Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.07.2019, RV/5101132/2015

Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich nach der VO (EG) 1408/71, wenn sämtliche Familienmitglieder in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt wohnen und der Kindesvater hierzulande einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache Bf., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Braunau Ried Schärding vom , betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der Spruch der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Zeitraums Oktober 2009 bis einschließlich August 2012 ersatzlos aufgehoben. Die verbleibende Rückforderung an Familienbeihilfe für den von der Beschwerdeführerin nicht bestrittenen Zeitraum September 2012 bis August 2014 beträgt 6.369,90 €.

Die Höhe der von der Bf. im Zeitraum Oktober 2009 bis einschließlich August 2012 ursprünglich bezogenen Beträge an Familienbeihilfe sind der Darstellung im Anschluss an die Ausführungen zur Revisionszulässigkeit (Punkt IV) dieser Entscheidung zu entnehmen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensablauf:

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt bei der Beschwerdeführerin (folgend kurz Bf.) die ihr bereits gewährte Familienbeihilfe für ihre beiden Kinder A. hinsichtlich des Zeitraums 10/09 bis 8/14 und B. betreffend den Zeitraum 10/09 bis 5/15 in Höhe von insgesamt 16.455,50 € zurück. Unter Verweis auf die Bestimmungen der VO (EG) 883/2004 führt das Finanzamt begründend zusammengefasst in diesem Rückforderungsbescheid aus, dass der Kindesvater eine Beschäftigung in der Schweiz ausübe, während die Bf. hierzulande nicht berufstätig sei, bzw. sich in keiner, einer Beschäftigung gleichgestellten Situation befunden hätte. Folglich wäre vorrangig die Schweiz zur Gewährung von Familienleistungen zuständig gewesen.

Dagegen erhob die Bf. rechtzeitig Beschwerde. In diesem Schriftsatz vom bringt diese vor, dass ihr Lebensgefährte C. Schweizer Staatsbürger sei und seit 1983 in Österreich lebe. Im österreichischen gemeinsamen Haushalt würden demnach der Kindesvater, die Bf. und ihre gemeinsamen beiden Töchter wohnen. Vor der Übersiedlung von der Schweiz nach Österreich habe der Kindesvater in der Schweiz Anspruchsjahre für die Rente erworben und von der Möglichkeit einer weiterlaufenden freiwilligen Rentenbeitragsleistung Gebrauch gemacht. Seit 1996 sei der Kindesvater auch in Österreich erwerbstätig und als Bildhauer bei der SVA der gewerblichen Wirtschaft versichert. Seit Erreichen seines 65. Lj. erhalte er sowohl eine Rente aus der Schweiz als auch eine weit geringere Pension in Österreich. Auf Antrag sei dem Kindesvater in der Schweiz eine Kinderrente rückwirkend ab September 2012 gewährt worden. Die vom Finanzamt getätigte Rückforderung sei demnach für den Zeitraum 9/12 bis 5/14 bezüglich der Tochter B., bzw. von 9/12 bis 8/14 bezüglich A., zu Recht. Hingegen erweise sich die Rückforderung für beide Kinder von 10/09 bis 8/12 unrechtmäßig, da in diesem Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für einen Bezug von Familienleistungen aus der Schweiz nicht vorgelegen wären.

Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet (somit für den im Rechtsmittel ausschließlich bekämpften Zeitraum 10/09 bis 8/12) ab. Zusammengefasst heißt es in der Begründung, dass die Bf. im zuvor genannten Zeitraum in Österreich weder eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, noch sie sich in einer, einer Beschäftigung gleichgestellten Situation befunden hätte. Hingegen sei der Kindesvater und Lebensgefährte der Bf. in diesem Zeitraum in der Schweiz einer Beschäftigung nachgegangen und habe dort gegenüber Österreich auch sein Haupteinkommen erzielt. Folglich sei die Schweiz für eine Beihilfengewährung für den hier strittigen Zeitraum zuständig gewesen.   

