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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.04.2019, RV/7101344/2019

Keine Nachsicht von rückgeforderter Familienbeihilfe wenn Ratenzahlung möglich

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch R. in der Beschwerdesache A.B., Wohnadresse, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid der belangten Behörde Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf vom , betreffend Abweisung eines Nachsichtsansuchens (§ 236 BAO) zu Recht erkannt: 

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nichtzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt vom Beschwerdeführer (in der Folge kurz Bf. genannt) zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kindergeld in Höhe von € 1.986,70 zurück.

Mit Schriftsatz vom brachte der Beschwerdeführer folgenden Antrag ein:

"ZumBescheid über die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag in Höhe von € 1.986,70 für den Zeitraum Mai 2017 bis Jänner 2018 vom ergeht der Antrag gemäß § 286 BAO iVm. § 2 Z 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO, von der Rückforderung Abstand zu nehmen und den rückgeforderten Betrag zur Gänze durch Abschreibung nachzusehen, weil die Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Durch die Rückforderung wäre meine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Ich bin Asylberechtigter und habe ein tägliches Einkommen von € 19,64 als Kursbeihilfe des AMS zzgl. einer monatlich schwankenden Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts, gewährt durch die MA 40 (zwischen € 245,35 und € 302,68). Aussagekräftige Nachweise dazu sind als Beilage beigefügt. Die Wohnungsmiete beträgt monatlich € 430,00. Über Vermögen verfüge ich nicht.

Meine Einkommenssituation wäre durch die auferlegte Rückerstattung in besonderer Weise unverhältnismäßig beeinträchtigt (vgl. dazu stellvertretend für weitere ua VwGH 94/16/0125 vom , VwGH 95/13/0243 vom , VwGH 98/13/0101 vom , VwGH 99/16/0099 vom , VwGH 99/15/0161 vom , VwGH 99/15/0023 vom , VwGH 2004/16/0151 vom ), da der rückgeforderte Betrag mein eigenes Einkommen um das 2,8-fache und teilweise darüber übersteigt

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteile stünde, die sich aus der Einziehung für den Abgabepflichtigen ergeben (vgl VwGH 99/15/0023 vom ). Dies ist der Fall.

Die Familienbeihilfe und das Kindergeld für den Zeitraum Februar 2017 bis Jänner 2018 ist mir ursprüglich aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Behörde gewährt worden, nicht etwa aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben meinerseits zur Sache. Sie wurde von mir gutgläubig verbraucht.

Eine Verletzung des  - im Gesetz nicht vorgesehenen, dennoch aber als ein allgemeines Rechtsprinzip respektierten - Grundsatzes von Treu und Glauben ist an sich geeignet, eine Unbilligkeit der Einhebung von Ansprüchen des Abgabengläubigers nach sich zu ziehen (vgl. VwGH 98/13/0001 vom , 91/17/0170 vom , VwSlg 6249 F/1987 vom )..."

******

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das Nachsichtsansuchen ab und führte zur Begründung aus, dass nach § 26 Abs. 4 FLAG die Oberbehörden die nachgeordneten Abgabenbehörden anweisen könnten, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges von Familienbeihilfe abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre. Eine derartige Maßnahme falle in den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend. Es stehe dem Bf. frei, sich mit einer entsprechenden Anregung an dieses Ministerium zu wenden.

Bisher sei diesbezüglich noch keine Weisung vom Ministerium erteilt worden.

*****

Gegen diesen Bescheid brachte der Bf. mit Eingabe vom eine Beschwerde ein und stellte die Anträge,

- die belangte Behörde möge über seinen Anspruch erneut entscheiden,

- den oben genannten Bescheid aufheben oder abändern und ihm die Nachsicht gemäß § 236 BAO iVm § 26 Abs. 4 FLAG gewähren,

- den Antrag auf Nachsicht der Oberbehörde vorlegen, um dort ein Verfahren nach § 26 Abs. 4 FLAG einleiten,

- in eventu die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht vorlegen; auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde verzichtet,

 - jedenfalls angesichts der Tatsache, dass es zwei sich widersprechende Weisungen gebe, von Vollstreckungs- und Betreibungsmaßnahmen Abstand nehmen.

