Beihilfenanspruch im ersten Studienjahr
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri. in der Beschwerdesache B., Adresse1, vertreten durch Vertreter1, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Z. vom , betreffend die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen in Höhe von insgesamt EUR 4.280,70 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am erließ die belangte Behörde den Bescheid über die Rückforderung der Kinderbeihilfe iHv. EUR 3.167,50 und Kinderabsetzbetrag iHv. 1.051,20 für Juli 2016 und Mai 2017 bis September 2018 betreffend das anspruchsbegründende Kind A. (SVNr. 1234567890). Da dieser im Studienjahr 2017/18 keinerlei Prüfungen abgelegt habe, könne in diesem Zeitraum von keiner ernsthaften und zielstrebigen Ausbildung ausgegangen werden. Es bestehe daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Mit Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung vom erhob die Mutter B. (Beschwerdeführerin, fortan: Bf.) Beschwerde gegen diesen Bescheid.
Begründend wird ausgeführt:
„1. Der Sohn der Bf. hat nach Absolvierung der Matura im Juni 2016 vom bis den Zivildienst geleistet. Im Anschluss daran hat er Wirtschaftsinformatik (Wintersemester 2017/18) bzw. Informatik (Sommersemester 2018) inskribiert.
Ein Studienblatt sowie eine Studienzeitbestätigung für das aktuelle Wintersemester 2018/19 ist beigeschlossen.
2. Gemäß § 2 Abs 1 lit. b FLAG gebührt für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, die Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr.
Diese Voraussetzung hat der Sohn der Bf. erfüllt. Diesbezüglich wird auf die Studienbestätigungen für die beiden Semester –WS 2017/18 und SS 2018- verwiesen. Weitere Anspruchsgrundlagen dokumentiert das Gesetz als relevante Grundlage zur Gewährung der Familienbeihilfe nicht.
3. Die Vorlage eines entsprechenden Studienerfolges für das 1. Studienjahr ist aus folgendem Grund nicht möglich:
Nachdem der Sohn der Bf. im ersten Studiensemester feststellen musste, dass das Studium der Wirtschaftsinformatik nicht seinen Interessen entspricht, erfolgte im SS 2018 eine Inskription in Informatik. Entgegen der ihm ursprünglich erteilten Auskunft, wonach dieser Wechsel der Studienrichtungen unproblematisch sei, musste er feststellen, dass das Sommersemester auf Erlerntes aus dem Wintersemester aufbaut. Da ihm die wesentlichen Inhalte jedoch aufgrund eines vorherigen anderen Studiums fehlten, war ihm die erfolgreiche Ablegung von Prüfungen nicht möglich. Er hat in Hinblick auf die beabsichtigte Fortsetzung des Informatikstudiums dennoch sämtliche Kurse und Vorlesungen besucht. In diesem Zusammenhang von einer Erfolglosigkeit auszugehen ist unzutreffend. Außerdem stellt dies in dem ersten Studienjahr keine Anspruchsvoraussetzung dar, obwohl Zielstrebigkeit hinreichend dokumentiert wäre.
4. Als Anspruchsvoraussetzung für die Familienbeihilfe für Juli 2016 – das Monat zwischen Beendigung der Schule durch Abschluss der Matura und Antritt des Zivildienstes legt § 2 Abs 1 lit.d FLAG fest, dass auch für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsbildung, wenn die weitere Berufsbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulbildung begonnen wird, anspruchsbegründend ist.
Da der Sohn der Bf. zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Ableistung des Zivildienstes für ein ordentliches Studium inskribiert hat, ist auch die Zeit zwischen Beendigung des Schulbesuches und dem Antritt des Zivildienstes von der Kinderbeihilfe umfasst.
5. Insgesamt unterliegt die belangte Behörde daher einem Rechtsfehler, wenn diese vermeint, dass durch die unterlassene Ablegung von Prüfungen im Studienjahr 2017/18 keine ernsthafte und zielstrebige Ausbildung vorliegen würde. Für das erste Studienjahr gelten diese Voraussetzungen nicht, da ausschließlich die Aufnahme als ordentlicher Hörer als Anspruchsvoraussetzung ausschlaggebend ist. Den Umstand, dass daraus auch infolge des Studienwechsels bis zur Erlangung von Nachweiszeiten im Umfang von 16 ECTS-Punkten bis auf weiteres keine Familienbeihilfe gewährt wird, nimmt die Bf. ebenfalls zur Kenntnis (was jedoch nicht verfahrensgegenständlich ist).