In ihrem Vorlageantrag vom wendet die Bf. neuerlich ein, dass der Kindesvater und gleichzeitiger Lebensgefährte im hier fraglichen Zeitraum - bereits ab 1983 bis dato - in der Schweiz, entgegen der bisherigen Darstellung des Finanzamtes keiner Beschäftigung nachgegangen sei und somit dort auch kein Einkommen erzielt hätte. Von 1965 bis einschließlich 1981 habe C. in der Schweiz gewohnt, auch dort gearbeitet und dadurch reguläre Pensionsansprüche erlangt. Nach seiner Übersiedlung nach Österreich sei eine Lücke in der Sozialversicherung entstanden. Seit 1995 wäre ihr Lebensgefährte bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2012 ausschließlich in Österreich als Bildhauer tätig gewesen, in Österreich steuerlich veranlagt worden und bei der österreichischen SVA der gewerblichen Wirtschaft sozialversichert gewesen. C. habe seit Juni 1996 bis zum Pensionsantritt von der damals noch bestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, als Auslandsschweizer freiwillige Beiträge zur AHV zu leisten, um so weitere Beitragsjahre in der Schweiz zu erwerben. Im hier relevanten Rückforderungszeitraum sei daher sowohl der Kindesvater, die beiden gemeinsamen Kinder als auch die Bf. ausschließlich in Österreich wohnhaft und beide Elternteile nur in Österreich erwerbstätig gewesen. Ab 9/2012 sei durch den Rentenantritt vom Kindesvater in der Schweiz Familienbeihilfe für die beiden gemeinsamen Kinder gewährt worden.

Das Finanzamt legte den gegenständlichen Akt zur Entscheidung dem BFG mit Vorlagebericht vom vor. Darin führt die Abgabenbehörde unter "Sachverhalt" sinngemäß aus, dass im Rahmen einer Überprüfung im Mai 2014 festgestellt worden sei, dass der Kindesvater aus der Schweiz zusätzlich zur Rente eine Kinderrente für die Kinder A. und B. ab 09/2012 beziehen würde. Als Berechnungsgrundlage für diese Schweizer Rente ergebe sich für den Kindesvater eine Gesamtversicherungszeit von 32 Jahren und 7 Monaten. Der Beginn der Zahlung sei nach Ansicht des Finanzamtes mit 09/2012 dadurch zu erklären, dass der Kindesvater (geboren am Y.Y.1947) im MonatX des Jahres 2012 65 Jahre alt geworden und in Pension gegangen sei. Der Kindesvater wäre auch in Österreich selbständig erwerbstätig gewesen, wobei die Einnahmen daraus sehr gering gewesen seien. Eine genaue Prüfung bezüglich der vom Kindesvater in Österreich erzielten Einnahmenhöhe sei nicht durchgeführt worden. Die Kindesmutter beziehe Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und zusätzlich sehr geringe Einkünfte aus einer Beratungstätigkeit. In weiterer Folge teilte das Finanzgericht der Amtspartei die rechtlichen Erwägungen zu dem von ihr bislang herangezogenen Sachverhalt mit Schreiben vom mit und räumte ihr die Gelegenheit zur Abgabe einer Gegenäußerung ein. Eine inhaltliche Stellungnahme zu diesem Schriftsatz langte von der Abgabenbehörde beim BFG nicht ein, vielmehr teilte diese mit, dass das Verwaltungsgericht eine Entscheidung in der Sache treffen möge.

Mit Schreiben des wurde die Bf. ersucht etwaige Unterlagen bezüglich einer eventuell ausgeübten Erwerbstätigkeit ihres Lebensgefährten in der Schweiz für den hier relevanten Zeitraum vorzulegen. Aus den von der Bf. in der Folge übermittelten Nachweisen ist zu entnehmen, dass der Kindesvater in der Schweiz - entgegen der bisherigen Annahme des Finanzamtes - keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Auch diese Unterlagen wurden vor Erlassung dieser Entscheidung dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht und von ihm keine inhaltliche Gegenäußerung eingebracht.

II. Sachverhalt:

Die Bf. wohnt gemeinsam mit dem Kindesvater und den gemeinsamen beiden Töchtern (A., geb. 0.0.99 und B., geb. X.X.96) in Österreich und hat unstrittig im hier maßgeblichen Rückforderungszeitraum die Beihilfe bezogen. Der Kindesvater ist Schweizer Staatsbürger während die übrigen Personen (somit die Kindesmutter und die beiden Kinder) über die Österreichische Staatsbürgerschaft verfügen. Die Bf. ging im hier von ihr ausschließlich bekämpften Zeitraum Oktober 2009 bis August 2012 in Österreich keiner Beschäftigung nach, war jedoch nach § 16 ASVG bis hierzulande freiwillig sozialversichert. Der Kindesvater übte im vorgenannten Zeitraum ausschließlich in Österreich eine selbständige Beschäftigung als Bildhauer aus, war bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft hierzulande sozialversichert und leistete weiterhin bis zum Erreichen seines 65. Lebensjahres freiwillig Beiträge in die Schweizer Rentenversicherung (AHV). Ab September 2012 bezog der Kindesvater sowohl aus der Schweiz als auch aus Österreich eine Rente.