Die im Antrag auf Nachsicht der Rückforderung der Familienbeihilfe vom gemachten begründenden Ausführungen halte der Bf. vollinhaltlich aufrecht.

Zu den Ausführungen der Behörde zur Abweisung dieses Antrags vom äußere sich der Bf. wie folgt:

Es bestehe keine gesetzliche Grundlage, dass eine derartige Weisung vom Abgabepflichtigen eingeholt werden müsse. Weisungen würden ihre Bindungswirkung nur innerhalb der Behörde entfalten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , ZI. 89/13/0082, ausgesprochen habe, könne die Erteilung einer Weisung als bloß innerbehördlicher Vorgang niemals Parteienrechte beeinflussen. Demnach könnten Weisungen keine Bindungswirkungen sowie keinen Rechtsanspruch für den Antragssteller entfalten. Bei der in § 26 Abs. 4 FLAG genannten Anordnung der Oberbehörde handle es sich um eine Anordnung im Wege der Dienstaufsicht. § 26 Abs. 4 FLAG räume dem Bf. als Partei des Verwaltungsverfahrens keinen Anspruch auf Ausübung dieses Aufsichtsrechts ein (vgl. dazu sowie Durchführungsrichtlinien zum Familienlastenausgleichsgesetz 1967, ZI BMSG-510104/0001-V/1/2005, Pkt. 26.04). Gegenteilig schreibe das Organisationshandbuch der Finanzverwaltung in Pkt. 6.2.8. vor, dass in besonders berücksichtigungswürdigen Gründen die Möglichkeit bestehe, von der Rückforderung der Familienbeihilfe gemäß § 26 Abs. 4 FLAG Abstand zu nehmen. In diesem Fall sei im Anschluss (also NACH Gewährung einer Nachsicht) eine Sachverhaltsdarstellung an das BMGFJ zu übermitteln. Daraus lasse sich zusätzlich erkennen, dass der Bf. als Partei keine derartige Weisung einholen müsse. Demnach hätte die belangte Behörde von der Rückforderung der Familienbeihilfe in seinem Fall absehen (vgl. unten der angefügte Antrag auf Nachsicht) und danach eine Sachverhaltsdarstellung an das BMGFJ übermitteln müssen. Die Vorgangsweise und Begründung der belangten Behörde widerspreche der im Organisationshandbuch genannten Vorgangsweise.

Ebenso bestehe ein Widerspruch zwischen dem dargelegten Organisationshandbuch und der Durchführungsrichtlinie. Nach der Durchführungsrichtlinie müsse zuerst eine Weisung des BMGFJ eingeholt werden. Nach dem Organisationshandbuch entscheide die belangte Behörde nach ihrem eigenem Ermessen und lege danach eine Sachverhaltsdarstellung dem BMGFJ vor.

Der vom Bf. am gestellte Antrag sei von der belangten Behörde nicht Gänze behandelt worden. Sein Antrag auf Nachsicht habe sich nach der Bestimmung des § 236 BAO sowie nach § 26 FLAG gerichtet, somit nicht nur nach § 26 FLAG. Wie das Bundesfinanzgericht in seinem Erkenntnis vom , RV/7100810/2014, ausgesprochen habe, habe die Finanzverwaltung - sei es nach § 26 Abs. 4 FLAG, sei es nach § 236 BAO - zu prüfen, ob die von ihm vorgebrachten Unbilligkeitsgründe geeignet seien, von einer Rückforderung Abstand zu nehmen. Dem sei die belangte Behörde nicht ausreichend nachgekommen, sondern habe den Antrag auf Nachsicht nur nach § 26 FLAG gewertet und es unterlassen, den Antrag zur Gänze zu erledigen.

*****

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Die Abweisung der Nachsicht sei mit § 26 Abs. 4 FLAG begründet worden.