Im laufenden Studiensemester wurden alle Prüfungen mit Bestnoten absolviert. Dies ist ebenfalls ein Indiz für die Zielstrebigkeit beim Studium.
Es wird daher beantragt nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung den Bescheid vom zur Gänze aufzuheben und in der Sache selbst im Sinn der Stattgabe der Beschwerde zu entscheiden; In eventu den Bescheid der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an diese zurückzuverweisen.“
Beigelegt wurden der Beschwerde eine Bescheinigung der Zivildienstagentur vom , in welcher die Ableistung des Zivildienstes vom bis bestätigt wird, ein Studienplan und Studienzeitbestätigung für das WS 2018/19 (Ende Wirtschaftsinformatik zum , Beginn Informatik am ), sowie Studienbestätigungen für das WS 2017/18 (Wirtschaftsinformatik) und SS 2018 (Informatik).
Mit einem Ergänzungsersuchen forderte die belangte Behörde Nachweise über die Anmeldung zu Lehrveranstaltungen und Mitschriften im WS 2017/18 und SS 2018 und Antritte zu Teilprüfungen an.
Die Bf. übermittelte daraufhin am eine Übersicht über die aktuell inskribierten Lehrveranstaltungen (Wintersemester 2018/19) in einem Ausmaß von 24 ECTS-Punkten, Studienblatt und Studienzeitbestätigung, als „Hausaufgabe“ bezeichnete Unterlagen und eine Übersicht über die eingereichten Hausarbeiten für die Übung „Logic“.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde vom als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass e ine Berufsausbildung nur dann vorliege, wenn das studierende Kind sich nach außen erkennbar ernstlich und zielstrebig um den Studienfortgang und den Studienabschluss bemüht. Ein derartiges Bemühen manifestiere sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur im laufenden Besuch der angebotenen Lehrveranstaltungen, sondern insbesondere auch dadurch, dass die Prüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, abgelegt werden () bzw zu diesen zumindest angetreten wird (). Somit reiche nicht der alleinige laufende Besuch von Lehrveranstaltungen aus, um eine Berufsausbildung im Sinne des FLAG annehmen zu können (). Das Ablegen von Prüfungen, die in einem Hochschulstudium nach der jeweiligen Studienordnung vorgesehen sind, stelle einen essentiellen Bestandteil des Studiums und somit der Berufsausbildung selbst dar (). Die Rechtsauffassung, dass ein Beihilfenanspruch für ein studierendes Kind im ersten Studienjahr nach den Gesetzesbestimmungen ausschließlich an die Bedingung knüpfe, dass dieses zu einem Studium zugelassen worden sei, widerspreche jedoch der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Für den Zeitraum 07/2016 und 05/2017 bis 09/2017 könne im gegenständlichen Fall von keiner Berufsausbildung gesprochen werden, da keine Prüfungen abgelegt worden seien.
Prüfungen im Ausmaß von 16,5 ECTS-Punkten für das Wintersemester 2018/19 seien bestätigt worden, jedoch sei ein Studienerfolg für den Rückforderungszeitraum nicht vorgelegt worden. Auf die Anforderung von Nachweisen vom über abgelegte Prüfungen seien nur Studienblatt, Studienzeitbestätigung und Nachweise über die eingereichten Hausarbeiten für die Übung Logic für das WS 2018/19 übermittelt worden.
Da kein frühestmöglicher Beginn einer Berufsausbildung vorliege, bestehe auch für die Zwischenzeiträume 07/2016 (zwischen Matura und Zivildienstantritt) und von 05/2017 bis 09/2017 (Ende Zivildienst bis Beginn Wintersemester) kein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Mit Schreiben der rechtsfreundlichen Vertretung vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
Ergänzend wurde ausgeführt, dass nach der Judikatur des VwGH der Besuch von Vorlesungen und das Erledigen von Hausarbeiten als Nachweis für ein zielstrebiges Bemühen um Studienfortgang während des ersten Studienjahres gelte. Die belangte Behörde habe aktuelle Judikatur nicht in Betracht gezogen (Erkenntnis des ; ).
Zudem werde dem Studierenden im ersten Studienjahr eine Eingewöhnungsphase zugestanden, in der die Eignung erforscht werden solle (RV/1344-L11 und RV/0383-W/12).
