Mit Bescheid vom wurden die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018 und Folgejahre mit 255.600,00 € festgesetzt. Begründend wurde ausgeführt, dem Finanzamt sei bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer aus dem Verkauf eines Geschäftsanteiles einen Veräußerungserlös in Höhe von 990.980,55 € erzielt habe, der gemäß § 27a Abs. 1 EStG 1988 dem besonderen Einkommensteuersatz von 27,5 % unterliege. Entsprechend dieser Bestimmung erfolge nunmehr von Amts wegen gemäß § 45 Abs. 1 EStG 198 eine Festsetzung an Einkommensteuervorauszahlung für 2018 in Höhe von 255.600,00 €. Unter anderem wurde auf die Fälligkeiten der Vorauszahlungen zu je einem Viertel am 15.02., 15.05., 15.08. und 15.11. hingewiesen.

  • Mit Benachrichtigung vom wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass der Vorauszahlungsbetrag an Einkommensteuer für den Zeitraum 10-12/2018 in Höhe von 255.600,00 € am fällig werde.

  • Mit Bescheid vom wurde ein Säumniszuschlag in Höhe von 5.112,00 € festgesetzt, weil die Einkommensteuer 10-12/2018 in Höhe von 255.600,00 € nicht bis entrichtet worden wäre.

  • Mit Schreiben vom beantragte die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers die Stornierung des Säumniszuschlages, weil den Beschwerdeführer kein grobes Verschulden treffen würde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bisher Arbeitnehmerveranlagungen abzugeben bzw. Lohnsteuer zu bezahlen und nie Einkommensteuervorauszahlungen zu leisten gehabt hätte. Die Verpflichtung, Vorauszahlungen auf einen Veräußerungsgewinn zu leisten, ohne vorher eine entsprechende Einkommensteuererklärung abgegeben zu haben, wäre ihm absolut nicht bewusst bzw. geläufig gewesen. Aus diesem Grund sei die Zahlungsfrist versäumt worden. Der Beschwerdeführer habe die Zahlung bereits heute nachgeholt.

  • Am wurde die Einkommensteuervorauszahlung 10-12/2018 in Höhe von 255.600,00 € entrichtet.

  • Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag auf Nichtfestsetzung eines Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO ab. Die Überweisung in Höhe von 255.600,00 € sei am am Abgabenkonto eingelangt. Da die Fälligkeit am eingetreten sei, würde eine verspätete Abgabenentrichtung vorliegen und sei ein Säumniszuschlag vorgeschrieben worden. Dem Finanzamt sei bekannt geworden, dass der Beschwerdeführer im Kalenderjahr 2018 aus der Veräußerung von Geschäftsanteilen einen Veräußerungsgewinn von 929.547,12 € erzielt habe, der gemäß § 27a Abs. 1 EStG 1988 dem besonderen Einkommensteuersatz vom 27,5 % unterliege. Dem entsprechend seien die Einkommensteuervorauszahlungen für 2018 und Folgejahre mit Bescheid vom mit 255.600,00 € festgesetzt worden. Jeder Vorauszahlungsbescheid enthalte den Hinweis, dass bis zur Zustellung des neuen Bescheides die festgesetzten Vorauszahlungen mit je einem Viertel jeweils am 15.02., 15.05., 15.08. und 15.11. fällig seien. Zusätzlich werde etwa ein Monat vor der Fälligkeit eine Benachrichtigung übermittelt, welche die Höhe und Fälligkeit der Vorauszahlung in Erinnerung rufen sollte.

  • In der Beschwerde vom wies die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers darauf hin, dass die Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO keine Ermessensentscheidung darstelle. Wie bereits dargelegt hätte der Beschwerdeführer bis 2017 immer nur Arbeitnehmerveranlagungen abzugeben bzw. Lohnsteuer zu bezahlen und daher niemals Einkommensteuervorauszahlungen zu leisten gehabt. Die Verpflichtung, Vorauszahlungen auf einen Veräußerungsgewinn des Jahres 2018 zu leisten, ohne vorher eine entsprechende Einkommensteuererklärung abgegeben zu haben, sei ihm absolut nicht bewusst bzw. geläufig gewesen. Darüber hinaus habe sich sein bereits seit Geburt kranker Sohn Anfang Dezember einer schweren Operation am Herzen unterziehen müssen. Der Beschwerdeführer hätte deshalb in dieser Zeit der großen emotionalen Belastung seine Aufmerksamkeit bei seiner Familie gehabt und wäre auch aus diesem Grund mit der Leistung der Vorauszahlung in Säumnis. Die Vorauszahlung sei dann ohnehin nach Entdecken seines Irrtums umgehend geleistet worden. Dass das Finanzamt ihm aus diesem Umständen ein grobes Verschulden an der Säumnis unterstellt, sei absolut nicht nachvollziehbar. Es werde daher beantragt, dem Antrag vom wegen offensichtlichem Nichtvorliegen von grobem Verschulden stattzugeben bzw. den Säumniszuschlag nicht festzusetzen.

  • Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass bei Begünstigungstatbeständen die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung in den Hintergrund trete. Die die Begünstigung in Anspruch nehmenden Abgabenpflichtigen hätten selbst und einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werde. Gegenständlich sei nicht glaubhaft dargelegt worden, warum der Beschwerdeführer nicht für die rechtzeitige Entrichtung gesorgt habe bzw. welche Vorkehrungen getroffen worden seien, um die pünktliche Zahlung der Einkommensteuervorauszahlung zu gewährleisten. Darüber hinaus hätte der Abgabenpflichtige bzw. dessen Vertreter die Möglichkeit gehabt, ein Ansuchen um Zahlungserleichterung einzubringen. Die angeführten Gründe für die nicht rechtzeitige Entrichtung der Einkommensteuerschuld für 2018 seien nicht mehr als leichte Fahrlässigkeit zu werten, sondern würden eine auffallende Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht darstellen. Für die Anwendung des § 217 Abs. 7 BAO bliebe daher kein Raum.

  • Mit Schreiben vom wurde ohne weiteres Vorbringen die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt.

  • Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vor und beantragte deren Abweisung.

Beweiswürdigung

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt geht unbestritten aus den Parteienvorbringen und den vorgelegten Unterlagen vor.

Rechtslage

§ 217 BAO lautet auszugsweise:
(1) Wird eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
(2) Der erste Säumniszuschlag beträgt 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
(7) Auf Antrag des Abgabepflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei der Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.

Erwägungen

Es ist unbestritten, dass die Einkommensteuervorauszahlung 10-12/2018 in Höhe von 255.600,00 € am fällig und der Betrag erst am  entrichtet worden war. Es liegt kein Aufschiebungsgrund nach § 217 Abs. 4 lit a bis d BAO vor. Nach Aktenlage liegt auch keine ausnahmsweise Säumnis im Sinne des § 217 Abs. 5 BAO vor. Der Tatbestand des § 217 Abs. 1 BAO ist daher unbestritten erfüllt und die belangte Behörde war verpflichtet, einen Säumniszuschlag in Höhe von 2 % des verspätet entrichteten Abgabenbetrages vorzuschreiben.

Auf Antrag des Abgabenpflichtigen sind Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt (§ 217 Abs. 7 BAO).

Anträge gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind grundsätzlich unbefristet und können auch in einer Beschwerde oder im Vorlageantrag betreffend den Säumniszuschlagsbescheid gestellt werden (Fischerlehner, Abgabenverfahren², § 217 Anm. 11; -RS1).

Für die Herabsetzung des Säumniszuschlages bzw. die Unterlassung der Festsetzung eines solchen kommt es auf die Umstände der konkreten Säumnis an. Entscheidend ist nach der zitierten Gesetzesstelle, ob den Abgabenpflichtigen an der Säumnis ein grobes Verschulden trifft.

In einem vom Antragsprinzip beherrschten, auf die Erlangung einer abgabenrechtlichen Begünstigung gerichteten Verfahren tritt die Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung gegenüber der Offenlegungspflicht des Begünstigungswerbers in den Hintergrund. Dies bedeutet, dass derjenige, der eine Begünstigung in Anspruch nehmen will, von sich aus einwandfrei und unter Ausschluss jeden Zweifels des Vorliegens all jener Umstände aufzuzeigen hat, auf welche die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann.

Nach Lehre und Rechtsprechung liegt grobes Verschulden vor, wenn das Verschulden nicht nur als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB anzusehen ist. Grobes Verschulden fehlt, wenn überhaupt kein Verschulden oder nur leichte Fahrlässigkeit vorliegt (vgl Ritz, BAO6, § 217, Tz 43). Leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Keine bloße leichte Fahrlässigkeit liegt aber vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (). Grobe Fahrlässigkeit wird mit auffallender Sorglosigkeit gleichgesetzt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt.