III. Rechtslage:

Die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen lauten auszugsweise in der hier anzuwendenden Fassung wie folgt:

§ 2 FLAG (Familienlastenausgleichsgesetz):

(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

a) für minderjährige Kinder,

...

§ 53 FLAG:

(1) Staatsbürger von Vertragsparteien des Übereinkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) sind, soweit es sich aus dem genannten Übereinkommen ergibt, in diesem Bundesgesetz österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt. Hiebei ist der ständige Aufenthalt eines Kindes in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums nach Maßgabe der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen dem ständigen Aufenthalt eines Kindes in Österreich gleichzuhalten.

...

Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (kurz folgend als VO 1408/71 bezeichnet):

Artikel 1:

Begriffsbestimmungen

Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:

a) "Arbeitnehmer" oder "Selbständige": jede Person,

i) die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen eines Systems der sozialen Sicherheit für Arbeitnehmer oder Selbständige oder einem Sondersystem für Beamte erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist;

...

Artikel 2:

Persönlicher Geltungsbereich

(1)  Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.
...

Artikel 4:

Sachlicher Geltungsbereich

(1)  Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:

...

h) Familienleistungen

...

Artikel 13:

Allgemein Regelungen

(1)  Vorbehaltlich der Artikel 14c und 14f unterliegen Personen, für die diese Verordnung gilt, den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften diese sind, bestimmt sich nach diesem Titel.

(2)  Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:

a) Eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, unterliegt die Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder ihr Arbeitgeber oder das Unternehmen, das sie beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;

b) eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats eine selbständige Tätigkeit ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt;

...

f)eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaates gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Artikel 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften.

Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (nachfolgend kurz als VO 883/2004 bezeichnet):

Artikel 87

Übergangsbestimmungen

...

(8)   Gelten für eine Person infolge dieser Verordnung die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, der durch Titel II der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bestimmt wird, so bleiben diese Rechtsvorschriften so lange anwendbar, wie sich der bis dahin vorherrschende Sachverhalt nicht ändert, es sei denn, die betreffende Person beantragt, den gemäß dieser Verordnung anzuwendenden Rechtsvorschriften unterstellt zu werden. Der Antrag ist innerhalb von drei Monaten nach dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung bei dem zuständigen Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gemäß dieser Verordnung anzuwenden sind, zu stellen, wenn die betreffende Person den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats ab dem Beginn der Anwendung dieser Verordnung unterliegen soll. Wird der Antrag nach Ablauf dieser Frist gestellt, so gelten diese Rechtsvorschriften für die betreffende Person ab dem ersten Tag des darauf folgenden Monats.

...

IV. Beweiswürdigung und rechtliche Erwägungen:

Der unter Punkt II. angeführte und diesem Verfahren zugrunde gelegte Sachverhalt ergibt sich aus dem bisherigen Beihilfenakt unter Berücksichtigung der von der Bf. dem BFG nachgereichten Unterlagen. Im Übrigen wurde vor Erlassung dieser Entscheidung der Abgabenbehörde als Amtspartei der, diesem Verfahren nunmehr zugrunde gelegte Sachverhalt zur Kenntnis gebracht und von ihr keine Einwendungen erhoben. Entgegen der Sachverhaltsdarstellung im Vorlagebericht des Finanzamtes an das in der die Abgabenbehörde davon ausging, dass der Kindesvater sowohl in der Schweiz als auch in Österreich eine selbständige Beschäftigung ausgeübt und dabei im erstgenannten Land seine Haupteinnahmen erzielt hätte, findet diese Sachverhaltsannahme durch die von der Bf. dem BFG nachträglich vorgelegten Unterlagen keine Bestätigung. Vielmehr war der Kindesvater auf Grund dieser Nachreichungen im hier relevanten Zeitraum ausschließlich in Österreich selbständig erwerbstätig.