Am erfolgte die Vorlage durch die belangte Behörde an das Bundesfinanzgericht.
Ergänzend wurde vorgebracht, dass der Sohn der Bf. in den ersten beiden Semestern zu keinen Prüfungen angetreten sei und der Besuch von Vorlesungen und die Ausarbeitung von Hausarbeiten nicht ausreichend seien für eine Qualifizierung als Berufsausbildung iSd § 2 Abs 2 lit. b FLAG. Außerdem hätte der Sohn der Bf. im Wirtschaftsinformatikstudium im WS 2017/18 durchaus Prüfungen absolvieren können. Er hätte im SS 2018 Lehrveranstaltungen in Wahlfächern besuchen können und er hätte bereits im WS 2017/18 Pflichtfächer absolvieren können, die ihm für das Informatikstudium (bei Studienplan überschneidenden Lehrveranstaltungen) angerechnet hätten werden können.
Da keine Berufsausbildung im beschwerdegegenständlichen Zeitraum vorliege und somit nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt mit einer Berufsausbildung begonnen worden sei, bestehe auch kein Familienbeihilfeanspruch für den Zeitraum zwischen Matura und Antritt des Zivildienstes sowie für den Zeitraum zwischen Beendigung des Zivildienstes und Beginn des Studiums.
Mit Beschluss des erkennenden Richters vom wurde die Bf. ersucht, geeignete Nachweise für ein aktives Betreiben des Studiums im ersten Studienjahr vorzulegen und Angaben zur aktuellen Studiensituation zu machen.
Mit E-Mail vom übermittelte die Bf. daraufhin eine Liste der zugeteilten Lehrveranstaltungen für das Wintersemester 2017 im Umfang von 23 ECTS-Punkten, den entsprechenden Wochenstundenplan dazu und einen Nachweis der Universität über Prüfungsabschlüsse im Studienjahr 2018/19.
Die Bf. gab an, dass es keine offiziellen Teilnahmebestätigungen für die im ersten Studienjahr besuchten Kurse gebe, lediglich der dem Bundesfinanzgericht übermittelte Nachweis über die Zuteilung der Lehrveranstaltungen sei verfügbar.
Für das Wintersemester 2019/20 sei der Sohn der Bf. schon angemeldet. Im Wintersemester 2018/19 seien 24 ECTS-Punkte erreicht worden, im Sommersemester ca. 20,5 ECTS-Punkte. Hausübungen seien noch vorhanden. Mitschriften seien hauptsächlich ausgeliehene Literatur oder Folien, die von der Universität bereitgestellt wurden.
Mit Eingabe vom verzichtete die Bf. auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen
1. Als erwiesen angenommener Sachverhalt
Der Sohn der Bf. maturierte im Juni 2016 und leistete von bis den Zivildienst ab.
Mit inskribierte er sich an der Universität Linz für das Studium Wirtschaftsinformatik. Er besuchte Lehrveranstaltungen und betrieb somit das Studium auch aktiv.
Mit inskribierte er sich an der Universität Linz für das Studium Informatik.
In den ersten beiden Semestern trat der Sohn der Bf. zu keiner Prüfung an, daher wurde die Auszahlung der Familienbeihilfe mit Oktober 2018 eingestellt.
Der Sohn der Bf. studierte auch im Wintersemester 2018/19 und im Sommersemester 2019 Informatik und legte Prüfungen ab.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den nicht der Aktenlage widersprechenden und auch von der belangten Behörde nicht widerlegten Ausführungen der Beschwerdeführerin bzw ihrer Vertreter.
3. Rechtslage und rechtliche Erwägungen
Strittig ist, ob beim Sohn der Bf. im ersten Studienjahr eine Berufsausbildung im Sinne von § 2 Abs 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) vorliegt.
§ 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 lautete in der Stammfassung, BGBl. Nr. 376/1967:
"§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) ...
b) für volljährige Kinder, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist."