Nach § 26 Abs. 4 FLAG könnten die Oberbehörden die nachgeordneten Abgabenbehörden anweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges von Familienbeihilfe abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre.

Daraus ergebe sich, dass die Oberbehörde (Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend) das Finanzamt anweisen könne, von einer Rückforderung Abstand zu nehmen. Über eine Weisung des Abgabepflichtigen sei in der Abweisung nicht gesprochen worden. Die Sinnhaftigkeit der Übermittlung einer Sachverhaltsdarstellung an das BMGFJ nach Gewährung einer Nachsicht werde angezweifelt.

Die obgenannte Gesetzesstelle sage aus, dass das BMGFJ das Finanzamt anweisen könne, eine zu Unrecht bezogene Familienbeihilfe nicht vom Abgabepflichtigen rückzufordern.

Dies würde nur dann geschehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre. Wenn eine Existenzgefährdung durch die Rückforderung bestehe, beispielsweise.

Ein Antrag an das BMGFJ habe vom Abgabepflichtigen zu erfolgen. Der Abgabepflichtige müsse in dem Schreiben an das BMGFJ seine finanzielle Situation darlegen und seine Existenzgefährdung verdeutlichen. Sinn des § 26 Abs. 4 FLAG sei, dass es in Fällen, in denen bereits klar sei, dass eine Nachsicht zu gewähren sein werde, gar nicht erst zu einer Rückforderung komme.

Im gegenständlichen Fall könne keine Existenzgefährdung erblickt werden. Nach seiner derzeitigen wirtschaftlichen Lage würde die sofortige volle Entrichtung der aushaftenden Abgabenschuld wohl eine erhebliche Härte bedeuten, jedoch sei ihm die Rückstandstilgung in Form von entsprechenden Monatsraten grundsätzlich zumutbar.

Auf Grund des Alters des Bf. sei mit einer positiven Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu rechnen. Es liege in seinem Interesse, sich, sobald er einen Job gefunden habe, mit einem Ratenangebot an das Finanzamt zu wenden.

Da eine Unbilligkeit nicht habe erblickt werden können, sei das Begehren abzuweisen gewesen.

****

Dagegen brachte der Bf. mit Eingabe vom einen Vorlageantrag ein und führte aus:

"1. Sachverhalt

Mit Bescheid vom wurde mir die Rückforderung der zu Unrecht bezogenen Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages von € 1.986,70 vorgeschrieben. Gegen diesen Bescheid wurde von mir am 17, Juli 2018 Beschwerde erhoben und ein Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO sowie ein Antrag auf Absehen der Rückforderung gemäß § 26 Abs, 4 FLAG gestellt. Am wurde ebenfalls ein Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO gestellt, hiezu wurde am ein Vorlageantrag gestellt, welcher noch unbearbeitet ist.

2. Vorbringen:

Wie bereits in meiner Beschwerde vom ausgeführt, hat die belangte Behörde meinen Antrag nicht zur Gänze behandelt. Der von mir am gestellte Antrag richtete sich auf eine Nachsicht gemäß § 236 BAO sowie auf das Absehen der Rückforderung gemäß § 26 Abs. 4 FLAG. In ihrem Bescheid vom sowie in der Beschwerdevorentscheidung vom 7, August 2018 spricht die belangte Behörde nur über meinen Antrag nach § 26 Abs. 4 FLAG ab.

Nach Hebenstreit in Gamlitzer Kommentar zum FLAG stellt das Nachsichtsverfahren nach § 236 BAO ein eigenes Verfahren dar, welches mit Antrag ausgelöst wird und neben dem Verfahren von § 26 Abs. 4 FLAG geführt wird {Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, Familienlastenausgleichsgesetz, Linde, 2011). Die belangte Behörde hat es bis jetzt verabsäumt, meinen Antrag vollinhaltlich zu erledigen und auch über die Nachsicht nach § 236 BAO zu entscheiden. Die Abweisung der Nachsicht, welche nur nach § 236 BAO gewährt werden kann, mit § 26 Abs, 4 FLAG zu begründen, ist inhaltlich falsch.