Im vorliegenden Fall hätte daher der Beschwerdeführer aus eigenem Antrieb konkret und nachvollziehbar darzutun und glaubhaft zu machen gehabt, dass ihn an der verspäteten Entrichtung der Einkommensteuervorauszahlung 2018 kein grobes Verschulden trifft. Dies hat der Beschwerdeführer nicht getan. Er hat nicht dargelegt, warum er den Vorauszahlungsbescheid 2018 vom sowie die Benachrichtigung vom schlichtweg ignoriert hat. Von der Zustellung des Vorauszahlungsbescheides bis zur Fälligkeit der Einkommensteuervorauszahlung sind mehr als zwei Monate vergangen. Zwischen der Benachrichtigung vom betreffend Fälligkeit des Vorauszahlungsbetrages an Einkommensteuer für den Zeitraum 10-12/2018 in Höhe von 255.600,00 € bis zu dessen Fälligkeit blieb dem Beschwerdeführer ein Monat Zeit, um entsprechende Dispositionen zu treffen. Er ließ die Zeit ungenützt verstreichen und brachte den Betrag von 255.600,00 € erst etwa einen Monat nach dessen Fälligkeit nach Zustellung des Bescheides über die Festsetzung eines Säumniszuschlages zur Einzahlung.

In Hinblick auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer zweimal seitens der belangten Behörde auf seine Vorauszahlungspflicht sowie auf die diesbezügliche Fälligkeit hingewiesen wurde, ist das wiederholte Vorbringen, ihm sei die Verpflichtung, auf den Veräußerungsgewinn Vorauszahlungsleistungen leisten zu müssen, ohne vorher eine Einkommensteuererklärung abgegeben zu haben, absolut nicht bewusst bzw. geläufig gewesen, nicht nachvollziehbar. Es handelt sich dabei um eine reine Schutzbehauptung ohne Bezug zur Realität. Selbst wenn dem Beschwerdeführer bei Erhalt eines Betrages von 929.547,12 € für die Veräußerung eines Geschäftsanteiles nicht bewusst war, dass dieser Betrag der Einkommensteuer zu unterziehen ist und dafür Einkommensteuervorauszahlungen zu leisten sind, muss ihm dieser Umstand jedenfalls mit Erhalt des Vorauszahlungsbescheides 2018 eindeutig bewusst geworden sein. Der Wortlaut "Die Vorauszahlungen an Einkommensteuer für 2018 und Folgejahre werden festgesetzt mit 255.600,00 €. Bis zur Zustellung eines neuen Bescheides sind die festgesetzten Vorauszahlungen mit je einem Viertel jeweils am 15. Februar, 15. Mai, 15. August und 15. November fällig." lässt weder hinsichtlich Höhe noch hinsichtlich Fälligkeit Zweifel offen. Wenn schließlich eine Benachrichtigung der belangten Behörde vom , wonach der Betrag von 255.600,00 € am fällig wird, nicht dazu führt, dass der Beschwerdeführer seiner Zahlungsverpflichtung nachkommt, ist  dies kein Fehler, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht. Es ist vielmehr auffallend sorglos, dass der Beschwerdeführer die für die Einhaltung des Fälligkeitstages der Einkommensteuervorauszahlung 10-12/2018 erforderliche und nach seinen persönlichen Fähigkeiten jedenfalls zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt.

Wenn schließlich in der Beschwerde vom darauf hingewiesen wird, dass der Beschwerdeführer auch aufgrund einer emotionalen Belastung, weil sich sein Sohn Anfang Dezember einer schweren Herzoperation unterziehen musste, mit der Leistung der Vorauszahlung in Säumnis gewesen wäre, ist darauf hinzuweisen, dass es am Beschwerdeführer gelegen wäre nachvollziehbar darzulegen, dass innerhalb der zur Verfügung gestandenen Zeitspanne von mehr als zwei Monaten eine Entrichtung der Einkommensteuervorauszahlung nicht möglich war, ohne dass er die ihm zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Das hat der Beschwerdeführer nicht gemacht, wobei er im Vorlageantrag nicht einmal mehr auf die Krankheit des Sohnes oder auf sein mangelndes Bewusstsein in Hinblick auf die Zahlungsverpflichtung hinwies und den Grund der Verspätung überhaupt offen ließ.

Insgesamt gesehen lagen somit die Voraussetzungen für eine Nichtfestsetzung des berufungsgegenständlichen Säumniszuschlages gemäß § 217 Abs. 7 BAO nicht vor, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Säumniszuschlages folgt die Entscheidung der höchstgerichtlichen Judikatur. Somit wurden im Beschwerdefall Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht berührt, weshalb eine (ordentliche) Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 217 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100819.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at