Zu dieser Rechtslage ergingen (auch zu Universitätsstudien) unter anderem auch die von der belangten Behörde zitierte Erkenntnisse (z.B. ), wonach es Ziel einer Berufsausbildung im Sinn des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG sei, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufes zu erlangen. Dazu gehöre regelmäßig auch der Nachweis einer ernstlichen Bemühung um diese Qualifikation. Das Ablegen vorgesehener Prüfungen sei demnach essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Zudem reiche der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung für sich allein noch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen. Hinzu müsse vielmehr das ernstliche und zielstrebige, nach außen erkennbare Bemühen um den Ausbildungserfolg treten, das sich im Antreten zu den erforderlichen (Vor‑)Prüfungen zu manifestieren habe. Zwar sei nicht der Prüfungserfolg ausschlaggebend. Das anspruchsvermittelnde Kind müsse aber durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen.
Durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 311/1992 erfuhr § 2 Abs 1 lit.b FLAG 1967 eine Änderung, wobei im Wesentlichen folgender Textteil eingefügt wurde:
„Bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betreiben. Das Studium wird ernsthaft und zielstrebig betrieben, wenn im ersten Studienabschnitt nach jedem Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Die Erbringung des Studiennachweises ist Voraussetzung für den Anspruch ab dem zweiten und den folgenden Studienjahren des ersten Studienabschnittes .“
Nach weiteren Änderungen durch die Bundesgesetze BGBl. Nr. 201/1996, BGBl. Nr. 433/1996, BGBl. I Nr. 23/1999 und BGBl. I Nr. 90/2007 erhielt § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 durch das Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 und BGBl. 35/2014 die beschwerdegegenständlich anzuwendende Fassung, die wie folgt lautet:
"b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter nach dem Hochschülerschaftsgesetz 1998, BGBl. I Nr. 22/1999, sind unter Berücksichtigung der Funktion und der zeitlichen Inanspruchnahme bis zum Höchstausmaß von vier Semestern nicht in die zur Erlangung der Familienbeihilfe vorgesehene höchstzulässige Studienzeit einzurechnen. Gleiches gilt für die Vorsitzenden und die Sprecher der Heimvertretungen nach dem Studentenheimgesetz, BGBl. Nr. 291/1986. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat durch Verordnung die näheren Voraussetzungen für diese Nichteinrechnung festzulegen. Zeiten des Mutterschutzes sowie die Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf der Studienzeit. Bei einem Studienwechsel gelten die in § 17 Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 305, angeführten Regelungen auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden oder im Ausmaß von 16 ECTS-Punkten nachgewiesen wird ; Gleiches gilt, wenn alle Lehrveranstaltungen und Prüfungen der Studieneingangs- und Orientierungsphase nach § 66 des Universitätsgesetztes 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 erfolgreich absolviert wurden, sofern diese mit mindestens 14 ECTS-Punkten bewertet werden. Der Nachweis ist unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Für eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes gelten die für die Verlängerung der Studienzeit genannten Gründe sinngemäß."
Die nach der Änderung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 durch BGBl. Nr. 311/1992 ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, in denen er seine Rechtsprechung, wann eine Berufsausbildung vorliegt, auch bei Universitätsstudien anwandte, betrafen die Familienbeihilfe für Zeiträume, die vor Inkrafttreten dieser Änderung gelegen waren (vgl. das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis vom , 94/15/0034).
Dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis vom , 98/15/0001, lag ein Sachverhalte zugrunde, in dem das erste Studienjahr vor Inkrafttreten der Änderung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 311/1992 gelegen war.
In weiterer Folge hat der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsprechung mit der Definition der Berufsausbildung nur mehr in den Fällen weiter angewendet, die außerhalb des in § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 besonders geregelten Bereichs des Besuchs einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes lagen (so auch in den von der belangten Behörde zitierten Erkenntnissen vom , 2007/15/0050 und vom , 2009/15/0089).
Die von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnisse sind auf den vorliegenden Fall daher nicht anwendbar.
Für Zeiträume ab Inkrafttreten der Änderung in BGBl. Nr. 311/1992 gilt also die Aufnahme als ordentlicher Hörer als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Erst ab dem zweiten Studienjahr ist als Anspruchsvoraussetzung die Ablegung bestimmter Prüfungen für das vorhergehende Studienjahr nachzuweisen.
Studierenden wird im ersten Studienjahr eine Eingewöhnungsphase zugestanden, in der einerseits die Eignung für das gewählte Studium erforscht werden und andererseits eine Gewöhnung an den Studien- und Prüfungsbetrieb erfolgen kann ( RV/7100341/2017). Aus diesem Grund ist für die Beihilfengewährung ab dem zweiten Studienjahr auch nur der Nachweis eines minimal zu bezeichnenden Studienerfolges (16 ECTS-Punkte) erforderlich.