Ebenso wurde in meiner Beschwerde vom erneut ein Antrag nach § 236 BAO gestellt, welcher von der belangten Behörde ebenso unbearbeitet geblieben ist.

3. § 26 Abs. 4 FLAG

Den Ausführungen in der Beschwerdeentscheidung ist zu entgegen, dass in der Beschwerde zumindest der Antrag gestellt wurde, die Oberbehörde über den Sachverhalt in Kenntnis zu setzten. Da dies nicht geschehen ist, wird der Sachverhalt nun von mir der Oberbehörde zur Kenntnis gebracht.

Weiters wird wie in der Beschwerde ausgeführt, dass § 26 Abs, 4 FLAG keine gesetzliche Grundlage darstellt, nach welcher der Abgabenpflichtige eine Weisung nach § 26 Abs. 4 FLAG einholen müsste, da Weisungen nur innerbehördlich ihre Wirkungen entfalten und keine Bindungswirkungen aufweisen oder Parteienrechte beeinflussen ().

Den Ausführung der belangten Behörde, dass keine Existenzgefährdung erkannt werden kann, muss entgegnet werden, dass ich - wie ich in meinen Antrag bereits ausgefuhrt habe - ich derzeit als Asylberechtigter ein tägliches Einkommen von EUR 19,64 als Kurshilfe des AMS zzgl. einer monatlich schwankenden Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts, gewährt durch die MA 40 (zwischen EUR 245,35 und EUR 302,68) beziehe. Nachweise dazu wurden bereits beigelegt, vgl. auch die Erhebung meiner wirtschaftlichen Verhältnisse durch die belangte Behörde. Meine Wohnungsmiete beträgt derzeit monatlich EUR 430,-  Die Behörde erkennt zu Recht, dass die Rückforderung des gesamten Betrages für mich eine erhebliche Härte bedeuten würde. Dabei übersieht die Behörde aber, dass auch die Rückzahlung in Raten für mich mit einer erheblichen Härte verbunden wäre.

Zur Unbilligkeit der Rückforderung wird auf mein Vorbringen in der Beschwerde vom verwiesen.

Aus verfahrensökonomischen Gründen wäre es tunlich, den Ausgang des Verfahrens über § 236 BAO abzuwarten.

Es  wird beantragt

1. die Vorlage der bezughabenden Akten an das Bundesfinanzgericht; auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird verzichtet;

2. über meinen Antrag gemäß § 236 BAO zu entscheiden

3. Jedenfalls gemäß § 212a BAO von Betreibungs- und Vollstreckungsmaßnahmen bis zur bescheidmäßigen Absprache über meine Anträge Abstand zu nehmen."

****

Da seit dem Nachsichtsansuchen längere Zeit verstrichen ist, forderte das Bundesfinanzgericht den Bf. mit Schreiben vom auf, die Angaben zu seiner wirtschaftlichen Lage zu aktualisieren.

Dieser Aufforderung kam der Bf. mit Eingabe vom nach.

Derzeit sei der Bf. vollbeschäftigt und erhalte einen monatlichen Lohn in Höhe von € 1.221,00. Er verfüge über Bargeld von € 35,00 und sonstige bewegliche Sachen im Werte von € 400,00.

Schulden wurden keine angeführt.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Diese Bestimmung ist nach § 236 Abs 2 BAO sinngemäß auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten anzuwenden.

Gemäß § 1 der Verordnung betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO (BGBl II 2005/435 idF BGBl II Nr. 449/2013) kann die Unbilligkeit im Sinn des § 236 BAO persönlicher oder sachlicher Natur sein.

Gemäß § 2 der Verordnung liegt eine persönliche Unbilligkeit insbesondere vor, wenn die Einhebung

1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde;

2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuld trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme.

Gemäß § 3 der Verordnung liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches

1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die

a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde geäußert oder

b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanz­ver­waltung oder im Internet als Amtliche Veröffentlichung in der Findok veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden;

3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht.