Auf Grund der Übergangsregelungen in Art. 87 Abs. 8 der VO (EG) 883/2004, welche grundsätzlich mit in Kraft getreten ist, sind gegenständlich noch die Bestimmungen der Vorgänger-VO (EG) 1408/71 anzuwenden. Die vorgenannten Verordnungen umfassten ursprünglich nur die Staaten des EWR, erlangten jedoch durch ein Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom , BGBl. III Nr. 133/2002, auch für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit mit der Schweiz Anwendbarkeit. Unter Zugrundelegung des nunmehr festgestellten Sachverhalts ergibt sich zum Kindesvater nach Art. 13 Abs. 2 lit b) der VO (EG) 1408/71 eine vorrangige Zuständigkeit jenes Landes, in dem die selbständige Tätigkeit ausgeübt wird. Durch die vom Kindesvater ausschließlich in Österreich im hier von der Bf. bekämpften Rückforderungszeitraum ausgeübte selbständige Beschäftigung ergibt sich somit für ihn eine Zuständigkeit des vorgenannten Staates. Nach den Feststellungen des Finanzamtes sowohl im Rückforderungsbescheid als auch in der von ihm erlassenen Beschwerdevorentscheidung ging die Bf. als Kindesmutter in Österreich keiner Beschäftigung - wiederum bezogen auf den von ihr bekämpften Rückforderungszeitraum - nach, sodass sich für sie eine Zuständigkeit nach Art 13 Abs. 2 lit f) der VO (EG) 1408/71 auf Grund des österreichischen Wohnortes ebenfalls für Österreich ergibt. Die von der Abgabenbehörde im Vorlagebericht an das BFG angesprochene Beratungstätigkeit der Bf. in Österreich wurde erst mit begonnen und betrifft folglich einen Zeitraum der von der Bf. ohnehin nicht bekämpft wurde. Aus den vorstehenden Gründen war demnach primär Österreich für die Gewährung der Beihilfe zuständig, sodass sich der Rückforderungsbescheid für den Zeitraum 10/09 bis 8/12 für beide Kinder als rechtswidrig erweist.

Zu jenem Vermerk im Sozialversicherungsdatenauszug der Bf., dass sie seit bis  einer freiwilligen Selbstversicherung nach § 16 Abs. 2 ASVG unterlegen sei, ist anzumerken, dass diese Regelung eine freiwilligen Krankenversicherung nach Ziffer 1 für ordentliche Studierende, nach Ziffer 2 für Personen, die im Hinblick auf das Fehlen der Gleichwertigkeit ihres Reifezeugnisses Lehrveranstaltungen oder Hochschullehrgänge bzw. -kurse besuchen, die der Vorbereitung auf ein Studium dienen, nach Ziffer 3 für Personen die zur Studienberechtigungsprüfung zugelassen sind und nach Ziffer 4 für Hörer der Diplomatischen Akademie in Wien, die nicht in einer gesetzlichen Krankversicherung pflichtversichert sind, ermöglicht. Diese Selbstversicherung nach § 16 ASVG ist jedoch von der in Artikel 1 Buchtstabe a) lit i) der VO (EG) 1408/71 genannten freiwilligen (Weiter-)Versicherung für Arbeitnehmer, wie z.B. nach § 17 ASVG oder nach § 19a ASVG (vgl. auch ) zu unterscheiden. Demnach nimmt die bei der Bf. vorgelegene freiwillige Versicherung keinen Einfluss auf das gegenständliche Verfahren. Unabhängig davon würde selbst bei Vorliegen einer freiwilligen Weiterversicherung iS der vorgenannten Bestimmungen der Verordnung, die der Bf. die Arbeitnehmereigenschaft verleihen würde, keine Änderung in der Zuständigkeit für Österreich für eine Beihilfengewährung durch die Regelungen des Artikel 13 Abs. 2 lit a) der VO (EG) 1408/71 eintreten.   

Auf Grund der obenstehenden Ausführungen war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid im Sinne der Beschwerde für den Zeitraum Oktober 2009 bis einschließlich August 2012 ersatzlos aufzuheben.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die vorrangige Zuständigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist in Art. 13 der VO (EG) 1408/71 eindeutig geregelt. Folglich liegt gegenständlich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, sodass die Zulässigkeit einer ordentlichen Revision zu verneinen war.  

Höhe der rückgeforderten Familienbeihilfe für die beiden Kinder A. und B.:


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Zeitraum
Höhe der FB/Monat für 2 Kinder in €
Anzahl der Monate
Summe in €
10/09 bis 8/10
274,60
11
3.020,60
9/10
549,20
1
549,20
10/10 bis 8/11
274,60
11
3.020,60
9/11
474,60
1
474,60
10/11 bis 8/12
274,60
11
3.020,60
 
 
 
10.085,60

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
VO 1408/71, ABl. Nr. L 149 vom S. 2
§ 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 53 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
Art. 87 VO 883/2004, ABl. Nr. L 166 vom S. 1
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2019:RV.5101132.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at