Auf diese Gesetzeslage beruft sich auch die Beschwerdeführerin.
Allerdings stellt sich die Frage, ob die rein formelle Aufnahme als ordentlicher Hörer ohne weitere studentische Aktivität ausreichend ist.
Hinsichtlich der Frage des Anspruchs auf Familienbeihilfe im ersten Studienjahr bei einer Einrichtung im Sinne des § 3 des Studienförderungsgesetzes nach der Rechtslage nach BGBl. Nr. 311/1992 führt der VwGH im Erkenntnis vom , Ro 2015/16/0033 aus:
„31 Der Gesetzgeber hat mit der Änderung des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 311/1992 ersichtlich der sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den Bereich der Einrichtungen nach § 3 des Studienförderungsgesetzes ergebenden Schwierigkeit der Beurteilung begegnen wollen, ob ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Dabei wurde der Tatbestand, "Kinder, die (...) für einen Beruf ausgebildet werden", nicht geändert. Der Gesetzgeber hat jedoch die von der Rechtsprechung geforderte zusätzliche Voraussetzung (arg.: "nur dann anzunehmen, wenn") in den Gesetzestext aufgenommen und für den Besuch der in § 3 des Studienförderungsgesetzeses genannten Einrichtungen Kriterien festgelegt, wann ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Diese Kriterien betrafen den Studienerfolg.
32 Die Regierungsvorlage nannte hiezu lediglich Studiennachweise, was allerdings eine ex post-Betrachtung nahe gelegt hätte. Der beschlossene Gesetzestext indes legte den bisherigen Studienerfolg als (zusätzliche) Voraussetzung für den Anspruch ab dem zweiten und den folgenden Studienjahren fest und ermöglichte eine (im Familienbeihilfenrecht grundsätzlich anzustellende - vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2010/16/0084, VwSlg 8.752/F) ex-ante-Prüfung.
33 Für das erste Studienjahr wäre bei einer solchen ex-ante-Prüfung ein Studienerfolgsnachweis nicht möglich. Dem wurde durch den im Revisionsfall strittigen Satz "Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr." Rechnung getragen.
34 Die Auslegung aus dem Zusammenhang des Gesetzes ergibt, dass sich diese Aussage (nur) auf das Erfordernis eines Studiennachweises, der für das erste Studienjahr eben ex-ante nicht erbracht werden kann, und somit (nur) auf die Definition bezieht, wann ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird. Die Materialien zum Bundesgesetz BGBl. Nr. 311/1992 sprechen auch ausdrücklich davon, dass Kriterien über den Studienfortgang als Voraussetzung für den Anspruch auf Familienbeihilfe in das Gesetz aufzunehmen seien. Ein Studienfortgang setzt voraus, dass ein Studium überhaupt betrieben wird. Der Entfall eines Kriteriums für den Studienfortgang im ersten Studienjahr ("Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung" - arg. "gilt", Fiktion des Studienfortganges), lässt das Erfordernis, dass ein Studium überhaupt betrieben wird, um von einer Berufsausbildung sprechen zu können, unberührt.
35 Für den Streitzeitraum des Revisionsfalles und die hier anzuwendende Rechtslage, bei der zum Studienfortgang noch Kriterien der Studiendauer hinzutreten, gilt nichts anderes.
36 Die Familienbeihilfe wird zwar monatlich gewährt und die Anspruchsvoraussetzungen müssen zwar für jeden Kalendermonat vorliegen, doch ist es im Hinblick auf die in den Materialien zum Bundesgesetz BGBl. Nr. 311/1992 erwähnte akademische Freiheit, ein Studium und den Studienfortgang völlig frei zu bestimmen, nicht erforderlich, über den pauschalierten Erfolgsnachweis hinaus, der eben im ersten Studienjahr ex-ante nicht erbracht werden kann, detaillierte Nachweise zu erbringen, ob und wie in einem bestimmten Monat studiert wird.