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt zu Unrecht bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kindergeld in Höhe von € 1.986,70 zurück. Der Bf. ersuchte mit Eingabe vom , diesen Betrag gemäß § 236 BAO nachzusehen.

Zwar sind die dem Bf. gewährten Beihilfen nach der Bestimmung des §  290 EO unpfändbare Forderungen, doch ermöglicht die Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG, wonach zurückzuzahlende Beträge auf fällige oder fällig werdende Familienbeihilfen angerechnet werden können, dennoch die Nichtauszahlung der Familienbeihilfe an die Bf. Allerdings sieht § 26 Abs.4 FLAG auch e ine Abstandnahme von der Rückforderung auf Anordnung der Oberbehörde vor, wenn die Rückforderung unbillig wäre, sohin die Voraussetzungen des §  236 BAO vorliegen. Auch laut Durchführungsrichtlinie zum FLAG ist als mögliche Billigkeitsmaßnahme eine Nachsicht gemäß §  236 BAO vorgesehen.

Eine sachliche Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit anderen Fällen zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt. Der im atypischen Vermögenseingriff gelegene offenbare Widerspruch der Rechtsanwendung zu dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Ergebnis muss seine Wurzel in einem außergewöhnlichen Geschehensablauf haben, der auf eine vom Steuerpflichtigen nicht beeinflussbare Weise eine nach dem gewöhnlichen Lauf nicht zu erwartende Abgabenschuld ausgelöst hat, die zudem auch ihrer Höhe nach unproportional zum auslösenden Sachverhalt ist ().

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur zu § 26 FLAG 1967 idF BGBl. I Nr. 8/1998 mehrfach ausgesprochen (z.B. ; , 2000/15/0035), dass die Verpflichtung zur Rückzahlung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe lediglich auf objektive Momente abstellt. Nach der Intention des Gesetzgebers sind somit subjektive Momente bei der Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge nicht zu berücksichtigen, sondern es ist ausschließlich zu prüfen, ob die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe gegeben sind. Das Vorliegen einer einzelfallbedingten sachlichen Einhebungsunbilligkeit ist daher auch dann zu verneinen, wenn der unrechtmäßige Bezug der Familienbeihilfe ausschließlich durch ein Versehen eines Bediensteten der Finanzverwaltung verursacht wird (-F/03; ; ; ).

Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft ( und 96/15/0001; ).

Die Rückforderung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe stellt eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar und begründet daher keine sachliche Unbilligkeit der Einhebung im Sinne des § 236 BAO.

Eine persönliche Unbilligkeit ergibt sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers (bzw. aller Gesamtschuldner). Sie besteht bei einem wirtschaftlichen Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des (der) Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen (). Eine solche Unbilligkeit wird stets gegeben sein, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet wird (z.B. ; , 99/16/0086; , 95/15/0090). Eine Unbilligkeit ist nach der Judikatur jedoch dann nicht gegeben, wenn die finanzielle Situation des Abgabenschuldners so schlecht ist, dass auch die Gewährung der beantragten Nachsicht nicht den geringsten Sanierungseffekt hätte und an der Existenzgefährdung nichts änderte (z.B. ; , 99/15/0161; , 2001/15/0033). Es bedarf keiner Existenzgefährdung; es genügt, wenn die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, z.B. wenn die Abgabenschuld nur unter Verschleuderung von Vermögenswerten entrichtet werden könnte (z.B. ; , 99/16/0086; , 98/13/0073; , 2003/13/0156). Für die Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen sind die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Ansuchen maßgebend (z.B. ) (Ritz, BAO³ Rz 9 zu § 236 BAO).

Gemäß dem Formular "Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse" vom war der Bf. arbeitslos. Vom Arbeitsmarktservice und Sozialamt bezog der Bf. monatlich € 840,00, an Bankguthaben wurde ein Konto mit einem Guthaben in Höhe von € 100,00 angeführt.

An Lebensunterhaltskosten wurden Miete und Betriebskosten in Höhe von € 461,10 angegeben und  weiters eine Ratenvereinbarung mit Wien Energie, mit monatlichen Raten in Höhe von € 100,00 beginnend mit bis vorgelegt.

Es bestehen keine Sorgepflichten.

Der Sachverhalt hat sich insoweit geändert, als der Bf. mittlerweile berufstätig ist. Gemäß seinen eigenen Angaben bezieht der Bf. derzeit ein Gehalt in Höhe von € 1.220,00, Verbindlichkeiten wurden keine angeführt.

Können nun Zahlungserleichterungen Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keiner Abgabennachsicht (vgl. und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im Hinblick auf das monatliche Einkommen des Bf. von gesamt rund € 1.220,00 (x 14 Monate = 17.080,00) steht ihm sohin ein Betrag zur Verfügung zur Verfügung, der das vom Gesetzgeber definierte Existenzminimums deutlich übersteigt.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , GZ. RV/0270-K/08, zu verweisen, in der dargetan wurde, dass einer Abgabepflichtigen mit einem monatlichen Einkommen in Höhe von € 950,00 die Abstattung der Abgabenschulden in Höhe von € 6.800,00 in niedrigen Raten zumutbar ist.

Dieses muss umso mehr für den vorliegenden Fall gelten, wo dem nachsichtsgegenständlichen Rückforderungsbetrag in Höhe von € 1.986,70 ein monatliches Einkommen in Höhe von € 1.221,00 gegenübersteht.

Insgesamt kann daher das Bundesfinanzgericht aufgrund der dargestellten wirtschaftlichen Situation keine persönliche Unbilligkeit erblicken, da die Einhebung der rückgeforderten Familienbeihilfe sowie des Kinderabsetzbetrages jedenfalls nicht die Existenz des Bf. gefährdet.

Bezüglich der Raten wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom heutigen Tag, GZ. RV/7101384/2019, verwiesen.

Mangels Vorliegen einer Unbilligkeit kann daher keine Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO erblickt werden.

§ 26 Abs. 4 FLAG 1967 sieht vor, dass die Oberbehörden ermächtigt sind, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre.

Das Bundesfinanzgericht ist Verwaltungsgericht und nicht Oberbehörde des Finanzamts (vgl. ).

Oberbehörde war bis zur Bundesministeriengesetz-Novelle 2017 BGBl. I Nr. 164/2017 das Bundesministerium (die Bundesministerin) für Familien und Jugend (BMFJ), 1020 Wien, Untere Donaustraße 13-15.

Nunmehr ist (Abschnitt A Z 24 des Teiles 2 der Anlage zu § 2 Bundesministeriengesetz 1986 i. d. g. F.) Oberbehörde das Bundeskanzleramt, wobei gemäß Entschließung des Bundespräsidenten, mit der die sachliche Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten einer eigenen Bundesministerin übertragen wird, BGBl. II Nr. 4/2018, ausgegeben am , der Bundesministerin im Bundeskanzleramt Dr. Juliane Bogner-Strauß die sachliche Leitung unter anderem der zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörenden Angelegenheiten des Familienlastenausgleichs (Z 4 der Entschließung) übertragen wurde (Anschrift: Bundeskanzleramt, Sektion Jugend und Familie, 1020 Wien, Untere Donaustraße 13-15, Internetauftritt weiterhin unter www.bmfj.gv.at)..

Die Oberbehörde kann das Finanzamt anweisen, von einer Rückforderung bei Unbilligkeit abzusehen.

Es muss aber beachtet werden, dass es sich dabei um eine Maßnahme des Aufsichtsrechtes handelt, wobei es strittig ist, ob ein solcher Antrag auch noch nach Ergehen des Rückforderungsbescheides gestellt werden kann. Die Beurteilung dieser Rechtsfrage fällt jedoch nicht in den Kompetenzbereich des BFG.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da dieses Erkenntnis der in diesem Erkenntnis dargestellten VwGH-Judikatur folgt, ist die Revision nicht zulässig.

Wien, am

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