37 Nur in bestimmten Fällen können solche Fragen ausschlaggebend sein. So ist es etwa im Falle eines Studienabbruchs durchaus möglich, aber auch nicht zwingend, dass dieser Studienabbruch nicht zum Ende eines Studienjahres oder eines Semesters erfolgt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Ra 2014/16/0006). Ein weiterer solcher Fall läge vor, wenn über die Aufnahme als ordentlicher Hörer hinaus von vorneherein keinerlei Aktivität in Richtung eines Studiums gesetzt wird. Dann läge auch noch keine Berufsausbildung vor.“
Es kann festgehalten werden, dass im ersten Studienjahr in Hinblick auf die akademische Freiheit, den Studienfortgang völlig frei zu bestimmen, außer dem Nachweis der Aufnahme als ordentlicher Hörer, keine Nachweise zu erbringen sind, ob und wie in einem bestimmten Monat studiert wird.
Dies allerdings nur für den Fall, dass ein Studium über die formelle Anmeldung hinaus auch tatsächlich aktiv betrieben wird.
Dazu muss zumindest der laufende Besuch von Lehrveranstaltungen der betreffenden Studienrichtung erfolgen. Der Nachweis bzw. die Glaubhaftmachung dieses Umstandes kann beispielsweise durch Vorlage von Teilnahmebestätigungen an Seminaren, Stundenpläne der besuchten Lehrveranstaltungen, Vorlesungsmitschriften, Nachweise über Ausleihen aus Bibliotheken, erworbene Fachliteratur oder Seminararbeiten etc. erfolgen (RV/6100252/2015 und RV/7100341/2017).
Der Nachweis der Aktivität in Richtung eines Studiums ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach den Gegebenheiten des Einzelfalles zu beurteilen.
Aus den vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass der Sohn der Bf. in den ersten beiden Semestern das Studium aktiv betrieb, indem er Lehrveranstaltungen besuchte, auch wenn er keine Prüfungsantritte vorweisen kann.
Den von der Bf. und von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen des VwGH und BFG bzw. UFS, in denen ein Familienbeihilfeanspruch im ersten Studienjahr auf Basis der Rechtslage nach Inkrafttreten von BGBl. 311/1992 verneint wurde, lag nie der Sachverhalt zugrunde, dass ein Studium tatsächlich auch aktiv betrieben und ohne Unterbrechung erfolgreich fortgesetzt wurde. Entweder wurde ein Studium bereits nach kurzer Zeit abgebrochen (z.B. RV/6100252/2015 und RV/0383-W/12), ein Studium gar nicht mehr betrieben und erst nach einer Unterbrechung mit einer anderen Studienrichtung begonnen (z.B. RV/7105100/2018 und RV/1344-L/11) oder es wurden mit Ausnahme der Inskription überhaupt keinerlei Aktivitäten entfaltet (z.B. VwGH 2015/16/0033).
Im gegenständlichen Fall jedoch kann der Sohn der Bf. für die folgenden Semester einen guten Studienerfolg in der Studienrichtung Informatik nachweisen.
Auch dies ist ein Indiz für die Ernsthaftigkeit im Studium und den Willen zum Abschluss der Berufsausbildung, mit dem das Studium von Beginn an betrieben wurde.
Das Bundesfinanzgericht sieht es somit als erwiesen an, dass die Aufnahme als ordentliche Hörer an der Universität, verbunden mit den dortigen Vorlesungsbesuchen, Hausarbeiten und der Fortsetzung des Studiums mit dem Ziel dieses auch abzuschließen, nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 die Gewährung der Familienbeihilfe und damit auch des Kinderabsetzbetrages im beschwerdegegenständlichen Zeitraum rechtfertigt.
Da aufgrund der des Studienbeginns im Oktober 2017 ein frühestmöglicher Beginn einer Berufsausbildung vorliegt, besteht auch für die Zwischenzeiträume 07/2016 (zwischen Matura und Zivildienstantritt) und von 05/2017 bis 09/2017 (Ende Zivildienst bis Beginn Wintersemester) gemäß § 2 Abs 1 lit d und e FLAG 1967 ein Anspruch auf Familienbeihilfe.
Aus den angeführten Gründen erweist sich der angefochtene Rückforderungsbescheid als nicht rechtmäßig, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
4. Zulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Mit der Frage, was unter "Berufsausbildung" im Sinne des FLAG 1967 zu verstehen ist, wann ein Studium ernsthaft betrieben wird und bezüglich der Anspruchsvoraussetzungen im ersten Studienjahr, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt auseinandergesetzt, insbesondere im Erkenntnis vom , Ro 2015/16/0033 .
Das erkennende Gericht weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab, sodass eine ordentliche Revision nicht zuzulassen war.
Linz, am
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2019:RV.5100701.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at